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BARTH: LEBEN UND WERK EINES GROßEN THEOLOGEN DES 20. JAHRHUNDERTS

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Barth: Leben und Werk eines großen Theologen des 20. Jahrhunderts
 
Karl Barth gilt als der bedeutendste evangelische Theologe seit D. F. E. Schleiermacher. Beide Theologen hat man als »Kirchenväter« ihrer jeweiligen Jahrhunderte bezeichnet und damit neben ihrem intellektuellen auch ihren geistlichen Rang unterstrichen. Fragt man jedoch nach den Gründen, die Barths Werk über die Konfessionen und Kirchen hinaus auch in der Kultur und in der Politik des 20. Jahrhunderts in der ganzen Welt bekannt machten, dann stößt man auf unterschiedliche und auch gegensätzliche Ansichten, die freilich in einem Punkt übereinstimmen: Barths Werk gilt zugleich als Ausdruck der religiösen, politischen und kulturellen Krisenerfahrungen, die die Menschen von der Jahrhundertwende bis zum globalen Ost-West-Konflikt nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht haben, und als Antwort darauf. Karl Barth hat die Krisenerfahrungen seiner Zeit mit einer neuen Sicht der christlichen Botschaft konfrontiert.
 
 Herkunft
 
Für die geistige Entwicklung des jungen Karl Barth, der am 10. Mai 1886 in Basel geboren wurde, scheinen zwei Faktoren besonders wichtig zu sein: Er kam aus einer Familie, die seit Generationen von reformierten Theologen geprägt war, und er entstammte einem sozialen und kulturellen Milieu, das von den großen urbanen Traditionen Basels bestimmt war. Sein Vater Johann Friedrich (Fritz) Barth, zur Zeit der Geburt seines Sohnes Karl Lehrer an der Predigerschule in Basel, seit 1889 Professor für Kirchengeschichte in Bern, blieb mit seinem religiösen und sozialen Ernst ein lebenslanger Bezugspunkt für die geistige Entwicklung des Sohnes. Gleichwohl hat dieser darunter gelitten, dass der Vater trotz seiner gediegenen Arbeit in der Theologie zu wenig geachtet wurde. Seine Mutter Anna Katharina Sartorius, die auch mit Jacob Burckhardt verwandt war, hat Barths Jugendentwicklung mit einer energischen, religiös normativen Pädagogik gelenkt, ihn aber auch emotional gefördert. Sie hat — der Vater starb bereits 1912 — Barths theologische und politische Entwicklung und seinen akademischen Aufstieg bis zu ihrem Tod im Jahre 1938 mit Stolz und mit kritischen Nachfragen begleitet. Inmitten und vor allem mit nicht geringem Selbstbewusstsein an der Spitze einer großen Geschwisterschar hat Barth in seiner Jugend eine gelebte christliche Religion kennen gelernt, die kulturell und sozial offen war und ihn zu eigenverantwortlichem Denken und Leben anhielt. Am Tag seiner Konfirmation fasste er den Entschluss, »Theologe zu werden: nicht etwa im Gedanken an Predigt, Seelsorge und so weiter, wohl aber in der Hoffnung, auf dem Weg dieses Studiums zur Realisierung eines mir dunkel vorschwebenden sachlichen Verstehens des Glaubensbekenntnisses zu gelangen.«
 
