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ANALYTISCHE PHILOSOPHIE: WENDUNG ZUR SPRACHE

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analytische Philosophie: Wendung zur Sprache
 
Neue philosophische Theorien haben ihre Ursachen meist in der Tatsache, dass die geläufigen und anerkannten Wege zu Komplikationen führten, die mit dem gewohnten Begriffsapparat nicht aufzulösen oder zu beseitigen waren. Auch lässt die wiederholte Verteidigungsstrategie einer in logische oder inhaltliche Schwierigkeiten geratenen philosophischen Grundauffassung, nämlich durch Vermehrung von Zusatzannahmen Inhalt und Methode der gewohnten Auffassung zu bewahren, Platz für generelle Zweifel an der Richtigkeit und Praktikabilität bisheriger Verfahrenswege.
 
Als die Hauptrichtungen der neuzeitlichen Philosophie hat man gewöhnlich den Rationalismus mit Descartes, Spinoza und Leibniz, den Empirismus, vornehmlich vertreten durch die englischen Empiristen Locke, Berkeley und Hume, sowie die Transzendentalphilosophie von Kant und seinen Nachfolgern im deutschen Idealismus (Fichte, Schelling, Hegel) angesehen.Demgegenüber zeigt sich die analytische Philosophie des 20. Jahrhunderts nicht durch die Frage der Erkenntnismöglichkeiten, zum Beispiel Empirismus gegen Rationalismus, charakterisiert, sondern vornehmlich durch ihre Methoden. Waren ihre Vorgänger hauptsächlich daran interessiert, die Erkenntnis der Welt durch den Rückgang auf die Quellen der Erkenntnis - Erfahrung und/oder Vernunft - zu bestimmen, so fragten die Philosophen nun: Was ist der Sinn der Rede, der Sinn eines Satzes oder eines Wortes? Was bedeuten die sprachlichen Zeichen, die Aussagen, Fragen oder Befehle? Analytisches Philosophieren bezieht sich dann zuallererst auf die »Analyse« der Sprache.
 
Warum nahmen die Probleme der Sprache jene zentrale Stelle in der Philosophie des 20. Jahrhunderts ein? Auf diese Frage gibt es eine Vielzahl von Antworten. Die zwei wichtigsten sind: Erstens konnten alle Untersuchungen des menschlichen Bewusstseins und seiner Akte die Frage nach der Konstitution der Innenwelt des Geistes, des begrifflichen Apparates unseres Denkens, Wollens und Fühlens, nicht lösen, ohne letztlich auf die Bedeutungen der sprachlichen Ausdrücke zu rekurrieren. Zweitens ist zu beachten, dass das Sprechen und Verstehen der gewöhnlichen Sprache nicht der Ausdruck einer je eigenen, inneren und daher privaten Sprache ist, sondern ein erlerntes Verhalten gemeinsamer Gebräuche, ein eingelerntes Spiel, Regeln zu folgen.
 
Historisch betrachtet leitet sich die »Wende zur Sprache« und damit zur sprachanalytischen Methode in der Philosophie aus zwei Quellen her: Zum einen aus dem antipsychologistischen Programm des Logikers und Mathematikers Gottlob Frege sowie seines englischen Fortsetzers Bertrand Russell. Zum anderen durch die von dem jungen Ludwig Wittgenstein entscheidend mitbestimmte Philosophie des Wiener Kreises, die die logische Struktur der Sprache der Wissenschaft zum Thema machte.
 
Frege hatte nicht nur das kühne Programm entwickelt, die Arithmetik durch Rückführung auf reine, formale Logik widerspruchsfrei zu begründen, er hat auch die für die Semantik wesentliche Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung der sprachlichen Ausdrücke zu einem Kernprinzip der Analyse erhoben. Danach gilt, dass der Sinn eines Namens, zum Beispiel »Morgenstern«, die »Weise des Gegebenseins« des Gegenstandes ist, das heißt des Sterns, der als letzter vom Firmament schwindet, die Bedeutung des Namens aber der bezeichnete Gegenstand selbst ist, das heißt im Falle des Morgensterns die »Venus«. Man muss also immer sehr klar das jeweilige Zeichen einer Sprache von seinem Gebrauch unterscheiden: »Ein Eigenname drückt aus seinen Sinn, bedeutet oder bezeichnet seine Bedeutung (den bezeichneten Gegenstand).« Bei Sätzen ist der Sinn eine Funktion des Sinnes seiner Bestandteile, die Bedeutung aber der Wahrheitswert.
 
