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BEVÖLKERUNGSEXPLOSION UND WANDERUNGEN: LÖSUNGSANSÄTZE

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Bevölkerungsexplosion und Wanderungen: Lösungsansätze
 
Auf welche Weise lassen sich die Probleme der Migration und des Bevölkerungswachstums national und international lösen? Migrationsforscher haben mittlerweile eine ganze Reihe von Denkmodellen erarbeitet: Mit der globalen Strategie sollen die Ursachen der Fluchtbewegungen bekämpft werden. Die nationalen Strategien dagegen stellen die Lösung der Zuwanderungsprobleme innerhalb der Industriestaaten in den Vordergrund. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Abschottung oder gezielte Einwanderungspolitik.
 
 Die globale Strategie: Ursachenbekämpfung
 
Wer weltweit die Ursachen von Flucht und Migration beseitigen will, der muss vor allem die Armut bekämpfen. Da die Armut viele Ursachen hat — unter anderem Umweltzerstörung, Landflucht, mangelnde soziale Absicherung, hohe Geburtenraten, geringe Bildung, Krieg und Verfolgung — ergibt sich eine ganze Palette von Maßnahmen, eine Patchworkaufgabe, die nicht nur Geld, sondern auch ein hohes Maß an Geduld erfordert.
 
 Ansatzpunkt: demographischer Übergang
 
Hohe Geburtenraten treiben die armen Länder in einen Teufelskreis aus rapidem Bevölkerungswachstum und Armut.Die hohe Fertilität ist noch immer eine Reaktion auf hohe Säuglingssterblichkeit und schlechte soziale Bedingungen, dazu kommen mangelnde Verhütungsmöglichkeiten. Die Voraussetzung für ein Absinken der Geburtenraten sind daher verbesserte Gesundheitsversorgung, die Erhöhung des Lebensstandards, Familienplanungsprogramme und Frauenförderung. Allein der Zugang zu Verhütungsmitteln hat die Geburtenraten in den letzten Jahrzehnten drastisch gesenkt. Derzeit verhütet in den Entwicklungsländern die Hälfte aller Paare. Nach Auskunft der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung ließe sich allein durch das Verhindern ungewollter Schwangerschaften das Bevölkerungswachstum weltweit um jährlich 75 Millionen Geburten verringern. Der Schlüsselfaktor zur Senkung der Geburtenraten ist dabei die Frauenförderung. Eine südamerikanische Studie belegt, dass die Geburtenrate von Frauen ohne Schulbildung dreimal höher ist als die von Schulabgängerinnen. Frauen mit Schulbildung sind nicht nur besser informiert über Verhütungsmöglichkeiten und Hygiene, sondern infizieren sich auch seltener mit dem Aidsvirus.
 
»Neue Untersuchungen zeigen«, so die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung, »dass rasches Bevölkerungswachstum dem Wirtschaftswachstum abträglich ist.« Der Grund dafür: Wo die Geburtenraten hoch sind, ist das Ausbildungs- und Gesundheitsniveau niedrig. Länder mit niedrigem Ausbildungsstand wiederum sind für ausländische Investoren unattraktiv, und wo diese fehlen, entstehen keine neuen Arbeitsplätze. Das Bevölkerungswachstum der Entwicklungsländer verhält sich umgekehrt proportional zu Bildung und Wohlstand: Zwischen 1980 und 1990 stieg das Pro-Kopf-Einkommen in Ländern mit geringen Geburtenraten um durchschnittlich zwei Prozent, in den Ländern mit hohen Geburtenraten fiel es dagegen um mehr als ein Prozent.
 
 Ansatzpunkt: Wirtschaftswachstum
 
Die wirtschaftliche Entwicklung verbessert den Lebensstandard und führt damit zu sinkenden Geburtenzahlen sowie abnehmender Migrationsbereitschaft. Die Grundvoraussetzung für einen ökonomischen Aufschwung ist allerdings Qualifikation.
 