 Theologiestudium und Vaterkonflikt
 
Barth begann sein Theologiestudium im Herbst 1904 in Bern, wo er einerseits die historische Bibelkritik der liberalen Theologie so gründlich kennen lernte, dass sie ihm in ihren späteren Gestalten — etwa in der Debatte mit Rudolf Bultmann in den Fünfzigerjahren — »nicht mehr unter die Haut oder gar zu Herzen, sondern. .. nur noch auf die Nerven gehen« konnte. Andererseits studierte er bei seinem Vater, dessen gemäßigt konservativer theologischer Haltung er sich freilich nicht anschließen konnte. Das intensivste geistige Erlebnis des Berner Studenten war die »mehrfache Durcharbeitung« der Kritik der praktischen Vernunft, des ethischen Hauptwerks Immanuel Kants, die seinem Denken eine erste Richtung und Form gab. Aus dieser Erfahrung entstand wohl der Plan, seine Studien in Marburg fortzusetzen, wo mit Hermann Cohen und Paul Natorp zwei repräsentative Größen des Neukantianismus eine weit reichende Wirkung entfalteten und wo auch der Dogmatiker Wilhelm Herrmann lehrte, den Barth zeitlebens als seinen wichtigsten theologischen Lehrer bezeichnet hat. Herrmanns Theologie verband die Religionslehre des jungen Schleiermacher, die die Selbstständigkeit der Religion gegenüber der Moral betonte, mit der kantschen Devise der Vernünftigkeit der ethischen Selbstbestimmung. Sie vertrat einen christlichen Frömmigkeitsstil, der die gelebte Religion mit dem theologischen Denken so ins Benehmen setzte, dass auch die politischen Rahmenbedingungen des christlichen Glaubens zur Sprache kamen: Herrmann hatte sich, wie auch Cohen und Natorp, bereits vor der Jahrhundertwende mit der sozialen Frage und dem Sozialismus auseinander gesetzt.
 
Dieses Marburg war dem Vater entschieden zu liberal. Im Konflikt mit dem Sohn wurde ein Kompromiss ausgehandelt: Barth wechselte im Wintersemester 1906/07 an die Theologische Fakultät der Universität Berlin, an der das ganze Richtungsspektrum der damaligen protestantischen Theologie von glänzenden Gelehrten repräsentiert wurde.
 
In seiner Berliner Studienzeit hat Barth intensiv gearbeitet und sich in dieser ersten theologischen Orientierungsphase der jüngeren Schule Albrecht Ritschls angeschlossen. Seine große Begeisterung und Bewunderung galt dem weltberühmten Kirchenhistoriker Adolf Harnack, dessen glänzende Vorlesung über Dogmengeschichte er mit Hingabe hörte und in dessen kirchenhistorische Sozietät er als jüngstes Mitglied aufgenommen wurde.
 
Aber in das Semester, das unter dem Stern Harnacks stand, fiel eine Entdeckung, die ihn von der theologischen Linie des Vaters und auch von der Ritschl-Schule entfernte: »Eben in Berlin. .. kaufte ich mir dann, zusammen mit Wilhelm Herrmanns Ethik, mein bis heute benütztes Exemplar von Schleiermachers Reden in der Ausgabe von R. Otto. Heureka!« Nach Kants Kritik der praktischen Vernunft wurde Schleiermachers Abhandlung Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern, 1799 erschienen, das zweite große Bildungserlebnis Barths. Mit ihm verband sich für Barth die Erkenntnis, dass die Religion in ihrer Existenzialität weder historisch noch moralisch oder psychologisch ableitbar ist, sondern eine eigene Realität darstellt. Barth hatte die unableitbare Selbstständigkeit der Religion für sich entdeckt, an der er — wenn auch in immer neuer Terminologie — von nun an festhielt. Und Schleiermacher wurde auch deshalb nun für viele Jahre zum Kern und Stern seines Denkens, weil Barth sich von dessen romantischer Opposition gegen die bürgerliche Welt angezogen fühlte.
 
Gleichzeitig mit seinem Anschluss an den frühen Schleiermacher trat nun in Berlin auch das ein, was der Vater durch das Verbot, in Marburg zu studieren, verhindern wollte: Barth wurde zum entschiedenen Anhänger Wilhelm Herrmanns. Noch gegen Ende seines Lebens schrieb er: »Der Tage, an denen ich. .. in Berlin zum ersten Mal seine Ethik las, erinnere ich mich, wie wenn es heute wäre. .. Ich möchte. .. dankbar sagen: Von da an meine ich mit selbstständiger Aufmerksamkeit dabei gewesen zu sein in der Theologie.« Auf das, was Barth bei Herrmann gelernt hat und worin er Schleiermacher, Herrmann und Kant verbinden konnte, lässt sich mit zwei knappen Sätzen verweisen: Wissenschaft, Religion und Moral müssen unter modernen Denkbedingungen unterschieden werden; gleichwohl hat die moderne Theologie die Aufgabe, sie in einer plausiblen Weise zu verbinden, weil sie in der christlichen Überlieferung und im Fundament des Glaubens zusammengehören. Dieser Aufgabe hat sich Barth seit seiner Berliner Zeit zeitlebens gewidmet, auch wenn er sie nur in großen Umstellungen und Brüchen seines Denkens bewahren konnte.
 
