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BULGARENREICH: EIN ERSTES SLAWISCHES GROßREICH

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Bulgarenreich: Ein erstes slawisches Großreich
 
Die erste schriftliche Erwähnung der Bulgaren stammt aus der Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr. Zu diesem Zeitpunkt zählten sie noch zu den turksprachigen Reitervölkern, die es aus den eurasischen Steppenregionen ans Schwarze Meer und bis in den Donauraum verschlagen hatte. Ein Teil dieser Ur- oder Protobulgaren gehörte zum hunnischen Stammesverband. Nach dem Tode des Hunnenherrschers Attila (453) blieben einzelne Gruppen im pannonischen Raum zurück, andere fanden nördlich des Schwarzen und des Asowschen Meeres und am unteren Don eine Heimstatt.
 
In die Geschicke der Balkanhalbinsel griffen sie erstmals im Jahre 480 ein, als sie Kaiser Zeno gegen die Ostgoten zu Hilfe rief. Ein Jahrzehnt später, 493, überschritten sie auf eigene Faust die Donau und suchten die Nordprovinzen des Byzantinischen Reiches heim. Vorausabteilungen stießen bis Thrakien vor. Seitdem häufen sich in byzantinischen Quellen die Berichte von Kriegs- und Plünderungszügen der Bulgaren. In der Mitte des 6. Jahrhunderts gerieten die Protobulgaren in awarische Abhängigkeit und beteiligten sich an kriegerischen Unternehmungen, die sie 619 bis Thessalonike und 626 unmittelbar vor die Mauern Konstantinopels führten.
 
 Das Erste Bulgarische Reich
 
Keimzelle eigenständiger Herrschaftsgründungen der Protobulgaren wurde im nördlichen und nordwestlichen Vorfeld des Kaukasus das Großbulgarische Reich.Um 632 hatte Khan Kuvrat protobulgarische und onogurische Stämme zusammengeführt und die awarische und westtürkische Oberhoheit aufgekündigt. Kuvrat stand in engem Kontakt zum byzantinischen Kaiserhof. Er hatte sich längere Zeit in Konstantinopel aufgehalten und war dort getauft worden. Nach seinem Tode zerschlug um 660 das aus dem Osten nachrückende Turkvolk der Chasaren das Reich und unterwarf sich die Protobulgaren. Während ein Sohn Kuvrats, Batbaj, sich mit diesem Schicksal abfand, entschlossen sich seine Brüder zum Abzug. Kotrag gründete wolgaaufwärts das Wolgabulgarische Reich. Asparuch wandte sich nach Westen und führte sein Volk an die untere Donau. Als sich die Beziehungen zum byzantinischen Kaiser verschlechterten und byzantinische Truppen aufmarschierten, rüsteten sich die Steppenreiter zum Gegenschlag und überquerten 679 die Donaugrenze. Sie ließen sich im Nordosten der Balkanhalbinsel nieder und verteidigten von ihrem befestigten Lager in Pliska aus einen eigenen Herrschaftsbereich auf Reichsterritorium.
 
Dieses Turkvolk der Ur- oder Protobulgaren wurde namengebend für ein Herrschaftsgebilde, das in der Folgezeit die Slawenstämme zwischen Donau und dem Balkangebirge der Botmäßigkeit des byzantinischen Kaisers entzog. Kaiser Konstantin IV. sah sich 681 zur Anerkennung eines Bulgarenreiches nördlich des Balkangebirges gezwungen. Außerdem musste er sich zu jährlichen Tributzahlungen verpflichten. Sein Nachfolger Justinian II. hatte sich wenig später in Makedonien gegen Angriffe anderer protobulgarischer Gruppierungen zu wehren, die wohl um 685 unter ihrem Führer Kuber aus dem pannonischen Raum in das Gebiet um Prilep und Bitola zugewandert waren und sich mit slawischen Stämmen nördlich von Thessalonike verbündet hatten.
 
Das Volk der Bulgaren auf der Balkanhalbinsel entwickelte sich aus den ursprünglich hier lebenden thrakischen Bevölkerungsresten wie auch aus den zugewanderten protobulgarischen Steppenreitern und den slawischen Neusiedlern. Dass auf längere Sicht bäuerlichen Slawen dem neuen Staatsgebilde einen slawischen Charakter aufprägten, lag an deren zahlenmäßigem Übergewicht.
 