Noch gibt es auf der Erde eine Milliarde Analphabeten. 1990 erklärten die Teilnehmer der UN-Weltkonferenz für Bildung, bis zum Ende des Jahrtausends sollten achtzig Prozent aller Kinder zumindest eine Grundschulbildung bekommen. Von diesem Ziel sind viele Länder weit entfernt: In Afrika beispielsweise haben nur 57 Prozent aller Kinder die Möglichkeit zum Schulbesuch. Die Bildungsprogramme scheitern dabei nicht nur am Geld, sondern oft auch an der Bereitschaft der Eltern ihre Kinder zur Schule zu schicken — die Nachkommen werden für die Feldarbeit, beim Fischen oder im Haushalt gebraucht. Einen Ausweg aus dem Dilemma sucht derzeit UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen: In Uganda zum Beispiel bekommen Kinder, die nicht regelmäßig zur Schule gehen können, Kurzzeitunterricht in Rechnen, Schreiben, Lesen und englischer Sprache.
 
Um die Chancen armer Entwicklungsländer im globalen Wirtschaftssystem zu verbessern, empfehlen viele Ökonomen außerdem eine inflationsdämmende Geldpolitik, eine Verbesserung der Verkehrs- und Telekommunikationssysteme, eine Liberalisierung des Handels und der Kapitalbewegungen, den Abbau protektionistischer Mauern sowie Entschädigungen und Ausgleichszahlungen für ökologisch bestimmtes Verhalten.
 
 Ansatzpunkt: Nachhaltige Entwicklung
 
Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der armen Länder in der »Dritten Welt« darf nicht auf Kosten ihrer Ressourcen gehen. Der Raubbau an Wäldern, Wasserreserven oder Böden ist durchaus vermeidbar, wenn entsprechendes Know-how und ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Im »Annapurna Conservation Project« in Nepal ließ zum Beispiel die Regierung des Himalajastaats mit Unterstützung internationaler Organisationen — darunter auch die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung — kleine Wasserkraftwerke bauen, die den Strombedarf der Bergbauern decken. Neue Wasserleitungen versorgen jetzt die Höfe mit frischem Trinkwasser; Kerosin wird subventioniert, um den Brennholzverbrauch zu minimieren. Aufforstungprojekte, Familienplanung und -beratung sowie Gesundheitsvorsorge ergänzen das Programm.
 
Vor allem in den Trockengebieten der Erde gilt es, die meist sehr knappen Süßwasservorräte zu schützen und Wasserverschmutzungen zu vermeiden. Durch die Aufbereitung von Abwässern, durch Tröpfchenbewässerung und durch Mulchen in der Landwirtschaft lässt sich der Frischwasserverbrauch drastisch reduzieren. Für den Bau von Meerwasserentsalzungsanlagen, Solar- oder Windkraftanlagen ist ein Know-how-Transfer notwendig: Arme Länder sollten hier kostenlos von modernen, »sauberen« Technologien profitieren können.
 
 Ansatzpunkt: politische Unterstützung
 
Bürgerkriege, ethnische Konflikte und politische Verfolgung gehören weltweit zu den wichtigsten Fluchtursachen. Diese zu bekämpfen ist und bleibt eine der Aufgaben der westlichen Demokratien. Diplomaten, Krisenmanager, Unterhändler, humanitäre Interventionen und ein Verbot von Waffenexport könnten helfen, gewalttätige Auseinandersetzungen zu verhindern.
 
»Grundlegende Verbesserungen sind hier insofern dringlich, als die für die kommenden Jahrzehnte sich abzeichnende Verschlechterung der demographischen, wirtschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen die internen und internationalen Verteilungskämpfe erheblich verschärfen werden«, schreibt Opitz in seinem Buch »Der globale Marsch«. Denkbar — und für die politische Unterstützung äußerst hilfreich — wäre auch eine bewusste Ächtung sämtlicher totalitärer Regime durch die Vereinten Nationen. Thomas Straubhaar vom Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität der Bundeswehr in Hamburg empfiehlt deshalb zum Beispiel, »jene politischen Systeme zu stärken, die Menschenrechte respektieren und demokratische Prozesse unterstützen«.
 
