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ARBEIT: DENKMODELLE FÜR EINE NEUE ARBEITSWELT

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Arbeit: Denkmodelle für eine neue Arbeitswelt
 
Ein gutes Bildungswesen muss den Menschen helfen, die tief greifenden Umgestaltungen der Arbeits- und Sozialstrukturen konstruktiv zu bewältigen. Das grundlegende Dilemma der modernen Informations- und Wissensgesellschaft indessen kann kein Ausbildungssystem der Welt lösen. Die Arbeitsproduktivität hat rasant zugenommen, in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren um rund 100 Prozent — und sie nimmt weiter zu. Bei den derzeit gültigen Regeln für die Verteilung von Arbeit und Einkommen bedeutet dies, dass die Arbeitslosenzahlen weiterhin steigen.
 
Hinzu kommt ein Aufweichen bisheriger sozialer Absicherungen, sowohl in einzelnen Arbeitsverhältnissen als auch bei staatlichen Zuwendungen, für die mit steigenden Arbeitslosenzahlen immer weniger Ressourcen zur Verfügung stehen. Besonders im sozialen Bereich und in nicht gewinnorientierten Sektoren fehlt es an Arbeitskräften, weil dafür zu wenig Geld zur Verfügung steht.Die Gesellschaft steht hier vor tief gehenden Konflikten der Interessen und Werte. Für die Lösung dieser Probleme liegen im Augenblick lediglich Denkansätze vor.
 
 Megaproblem Arbeitslosigkeit
 
Das Paradies ist ein Ort, wo die Technologie so weit fortgeschritten ist, dass es möglich ist, alle materiellen Waren praktisch ohne jegliche Kosten herzustellen. Der Haken an der Sache ist, dass in einer solchen Situation niemand bezahlt werden könnte, mit dem Ergebnis, dass unser Produktionsparadies eher wie eine gesellschaftliche Hölle — kein Geldeinkommen und hundert Prozent Arbeitslosigkeit — aussähe.« So beschreiben Orio Giarini und Patrick M. Liedtke in einem Bericht an den Club of Rome das Dilemma der modernen Industrienationen.
 
Weltweit sind 35 Millionen Menschen in den Industrieregionen ohne Arbeit, 18 Millionen allein in Europa. Davon sind 45 Prozent Langzeitarbeitslose. Hinzu kommt eine Milliarde Menschen ohne Arbeit in den Entwicklungsländern. War in den vergangenen 20 Jahren insbesondere der Produktionsbereich von Rationalisierungen betroffen, so findet der Arbeitsplatzabbau in naher Zukunft vor allem im Dienstleistungssektor statt. Bei konsequenter Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien würden im schlimmsten Fall 15 Millionen Arbeitsplätze wegfallen.
 
Schon heute leben 100 Millionen Menschen in den Industrieländern in Armut. Hohe Arbeitslosigkeit aber bedeutet, dass den dortigen Sozialsystemen Einkünfte verloren gehen, die in den unteren sozialen Schichten besonders dringend gebraucht würden. Diese Situation hat weitreichende Konsequenzen für die gesamte Gesellschaft, denn sie fördert Probleme wie Kriminalität, Rassismus und soziale Unruhen. Eine französische Studie über Unruhen in den Städten der Ersten Welt kommt zu dem Ergebnis, dass es immer ehemalige Arbeiterstädte mit hohen Zahlen an Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit sind, die von der Informationsgesellschaft abgehängt wurden. Mit der anstehenden Rationalisierungswelle in den Dienstleistungsbereichen könnte Ähnliches den heutigen Metropolen von Handel und Banken drohen.
 
Zudem wächst für immer mehr Arbeitnehmer die Unsicherheit durch »prekäre« Beschäftigungsverhältnisse, die das finanzielle und soziale Risiko auf den Einzelnen verlagern. Viele US-amerikanische Unternehmen gehen dazu über, ihre gesamte Belegschaft in ein Zweistufensystem einzugliedern. Eine Stammbelegschaft von Dauer- und Vollzeitbeschäftigten wird ergänzt durch Teilzeit- oder Zeitbeschäftigte, die oft nur den halben Stundenlohn der Stammbelegschaft erhalten und keinen Anspruch auf soziale Absicherungen und Zusatzleistungen haben. Mehr als ein Viertel aller amerikanischen Arbeitnehmer haben lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag. 1,5 Millionen Arbeitskräfte werden in den USA von Zeitarbeitsfirmen vermittelt. Diese Veränderungen haben einerseits dazu beigetragen, dass seit 1993 elf Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen wurden und die Arbeitslosenquote auf 5,5 Prozent sank. Andererseits gingen auch die Einkommen im Durchschnitt um drei Prozent zurück, und es entstand eine Schicht von »working poor«, die trotz Erwerbsarbeit auf Sozialhilfe angewiesen sind. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird in den USA immer größer.
 
