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CHINESISCHE MALEREI: EINE DER »HOHEN KÜNSTE«

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chinesische Malerei: Eine der »hohen Künste«
 
Die chinesische Malerei der letzten tausend Jahre ist im Wesentlichen eine Kunst der Literaten-Beamten, jener dünnen Oberschicht, die Träger der staatlichen Macht und der kulturellen Überlieferung war. Diese Elite ermöglichte ihren Mitgliedern die Aneignung einer literarischen Bildung, die in der Vertrautheit mit klassischen kanonischen Texten, der Fähigkeit, selbst Prosa und Gedichte zu verfassen, und in der Beherrschung der Kalligraphie gründete. Die spezifische Bildung der Literaten war auch die Grundlage ihrer Malerei.
 
Ein durchgängiges Bemühen der Literaten-Maler bestand darin, sich in ihrer Kunst von älteren handwerklichen und professionellen Traditionen, die nach wie vor bestanden, zu distanzieren. Insbesondere religiöse Malerei war die Sache von professionellen, oft anonymen Malern, die in leuchtenden, kräftigen Farben fein ausgeführte Bilder produzierten, oft auf festen Bildträgern wie Wänden oder Stellschirmen. Dagegen bevorzugten die Literaten die Hängerolle, die Querrolle und das Albumblatt. Diese Formate müssen eigens aufgerollt beziehungsweise aufgeschlagen werden, um die Bilder dem Blick des Beschauers darzubieten.Das erhöht seinen Respekt vor dem Kunstwerk und macht das Anschauen zu einem besonderen Ereignis. Die sorgfältig ausgewählten Materialien der Montierung schützen zudem den empfindlichen Malgrund aus Papier oder Seide und steigern die ästhetische Wirkung des Bildes. Zudem eignen sich die genannten Formate dazu, Aufschriften und Siegel späterer Sammler und Kenner aufzunehmen und somit die Geschichte des Werkes zu dokumentieren. Einige Kaiser und auch manche Sammler verewigten sich allerdings auch direkt auf der Bildfläche.
 
Die Dokumentation der Wirkungs- und Überlieferungsgeschichte geht somit eine visuelle und ästhetische Symbiose mit dem Werk selbst ein. Es ist üblich, im Lauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte immer wieder neue Nachschriften hinzuzufügen, und zu diesem Zweck lassen sich eine Querrolle oder ein Album durch Anstückung beliebig erweitern. Bei einer Neumontierung mag ein Werk einige Abschnitte dann auch wieder verlieren, und sein anschaulicher Charakter kann sich noch einmal grundsätzlich wandeln. Es lässt sich also gar kein Zeitpunkt definieren, zu dem ein chinesisches Bild seine endgültige Gestalt angenommen hat. Es kann ständig weiterwachsen, wie ein Baum, der immer weitere Jahresringe zulegt. Die erste Aufschrift auf einem Bild verfasst der Maler in der Regel selbst. Es kann ein Bericht über die Entstehung des Werkes, eine künstlerische Selbstinterpretation oder auch ein Gedicht sein. Der Literat schafft demnach ein Gesamtkunstwerk, in dem er die drei hohen Künste (Poesie, Kalligraphie und Malerei) vereint.
 
Die Materialien des Malers sind Papier, Pinsel, Tusche und Reibstein. Diese »vier Schätze des Literatenzimmers« sind keine anderen als die, die ein Kalligraph und Dichter benutzt oder auch ein Beamter für den offiziellen Schriftverkehr. Das einzige, was ein Maler noch zusätzlich benötigt, sind die wasserlöslichen Mineral- und Pflanzenfarben, die er jedoch keineswegs in allen Bildern und wenn, dann meist nur recht sparsam verwendet.
 
Auch in der Ästhetik orientieren sich die Literaten-Maler an der vornehmsten bildenden Kunst Ostasiens, der Kalligraphie. Die Ästhetik der Kalligraphie gründet in der Vorstellung, dass der Pinselzug des Schreibenden der unmittelbare Niederschlag seiner Persönlichkeit ist. Indem der Betrachter der in den Bewegungen des Pinsels sichtbar gewordenen Körpersprache des Kalligraphen mit dem Auge nachfolgt, ist es, als blicke er über die Schulter des Schreibenden selbst, auch wenn beide durch viele Jahrhunderte oder Tausende von Meilen getrennt sind. Diese Nutzung des ästhetischen Potenzials der Kalligraphie war ein wesentlicher Faktor für die Aufrechterhaltung des kulturellen und sozialen Zusammenhangs in China. Das entsprechende Potenzial nutzten die Literaten auch in ihrer Malerei. Die bildnerischen Mittel, also zuallererst der Pinselstrich, dienten ihnen nicht in erster Linie zur Wiedergabe eines Gegenstandes, sondern waren auch hier Ausdruck der Persönlichkeit. Damit gewannen die Künstler an gestalterischer Selbstständigkeit. Dagegen trat die Forderung nach Übereinstimmung mit der Wirklichkeit in den Hintergrund. Chinesische Maler verzichteten gerne auf naturgetreue Wiedergabe, Perspektive und realistisches Kolorit. Statt dessen galt ihnen ein Bild, wie die Schrift, als Gestalt gewordene Manifestation der Künstlerpersönlichkeit.
 