 Investition in die Zukunft
 
Die »globale Strategie« zur Bekämpfung des starken Bevölkerungswachstums und der daraus resultierenden Probleme soll den armen Ländern die demographische, industrielle und nachhaltige Entwicklung ermöglichen. Nur die Kombination aus verbessertem Lebensstandard, abnehmenden Geburtenraten und schonendem Umgang mit Ressourcen kann nach Ansicht vieler Wissenschaftler die ökologischen und bevölkerungspolitischen Probleme der Welt lösen und damit die Migrationsbereitschaft senken.
 
Das Konzept ist einleuchtend und doch ist seit der UN-Konferenz von Rio im Jahr 1992 wenig passiert. Der Grund: Die Maßnahmen erfordern massive Investitionen in den armen Ländern und damit weitreichenden Verzicht der reichen Länder. »Ihnen wird mehr abverlangt als nur erhebliche wirtschaftliche Opfer zugunsten der Armen dieser Welt — nämlich die Bereitschaft zu einer grundlegenden Umstellung der während der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts entwickelten Konsumgewohnheiten und Lebensstile, Wertsysteme und Produktionsweisen, die zur Übernutzung knapper werdender Ressourcen wie zur Überforderung einer schon heute in vielen Bereichen überlasteten Umwelt geführt haben«, resümiert der Münchner Politologe Peter Opitz.
 
 Nationale Strategie I: Abschottung
 
Im Großen wie im Kleinen ist sich jeder selbst der Nächste. Niemand verzichtet gern auf Konsum und Luxus, kein Unternehmen lässt sich freiwillig die Gewinne beim Technologietransfer entgehen, Politiker vermeiden unangenehme Themen. Die Folge davon ist: Die reichen Industrie — nationen versuchen das Bevölkerungs- und Migrationsproblem durch Abschottung zu lösen. Man tut so, als gingen einen Hunger, Armut, Überbevölkerung und Flüchtlingsströme nichts an. Diese weit verbreitete Vogel-Strauß-Politik wird begünstigt durch die geradezu unvorstellbare Dimension der Problematik. »Die offenkundige Hilfs- und Hoffnungslosigkeit, die einen bei diesem Thema ergreift, führt dazu, dass es konsequent ignoriert und verdrängt wird«, erklärte Joschka Fischer, seinerzeit noch hessischer Umweltminister, schon vor vielen Jahren.
 
Die Befürworter der nationalen Abschottungspolitik argumentieren, eine weltweite Lösung sei nicht möglich und man habe ohnehin genug mit Problemen im eigenen Land zu tun — mit der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, der Integration im Lande lebender und geborener Ausländer sowie mit der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern.
 
Ein wissenschaftliches Fundament für diese Sichtweise hat der amerikanische Biologe Garrett Hardin mit seiner »Lifeboat-Ethics« geschaffen. Er geht davon aus, dass im nächsten Jahrtausend nur diejenigen Völker überleben werden, die in einem sicheren Rettungsboot sitzen, während andere absaufen. Diese Rettungsboot-Idee drückt sich in dem Schlagwort »Das Boot ist voll« aus.
 
Vieles deutet heute darauf hin, dass die reichen Industrienationen die Politik der Abschottung auch in Zukunft fortsetzen werden. Der derzeitige Wohlstand wird sich nach Ansicht von Peter Opitz aber trotzdem nicht sichern lassen. Wenn die Arbeitslosigkeit noch weiter zunimmt, rechnet er mit einer sozialen und wirtschaftlichen Zerklüftung der Gesellschaft, einem Abbau des Sozialstaats und einer Zunahme der Ausländerfeindlichkeit: »Insgesamt gesehen, treibt die Welt damit einer Phase verstärkter politischer und gesellschaftlicher Destabilisierung entgegen, sowohl innerhalb der Regionen des Nordens wie denen des Südens — was sich auf die Beziehungen zwischen den beiden Regionen nicht unbedingt positiv auswirken wird.«
 
 Nationale Strategie II: gezielte Zuwanderungspolitik
 
Die Entwicklung neuer Strategien zur Lösung des Migrationsproblems wird durch Vorurteile und Ängste erschwert, meint der Geschichtsforscher Klaus J. Bade: »Deutschland ist, darin sind sich alle Sachkenner einig, ein Land, das einerseits ein Übermaß an Einwanderung fürchtet und doch auf lange Sicht kontinuierlich ein Mindestmaß an Einwanderung braucht. Anderenfalls könnte es nach der Jahrtausendwende zu einem gespenstischen Szenario eines mitteleuropäischen Bunkers mit schrumpfender und vergreister Besatzung kommen. Und damit zu unübersehbaren Folgen für die Arbeitsmarktentwicklung, für die Stabilität der sozialen Leistungssysteme im Generationenvertrag und für den Sozialstaat insgesamt.«
 