Aber noch war er Student, musste nach der Berliner Zeit im Sommersemester 1907 zurück an die Universität Bern, wo er intensiv am studentischen Verbindungsleben teilnahm, sehr weltzugewandt lebte, sich heftig verliebte und es hinnehmen musste, dass seine Eltern sich mit dem Machtwort »Elternwille ist Gotteswille« gegen diese Beziehung aussprachen. Der Vater griff erneut in sein Leben ein und schickte den Sohn im Winter 1907 an die Universität Tübingen, wo er vor allem bei dem konservativen Adolf Schlatter auf die vom Vater gewünschte Linie und also zur Raison gebracht werden sollte.
 
Barth verweigerte die Erziehungsmaßnahme und konnte im Sommersemester 1908 mit Zustimmung des Vaters endlich für drei Semester nach Marburg, seinem »Zion«, ziehen, wo er — neben der Examensvorbereitung — sich intensiv in die Theologie Herrmanns einarbeitete. Die Marburger Zeit schloss glücklich ab mit der Mitarbeit Barths in Martin Rades Zeitschrift Die christliche Welt, dem bedeutendsten Organ des Kulturprotestantismus, und ersten eigenen Publikationen, in denen er mit unübersehbarer Selbstständigkeit moderne, liberale Theologie betrieb.
 
Im anschließenden Vikariat in Genf von 1909 bis 1911 entschloss er sich, auf eine Promotion bei Herrmann und auf eine reguläre akademische Karriere zu verzichten, um Pfarrer zu werden. Er verlobte sich mit der noch nicht 18-jährigen Nelly Hoffmann, die in Genf seine Konfirmandin gewesen war und die sein ganzes Leben in treuer Zurückhaltung begleiten sollte, und ließ sich im April 1911 zum Pfarrer der aargauischen Gemeinde Safenwil wählen.
 
 Der »rote Pfarrer« von Safenwil
 
»In die Safenwiler Zeit. .. fällt die entscheidende sachliche Wendung meines Weges, durch die dann auch seine äußere Fortsetzung bestimmt worden ist.«
 
In der vom industriellen Wandel geprägten, unkirchlichen Bauern- und Arbeitergemeinde Safenwil konnte Barth zunächst mit seiner liberalen theologischen Position die traditionellen Arbeitsfelder eines Dorfpfarrers gut versehen; sie bot ihm auch den Anlass und den Raum, um die soziale Frage und auch den Sozialismus in dem Arbeiterverein seiner Gemeinde mit großer Aufmerksamkeit und Anteilnahme zu verstehen. Er hat angesichts der Klassengegensätze in seiner Gemeinde das organisierte Handeln der Arbeiter durch Gewerkschaftsgründungen angeleitet, und galt bald als der »rote Pfarrer« von Safenwil. Das Bürgerkind Barth sah sich erstmalig in seinem Leben »von der wirklichen Problematik des wirklichen Lebens berührt«. Vor allem im Austausch mit seinem Kollegen Eduard Thurneysen, der das Pfarramt in der Nachbargemeinde Leutwil versah, beschäftigte er sich insbesondere mit dem Verhältnis von gelebter, individueller Religion und dem kommenden Reich Gottes. Im Anschluss an die religiös-soziale Bewegung in der Schweiz entwickelte Barth eine Position der Solidarität von Kirche und Welt, die auch sozialistisch geprägt war, vor allem aber von der Erwartung des Reiches Gottes bestimmt war, das im Leben Jesu aufgeleuchtet ist und als Urbild menschlicher Hoffnung eine neue Welt der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Friedens heraufführen will. So stand im Zentrum von Barths Überlegungen genau um die Zeit, als der Erste Weltkrieg ausbrach, der Versuch, die Unterscheidungen und Beziehungen von Gott und Religion, Glaube und Welt sowie Kirche und Sozialismus neu zu bedenken. Er verließ allmählich den Denkraum der liberalen Theologie und gelangte zu einer neuen Auslegung der Bibel, in der die gegenwärtige Welt im Licht der überlieferten Texte gedeutet wurde.
 
