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BYZANTINISCHE KULTUR: BEWAHRUNG UND VERMITTLUNG

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byzantinische Kultur: Bewahrung und Vermittlung
 
Die byzantinische Kunst und Kultur erbrachte in sehr unterschiedlicher Form Transferleistungen für die westliche Kultur. Ihre besondere Vorliebe, das Überlieferte zu bewahren und zu kommentieren, lässt sich exemplarisch an der Rezeption des römischen Rechts zeigen: Während es im Westen mit dem Niedergang des Römischen Reichs seine Gültigkeit verlor, legten die byzantinischen Rechtsschulen in Beirut und Konstantinopel ihrem Unterricht weiterhin die klassischen Juristenschriften und Kaisererlasse zugrunde. Justinian I. ließ diese unübersichtliche Rechtsmasse zu einem Gesetzbuch zusammenfassen. Dieses durch byzantinische Gelehrte fortwährend überarbeitete »Corpus Iuris Civilis« wurde dann ab dem 11. Jahrhundert in Pavia und Bologna »wieder entdeckt« und bildete dort die Grundlage eines aufblühenden Rechtsunterrichts.
 
Besonders die durchgängige Überlieferung der antiken Tradition ließ die byzantinische Kultur so attraktiv für den Westen erscheinen. Ohne die hohen Schulen in Byzanz, ohne seine berühmten Bibliotheken und ohne eine verhältnismäßig große Schicht gebildeter Laien wären auch die literarischen Zeugnisse der klassischen Zeit Griechenlands - etwa Homer, Hesiod, Platon oder Herodot - nicht weitervermittelt worden.Das Studium antiker Schriften - etwa derjenigen des Aristoteles - oder mathematischer und astronomischer Texte wurde in einem kulturellen Austausch von den Arabern übernommen; in den Fällen, in denen die griechischen Originaltexte nicht mehr fassbar waren, wurden sie später direkt aus dem Arabischen ins Lateinische übertragen.
 
Wie man aus zeitgenössischen Quellen weiß, schätzte man im Westen bestimmte künstlerische Fertigkeiten, die hier keine ausgeprägte Tradition hatten: die Seidenweberei, die Anfertigung von Mosaiken, die Emailkunst oder den Bronzeguss. Die Wege, auf denen kunsthandwerkliche Gegenstände aus Byzanz in den Westen gelangten, konnten sehr verschieden sein: Als Gesandtschaftsgeschenk kam etwa die Mitgift der mit Otto II. verheirateten byzantinischen Prinzessin Theophano. Doch auch Beutestücke erreichten den Westen - etwa das Raubgut, das nach der Eroberung Konstantinopels im 4. Kreuzzug verschleppt wurde und in dem sich zum Beispiel die vier Bronzepferde befanden, die schließlich über dem Mittelportal von San Marco in Venedig aufgestellt wurden. Das wichtigste »Einfallstor« byzantinischer Kultur war aber sicherlich Italien. Bis um die Mitte des 8. Jahrhunderts bestand mit dem Exarchat von Ravenna ein byzantinischer Vorposten in Italien und ein Umschlagplatz im Ost-West-Handel, bis zur arabischen Eroberung war Sizilien byzantinisch, in den süditalienischen Provinzen lebte zudem eine griechische Bevölkerung mit griechischen Gemeinden in Rom und anderen italienischen Städten.
 
Der Ortswechsel von Byzanz in den Westen war allerdings für einige Objekte mit einem Funktionswechsel verbunden. So schmücken zahlreiche byzantinische Elfenbeine westliche mittelalterliche Handschriften, obwohl diese Funktion für eine Ikone in Byzanz eher unüblich war. Die durchgängige Konfrontation mit dem, was die byzantinische Kultur zu bieten hatte, führte nicht nur zu dem Wunsch, derartige Gegenstände in den eigenen Besitz zu bringen, sondern auch zu Nachproduktionen oder sogar zu Kopien. In einigen Fällen - etwa bei hochverehrten Marien- oder Christusikonen oder auch bei Reliquien - stand der Erwerb dieser durch Authentizität charakterisierten Gegenstände im Vordergrund, bei anderen ließen sich zudem (kirchen)politisch bestimmte Positionen durch ihren Besitz erkennbar machen. So war der Aneignung byzantinischer Kultur vielfach auch ein impliziter Machtanspruch zu Eigen. So schlug sich der Wunsch, die Nachfolge von Konstantinopel anzutreten, sowohl in Venedig, vor allem an San Marco, aber auch im serbischen Herrscherhaus durch die Übernahme byzantinischer Kultur nieder.
 
Byzantinisches spielte schon bei den Karolingern, die nach der Erneuerung des weströmischen Kaisertums durch Karl den Großen in eine brisante Konkurrenz mit den Kaisern des Byzantinischen Reichs traten, eine Vorreiterrolle. So orientiert sich die Aachener Pfalzkapelle an byzantinischen Bauten wie der Sergios-und-Bakchos-Kirche in Konstantinopel oder San Vitale in Ravenna. Aber offenbar wurden auch griechische Künstler, etwa Miniaturmaler, an den Hof Karls des Großen berufen: Die hellenistisch anmutende Malweise des »Schatzkammer-Evangeliars« zu Aachen findet ihr unmittelbares Pendant in byzantinischen Handschriften, die unter der makedonischen Dynastie im 10. Jahrhundert entstanden. Byzantinische Seidenstoffe erfreuten sich so hoher Wertschätzung, dass sie auseinander getrennt zum Einwickeln von Reliquien verwendet wurden. Im Aachener Karlsschrein fand man einen byzantinischen Seidenstoff mit von Elefanten geschmückten Medaillons.
 
