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CHINESISCHE RITUALBRONZEN: SPEISE UND TRINKGEFÄßE FÜR DIE AHNEN

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chinesische Ritualbronzen: Speise- und Trinkgefäße für die Ahnen
 
Zu den faszinierendsten Fundstücken der materiellen Kultur des chinesischen Altertums zählen die Ritualbronzen, die im Auftrag von Aristokraten der Shang- und Zhou-Zeit gegossen wurden. Sie benutzten sie als Speise- und Trinkgefäße in aufwendigen Festmählern zu Ehren ihrer Ahnen, um sich damit des Wohlwollens der Dahingegangenen und ihrer Hilfe beim Lebenskampf in der diesseitigen Welt zu versichern.
 
Im religiösen und politischen Leben ihrer Zeit waren die Bronzegefäße die kostbarsten Gegenstände. Sie wurden innerhalb einer Familie von Generation zu Generation weiter gereicht, als greifbarer Beweis für den ungebrochenen Kontakt des jeweiligen Besitzers zu seinen zu Lebzeiten mächtigen Ahnen. Manche Bronzen wurden auch ins Grab mitgegeben, damit der Verstorbene selbst ebenfalls auch im Jenseits seinen Ahnen weiter opfern konnte. So spiegelten die Ritualbronzen die soziale Ordnung wider und stabilisierten sie zugleich.
 
Viele Stücke tragen Inschriften historischen und politischen Inhalts wie etwa die in einer Wasserschale des Archivars Shiqiang aus dem 9. Jahrhundert v. Chr., die die Genealogie der Herrscher aus dem Anfang der Zhou-Dynastie auflistet. Alle erhaltenen Bronzen stammen aus Gräbern oder Horten. Die ältesten bisher bekannten Stücke aus dem 16. Jahrhundert v. Chr. wurden in Yanshi bei Luoyang gefunden.Bei der alten Hauptstadt der Shang-Herrscher in der Nähe von Anyang in der Provinz Henan hat man seit 1928 über tausend Gräber ausgegraben. Die meisten waren allerdings bereits geplündert, manche sogar schon in der Zhou-Zeit. Das größte zu Tage gekommene Gefäß ist ein kurz vor 1200 v. Chr. gegossener rechteckiger Kessel vom Typ »Fangding«. Er trägt eine inschriftliche Widmung an eine Mutter Wu, wohl die Gemahlin eines Shang-Königs. Das Gefäß wiegt 875 kg. Bronzen für Könige mögen noch schwerer gewesen sein.
 
Verglichen mit den Erzeugnissen bronzezeitlicher Kulturen in anderen Teilen der Welt zeichnen sich die chinesischen Ritualbronzen durch ihr Dekorsystem, ihre Gusstechnik und durch ihre große Zahl aus. Mit wenigen frühen Ausnahmen sind alle Gefäße dekoriert. Der ineinander verschlungene, tiergestaltige Dekor ist in Zonen und Felder eingepasst, die sich aus dem meist recht tektonischen Aufbau der Gefäßtypen ergeben. Das bemerkenswerte Zusammenspiel von Dekor und Gesamtform sowie die Ordnung in den Dekormotiven erlauben es, von einem Dekorsystem zu sprechen.
 
Ein schönes Beispiel dieses Dekors bietet das Weingefäß vom Typ »Fangyi« aus dem 11. Jahrhundert v. Chr. Es hat eine Hausform mit einem Körper und einem walmdachförmigem Deckel. Der zur Mittelachse symmetrische Dekor zeigt auf Fuß und Hals zwei gegenständig angeordnete, kleine Fabeltiere. Im Mittelfeld sind die beiden Tiere bis zu der durch einen Grat hervorgehobenen Zentralachse herangeführt, sodass sie sich zu einer Maske zusammenschließen. Dieses symmetrische Wesen, das »Daotie«, ist das Hauptmotiv. Das gleiche Daotie findet sich auf dem Dach, allerdings dort nach oben gerichtet.
 
Die Daotie sind aus einem Repertoire von etwa einem Dutzend anatomischer Motive zusammengesetzt. Deutlich erkennt man Augen, Hörner, Tatzen und Schwänze. Diese anatomischen Teile existieren in bestimmten Varianten oder Typen. Die Designer fügten sie in immer neue Kombinationen zusammen und brachten es so auf eine enorme Vielfalt. Ihre Gestaltungskraft zeigt sich auch darin, wie sie das gleiche, in Spiralen eingebettete Daotie verschieden proportionierten und dimensionierten Feldern einpassten. Auf dem »Fangyi« sind es vier: das rechteckige Mittelfeld, das schmalere Feld auf den Seiten des Gefäßes, die trapezförmige Fläche des Deckels und seine dreieckige Giebelfläche. Auf einem »Fangyi« im Metropolitan Museum in New York liegen die Einzelmotive des Daotie isoliert vor dem Spiralgrund: Nasenrücken mit Nüstern, Augen, Augenbrauen, Ohren, Hörner, Maul und Vorderfuß. Offensichtlich liegt hinter der jeweiligen Zusammenstellung der Motive keine Absicht, die Wirklichkeit nachahmend abzubilden, und sie ist auch kaum mit ikonographischer Bedeutung befrachtet. Vielmehr geht die Kombination in einem gewissen Rahmen spielerisch-zufällig vor sich wie eine biologische Mutation.
 