Den Kriegsausbruch am 1. August 1914 verstand Barth in dreifacher Hinsicht als Fanal: Die europäische Christenheit bekämpfte sich im Namen Gottes, den sie für ihre nationalen Kreuzzugsreligionen benutzte. Die europäischen Sozialdemokratien verrieten ihren Internationalismus, indem sie in ihren jeweiligen Nationalparlamenten die Kriegskredite mitbewilligten. Und die liberalen Theologen kompromittierten ihre humanistischen Ideale, indem sie sich der Kriegsideologie zur Verfügung stellten. Insbesondere das Verhalten seiner theologischen Lehrer Harnack und Herrmann, die beide der deutschen Kriegspolitik zugestimmt hatten, wertete Barth als »ethisches Versagen«, an dem sich zeige, »dass auch ihre exegetischen und dogmatischen Voraussetzungen nicht in Ordnung sein könnten.« Barth dehnte diesen konkreten Verdacht alsbald zum Generalverdacht gegen die Gesamttradition des theologischen Liberalismus aus und sah bei Schleiermacher das Unheil beginnen, das sich bei den liberalen Theologen im Weltkrieg dann offen gezeigt habe: die Anpassung der Theologie an die Lebenswelt der bürgerlichen Gesellschaft.
 
Der Kriegsausbruch offenbarte ihm in einem die Reformbedürftigkeit des Christentums wie des Sozialismus. Er suchte nach dem Punkt, der jenseits von Christentum und Sozialismus liegt und der doch ihre Verbindung in Wahrheit anleiten kann. Auf dem Weg zu einer grundsätzlichen theologischen Neuorientierung trat Barth im Januar 1915 in die Sozialdemokratische Partei ein, weil er ihre praktischen Ziele, nicht aber ihre Ideologie bejahte, und konnte ein Jahr später über die Perspektive seiner neuen Theologie sagen: »Es wird sich. .. vor allem darum handeln, dass wir Gott überhaupt wieder als Gott anerkennen. .. Das ist eine Aufgabe, neben der alle kulturellen, sozialen und patriotischen Aufgaben. .. Kinderspiel sind.« In seiner Suchbewegung erinnerte sich Barth an den Römerbrief, »von dem ich schon im Konfirmandenunterricht gehört hatte, dass es sich in ihm um etwas Zentrales handele. Ich begann ihn zu lesen, als hätte ich ihn noch nie gelesen: nicht ohne das Gefundene Punkt für Punkt bedächtig aufzuschreiben. .. Ich las und las und schrieb und schrieb.« Zwischen Juli 1916 und August 1918 schrieb Barth seinen (ersten) Römerbriefkommentar; er erschien Ende 1918 und ist, in der Form einer Schriftauslegung, ein Versuch der Selbstverständigung Barths über die Religion und über ein biblisch legitimes Gottesverständnis vor dem Panorama von Krieg und Revolution. »Gotteserkenntnis ist kein Entrinnen in die sichere Höhe reiner Ideen, sondern ein mitleidendes und mithoffendes Eintreten auf die Not der jetzigen Welt.« Das Buch wurde begleitet von einer Reihe von Vorträgen, Aufsätzen und Predigten, die im Blick auf den Neubau der Theologie vor allem einen Gesichtspunkt einschärfen: Mit der Devise »Botschaft von Gott. .. keine menschliche Religionslehre« greift Barth die zentrale Position an, die das menschliche Bewusstsein und die Religion im Aufbau der liberalen Theologien haben, und ersetzt sie durch eine »biblische Haltung«, die über die Gehalte der Heiligen Schrift nachdenkt.
 
In den folgenden Jahren kam es dann bei Barth zu einer erneuten Revision dieses Ansatzes; sie wurde unter den Titel »Dialektische Theologie« oder »Theologie des Wortes Gottes« gestellt, und ihr klarster Ausdruck ist die Neubearbeitung des Römerbriefkommentars im Jahre 1922, in dem Barth seine Konzentration auf die Bibel vertieft und die Unterschiede und Gegensätze zwischen Gott und Mensch auf allen Bedeutungsebenen betont. Formeln wie »Gott ist Gott« und der »unendliche qualitative Unterschied zwischen Gott und Mensch« zeigen zunächst vor allem die negative Seite dieser »ganz anderen« Theologie, die alle falschen »Bindestrichtheologien« abräumen will. Sie ist in einer hinreißenden Sprache verfasst, die klare Fronten zieht und dazu verführt, die Theologenschaft in Anhänger und Gegner zu scheiden. Barths Sprache hatte von Anfang an eine expressive Ausdruckskraft, die über den akademischen Ton hinausging und damit vor allem in die Pfarrerschaft einwirken konnte. Er hat seine ganze Theologie später von Anfang bis Ende »im Grunde (als) eine Theologie für die Pfarrer« bezeichnet.
 