 Bulgarisch-byzantinische Rivalitäten
 
Günstige Voraussetzungen für bulgarische Territorialgewinne ergaben sich aus den innenpolitischen Wirren im Byzantinischen Reich an der Wende zum 8. Jahrhundert. Khan Terwel stand dem gestürzten Kaiser Justinian II. bei der Rückgewinnung des Thrones 705 bei und half Kaiser Leon III. 717/718 bei der Zerschlagung des arabischen Belagerungsringes um Konstantinopel. Er ließ sich seine Hilfe mit dem Ehrentitel eines Caesars und durch territoriale Zugeständnisse bezahlen. Seine Erfolge provozierten aber auch Gegenmaßnahmen der Kaisermacht. In den 30er-Jahren boten Auseinandersetzungen im Bulgarenreich, in deren Verlauf die herrschende Dynastie abgelöst wurde, dem Kaiser eine Handhabe dazu.
 
Zu Anfang des 9. Jahrhunderts verschoben sich die Machtverhältnisse erneut zugunsten der Bulgaren. Der Niedergang und die Zerschlagung des Awarenreiches eröffneten Expansionschancen im Bereich jenseits der Donau und in Pannonien. Im Süden spielte Khan Krum seine militärische Überlegenheit aus und besetzte 809 Sofia. Ein Gegenstoß des Kaisers Nikephoros I. endete 811 im Fiasko. Das byzantinische Heer kämpfte sich wohl bis zur Residenz des Khans in Pliska durch und brannte sie nieder, auf dem Rückweg wurde es aber aufgerieben, der Kaiser fiel im Kampf. Khan Krum dehnte seine Herrschaft auf Thrakien aus und rüstete 813 zum Sturmangriff auf Konstantinopel. Sein Nachfolger Omurtag einigte sich mit Kaiser Leon V. auf eine Beilegung der Grenzstreitigkeiten.
 
 Das goldene Zeitalter Simeons (893—927)
 
Khan Boris, der sich und seine Untertanen hatte taufen lassen (864 oder 865), verteidigte diese Entscheidung noch im hohen Alter gegen einen drohenden Rückfall in das Heidentum, dem der Nachfolger Wladimir Sympathie entgegenbrachte. Zur Abwehr der drohenden heidnischen Reaktion berief Boris 893 eine Reichsversammlung ein. Sie kürte Simeon, den jüngeren Sohn des Khans, zum Nachfolger, sanktionierte die slawische Liturgie und sprach sich für die Verlegung der Hauptstadt nach Preslaw aus.
 
Simeon zeigte sich in den Beziehungen zum griechischen Nachbarn als ein energischer Vertreter bulgarischer Interessen. Er riskierte schon 894 den Krieg, als bulgarischen Kaufleuten der Zutritt zum Markt in Konstantinopel verwehrt wurde. Nach Anfangserfolgen gerieten die bulgarischen Angreifer in Bedrängnis. Der Kaiser verbündete sich mit den Magyaren in der südrussischen Steppenzone und zwang Simeon einen gefährlichen Zweifrontenkrieg auf. Vor dem magyarischen Ansturm musste er seine Residenz Preslaw aufgeben und sich in der Donaufestung Silistra verschanzen. Die Rettung verdankte er seinem diplomatischen Geschick. Er holte ein weiteres Steppenvolk, die Petschenegen, zu Hilfe und nötigte die Magyaren zum Abzug nach Pannonien. Seither beherrschte er das weitere Kriegsgeschehen und diktierte 896 die Friedensbedingungen. Der Kaiser musste unter dem Druck der Araber nachgeben, die 902 Küstenregionen in Thessalien und auf der Peloponnes heimgesucht und 904 Thessalonike erobert und geplündert hatten, und den Bulgaren weitere Territorialgewinne bis in das nördliche Vorfeld Thessalonikes zugestehen. Erneute Brüskierungen veranlassten Simeon 912 zur Wiederaufnahme der Kampfhandlungen. Seine Truppen fielen in Thrakien ein, eroberten Adrianopel und stießen bis zum Golf von Korinth vor. Mehrmals standen sie unmittelbar vor den Mauern Konstantinopels. Simeon weilte 913 zu Verhandlungen innerhalb der Stadtmauern und erzwang aus der Hand des Patriarchen eine — wenn auch umstrittene — Krönung. Seither titulierte er sich selbstbewusst als Zar der Bulgaren und der Griechen. Unter seinem Zepter erreichte das Erste Bulgarische Reich seine größte territoriale Ausdehnung und drohte das krisengeschüttelte Byzanz in den Schatten zu stellen.
 