In Deutschland wird im Medienbereich bereits praktiziert, was anderen Branchen vielleicht noch bevorsteht. Bei den privaten Fernsehstationen ist die Festanstellung zur Ausnahme, die projektgebundene Auftragsarbeit dagegen zur Regel geworden. RTL, der größte deutsche Privatkanal, hat Ende des 20. Jahrhunderts 900 Festangestellte und 4000 freie Mitarbeiter. Ähnlich sieht es bei anderen Sendern aus. Ein Projekt erfordert vollen Einsatz und Arbeit rund um die Uhr, die die Auftraggeber durchaus honorieren. Ob danach jedoch eine Weiterbeschäftigung folgt, ist oft ungewiss. An die Gründung einer Familie ist unter solchen Umständen kaum zu denken. Der Großteil dieser Mitarbeiter ist unter dreißig und ungebunden.
 
 Mangel an Arbeitskräften
 
Paradoxerweise steht dem Millionenheer der Arbeitslosen ein großer Bedarf an Arbeitskräften gegenüber, der ebenfalls durch die herrschenden Verteilungsregeln nicht befriedigt werden kann. Die Prognos-Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung stellt für die Arbeitsmarktentwicklung bis ins Jahr 2010 fest: »Für die Betreuungs- und Beratungstätigkeiten ist von einem Bedeutungszuwachs auszugehen.« Die sozioökonomischen Rahmenbedingungen allerdings zwingen die öffentliche Hand zu Sparmaßnahmen, die Neueinstellungen in diesem Sektor verhindern. Ausgerechnet im Bereich Unterricht und Lehre, der eine Schlüsselfunktion in der Bewältigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts einnimmt, sollen die Sparmaßnahmen besonders negativ zu Buche schlagen. Allenfalls in der sozialmedizinischen Versorgung erwarten die Experten Stabilität, was jedoch angesichts des medizinischen Fortschritts und der steigenden Zahl alter Menschen zukünftig einer faktischen Unterversorgung gleichkommt.
 
Fehlenden Kindergartenplätzen standen im Jahr 1997 15 Prozent arbeitslose Kindergärtnerinnen gegenüber. 14 Prozent der Gymnasiallehrer, 11 Prozent der Real-, Volks- und Sonderschullehrer und 11 Prozent der Lehrer in außerschulischen Bereichen fanden im gleichen Jahr keine Arbeit. Zugleich war Baden-Württemberg, eines der reichsten Bundesländer in einem der reichsten Länder der Welt, am Ende des 20. Jahrhunderts nicht in der Lage, an seinen Grundschulen eine Halbtagsbetreuung der Schüler zu garantieren.
 
In vielen sozialen Bereichen führt der Geldmangel zu einer notorischen Überlastung. Dies gilt hauptsächlich für Pfleger von kranken, behinderten und alten Menschen. Aber auch in der Privatwirtschaft verstärkt sich die Tendenz, dass denjenigen, die Arbeit haben, immer mehr abverlangt wird. Computer beschleunigen und verdichten die Arbeitsabläufe. Arbeit ist keine Frage der physischen Belastung mehr. Jedoch wächst der psychische Druck durch hohe Anforderungen an das Konzentrationsvermögen, an flexible Reaktionen auf Unvorhergesehenes und durch hohen Entscheidungsdruck. Vor allem in mittleren und höheren Positionen gibt es de facto kaum noch geregelte Arbeitszeiten. Samstagsarbeit ist vielerorts eine Selbstverständlichkeit und zunehmend wird auch der Sonntag zur Disposition gestellt. So scheint die Welt nur ein Zuviel oder ein Zuwenig an Arbeit zu kennen.
 
 Denkmodelle für eine neue Arbeitswelt
 
An der Schwelle zum dritten Jahrtausend steht die Gesellschaft somit vor zwei fundamentalen Konflikten: Die Produktivität ist so hoch geworden, dass — bleiben die bisherigen Regeln der gesellschaftlichen Arbeitsverteilung gleich — die Arbeitslosenzahlen steigen und die Gesellschaft politisch und sozial destabilisiert wird. Dieselben Regeln verhindern jedoch die Einstellung neuer Arbeitskräfte, um den steigenden Bedarf an sozialen Dienstleistungen zu decken. Patentrezepte, die bei den verschiedenen Interessengruppen in Wirtschaft und Politik auf allgemeinen Konsens stoßen würden, sind nicht in Sicht. Künftig kommt es hier wohl zu harten Auseinandersetzungen.
 