Barth wurde nun auch in Deutschland bekannt: 1921 wurde er Honorarprofessor für reformierte Theologie in Göttingen und begann damit eine vierzehnjährige akademische Tätigkeit in Deutschland, dem Land, dem er sich zeitlebens besonders verbunden fühlte.
 
 Theologieprofessor in Deutschland
 
Aus dem Briefwechsel mit seinem engsten Freund Eduard Thurneysen wird ersichtlich, wie mühsam das akademische Geschäft dem in die Universität verschlagenen Pfarrer gewesen ist. Dennoch ist Barth seinen theologischen Weg mit erstaunlicher Sicherheit und Zielgerichtetheit gegangen. In bedeutsamen Vorträgen und Aufsätzen hat er in den Zwanzigerjahren einen ersten Anlauf zu einem neuen Theologiebegriff gemacht, der 1927 in den Prolegomena zur Christlichen Dogmatik im Entwurf seine erste Gestalt fand.
 
Barth — er lehrte seit 1925 in Münster — entwickelte eine fundamentaltheologische Perspektive, in der einerseits die kritische Diagnose der liberalen Theologie seit Schleiermacher vorangetrieben wurde und in der andererseits der Ansatz einer strikt evangelischen Theologie ausgebaut wird. Beide Wege durchdringen sich notwendig, und beide Wege stehen zunächst überwiegend im Zeichen der Negation. Mit seiner Kirchlichen Dogmatik hat Barth dann in den Dreißigerjahren einen neuen Anlauf zur Dogmatik gemacht, die nun als streng christologisch orientierte Theologie des Wortes Gottes. Von nun an — Barth lehrte seit 1930 mit großem Lehrerfolg in Bonn — hatte sich sein theologisches Denken formal endgültig von theologiefremden Voraussetzungen gelöst, und von nun an konnte sich seine zentrale theologische Einsicht auch material selbstständig entfalten: In Jesus Christus setzt sich Gott so für die Menschen ein, dass sie daraufhin in freier Entsprechung zur göttlichen Gnade leben und handeln können.
 
Auf dem Weg zu dieser Einsicht stand Barth nicht allein, sondern war von einer Theologengruppe umgeben, mit der er zunächst den scheinbar gemeinsamen Ausgangspunkt teilte: Auch für Friedrich Gogarten, Rudolf Bultmann und Georg Merz stand fest, dass die Welt der liberalen Theologie und der bürgerlichen Kirche im Weltkrieg untergegangen war und dass ein neues Konzept evangelischer Theologie im Rückgriff auf die Bibel und in Anknüpfung an die Reformation erstellt werden musste. Diese Theologengruppe, die sich 1923 mit der Zeitschrift Zwischen den Zeiten ein weit verbreitetes Forum geschaffen hatte, brach 1933 vor allem am Gegensatz von Barth und Gogarten auseinander. Während Barth seine christologische Grundeinsicht immer exklusiver ausbaute, betonte Gogarten, dass die christliche Wahrheit nur über Anknüpfungspunkte in der vorhandenen Wirklichkeit ausgesagt werden könne. Das war für Barth der Scheidebrief, und so sprengte er diesen Kreis.
 
 Kirchenlehrer im Kirchenkampf
 
Mit dieser nun festen positiven Grundausrichtung seiner Theologie, die ihre Endfassung auch nach Jahrzehnten in dreizehn voluminösen Bänden der Kirchlichen Dogmatik noch nicht erreichen sollte, sondern 1968 mit dem Tod Barths abbrach, konnte er nun 1933 den Kampf gegen die nationalsozialistische Überfremdung der deutschen evangelischen Kirche aufnehmen.
 
