Erhard,
Ludwig, Politiker, * Fürth 4. 2. 1897, ✝ Bonn 5. 5. 1977; 1929-44 am Institut für Wirtschaftsbeobachtung an der Handelshochschule Nürnberg tätig, dem Nationalsozialismus gegenüber ablehnend eingestellt, befasste sich gegen Kriegsende mit Fragen der Wirtschafts- und Finanzentwicklung Deutschlands nach dem Kriege. In seinen gesellschaftspolitischen Anschauungen stand er den »Neoliberalen« nahe.
Nach dem staatlichen Zusammenbruch Deutschlands (Mai 1945) beriet Erhard die amerikanische Besatzungsmacht in wirtschaftspolitischen Fragen. 1945/46 war er bayerischer Wirtschaftsminister, danach Leiter der Sonderstelle Geld und Kredit, die im Auftrag der amerikanischen und britischen Besatzungsmacht eine Währungsreform vorbereitete. 1947 wurde Erhard Honorarprofessor an der Universität München. Als Direktor der Wirtschaftsverwaltung des »Vereinigten Wirtschaftsgebietes« (1948/49) erklärte er am 20. 6. 1948, dem Tag der Währungsreform, gegen den Widerstand der Besatzungsmächte das Ende der Zwangswirtschaft.- Ab 1949 Mitglied des Bundestags (bis 1976) schloss er sich politisch der CDU an. Als Bundeswirtschaftsminister (1949-63) setzte er das Prinzip der »sozialen Marktwirtschaft« durch, wobei er sich u. a. gegen Wettbewerbsbeschränkungen durch Kartelle und Monopole wandte. Der von ihm eingeleitete wirtschaftliche Aufschwung begründete seinen Ruf als »Vater des deutschen Wirtschaftswunders«. 1957-63 war er zugleich Vizekanzler.
Am 16. 10. 1963 wählte der Bundestag Erhard zum Bundeskanzler (an der Spitze einer kleinen Koalition aus CDU/CSU und FDP), nachdem K. Adenauer zuvor versucht hatte, dessen Qualifikation als Regierungschef infrage zu stellen. Er verstand sich als »Volkskanzler«, der in seiner Innenpolitik die Gruppeninteressen auf das ihnen zukommende Maß einzuschränken suchte (formierte Gesellschaft). Außenpolitisch knüpfte er an die Grundlinien K. Adenauers an. Gestützt auf Erhards Ansehen in der Bevölkerung, errang die CDU/CSU 1965 einen hohen Wahlsieg. 1966/67 war Erhard auch Vorsitzender der CDU. Nach der Wahlniederlage der CDU in Nordrhein-Westfalen (1966) wuchs die innenparteiliche Kritik an Erhards Führungsstil sowie der Wunsch starker Kräfte in der Union nach Bildung einer großen Koalition mit der SPD, die Erhard entschieden ablehnte. Im Oktober 1966 zerbrach die Koalition von CDU/CSU und FDP; am 1. 12. 1966 trat Erhard als Bundeskanzler zurück.
Werke: Wohlstand für alle (1957); Deutsche Wirtschaftspolitik (1962).
Literatur:
L. E., Erbe u. Auftrag, hg. v. K. Hohmann (21978);
V. Hentschel: L. E. (1996).