Das Fazit dieser Überlegung lautet: Deutschland und seine europäischen Nachbarn werden auch in Zukunft Einwanderer brauchen. »Die ökonomische Kluft zwischen Westeuropa und seiner unmittelbaren Nachbarschaft wird ein gewisses Maß an Migration in Gang halten, obwohl die reichen Industriestaaten derzeit auf Abschottung setzen«, so der Berliner Demograph Rainer Münz.
 
Die Angst vor einer »Ausländerschwemme« ist unbegründet, betonen die Migrationsforscher im »Manifest der 60«: Nach Artikel 16 des Grundgesetzes und den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention können Asylbewerber und Flüchtlinge nur bis zur Entscheidung über ihren Antrag ein Recht auf Aufenthalt in der Bundesrepublik beanspruchen. Wer dann tatsächlich als Einwanderer zugelassen wird, liegt in der Entscheidungsgewalt des Nationalstaats. Deutschland macht von diesem Recht schon seit längerem Gebrauch: Im Rekord-Flüchtlingsjahr 1992 wurden 438191 Asylanträge gestellt, aber nur 9189 Personen als asylberechtigt anerkannt — die Anerkennungsquote lag damit bei 4,3 Prozent. Für 1997 verzeichnet die Statistik 104353 Asylbewerber und 8443 Asylberechtigte.
 
»Als Faustregel gilt: Flüchtlingspolitik ist altruistisch, Immigration dagegen egoistisch«, resümiert der Politikwissenschaftler Claus Leggwie von der Universität Gießen. »Flüchtlinge müssen aus humanitären Gründen aufgenommen werden — und Europa täte gut daran, sich besser auf weitere Flüchtlingsströme aus Bürgerkriegs- und Katastrophengebieten einzustellen. Einwanderern gegenüber besteht eine solche Verpflichtung nicht. Einwanderungspolitik unterliegt dem Primat nationaler Interessen.«
 
Ein Hauptproblem bleibt die Integration der ins Land kommenden Menschen. Ursula Boos-Nünning, Leiterin des Instituts für Migrationsforschung, Ausländerpädagogik und Zweisprachendidaktik in Essen, vermisst hier politische Konzepte: Die Integrationsversuche von Arbeitsmigranten und anderen ausländischen Zuwanderern sei nichts weiter als »ein Sammelsurium unterschiedlicher Ansätze, Programme und Strategien«. Die Forscherin fordert eine »Gesamtkonzeption der Zuwanderungs- und Integrationspolitik«. Zu dieser Konzeption gehören die Eingliederung zugewanderter oder schon im Lande geborener Minderheiten, transparente Konzepte für Einwanderungsgesetzgebung und Migrationspolitik.
 
Die Voraussetzung für eine Trendwende ist nach Ansicht der Berliner Ausländerbeauftragten Barbara John ein Umdenkprozess: »Zuwanderung wird oft als Belastung diffamiert, als etwas, was man sich nicht mehr leisten kann. Dabei stimmt das nur für die Art, wie wir Zuwanderer managen. Natürlich wird die Gesellschaft unübersichtlicher und vielfältiger, man muss viel über andere Kulturen lernen und auch andere Konflikte ertragen. Die Buntheit der Gesellschaft wird als bedrohlich empfunden.« Um die Integration zu fördern schlägt Barbara John deshalb vor, Unqualifizierten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, den nachziehenden Ehepartnern eine Arbeitserlaubnis zu geben und die Schulbildung für Ausländerkinder zu verbessern.
 