 Der Niedergang
 
Der Tod Simeons am 27. Mai 927 befreite Byzanz von einem lästigen Konkurrenten. Er setzte im Inneren unter den rivalisierenden Adelsklanen auseinander strebende Kräfte frei. Der serbische Vasall kündigte die erzwungene Gefolgschaft auf. Innerdynastische Konflikte schwächten die Stellung des Nachfolgers Peter. Er musste den Frieden mit dem byzantinischen Nachbarn suchen und auf die jüngsten Eroberungen seines Vaters verzichten. Die Lage wurde auf dreißig Jahre vertraglich festgeschrieben. Für Unruhe in Bulgarien sorgten seit den 30er-Jahren Umtriebe einer hierarchiefeindlichen Sekte, der Bogomilen, die ein dualistisches Weltbild vertrat und mit einer rigoristischen Morallehre die Hierarchie herausforderte. Die Fernwirkungen dieser »bulgarischen Häresie« reichten bis zu den Patarenern der Lombardei, den Albigensern und Katharern in Südfrankreich sowie zur »bosnischen Kirche« des 13. und 14. Jahrhunderts.
 
Der Bogomilismus lässt sich wohl kaum als eine soziale Protestbewegung verstehen, die einen Massenanhang unter den bäuerlichen Schichten gegen die Herrschenden mobilisierte. Die tieferen Ursachen für den Niedergang der bulgarischen Macht lagen vielmehr in den äußeren Bedingungen. Die byzantinische Militärmacht erstarkte wieder unter dem fähigen Feldherrn Nikephoros Phokas, der den Kaiserthron an sich riss und eine Epoche der Eroberungen einleitete. Nachdem er 960 das von den Arabern besetzte Kreta zurückerobert und eine erfolgreiche Offensive im östlichen Mittelmeer in Gang gesetzt hatte, strebte er eine Generalbereinigung an der Balkangrenze an. Nikephoros II. Phokas gewann den Kiewer Fürsten Swjatoslaw für eine Militäraktion gegen die Bulgaren. Sie endete 969 mit dem vollständigen Sieg der russischen Waffen. Kaiser Johannes I. Tzimiskes musste allerdings dem russischen Verbündeten die Beute in einem Kriegszug 971 wieder abjagen und Swjatoslaw zum Abzug zwingen. Der Bulgarenzar Boris II. und seine Familie wurden in die Gefangenschaft abgeführt. Die Einführung der Themenordnung bedeutete aus byzantinischer Sicht eine Klärung des Bulgarenproblems durch die Zusammenlegung von Militär- und Zivilverwaltung.
 
 Das Reich Samuils (976—1018)
 
Die Rückführung der Bulgaren unter byzantinische Oberherrschaft beschränkte sich zunächst auf die östlichen Gebiete. Im makedonischen Westteil um Prespa und Ohrid hatten sich selbstständige Adelsherrschaften etabliert. Sie wurden zu Zentren des bulgarischen Widerstandes. Er fand in den vier Kometopuli-Brüdern geeignete Führerpersönlichkeiten, die 976 beim Tode des Johannes I. Tzimiskes den Aufstand wagten. Zwei Brüder kamen noch im gleichen Jahr ums Leben, den dritten, Aaron, der Friedensgespräche mit dem byzantinischen Kaiser suchte, ließ sein Bruder Samuil wegen Landesverrats umbringen. Samuil übernahm stellvertretend für die bis 979 in Konstantinopel inhaftierten Thronanwärter die Alleinherrschaft. Als Residenz wählte er schließlich Ohrid. Er verlegte sich auf eine offensive Kriegsführung und dehnte seinen Herrschaftsbereich bis nach Dyrrhachium an der Adriaküste und nach Südmakedonien und Thessalien (Larissa) aus. Er brachte selbst die alten Zarenresidenzen Pliska und Preslaw wieder in seine Hand und zwang die Serben unter seine Oberhoheit. Als er sich 997 zum bulgarischen Zaren krönen ließ, befand er sich aber schon in der Defensive. Die 986 noch besiegten kaiserlichen Truppen traten seit 1000 an mehreren Fronten zum Angriff an. Samuil musste Sofia aufgeben und Makedonien und Thessalien sowie Nordostbulgarien räumen. Zum Vernichtungsschlag gegen das bulgarische Aufgebot holte Kaiser Basileios II. 1014 aus. Der Untergang des Reiches war nach dem Tod Samuils am 6. Oktober 1014 nicht mehr aufzuhalten. 1018 zog Basileios II. als Sieger in Ohrid ein. Er ist als »Bulgarentöter« in die Geschichte eingegangen.
 