Barth hatte Anfang der Dreißigerjahre die schwere politische Krise erkannt, in der sich die Weimarer Republik in ihrer Endzeit befand, und war 1932 in die SPD eingetreten. Er verstand diesen Schritt zu diesem Zeitpunkt, als der Nationalismus in Deutschland zu siegen begann, als den Ausdruck einer vernünftigen Bejahung der deutschen Nation.
 
Und Barth hatte seit seinen akademischen Anfängen in Göttingen stets die theologische und institutionelle Entwicklung der deutschen evangelischen Kirche scharf im Auge gehabt. Er betrieb seine Theologie eben als »Kirchliche Dogmatik« und nicht einfach als wissenschaftliche Theologie im Rahmen der Universität. Barth verstand sich seit Ende der Zwanzigerjahre auch und zuerst als Kirchenlehrer. Nach 1933 konnte er nun als Professor in Bonn erleben, dass seine noch unfertige Theologie offensichtlich bereits eine beträchtliche Wirkung bei evangelischen Christen und Gemeinden hatte, indem sie zum Widerstand weniger gegen den Nationalsozialismus als politisches System als vielmehr zum Widerstand gegen seine das Evangelium und die Kirche verfälschende Kirchenpolitik aufforderte. Barth selbst hat den Nationalsozialismus von Anfang an auf allen Ebenen abgelehnt, weil er in ihm den letztlich religiösen Versuch sah, »einen falschen Gott anzubeten.« Das Dokument dieses Widerstandes, die fast ganz allein von Barth verfasste Barmer Theologische Erklärung vom 31. Mai 1934, ist die bekennerische Fassung der theologischen Grundeinsicht Barths. Bereits mit ihrer entscheidenden ersten These — »Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben« — ist das »Barmer Bekenntnis« der Bekennenden Kirche der Rückruf zur Bibel und zur Reformation, und mit seinen Bekräftigungen und Verwerfungen hat es die evangelische Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus theologisch orientiert.
 
Barths Weigerung, einen uneingeschränkten Eid auf Adolf Hitler zu leisten, führte zu einem Dienststrafverfahren mit dem Urteil der Dienstentlassung. Obwohl Barth im Dezember 1934 mit Erfolg Revision einlegte, wurde er vom Reichswissenschaftsminister am 21. Juni 1935 in den Ruhestand versetzt und musste Deutschland verlassen. Später wurden seine Schriften in Deutschland verboten, gelangten aber doch auf abenteuerlichen Wegen an viele Leser. Einer von ihnen war der Tegeler Häftling Dietrich Bonhoeffer.
 
Noch im Juni 1935 wurde Barth an die Universität seiner Vaterstadt Basel berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1962 lehrte.
 
 Eine Schweizer Stimme
 
Von Basel aus hat Barth die Christen Europas mit theologischen Argumenten zum politischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus ermuntert und trat auch dem Antisemitismus öffentlich entgegen. Berühmt wurde sein Brief an den Prager Theologen Josef Hromadka vom 19. September 1938, in dem er, mitten in der »Tschechenkrise« vom Herbst 1938, seine theologischen Grundsätze über den Zusammenhang von Rechtfertigung und Recht (ein Titel von 1938) so konkretisiert, dass im militärischen Widerstand gegen die Umsetzung des Münchener Abkommens jetzt jeder »tschechische Soldat. .. auch für die Kirche Jesu Christi« streite. Mit dieser Position, die den Kirchen Europas das »Zeugnis des politischen Gottesdienstes« abverlangte, wurde Barth einerseits zum Apostel Europas, der sich mit zahlreichen Sendschreiben an die europäischen Kirchen wandte und sie in der Zeit der nationalsozialistischen Besetzung tröstete und ermahnte. In Deutschland hingegen wurde er zum Feind der Nationalsozialisten und auch eine Verlegenheit für viele seiner Weggenossen in der Bekennenden Kirche, die seinen politischen Weg nicht mitgehen konnten oder wollten und sich von Barth distanzierten.
 
Seine Hauptarbeit aber galt der Kirchlichen Dogmatik, in der Barth gegenüber dem Frühwerk, das eher die Fremdheit Gottes gegenüber der Welt betonte, nun die Humanität Gottes in Jesus Christus in ihrem ganzen Lehrbegriff zur Geltung brachte. Er brachte seine theologischen Absichten auf die einfache Formel: »Gott für die Welt, Gott für den Menschen, der Himmel für die Erde.« Sie war auch der Ausgangspunkt für sein politisches Engagement.
 