 Kosten und Nutzen der Einwanderung
 
Einwanderer sind keine Belastung für die Wirtschaft, sondern eine Entlastung. Zu diesem Ergebnis kommt Hans Dietrich von Loeffelholz vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, nachdem er die ökonomischen Folgen der Immigration untersucht hat. Aus wirtschaftspolitischer Sicht sind fremde Arbeitnehmer ein Puffer auf dem Arbeitsmarkt, da sie auch schlechte Jobs annehmen. Sie besetzen meistens nur Positionen mit geringen Qualifikationsanforderungen und sind daher keine Konkurrenz für deutsche Angestellte. Ausländische Arbeitnehmer belasten außerdem das soziale Netz weniger als einheimische, denn sie nehmen im Fall der Arbeitslosigkeit eine berufliche Herabstufung in Kauf und finden daher schneller wieder eine Anstellung.
 
Positiv wirkt sich außerdem aus, dass ausländische Arbeiter zwar Steuern und Sozialabgaben bezahlen, aber Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung oder Umschulungsprogramme weniger häufig in Anspruch nehmen als deutsche Arbeitnehmer. Höhere Schulen und Universitäten werden von Ausländerkindern seltener besucht als von deutschen Kindern. Die schlechtere Qualifikation der zweiten Generation ist allerdings nur vordergründig ein Gewinn für den Staat: »Insbesondere der hohe Anteil ausländischer Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss erscheint bedenklich; diesen Jugendlichen ist eine berufliche Qualifikation weitgehend versperrt und eine Karriere als un- oder angelernter Arbeiter vorprogrammiert«, schreibt von Loeffelholz.
 
Nach seinen Berechnungen entgehen dem Staat durch das geringe Bildungsniveau und das damit verbundene Arbeitslosigkeitsrisiko jährlich etwa zehn Milliarden Mark Steuern und Sozialbeiträge. In einem Gutachten für das nordrhein-westfälische Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt der Wirtschaftswissenschaftler, die berufliche Bildung ausländischer Jugendlicher zu fördern und ihnen den Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen zu erleichtern.
 
 Die neue Sichtweise: das gemeinsame Boot
 
Kein Land kann im Alleingang die wachsenden Migrationsprobleme der Welt lösen. Die Experten des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) fordern daher ein globales »Migrationsmanagement«. Um politisch oder ethnisch Verfolgten gefährliche und illegale Fluchtversuche zu ersparen, soll ihnen die Ausreise erleichtert werden. »Gleichzeitig sollte man über die Idee nachdenken, Asylanträge schon in den Herkunftsländern zu bearbeiten, so wie die USA es in gewissem Umfang in Haiti gemacht haben«, heißt es in der Agenda »The State of the World's Refugees«. Die Migrationsbereitschaft könnte nach Ansicht der UNHCR auch durch Informationskampagnen gesenkt werden: »Der Wunsch auszuwandern, basiert häufig auf falschen Vorstellungen von den Bedingungen und Möglichkeiten in den reichen Ländern.«
 
Die Voraussetzung für ein erfolgreiches Migrationsmanagement ist ein neues Bewusstsein: Im Zentrum aller Überlegungen müsste das »gemeinsame Boot« stehen, in dem alle Länder sitzen. Die Chancen, dass diese Sichtweise langsam aber sicher Schule macht, sind heute besser denn je, meint zum Beispiel der britische Soziologe Anthony Giddens, Leiter der London School of Economics: »Es entsteht gerade eine internationale Gemeinschaft. Die meisten Länder haben keine klaren Feinde mehr. Stattdessen stehen sie Risiken — ökologischen zum Beispiel — gegenüber, die man nur gemeinsam anpacken kann. Die Welt braucht, glaube ich, ein besseres Gefüge von Institutionen und eine Erweiterung der Demokratie über die Ebene des Nationalstaats hinaus.«
 
 Die Forderung: Eine Welt ohne Grenzen
 
Wie werden unsere Enkel mit den zunehmenden Problemen des Bevölkerungswachstums umgehen? Werden sie in fünfzig Jahren Mauern bauen, um die Festung Europa vor Flüchtlingsströmen aus der »Dritten Welt« zu schützen? Werden die reichen Industrienationen weiterhin Wohlstandsinseln in einem Meer der Armut sein?
 