Nicht nur in Aachen, sondern vor allem in Italien lässt sich die Rezeption byzantinischer Architektur aufzeigen. Gerade die Errungenschaften der Zentralbauarchitektur, besonders der Kuppelbauten, wiesen der westlichen Architektur einen neuen Weg. Denn die durch Basiliken bestimmte Architektur des Westens hatte hier keine eigenen Lösungen entwickelt. Bis ins 15. Jahrhundert hinein hinterließ das byzantinische Kreuzkuppelsystem seine Spuren, besonders in Venedig. Unzweifelhaft ist die Orientierung an byzantinischer Architektur bei San Marco. Zeitgenössische Quellen verweisen hier auf das Vorbild der in justinianischer Zeit errichteten Apostelkirche in Konstantinopel; bauliche Unterschiede zu dieser nur hypothetisch rekonstruierbaren Kirche machen aber deutlich, dass auch zeitgenössische mittelbyzantinische Kreuzkuppelbauten Pate für San Marco standen.
 
Ein Prozess zunehmender Autonomisierung lässt sich bei den Mosaiken von San Marco beobachten: Das Bildprogramm verdankt seine Struktur im Kern dem östlichen Vorbild. Daneben wurden immer wieder spezifisch venezianische Akzente gesetzt. An der Mosaizierung des Naos, die sich auf den Zeitraum vom Ende des 11. Jahrhunderts bis um 1200 - spätere Phasen folgten - konzentrierte, waren mehrere Werkstätten beteiligt, die verstärkt mit im Westen angelernten Mosaizisten besetzt waren. Mehrfach aber nahm man aktuelle Strömungen der Malerei in Konstantinopel auf, wie man etwa an der Darstellung der »Höllenfahrt Christi« im westlichen Tonnengewölbe der Hauptkuppel sehen kann. Auch die Gegenüberstellung dieser Szene mit der »Kreuzigung Christi« entspricht byzantinischem Verständnis. Im gleichen Gewölbe wird man dagegen mit einer Folge von Szenen - etwa dem »Judasverrat« oder der »Verspottung Christi« - konfrontiert, die in der Art der Erzählung, den auf den Rollen verzeichneten Sprechtexten der Figuren oder ihrer Gestik das Mosaik mit erkennbar westlichen Bildprinzipien »durchtränken«.
 
Nur an wenigen anderen Orten in der Welt hat sich so viel byzantinisches Email erhalten wie in der Schatzkammer von San Marco; Umarbeitungen und Nachproduktion tragen allerdings vielfach zu einer Störung des authentischen Charakters dieser Objekte bei. Die Wertschätzung byzantinischer Goldschmiedetechniken lässt sich vorbildlich an der im Chor von San Marco aufbewahrten »Pala d'Oro« erfassen, einer goldenen, reich mit Emails verzierten Tafel, die über mehrere Bearbeitungsstadien hinweg ihre heutige Gestalt angenommen hat. Ein Teil ihrer Emails ist 1105 im Auftrag des Dogen Ordelafo Falier entstanden. Welchen Umfang »Bestellungen« in Byzanz hatten und inwiefern in Venedig nachproduziert worden ist, kann derzeit jedoch nicht beantwortet werden. Nach 1204 kamen dann die sechs großen Emails mit Festbildern als Beutestücke hinzu, die nochmals das Konzept der Tafel veränderten - möglicherweise fünf davon könnten aus dem Pantokrator-Kloster in Konstantinopel stammen.
 
Noch die spätmittelalterliche Kunst des Westens übernahm von der byzantinischen Bildtradition, die weitaus stärker als im Westen durch Prinzipien der klassischen Rhetorik definiert wurde, eine Reihe von wesentlichen Bildformularen. Der »Maniera greca«, der »griechischen Art und Weise« des Gestaltens, hattte etwa die italienische Malerei des 13. und 14. Jahrhunderts, so die Tafeln von Cimabue in Florenz oder von Duccio in Siena, eine Fülle von Ideen zu verdanken; in Siena spielte lange noch nach Giotto, etwa bei Pietro und Ambrogio Lorenzetti, Byzantinisches eine wesentliche Rolle.
 
Prof. Dr. Barbara Schellewald
 
Literatur:
 
Beck, Hans-Georg: Das byzantinische Jahrtausend. München 21994.
 Grivec, Franz: Konstantin und Method. Lehrer der Slaven. Wiesbaden 1960.
 Ostrogorsky, Georg: Byzantinische Geschichte, 324—1453. Sonderausgabe München 1965. Nachdruck München 1996.
 Rice, David Talbot: Byzantinische Kunst. Aus dem Englischen. München 1964.
 Schreiner, Peter: Byzanz. München 21994.
 
Zwischen Rom und Byzanz. Leben und Wirken der Slavenapostel Kyrillos und Methodios nach den Pannonischen Legenden und der Klemensvita, herausgegeben von Josef Bujnoch. Graz u. a. 21972.


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