 Die Kirche zwischen Ost und West
 
Nach dem Krieg griff Barth sofort mit Traktaten, Essays, Predigten und offenen Briefen vor allem in die innere Lage Deutschlands ein. Er plädierte für einen demokratischen Aufbau von Kirche und Staat, sprach sich aber scharf gegen eine christliche Parteibildung in der Politik und damit gegen die CDU aus. Er befragte die deutsche Geschichte nach den Ursachen der nationalsozialistischen Verirrung, sah sie ganz wesentlich in den preußischen Traditionen seit Friedrich dem Großen und Otto von Bismarck gegeben und löste damit heftige Diskussionen aus. Auf großen Widerspruch auch und gerade in den Kirchen stieß seine Warnung vor der Einreihung Deutschlands und der Kirchen in die Fronten des Kalten Krieges. Mit der Parole vom »Dritten Weg« der Kirche und auch Deutschlands und Europas zwischen Ost und West, aber auch mit seinem Widerspruch gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands wollte Barth die Bewegungsfähigkeit der Politik und der Kirchen im Kalten Krieg erhalten: Das Evangelium stellt uns an einen Ort »oberhalb des Gewölks der sich im jetzigen Kalten Krieg» gegenüberstehenden und befehdenden Ideologien, Interessen und Mächte.« Bei allen Entstellungen sah er im Kommunismus ein berechtigtes soziales Anliegen, dem im Westen nicht mit Antikommunismus, sondern mit der Errichtung einer sozial besseren Gesellschaft zu begegnen sei. Die atomare Aufrüstung der Großmächte und die zwiespältige kirchliche Haltung dazu hielt er für eine Fundamentalbedrohung der menschlichen Kultur, die den christlichen Glauben zu einem eindeutigen Widerspruch herausfordert. Barths Leben endete am 10. Dezember 1968. Er war bis zuletzt ein ebenso geachteter wie umstrittener Theologe und Kirchenlehrer.
 
 Werk und Wirkung
 
In mehr als 60 Jahren hat Barth ein gewaltiges theologisches Werk erstellt, das heute, durch Publikationen aus dem Nachlass, mehr als 1 000 Titel zählt. Die Christenheit kennt kaum einen anderen Theologen von solcher Produktivität: Er hat auf allen Gebieten der Theologie gearbeitet, und sein souveräner Stil, der sich in Essays und scharfen Polemiken genauso äußern konnte wie in breiten dogmatischen Abhandlungen und in feinen historischen Porträts, fand auch literarische Würdigung: Barth erhielt 1968 den Sigmund-Freud-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt.
 
Seine geschichtliche Wirkung in diesem Jahrhundert ist nicht weniger gewaltig, doch ist ihre Bewertung nicht eindeutig. Den einen ist dieser große Theologe der Kirchenvater des 20. Jahrhunderts, der die Theologie und die Kirche zu ihrer Sache und so in die Freiheit geführt hat; den anderen ist er ein Verzögerer der Moderne, der mit der dogmatischen Denkform und der Autorität der Kirche die Breite und Tiefe der christlichen Freiheit zurückgenommen hat.
 
Barths Werk und Wirkung laden seine Nachwelt zum Nachdenken darüber ein, dass — ein Satz von Barth — »dasselbe nicht wiederkehren kann noch soll, und dass wir in unserer Zeit für unsere Zeit zu denken haben.«
 
Hartmut Ruddies
 
Literatur:
 
Johann F. Lohmann: Karl Barth u. der Neukantianismus. Berlin 1995.
 Karl Kupisch: Karl Barth. Neuausgabe Stuttgart 21996.
 Günther van Norden: Die Weltverantwortung der Christen neu begreifen. Karl Barth als homo politicus. Gütersloh 1997.
 Eberhard Busch: Die große Leidenschaft. Einführung in die Theologie Karl Barths. Gütersloh 1998.
 Frank Jehle: Lieber unangenehm laut als angenehm leise. Der Theologe Karl Barth und die Politik 1906-1968. Zürich 1999.
 Egon Brinkschmidt: Martin Buber und Karl Barth. Neukirchen 2000.


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