Niemand kann die Zukunft exakt voraussagen. Viele Forscher meinen allerdings, dass das derzeitige Ungleichgewicht zwischen den Ländern der Nord- und der Südhalbkugel langfristig nicht bestehen kann. Schon heute, im Zeitalter der Globalisierung, wächst die Welt mehr und mehr zusammen. Die Handelsbarrieren fallen, wirtschaftliche Interessen ersetzen zunehmend die Staatsräson.
 
Die Konsequenz aus dieser Entwicklung wäre auch eine politische Grenzöffnung, meint dazu Thomas Straubhaar, wenn er feststellt: »Somit wäre die einfachste Maßnahme, den Migrationsdruck abzubauen, die politischen Einwanderungsrestriktionen aufzuheben und die Grenzen für alle Zuwanderungswilligen zu öffnen. Scheinbar ist dieses Extremszenario kein politisch relevanter Vorschlag. Die Entscheidungsträger in den Zielländern glauben, das Szenario aoffene Grenzenb ihren Einheimischen nicht zutrauen zu dürfen.«
 
Zugegeben, eine grenzenlose Welt scheint wenig attraktiv zu sein — zumindest für diejenigen, die unbeschwert im Überfluss leben. Tatsächlich würde eine ungebremste Migration den Wohlstand in den reichen Ländern schmälern — zumindest vorübergehend. Auf lange Sicht aber könnten alle davon profitieren. »Im langfristigen Gleichgewicht werden räumliche Wohlstandsunterschiede so weit ausgeglichen, dass die ökonomischen Anreize zur Migration verschwinden. Es kommt zu einer räumlich effizienten Allokation der Produktionsverfahren, welche den Wohlstand der Menschen insgesamt maximiert«, prognostiziert Wirtschaftspolitiker Straubhaar.
 
 Weltenbürgertum statt Nationalismus
 
In einer Welt der offenen Grenzen könnte in Zukunft jeder hingehen, wohin er will. Die Nationalstaaten in ihrer heutigen Form und damit auch die bisher gewohnten nationalen Identitäten würden auf Dauer verschwinden. Auf den ersten Blick ist diese Vorstellung für die meisten recht beängstigend: Werden die Menschen der Zukunft allein und heimatlos in einer multikulturellen Gesellschaft und umgeben von Fremden dahinvegetieren?
 
Diese Angst vor einem Verfall der Werte mag berechtigt sein, neu ist sie nicht. Das Heimatideal beispielsweise erlebte schon während der Industrialisierung, in einer Ära des radikalen Umbruchs und der Verunsicherung, eine Blüte. Damals bekam der Begriff »Heimat«, der bis dahin lediglich zur Definition von Besitzständen verwendet worden war, seine romantisch verklärte Bedeutung. Siegmund Freud, der Vater der Psychoanalyse, deutete die Sehnsucht der Menschen nach Heimat als einen geheimen Wunsch des Einzelnen nach der Rückkehr in den Uterus. Die meisten Psychologen heute betrachten den Mutterleib als den ersten Ort der menschlichen Identität und damit auch als den Urbegriff von Heimat.
 
»Der Wunsch nach einer einheitlichen, vertrauten, übersichtlichen und kontrollierbaren Welt scheint nicht nur ein menschliches Grundbedürfnis zu sein, sondern auch eine Gegenreaktion auf die gesellschaftliche Entwicklung, die alle bisherigen Heimatwelten zerstört hat«, sagt zum Beispiel die Leipziger Psychologin Beate Mitzscherlich. Kein Wunder also, dass heute, im Zeitalter der nahezu grenzenlosen Mobilität, der andauernden Massenarbeitslosigkeit und der zunehmenden Globalisierung der Märkte die Angst vor Heimatlosigkeit besonders groß ist.
 
Die Angst vor einer Veränderung führt auch zur Ablehnung der sich anbahnenden multikulturellen Gesellschaft — das von besonnenen Köpfen geforderte friedliche Nebeneinander von christlichen Kirchenglocken und muslimischem Muezzinruf wird von den meisten Menschen nicht als eine demokratische Herausforderung, sondern als eine unzumutbare Belastung angesehen.
 