Technisch unterscheiden sich chinesische Bronzen des Altertums von den meisten vergleichbaren Stücken aus anderen Kulturen dadurch, dass sie nicht gehämmert, und auch nicht aus der verlorenen Wachsform, sondern in einem komplizierten Verfahren mithilfe von Tonmodeln gegossen sind. Dazu wird eine hohle Negativform des Gefäßes aus Modelstücken aufgebaut. In die Form wird ein Kern hineingesetzt; die flüssige Bronze wird dann in den Zwischenraum zwischen Negativform und Kern hineingegossen. Der Dekor wird zum Teil in den weichen Ton der Modelstücke eingestempelt, das heißt mechanisch übertragen. Seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. werden mithilfe von »Druckstöcken« aus hart gebranntem Ton Dekorsegmente aus weichem Ton vervielfältigt. Mit diesen wird der Gussmantel von innen »tapeziert«. Das Verfahren erlaubt die Serienproduktion von Gefäßen. Es ist zugleich eine wichtige Vorform für den Druck auf Papier, den ebenfalls die Chinesen entwickelt haben. In einem Bronzegefäß des 7./6. Jahrhunderts v. Chr. ist die Gussform für die Inschrift bereits nach dem Prinzip der beweglichen Lettern aus einzelnen quadratischen Tonplättchen zusammengesetzt.
 
Niemals in einer vergleichbaren Epoche der Menschheitsgeschichte sind so viele bronzene Gefäße hergestellt worden wie damals in China. Bereits heute ist eine fünfstellige Zahl von Stücken bekannt - fast täglich kommen weitere ans Licht - und doch handelt es sich hier nur um einen Bruchteil all derer, die jemals hergestellt wurden. Auch die schiere Masse an Material ist erstaunlich. 1976 wurde bei Anyang das unberührte, relativ kleine Grab der Dame Hao aufgedeckt, ebenfalls die Gemahlin eines Shang-Herrschers, der kurz vor 1200 v. Chr. lebte. Das Grab barg 468 bronzene Fundstücke mit einem Gesamtgewicht von 1625 kg. Über zehn Tonnen wiegen die bronzenen Gegenstände in dem 433 v. Chr. datierten Grab des »Marquis Yi von Zeng« in Suixian (Provinz Hubei). Kontrollierte Grabungen von intakten Grabinventaren haben erkennen lassen, dass die Ritualbronzen keine Einzelstücke waren, sondern stets in Sets benutzt wurden. Das Repertoire an Gefäßtypen und die jeweilige Zahl der Gefäße entsprechen dem sozialen Status des Besitzers.
 
Der Bronzeguss aus einer mit Teilstücken aufgebauten Form begünstigte die Entwicklung eines arbeitsteiligen Produktionsprozesses. Die Arbeit konnte in einzelne Schritte zerlegt werden, die parallel zueinander in Angriff genommen werden konnten, weil die endgültige Form des Produktes bereits von Anfang an genau festgelegt war. Die fertige Bronze ist das Resultat einer koordinierten Zusammenarbeit von Spezialisten, die jeweils für standardisierte Teile des Ganzen verantwortlich waren. Standardisierung, Koordination und Vorhersehbarkeit sind unabdingbare Aspekte bei einer Zerlegung der Arbeit. Spontaner Kreativität hingegen sind enge Grenzen gesetzt, weil Änderungen in einem Teil des Arbeitsprozesses das Gesamtgefüge ins Wanken bringen. Innovative Experimente richten sich daher meist auf Verbesserungen innerhalb eines etablierten Arbeitsganges und nicht auf Veränderungen des Gesamtprozesses. Kein Mitarbeiter war imstande, als einzelner in den Herstellungsprozess der Bronzen so einzugreifen, dass das Aussehen des Stückes grundsätzlich geändert oder seine Qualität in entscheidender Weise gesteigert werden konnte. Die differenzierte Arbeitsteilung förderte die gestalterische Uniformität, allerdings auf einem gleichmäßigen qualitativen Höchstniveau.
 
Die Bewältigung der großen Materialmengen an Bronze, Ton und Feuerholz brachte logistische Probleme enormen Ausmaßes mit sich. Eine Gießerei, die imstande war, für einen wenige Minuten dauernden Guss 875 kg Bronze zu verflüssigen, kann kein kleiner Handwerksbetrieb gewesen sein. Nicht minder hohe Anforderungen stellte die Organisation der Arbeiterschaft. Koordination und Kontrolle gehörten zu den komplexesten und anspruchvollsten Aufgaben bei der Herstellung der Bronzegefäße. Die Organisatoren müssen den gesamten Produktionsprozess überblickt und die Handwerker geleitet haben. Die Bronzeproduktion ist ein frühes Beispiel für die konfliktträchtige Polarität von einem Spezialisten, der die Arbeit ausführt, auf der einen Seite und einem Generalisten, der aus übergreifender Perspektive den Spezialisten dirigiert und kontrolliert auf der anderen Seite.
 
Prof. Dr. Lothar Ledderose
 
Literatur:
 
Watson, William: China. Kunst und Kultur. Ins Deutsche übertragen von Ruth Herold u. a. Farbphotographien von Jean Mazenod u. a. Freiburg im Breisgau u. a. 21982.


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