So wie alle Literaten die Kalligraphie erlernten, indem sie zunächst viele Jahre ihres Lebens der »vorgeschriebenen« Form folgten, so studierten malende Literaten »Vorbilder«, die sie in den kanonischen Werken berühmter, meist alter Meister erkannten. Freilich blieb es immer ihr Ziel, den Stil der zum Teil recht diversen Vorlagen in einer gestalterischen Synthese zu vereinigen und schließlich zu einem persönlichen und unverwechselbaren Stil zu finden. Der Bezug auf alte Meister kann sehr vielschichtig sein, und oft kommentieren die Maler die künstlerische Tradition ihrer Werke selbst. Da Chongguang etwa schreibt in der Nachschrift zu seinem Orchideenbild, dass er die Kunst seines Zeitgenossen Yun Shouping (* 1635, ✝ 1690) bewunderte, der als Blumenmaler brillierte. Yun Shouping wiederum orientierte sich an dem großen Maler und Theoretiker Dong Qichang (* 1555, ✝ 1636). Eines von dessen Orchideengedichten kopierte und kommentierte Da Chongguang auch auf seiner Rolle. Dong Qichang hatte seinerseits dieses Gedicht ursprünglich auf ein Werk der Orchideenmalerin Guan Daosheng (* 1262, ✝ 1319) geschrieben, eine von etlichen Frauen in China, die sich als Malerin einen Namen gemacht haben. Durch seine Aufschriften und seine stilistischen Anspielungen stellt Da Chongguang sein Werk also in einen Traditionsrahmen der Orchideenmalerei mit Fixpunkten im 13., 16. und 17. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert hat dann ein Sammler noch eine Nachschrift hinzugefügt, in der er die kunsthistorische Dimension des Werkes weiter kommentiert.
 
Die Orchidee gehört mit Chrysantheme, Pflaume und Bambus zu den »vier Edlen Pflanzen«, für die die Literaten eine Vorliebe entwickelten. Sie assoziierten die Orchidee mit dem unglücklichen Dichter und Orchideenliebhaber Qu Yuan (vermutlich * 343, ✝ 290 v. Chr.), der, verleumdet und vom Hof verjagt, bei den Flüssen Xiao und Xiang herumirrte und sich schließlich verzweifelt ertränkte. Für spätere Generationen wurde er das tröstliche Vorbild des verkannten Staatsdieners ohne Amt. Wie die Orchidee blüht er im Verborgenen und gibt sich nur dem Wissenden durch sein kultiviertes Aroma zu erkennen. Es ist daher auch kein Zufall, dass die Orchideenmalerei unter der Fremdherrschaft der Mongolen im 13. und 14. Jahrhundert besonders gepflegt wurde. Die herbstliche Chrysantheme erinnert an Tao Qian (* 365, ✝ 427), ebenfalls einer der größten Dichter Chinas. Er zog sich mit dreißig Jahren aus der Beamtenkarriere zurück, um auf dem Land ein alternatives Leben zu führen und sich an Wein und Chrysanthemen zu erfreuen. Die Winterpflaume symbolisiert Ausdauer, aber auch die frisch erblühte weibliche Schönheit, und der Bambus schließlich die aufrechte Haltung des Beamten in widrigen politischen Umständen: Er biegt sich im Wind, aber er bricht nicht.
 
Die Bildwelt der Literaten-Maler dient im Wesentlichen ihrer Selbstdarstellung. Es ist jedoch auffallend, dass nie Szenen aus der beruflichen Arbeit gezeigt werden, obwohl doch viele Maler vor allem Beamte waren oder doch für Beamte malten. Statt repräsentativer Amtsgebäude findet man schlichte ländliche Anwesen, und wenn jemand schreibt, so sind es keine Aktennotizen, sondern Gedichte. Die Malerei beschwört die idealisierte Gegenwelt zum bürokratischen Alltag.
 
Das beliebteste Sujet der Literaten war die Landschaft. Die Menschen, die sich darin ergehen, sind wiederum meist weltflüchtige Aussteiger. Vielfach stellt sich der Maler dabei selbst dar, aber auch der Empfänger des Bildes oder ein späterer Betrachter mag sich in diesen Figuren wiedererkennen. In der für die Literaten-Malerei so typischen Vielschichtigkeit offenbart sich das ungebrochene Vertrauen darauf, dass sich die gewachsene chinesische Kulturtradition wie die Landschaft ständig aus eigener Kraft regeneriert.
 
Prof. Dr. Lothar Ledderose
 
Literatur:
 
Im Schatten hoher Bäume. Malerei der Ming- und Qing-Dynastien (1368—1911) aus der Volksrepublik China. Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 13. Januar — 10. März 1985, herausgegeben von Lothar Ledderose in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden und dem Kunsthistorischen Institut der Universität Heidelberg. Baden-Baden 1985.
 Watson, William: China. Kunst und Kultur. Ins Deutsche übertragen von Ruth Herold u. a. Farbphotographien von Jean Mazenod u. a. Freiburg im Breisgau u. a. 21982.


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