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BABYLONISCHASSYRISCHE LITERATUR: ENTFALTUNG DER ÜBERLIEFERUNG DIE DICHTUNG

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babylonisch-assyrische Literatur: Entfaltung der Überlieferung - Die Dichtung
 
Die reiche Überlieferung der in Keilschrift geschriebenen und vornehmlich in babylonisch-assyrischer Sprache verfassten Literatur des 2. und 1. Jahrtausends v. Chr. nimmt Stoffe auf, die bereits im Sumerischen vorgeprägt sind; sie entwickelt diese aber entscheidend weiter und fügt andere Gattungen der Literatur hinzu, die im Sumerischen noch nicht angelegt waren. Hierzu zählt zunächst die Epik. Große Erzählungen mythischen und heroischen Inhalts wurden jetzt aus schon bestehenden Episoden zusammengefügt. So wurde das Gilgamesch-Epos in der späten Version des 7. Jahrhunderts, die uns die Bibliothek Assurbanipals in Ninive wenigstens zum Teil bewahrt hat, zu einer Gesamtkomposition von zwölf Tafeln umgeformt; dadurch wurde es möglich, die verschiedenen Episoden, die quasi unverbunden in der sumerischen Tradition nebeneinander standen, thematisch aufeinander zu beziehen und ein sinnvolles Szenarium zu entwickeln und durchzuhalten.
 
Kompositorisch wurde dies dadurch erreicht, dass in der ersten Hälfte des Zwölf-Tafel-Epos die gemeinsamen Taten von Gilgamesch und Enkidu geschildert werden bis hin zu Enkidus Tod, der Strafe für die Verletzung göttlicher Normen. Im zweiten Teil, der die Suche des Gilgamesch nach dem ewigen Leben zum Thema hat, wurde der Rückbezug auf den ersten Teil dadurch hergestellt, dass Gilgamesch bei verschiedenen Gelegenheiten die Gründe für seine Lebenssuche in immer wieder gleichen Worten schildern kann.Ein Prooemium, das jetzt dem eigentlichen Epos vorausgestellt ist und das mit ähnlichen Worten nochmals am Ende der Flutsage auf Tafel 11 aufgenommen wird, fasst die Dichtung zusammen: Die Mauer von Uruk in ihrer Perfektion wird dem Helden Unsterblichkeit in seinem Werk bewirken. Umso auffälliger ist es, dass die zwölfte Tafel, die schlichte Übersetzung eines sumerischen Textes, unorganisch angehängt ist. Ähnlich durchkomponierte große Dichtungen sind das Atrachasis-Epos, das von der Erschaffung und Vernichtung des Menschengeschlechts handelt, oder das Weltschöpfungsepos »Enuma elisch« (»Als droben. ..«), das den Aufstieg des Gottes Marduk zum beherrschenden Gott im babylonischen Pantheon feiert. Sind hier noch ursprünglich sumerische Motive aufgenommen und modifiziert, so ist das Erra-Epos, das das Wüten des Pestgottes Erra in Babylonien und seine Besänftigung durch seinen Wesir Ischum schildert, thematisch ebenso neu wie eine Anzahl von Kriegsepen, die jetzt sowohl in Babylonien als auch in Assyrien entstanden.
 
Die meisten dieser Texte verwenden gelegentlich - wenn auch nicht regelmäßig - bestimmte Stilmittel, die die semitische Dichtung auch noch in jüngerer Zeit charakterisieren. Hier ist vor allem die Figura etymologica zu nennen, eine Vorliebe altorientalischer Dichter für die Verwendung von gleichen Wortstämmen für Substantive und Verben (»einen Schlag schlagen«). Auch die Alliteration, der Gebrauch gleich klingender Wortanfänge, oder der Chiasmus, eine Wortstellung, in der im ersten Satz das Verb am Anfang und das Substantiv am Schluss, im zweiten das Substantiv am Anfang und das Verb am Schluss steht, sind häufig benutzte Stilfiguren. Die fast ausnahmslos anonymen Schreiber lassen uns außerdem auf den Keilschrifttafeln häufig erkennen, dass die Texte strophisch verfasst und Sinneinheiten zu Zeilen zusammengefasst sind, die möglicherweise auch die gleiche Silbenzahl haben. Ob damit bereits Anfänge einer Metrik vorliegen, ist sehr zweifelhaft, da wir über die Aussprache und Betonung der längst ausgestorbenen Sprachen nichts Genaues wissen. In diesem Zusammenhang verdient auch ein beliebter Kunstgriff Erwähnung: Im poetischen religiösen Werk, das in Form eines Dialogs die Frage nach dem leidenden Gerechten stellt, wurden die Versanfänge jeweils als Akrostichon ausgebildet, also je elf Zeilen mit dem gleichen Keilschriftzeichen begonnen; liest man diese Keilschriftzeichen in ihrer Reihenfolge im Gedicht, ergeben sie den Namen und Titel des Verfassers. Da aber diese Form der Verschriftung dem Hörer nicht bewusst sein konnte, muss ein solcher Text bereits für einen Leser - und nicht nur einen Hörer - konzipiert worden sein.
 
