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ESPRESSIVO UND EXPRESSIONISMUS

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Espressivo und Expressionismus
 
Ist nicht Ausdruck, Expression, selbstverständlicher Bestandteil von Musik, und ist Musik ganz ohne Ausdruck überhaupt denkbar? Zwar gibt es Stücke, die in der Tat »ganz ohne Ausdruck« vorgetragen werden sollen, und es gibt berühmte Stellen wie in Gustav Mahlers »Lied von der Erde«, wo in der Partitur »erzählend und ohne Espression« eingetragen steht. Doch ist diese bewusste Absage an den ausdrucksvollen Vortrag auf eigene Weise voller Ausdruck und keineswegs ausdruckslos.
 
Seit der Wiener Klassik ist das »Espressivo« mit Vortragszeichen wie »con espressione«, »ausdrucksvoll« beziehungsweise »mit Ausdruck« eine durchgängige Kategorie des Vortrags, die einer nur mechanisch-regelmäßigen Ausführung eines Notentextes entgegensteht. Offensichtlich bedarf es, wie schon Anfang des 19. Jahrhunderts der Musiker, Komponist und Ingenieur August Leopold Crelle festhielt, wie beim ausdrucksvollen Sprechen auch in der Musik bestimmter Abweichungen von der metronomischen, maschinenmäßigen Zeiteinteilung, um das zu erzeugen, was musikalischer Ausdruck genannt wird. »Jedes Tonstück soll sowohl Ausdruck haben, als auch mit Ausdruck, das heißt, so vorgetragen werden, dass die darin zugrunde gelegte und ausgeführte Idee wirklich zur Wahrnehmung gebracht wird«, forderte Gustav Schilling 1835.Aus der Perspektive der Neuen Sachlichkeit wurde 1928 die Zeit von Beethoven bis Richard Strauss rückblickend als eine »Epoche des espressivo« benannt, in der das »Espressivo« als subjektiver Ausdruck des Seelischen herrschte. Doch gab es schon im 19. Jahrhundert bisweilen auch Kritik am durchgehenden »Espressivo«: Friedrich Nietzsche etwa attackierte 1888 Wagners »Espressivo« um jeden Preis, wodurch die Tonkunst an die trügerische Schauspielerei des Vortrags verraten worden sei.
 
Seit Beethoven, der in seinem opus 33 mit der Vortragsbezeichnung »con una certa espressione parlante« einen »gewissen sprechenden Ausdruck« vorschrieb, hatte es bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts mannigfache Ansätze gegeben, den ausdrucksvollen Vortrag als solchen immer verfeinerter zu benennen - mittels zusätzlicher Termini oder durch Steigerungsformen wie etwa »con gran espressione« beziehungsweise »molto espressivo«, also »mit großem Ausdruck« oder »sehr ausdrucksvoll«. Diese Tradition des Espressivo war für die Musiker und Komponisten des beginnenden 20. Jahrhunderts noch selbstverständlich, bis in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg Komponisten wie Paul HindemithHindemith, Paul und Igor Strawinsky der bürgerlichen Ausdruckswelt radikale Absagen erteilten. Zu einer weitgehenden Eliminierung des Espressivo aus der Aufführungspraxis, bis hin zum Ideal der Gleichsetzung von Texttreue mit Exaktheit der Zeiteinteilung, kam es nach dem Zweiten Weltkrieg im Antiromantizismus etwa eines Pierre Boulez oder Maurizio Pollini.
 
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der radikale Ausdruck des eigenen Inneren bestimmten Kunstwerken zugesprochen, anderen abgesprochen und in heftigem Wortwechsel auf den Begriff gebracht: im »Expressionismus« (französisch »expression« = Ausdruck), als Gegenbegriff zum »Impressionismus«, der »Eindruckskunst«. In Diskussionen über moderne Malerei hatte die Bezeichnung seit 1910 rasche Verbreitung gefunden und hielt bald auch in der literarischen Diskussion Eingang. Ob es daneben auch einen musikalischen Expressionismus gegeben habe, wurde mit einiger Verspätung erst seit 1918 ernstlich erwogen. Teils war dabei von einer letzten Zersetzungserscheinung der Romantik die Rede, teils ging es um grenzüberschreitende, kosmische Konzepte einer geistigen Bewegung, teils um die musikalisch-technische Preisgabe von allem, was bisher als kompositorisch sinnvoll gegolten hatte.
 
Orientiert am rücksichtslosen Ausdruck des Innern können kontrast- und dissonanzenreiche expressive Werke seit der Jahrhundertwende von Max Reger, Gustav Mahler (6. Sinfonie, 1904), Richard Strauss (»Salome«, 1904; »Elektra«, 1908) und anderen durchaus als »expressionistische« Werke beziehungsweise - in anderer Sicht - als geschichtliche Vorformen expressionistischer Musik betrachtet werden. Gelten hingegen stilistische Kriterien wie weitgehende Tonartfreiheit und Dissonanzenhäufung als Kriterien, dann zählen neben den atonalen Werken von Arnold Schönberg und seinen Schülern auch Stücke von Skrjabinund Nikolaj Roslawez, Josef Matthias Hauer, Ferruccio Busoni, Paul Hindemith, Ernst Krenek, Erwin Schulhoff, Béla Bartók, Charles Ives und anderen dazu. Immer wieder war jedoch auch von der Problematik der Charakterisierung eines expressionistischen Stils die Rede. So gab Ferrucio Busoni, selbst oft als Expressionist bezeichnet, 1920 zu bedenken, dass die Musik ja »von Haus aus »expressionistisch« ist in dem Sinn, wie man es heute braucht: darum kann man von expressionistischer Musik, als von einer besonderen Art derselben, nicht reden.«
 