In seinem berühmt gewordenen Aufsatz »Über Kennzeichnung« (»On Denoting«, 1905) hat Russell, auf Freges Unterscheidung zwischen »Sinn« und »Bedeutung« aufbauend, eine Theorie entwickelt, die offenkundig machen sollte, dass bestimmte Beschreibungen, wie zum Beispiel »der gegenwärtige König von Frankreich«, die einen existierenden Gegenstand zu bezeichnen scheinen, tatsächlich sich jedoch auf nichts Existierendes beziehen, durch eine Analyse so aufgelöst werden können, dass die Annahme der Existenz von Gegenständen, die es nicht gibt, vermeidbar wird. In der Auseinandersetzung mit der Gegenstandstheorie des österreichischen Philosophen Alexius Meinong war Russell zu dem Ergebnis gelangt, dass eine logische Analyse ausschließen müsste, dass aus einer Sprachform wie »das runde Viereck« oder »der gegenwärtige König von Frankreich« auf die Existenz von nicht-existierenden Gegenständen zu schließen wäre. Während Meinong die These verteidigte, dass es Gegenstände gibt, die es nicht gibt, dass also auch Gegenständen, deren Existenz ausgeschlossen ist, dennoch eine Art von Existenz oder Sein zukommt, lehnt Russell die Gleichsetzung von bloß grammatischen Namen mit logischen Namen ab. Natürlicherweise sind wir mit vielen Dingen und Sachverhalten in der Welt vertraut oder eben bekannt: insbesondere mit den Gegenständen der unmittelbaren Erfahrung, aber auch mit Universalien, »nicht aber mit materiellen Gegenständen oder dem Geist anderer Menschen«.
 
Vom erkenntnismäßigen Standpunkt aus gibt es nach Russell zwei Wege, zu Wissen zu gelangen: Wissen durch unmittelbares Kennen beziehungsweise Bekanntschaft (»acquaintance«) und Wissen aufgrund von Beschreibungen (»description«), woraus sich folgendes Prinzip der Analyse von Beschreibungen ergibt: »Jede Aussage, die wir verstehen können, muss vollständig aus Bestandteilen bestehen, mit denen wir bekannt sind.« Wüssten wir nämlich nicht, was das ist, was wir in einem Urteil beurteilen, das heißt wären wir nicht in irgendeiner Weise, unmittelbar oder mittelbar, mit den beurteilten Gegenständen vertraut, wir könnten gar nicht sicher sein, was das ist, worüber wir reden. Alle übrigen Gegenstände lernen wir durch Beschreibungen kennen. Aber auch diese sind uns nur verständlich, wenn ihre Bestandteile solche sind, mit denen unser Geist unmittelbar bekannt ist. Dieses Prinzip zwingt also dazu, bei einer philosophisch exakten Behandlung alle deskriptiven, beschreibenden Ausdrücke der Aussagen zu analysieren und zwischen Sinn und Bedeutung (Bezug) zu unterscheiden.
 
Der dritte im Dreigestirn der Wende zur Sprache war Wittgenstein, der in den letzten drei Jahren vor dem Ersten Weltkrieg bei Russell in Cambridge studiert hatte. In seiner »Logisch-philosophischen Abhandlung« (1921), bekannt unter dem Titel der englisch-deutschen Ausgabe »Tractatus logico-philosophicus« (1922), bemerkt Wittgenstein, dass es nötig ist, eine Zeichensprache zu verwenden, die die Irrtümer und Verwechslungen, die in der Umgangssprache passieren, ausschließt und so nur der logischen Grammatik oder Syntax folgt. Zu den Aufgaben der Philosophie zählt er nicht nur die Kritik und Analyse der Sprache, sondern auch die Angabe und Darstellung der Prinzipien der Weltbeschreibung. Im Traktat werden zunächst die Grundbegriffe und Bestandstücke einer allgemeinen Weltbeschreibung erläutert, das Bestehen von Sachverhalten, sodann der Satz, seine Bestandteile und die Funktion der in ihm enthaltenen Ausdrücke, der Unterschied zwischen Sagen und Zeigen sowie die allgemeine Satzform und die Wahrheitsfunktionen. »Das Wesen des Satzes angeben heißt, das Wesen aller Beschreibung angeben, also das Wesen der Welt.« Indem die Logik durch ihre tautologischen Sätze, die von nichts handeln, »das Gerüst der Welt« darstellt, ergibt sich, dass sie zugleich »ein Spiegelbild der Welt« ist: »Dass die Welt meine Welt ist, zeigt sich darin, dass die Grenzen der Sprache (der Sprache, die allein ich verstehe) die Grenzen meiner Welt bedeuten.« Die Welt selbst ist, dem Traktat zufolge, die Gesamtheit der Tatsachen. Die Analyse erstreckt sich sonach einerseits auf die Bausteine des Weltaufbaus, andererseits auf die Darstellung ihrer formalen Struktur. Die dabei vorausgesetzte Sprache ist die erwähnte Zeichensprache, in der die Sätze als Bilder oder Modelle der Wirklichkeit fungieren, und für die gilt, dass zum Beispiel räumliche Bilder alles Räumliche, farbige alles Farbige abbilden können.
 