Unterschiedliche Lösungsansätze gibt es vonseiten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie von den verschiedenen politischen Parteien. So setzt der Bundesverband der Deutschen Industrie, kurz BDI, auf ein verstärktes Wachstum. Eine weitere Erhöhung der Produktivität soll neue Arbeitsfelder und neue Arbeitsplätze schaffen, beispielsweise in der Medienindustrie. Voraussetzung dafür ist aus der Sicht der Industrie, dass finanzielle und rechtliche Einschränkungen für die Unternehmen abgebaut und Marktmechanismen in allen Bereichen der Gesellschaft verstärkt werden.
 
Die Gewerkschaften vertreten eine Verkürzung der individuellen und kollektiven Arbeitszeit. Sie wollen die Konjunktur durch staatliche Lenkungsmaßnahmen ankurbeln, die die Nachfrage erhöhen. Gefordert wird die steuerliche Entlastung der unteren und mittleren Einkommensgruppen und — im Gegenzug — eine stärkere Belastung von großen privaten Vermögenswerten und Spekulationsgewinnen.
 
Unter Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern ist in den letzten Jahren ebenfalls eine Diskussion um neue Denkansätze in Gang gekommen. So schlagen Orio Giarini und Patrick M. Liedtke in ihrem Bericht an den Club of Rome ein Dreischichtenmodell der Arbeit vor. Danach soll jedes Mitglied der Gesellschaft einen garantierten 20-Stunden-Arbeitsplatz erhalten, auf dem er gemeinnützige Arbeiten verrichten kann. Bezahlt wird dies aus den Geldern, die bislang für Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe ausgegeben wurden. Eine zweite Schicht sollen zusätzlich oder anstelle der ersten die herkömmlichen Arbeitsverhältnisse bilden. Die dritte Schicht schließlich besteht aus Eigenleistungen und ehrenamtlichen Tätigkeiten.
 
Andere Fachleute schlagen ein »Bürgergeld« oder garantiertes Grundeinkommen für alle vor. Nichtarbeitende wie Rentner, Arbeitslose oder Hausfrauen wären so abgesichert. Arbeitenden zahlt der Unternehmer ein zusätzliches Gehalt, das um das Grundeinkommen niedriger liegt als der heute übliche Lohn. Die Finanzierung dieses Systems müsste sich aus den Einsparungen speisen, die bei den Sozialversicherungssystemen und den Unternehmen auflaufen.
 
Schon bei kurzer Prüfung dieser Modelle wird klar, dass keines zu verwirklichen wäre, ohne dass für bestimmte Gruppen nachteilige Auswirkungen auftreten würden. Widerstände sind deshalb vorprogrammiert. Manches sinnvolle Konzept ist nur durchzusetzen, wenn ein breiter Wertewandel in der Gesellschaft stattfindet. Voraussetzung wäre die Abwertung von Tätigkeiten, die auf kurzfristige Gewinne ausgerichtet sind. Im Gegenzug müsste die Aufwertung langfristiger Investitionen in menschliche Ressourcen erfolgen. Nicht materielle Aspekte des Wohlstands wie eine intakte Umwelt, Bildung sowie körperliche und psychische Gesundheit erhielten eine größere Bedeutung.
 
Birgit Hummler-Schaufler
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Bildung für die Welt von morgen
 
Arbeit: Wertewandel und Bevölkerungsentwicklung prägen die Arbeitswelt
 
Arbeit: Die Arbeitswelt von morgen
 
Arbeiten in neuen Strukturen
 
Literatur:
 
Arbeit ohne Zukunft? Organisatorische Konsequenz der wirtschaftlichen Informationsverarbeitung, herausgegeben von Rainer Thome. München 1997.
 
Fabrik der Zukunft. Flexible Fertigung, neue Produktionskonzepte und gewerkschaftliche Gestaltung, herausgegeben von Siegfried Bleicher u. a. Hamburg 1988.
 Giarini, Orio und Liedtke, Patrick M.: Wie wir arbeiten werden. Der neue Bericht an den Club of Rome. Aus dem Englischen. Taschenbuchausgabe München 1999.
 Warnecke, Hans-Jürgen: Die fraktale Fabrik. Revolution der Unternehmenskultur. Taschenbuchausgabe Reinbek 1996.
 Weidig, Inge, u. a.: Arbeitslandschaft der Zukunft. Quantitative Projektion der Tätigkeiten. Nürnberg 1998.
 Willke, Gerhard: Die Zukunft unserer Arbeit. Frankfurt am Main u. a. 1999.


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