Bei anderen Gattungen fällt vor allem in der assyrischen Literatur die große Zahl von Feldzugsberichten auf, die teilweise nicht nüchtern-sachlich, sondern in gehobener Sprache abgefasst sind. Sie wurden aus Inschriften entwickelt, die beim Bau eines Heiligtums oder eines Palastes die Verdienste des Bauherrn dokumentieren sollten. Als Erweiterung wurden ihnen die Taten des Herrschers in Form von Rechenschaftsberichten beigefügt und teilweise sehr lebendig, teilweise auch in Stereotypen geschildert. Diese Inschriften erzählten die aktuelleren Ereignisse in der Regel ausführlich, die weiter zurückliegenden nur in geraffter Form; redaktionelle Arbeit an bereits vorliegenden Texten war also durchaus üblich.
 
Profane Texte scheinen auch einige Liebeslieder gewesen zu sein, die bisher zwar in Keilschrifttexten nicht aufgetaucht sind, uns aber in einem Katalog überliefert sind, der allerdings nur ihre Anfänge zitiert. Für den Kult gab es zahlreiche Lieder und Dichtungen, die ihre Herkunft aus ganz spezifischen und liturgischen Erfordernissen nicht verleugnen können. So wurden bei Opferschauen, das heißt bei einem Opfer, das gleichzeitig der Erkundung des Gotteswillens durch bedeutungsvolle Vorzeichen diente, Gebete gesprochen, die auch die Stimmung der Situation wiedergeben können. Neben solchen Liedern, von denen wir uns vorstellen können, dass sie im kultischen Gesang vorgetragen wurden oder in den Gottesdienst der Priester gehörten, sind nicht wenige Texte erhalten, die das persönliche Verhältnis eines Beters zur Gottheit thematisieren. Diese Dichtungen gingen Hand in Hand mit einer Entwicklung des babylonischen Denkens und religiösen Fühlens, das durch ein Eingeständnis der Schuld, durch das Bewusstsein der eigenen Sünde geprägt war. Solche persönlichen Klagelieder, die in mancher Hinsicht an die großen Klagen der sumerischen Dichtung anknüpfen, konnten sich auch einer reichen Bildersprache bedienen. Die Klage einer sterbenden Wöchnerin bringt etwa eine Intensität des Gefühls zum Ausdruck, die auch für den heutigen Leser noch spürbar ist: Indem der Dichter ihre Klage zunächst scheinbar durch die Metapher des Schiffswracks abmildert, führt er direkt zur Todesproblematik hin. Denn für die Babylonier war das Schiff, das den sicheren Hafen sucht, ein Symbol für das noch ungeborene Kind (»Das Schiffstau ist der sichere Ankerplatz, das Halteseil der Barke der Kai des Lebens«); ist das Tau gekappt, so bedeutet das Tod, das Überschreiten des Todesflusses hin zur Unterwelt (»Innenstadt«). Auch die Anrufung der Schöpfergöttin Beletili kann an dem tragischen Geschick der Wöchnerin nichts mehr ändern.
 
Eine der bedeutendsten babylonischen Dichtungen ist das mit seinen 480 Versen auch besonders umfangreiche Lehrgedicht vom »leidenden Gerechten«. Nach einer langen Klage des Dulders über seine Gottverlassenheit, sein Unglück bei den Menschen, über die Unbegreiflichkeit alles göttlichen Handelns - ein Thema, das das Buch Hiob des Alten Testaments in ganz ähnlicher Form bestimmt - wird doch am Schluss durch die unerklärliche Gnade des Gottes Marduk alles Unheil gewendet und alle Not gelindert. Der Lobpreis dieses Gottes, der bereits am Anfang ertönte, beherrscht nach aller Düsternis des Geschilderten nun auch das Ende der Dichtung.
 
Prof. Dr. Wolfgang Röllig


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