Wittgenstein selbst änderte freilich seine Ansichten und konzentrierte sich von etwa 1929 an bis zu seinem Tod 1951 auf die Grundlagenfragen der Sprache, genauer, der natürlichen Sprache. Statt einer konstruierten Zeichensprache wurde nun die Umgangssprache zum Gegenstand der Analyse. Das Kernprinzip dieser zweiten Phase seines Philosophierens, die besagt, dass die Sprache eine soziale Institution ist, der man nicht privatim folgen kann, gilt auch als eine weitgehend allgemeine Regel: »Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache«. Die Sprache ist nämlich primär nicht ein System, sondern eine Mannigfaltigkeit von Tätigkeiten, die zur Naturgeschichte der Menschen gehören und sich in der Vielfalt von Sprachspielen (Befehlen, nach Befehlen handeln, Beschreiben oder Herstellen eines Gegenstandes, Berichten, Vermutungen über einen Hergang aufstellen und prüfen, Geschichten erfinden, Theater spielen, Rätsel raten, übersetzen, danken, fluchen, beten) dartun und zeigen, dass sie Teil einer Lebensform sind. Entsprechend den beiden Grundformen von Sprache: Zeichensprache und Umgangssprache, zeigt die analytische Philosophie des 20. Jahrhunderts im Wesentlichen unterschiedliche Ansätze der Sprachanalyse, deren theoretische Modelle unsere praktische und ständig praktizierte Tätigkeit des Gebrauchs der Sprache erklären sollen.
 
Nach der »Vertreibung der Vernunft« aus Deutschland und Österreich verbannt, erlebte die analytische Philosophie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges insbesondere von England, den USA und Australien ausgehend eine Renaissance. Einerseits haben dazu die rasche Entwicklung der modernen mathematischen Logik und deren Differenzierungen beigetragen, andererseits die neuen Theorien der Sprachwissenschaft, vor allem durch das Werk von Noam Chomsky. Den stärksten Einfluss übte dabei erneut Wittgenstein aus, nun besonders die »Philosophischen Untersuchungen«, die wie seine übrigen Schriften erst nach seinem Tod erschienen und in alle Weltsprachen übersetzt wurden.
 
Heute könnte man also eher von verschiedenen Graden der Übernahme analytischer Methoden sprechen, als schlicht von analytischer Philosophie. Das ursprüngliche strikte Kriterium des (alleinigen) Gebrauchs der logischen Analyse wurde nämlich mehr und mehr durch liberalisierte Formen abgelöst. Da in der Gegenwart gewöhnlich kein Abgrenzungskriterium zur Metaphysik mehr Gültigkeit beanspruchen konnte, sind auch die Verteidigungen von Gebietsgrenzen durch ein sprachanalytisches Sinnkriterium entfallen. Die ursprünglichen Leitfiguren, zum Beispiel in England Gilbert Ryle oder John Austin, in den USA Rudolf Carnap oder Willard Van Orman Quine sind durch die Nachfolgegeneration - erwähnt seien Jaakko Hintikka, Saul Kripke, John Searle, Peter Frederick Strawson und Ernst Tugendhat - in den Hintergrund getreten. Wenn heute auch keine der ursprünglichen Richtungen, wie zum Beispiel die logischen Empiristen, tonangebend geblieben sind, so zeigt die Anwendung analytischer Methoden in allen Bereichen zeitgenössischer Philosophie einen ähnlichen Erfolg, wie sie seinerzeit der universellen Anwendung scholastischer Methoden in der mittelalterlichen Philosophie beschieden war.
 
Prof. Dr. Rudolf Haller
 
Literatur:
 
Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung, herausgegeben von Rüdiger Bubner, Band 8: 20. Jahrhundert, herausgegeben von Reiner Wiehl. Neuausgabe. Stuttgart 1995.
 
Philosophie im 20. Jahrhundert, herausgegeben von Anton Hügli und Poul Lübcke, 2 Bände. Reinbek 2-31996—98.
 Runggaldier, Edmund: Analytische Sprachphilosophie. Stuttgart u. a. 1990.
 Wuchterl, Kurt: Bausteine zu einer Geschichte der Philosophie des 20. Jahrhunderts. Von Husserl zu Heidegger. Eine Auswahl. Bern u. a. 1995.


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