Cavour
[ka'vur], Camillo Bẹnso, Graf, italienischer Staatsmann, * Turin 10. 8. 1810, ✝ ebenda 6. 6. 1861; aus piemontesischem Adelsgeschlecht; empfing auf Reisen in jungen Jahren entscheidende Eindrücke v. a. vom britischen Konstitutionalismus. Seit 1847 trat Cavour, zunächst als Mitherausgeber der Zeitung »Il Risorgimento«, für die Einigung Italiens unter dem Haus Savoyen ein. Als Führer der Konservativen in der Kammer des Königreichs Sardinien war er 1850-52 Handels- und Marineminister, seit 1851 auch Finanzminister. Im Mai 1852 schied er aus, wurde aber schon im November an die Spitze der Regierung berufen. Er setzte liberale Reformen durch, scheiterte jedoch am Widerstand von Papst Pius IX., als er versuchte, kirchliches und staatliches Bereich zu trennen. Um seinem Staat ein europäisches Mitspracherecht zu sichern, trat er 1855 an der Seite der Westmächte in den Krimkrieg gegen Russland ein und nahm 1856 am Pariser Friedenskongress teil.Nachdem er sich 1858 bei der Begegnung mit Napoleon III. in Plombières-les-Bains dessen Unterstützung (als Gegenleistung für die Abtretung Nizzas und Savoyens an Frankreich) gesichert hatte, konnte Cavour 1859 den anfangs siegreichen Kampf gegen Österreich um die Lombardei führen. Napoleon aber schloss überraschend den Vorfrieden von Villafranca (Italien, Geschichte) ab; daraufhin trat Cavour am 13. 7. verbittert zurück. Am 23. 1. 1860 übernahm er wieder die Regierung und schloss die Einigung Italiens bis auf Venetien und Rom ab; am 17. 3. 1861 nahm Viktor Emanuel II. den Titel eines Königs von Italien an.
Cavour gelang es, die nationale Begeisterung der Italiener entsprechend den realistischen Erfordernissen der europäischen Politik zu lenken. Durch die Unterstützung G. Garibaldis konnte er dessen revolutionäre Unternehmungen so weit steuern, wie es zur Vermeidung internationaler Verwicklungen notwendig war. So gelang es Cavour vorwiegend durch diplomatisches Geschick, ohne großes militärisches Gewicht, das Ziel der nationalen Einigung zu erreichen, während sein Versuch, den Papst zum Verzicht auf den Kirchenstaat zu bewegen, misslang. (Römische Frage)
Ausgaben: Gli scritti del Conte di Cavour, herausgegeben von D. Zanichelli, 2 Bände (1892); Discorsi parlamentari, neu herausgegeben von A. Omodeo und L. Russo, 8 Bände (1932-39); Diario (1833-1843) del Conte di Cavour, herausgegeben von L. Salvatorelli (1941).
Literatur:
A. J. B. Whyte: The political life and letters of C., 1848-61 (London 1930, Nachdr. Westport, Conn., 1975);
W. R. Thayer: The life and times of C., 2 Bde. (Neuausg. New York 1971).