»Wahrheit« statt »Schönheit« - so lautete die Devise von Arnold Schönberg und seinem Wiener Schülerkreis, deren Werke zwischen 1909 und 1922 fast alle Merkmale einer entkonventionalisierten, im engeren Sinne expressionistisch genannten Musik enthalten. Ein Schlüsselwerk ist das von Arnold Schönberg 1909 innerhalb von gut zwei Wochen in fieberhafter Inspiration komponierte Monodram »Erwartung«. Textgrundlage ist ein überspanntes, bruchstückhaftes Libretto der jungen Medizinstudentin Marie Pappenheim. Liebe, Untreue und Tod überschatteten damals in dramatischer Weise Schönbergs Privatleben, hatte doch Mathilde Schönberg ihren Gatten wegen des expressionistischen Malers Richard Gerstl verlassen. Gerstl hatte dem Komponisten zuvor geholfen, sein künstlerisches Ausdrucksbedürfnis in der Malerei zu verwirklichen. Erst nach langwierigen Verhandlungen war Schönbergs Frau zurückgekehrt, woraufhin der Nebenbuhler den unerträglichen Zustand durch Selbstmord beendete.
 
In der »Erwartung« irrt eine namenlose Frau durch den nächtlichen Wald, stolpert über einen Leichnam, der sich als ihr Geliebter herausstellt. Offenbar hat er sie verlassen, und möglicherweise hat sie ihn selber ermordet. Während die Beschreibung der Örtlichkeit am Anfang der ersten Szene noch den Handlungsort eines naturalistischen Dramas oder einer romantischen Oper, etwa den zweiten Aufzug von Wagners »Siegfried«, charakterisieren könnte, erzeugen die abgerissenen Satzfetzen, mit ihrem Wechsel von Erinnerungsassoziationen, Naturschilderungen und Angstempfindungen den Eindruck eines beklemmenden Horrortraums. Alle psychischen Regungen der Frau werden meist in fließendem Übergang durch Naturbilder eingefangen. Dem entspricht im Kompositorischen der Übergang von athematischem Satz über klangflächigen zum thematischen Satz. Zu Beginn dominieren kurze Bruchstücke, etwa eine rufartige kleine Terz gis'-h' des Fagotts oder eine melodisch-kantable Geste der Oboe, die rasch verschleiert und verunklart wird: insgesamt ein athematischer Satztyp, eine Musik also, deren einzelne Ereignisse nicht über sich hinausweisen, gleichsam der Erwartung von Zukunft beraubt. Demgegenüber ist die Rückbesinnung auf Garten und Blumen mit einer wie aus vergangenen Zeiten auftauchenden »sehr zart« zu spielenden Melodie verbunden, die in der Bewegung an die Oboengeste des Beginns anknüpft. Die dazwischen liegenden Naturbilder des »unsicheren Weges« und der »schimmernden Birken«, durch die von der Verunsicherung angesichts des unbekannten Waldweges zur Erinnerung an den gemeinsamen Garten übergeleitet wird, ist musikalisch durch eine unruhige, durch Tremolobildungen, Liegetöne und Ostinati hervorgerufene Klangfläche gekennzeichnet. Schönbergs eindringliche Vertonung des Librettos in seiner Zerrissenheit deckt Seelenzustände von beängstigender Intensität auf. Theodor W. Adorno sprach in Bezug darauf von der »seismographischen Aufzeichnung traumatischer Schocks«. Alban Berg, Adornos Lehrer und Schönbergs Schüler, hat im Klavierauszug der »Erwartung« zweierlei musikalische Strukturtypen unterschieden: »impressionistische Klänge« und »expressionistische Themen«. So wenig für dieses Unterscheidungsmodell in der Partitur eindeutige Kriterien durchgängig auszumachen sind, weist doch die selbstverständliche Gegenüberstellung von als impressionistisch und expressionistisch bezeichneten Elementen auf die vielfältigen Berührungspunkte zwischen beiden - rückblickend so oft als entgegengesetzt gehandelten - Standpunkten: Eine Aura des Verfremdeten und Brüchigen reicht von der zarten Sehnsucht nach dem Urtümlichen und Fernen bis hin zur Ekstatik der Angst, oder im Hinblick auf die Musik gesagt: von den Impressionen Debussys bis zu Schönbergs »Erwartung«.
 
Andererseits beschritt Schönberg in diesem und anderen seit 1908 komponierten Werken gemeinsam mit seinen Schülern den Weg in Klangräume jenseits der herkömmlichen Tonbeziehungen. Formstiftende Prinzipien fielen weg, und seine Musik war ganz auf sich gestellt. Angesichts dieses extremen Ausdruckskonzepts, das keine Rücksicht auf Erwartungen und Ansprüche der Hörer nimmt, stellte Schönberg1937 rückblickend fest: »Wie Freunde gewinnen mit dieser Art von Musik? Tatsächlich konnte ich nicht erwarten, Freunde zu gewinnen, und tat es auch nicht. Und ich darf Ihnen offen sagen, dass ich, so sehr ich die Kompositionen mochte, die ich zu der Zeit schrieb, ebenso sehr fürchtete, sie dem Publikum aussetzen zu lassen. Und ich zögerte sogar, sie anderen Leuten als meinen engsten Freunden zu zeigen.«
 
Prof. Dr. Hartmut Möller
 
Literatur:
 
Danuser, Hermann: Die Musik des 20. Jahrhunderts. Sonderausgabe Laaber 1996.


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