 Das Zweite Bulgarische Reich (1185—1393/96)
 
Den Bulgaren bot sich erst eineinhalb Jahrhunderte später nach mehreren vergeblichen Anläufen wieder eine Chance, sich der griechischen Bevormundung zu entziehen. Im Jahre 1185 inszenierte das Brüderpaar Peter und Assen aus privaten Anlässen einen Aufstand in Tarnowo. Er gewann wegen der allgemeinen Unzufriedenheit mit dem byzantinischen Regime rasch überregionale Bedeutung. Im Vertrag von 1187 hatte sich Kaiser Isaak II. Angelos mit der Existenz eines Zweiten Bulgarischen Reiches abzufinden. Sein Überleben verdankte es der staatsmännischen Begabung Kalojans, des jüngsten Bruders von Peter und Assen. Er übernahm nach der Ermordung beider 1197 die Führung. Kalojan gewann die Unterstützung des Papstes für seine Zarenkrönung 1204 und für eine eigene Kirchenorganisation unter einem bulgarischen Patriarchen. Nach der Eroberung Konstantinopels im Verlaufe des 4. Kreuzzuges wurde Kalojan Nutznießer des Konfliktes zwischen dem griechischen Kaisertum in Nikaia und den neuen Herren in Konstantinopel. Mit seinem Sieg bei Adrianopel über die westlichen Ritter 1205 setzte er einer Ausweitung der Lateinerherrschaft enge Grenzen. Unter Assen II. gewann das Bulgarenreich vorübergehend seine frühere innerbalkanische Vormachtstellung zurück. Die Zeit arbeitete aber für die Griechen in Nikaia, die unter der Palaiologendynastie 1259/61 die Rückkehr nach Konstantinopel erzwangen.
 
In Bulgarien zerfiel zugleich nach dem Aussterben der Asseniden 1257 die Zentralgewalt. Die Szene beherrschten rivalisierende Adelsgruppierungen, die sich in lokalen Herrschaftsgebieten verschanzten. Sie wurden in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts ein Opfer der Osmanen. Mit der Eroberung Tarnowos (1393) und Widins (1396) verloren die Bulgaren für ein halbes Jahrtausend ihre politische Eigenständigkeit.
 
Prof. Dr. Edgar Hösch
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Slawenmission: Sieg der geistlichen Waffen
 
Literatur:
 
Angelov, Dimitr: Die Entstehung des bulgarischen Volkes. Aus dem Bulgarischen. Berlin-Ost 1980.
 Browning, Robert: Byzantium and Bulgaria. A comparative study across the early medieval frontier. Berkeley, Calif., 1975.
 
Cyrillo-methodiana. Zur Frühgeschichte des Christentums bei den Slaven 863-1963, herausgegeben von Manfred Hellmann u. a. Köln u. a. 1964.
 Fine, John V. A.: The early medieval Balkans. A critical survey from the sixth to the late twelfth century. Neudruck Ann Arbor, Mich., 1995.
 Fine, John V. A.: The late medieval Balkans. A critical survey from the late twelfth century to the Ottoman conquest. Neudruck Ann Arbor, Mich., 1994.
 
Studien und Texte zur Kirchengeschichte und Geschichte, Reihe 3: Geschichte des Christentums in Österreich und Südmitteleuropa, herausgegeben von Peter F. Barton. Auf mehrere Bände berechnet. Wien 1992 ff.
 Tschilingirov, Assen: Bulgarien. Vom Altertum bis 1878. Leipzig 21987.


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