Mitzscherlich schlägt deshalb vor, den bisherigen Heimatbegriff neu zu definieren: »Eine Alternative ist es, Heimat nicht in der Vergangenheit, sondern im Hier und Jetzt anzusiedeln. Heimat ist da, wo ich jetzt bin, und in dem, was ich jetzt tue. Heimat ist das, was man sich selbst geschaffen hat und wofür man selbst verantwortlich ist, worauf man infolgedessen auch stolz sein kann.«
 
 Plädoyer für eine neue Heimat
 
Diese »neue Heimat« würde sich sogar nahtlos an die ursprüngliche Bedeutung des germanischen Worts »haima« anschließen. »Haima bezeichnet nämlich keine abgeschlossene Struktur, sondern das Gegenteil davon: Eine offene Struktur, eine Brücke zwischen dem Menschen und dem Universum«, so Václav Havel in seiner viel beachteten Rede vor dem Deutschen Bundestag am 24. April 1997. Der tschechische Staatspräsident plädierte in seiner Ansprache ebenfalls für eine Neudefinition des Heimatbegriffs: »Wir sollten lernen, die Heimat wieder — so wie es einst geschah — als Teil der aWelt im Ganzenb zu empfinden.«
 
In einer solchen Welt wäre der Mensch nicht mehr ein Staats-, sondern nur noch ein Weltenbürger: Es gäbe keine nationalen Interessen mehr; wirtschaftliche und politische Unterstützung für hilfsbedürftige Regionen wäre eine Selbstverständlichkeit; Toleranz träte anstelle von Fremdenfeindlichkeit und ein weltumspannendes Wir-Gefühl würde nationalen Egoismus verdrängen. In einem solchen — zugegeben utopischen — Weltenstaat gäbe es auch keine Migration mehr, denn niemand müsste vor Hunger, Armut oder Krieg fliehen.
 
 Träume für die Zukunft
 
Vielleicht wird dieser glückliche Weltenstaat, den schon der deutsche Philosoph Immanuel Kant beschrieb, immer eine Utopie bleiben. Trotzdem ist es wichtig, dass man den Traum nicht aufgibt, meint der amerikanische Philosoph Richard Rorty: »Sobald es um den moralischen Fortschritt geht — also um Fortschritt bei der Verwirklichung utopischer Träume von einer klassenlosen, gleichberechtigten Welt, in der alle Kinder dieselben Chancen haben, kann man von kommenden Jahrhunderten vernünftigerweise nichts Besseres erwarten, als dass solche Träume auch dann noch geträumt werden. Man kann nur hoffen, dass solche Träume bei der Motivierung des politischen Handelns unserer Urenkel nach wie vor die gleiche Rolle spielen wie heute. Die schlimmste Zukunft des Menschengeschlechts, die ich mir auszumalen vermag, wäre eine Zukunft ohne derartige Träume.
 
Dipl.-Geol. Monika Weiner
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Wanderungen: Menschen auf der Flucht
 
Wanderungen von morgen
 
Bevölkerungsexplosion: Ursachen und Folgen
 
Literatur:
 
Der globale Marsch. Flucht und Migration als Weltproblem, herausgegeben von Peter J. Opitz. München 1997.
 Heilemann, Ullrich/Loeffelholz, Hans Dietrich von: Ökonomische und fiskalische Implikationen der Zuwanderung nach Deutschland. Essen 1998.
 Loeffelholz, Hans Dietrich von/Köpp, Günter: Ökonomische Auswirkungen der Zuwanderungen nach Deutschland. Berlin 1998.
 Loeffelholz, Hans Dietrich von/Thränhardt, Dietrich: Kosten der Nichtintegration ausländischer Zuwanderer. Düsseldorf 1996.
 
Das Manifest der 60. Deutschland und die Einwanderung, herausgegeben von Klaus J. Bade. München 1994.
 
Migration in Europa. Historische Entwicklung, aktuelle Trends und politische Reaktionen, herausgegeben von Heinz Fassmann u. a. Aus dem Englischen. Frankfurt am Main u. a. 1996.
 Mitzscherlich, Beate: »Heimat ist etwas, was ich mache.« Eine psychologische Untersuchung zum individuellen Prozeß von Beheimatung. Pfaffenweiler 1997.
 Münz, Rainer u. a.: Zuwanderung nach Deutschland. Strukturen, Wirkungen, Perspektiven. Frankfurt am Main u. a. 1997.


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