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BRUNO: PHILOSOPHIE AUS LEIDENSCHAFT

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Bruno: Philosophie aus Leidenschaft
 
Eine Schlüsselfigur der Philosophie an der Schwelle zur Neuzeit war Giordano Bruno. Er vereinte in sich verschiedene Denkströmungen des 16. Jahrhunderts und vermittelte sie bis in den Idealismus Hegels hinein. Von Materialisten ebenso wie von Spiritisten zum Zeugen angerufen, ist seine vielleicht wichtigste Leistung in der Philosophiegeschichte, dass er als einer der ersten seine eigene Persönlichkeit in die Waagschale der Wahrheit warf und als Opfer der Inquisition zum Symbol der Denkfreiheit wurde.
 
Bruno wurde 1548 in Nola bei Neapel geboren, er trat in den Dominikanerorden ein und studierte im Konvent in Neapel die damals moderne scholastische Philosophie einschließlich der Lehren des Thomas von Aquin. Als er sich dort verdächtig machte, unter anderem weil er verbotene Schriften von Erasmus von Rotterdam las, begann er seine Wanderschaft durch Europa, die ihn über Genf, wo er zeitweise bei den Kalvinisten lehrte, nach Paris, von dort zum französischen Botschafter nach London, zurück nach Paris, dann über Prag, Wittenberg, Tübingen und Helmstedt und andere Orte nach Frankfurt führte.Schließlich versuchte er, eine Stelle an der zu Venedig gehörenden Universität Padua zu erhalten, doch in Venedig wurde er von einem Schüler denunziert, von der Inquisitionsbehörde verhaftet und nach Rom ausgeliefert. Auch andere prominente Philosophen seiner Zeit teilten damals dieses Schicksal: Tommaso Campanella war jahrzehntelang, Francesco Patrizi da Cherso einige Jahre in Haft. Bruno aber wurde nach einem siebenjährigen Prozess zum Tode verurteilt und am 17. Februar 1600 verbrannt. Die katholische Kirche hatte sich trotz des Konzils von Trient (1561 bis 1563) noch nicht von der Katastrophe erholt, die durch die protestantische Reformation ausgelöst worden war. Eine neue Formel der Toleranz, die verschiedene Konfessionen und Theologien nebeneinander zuließ, war noch nicht gefunden. Jede der Konfessionen kämpfte für die Wahrheit mit allen Mitteln: der Ketzerverfolgung, der Zensur, der Politik oder dem Krieg. Erst mit dem Westfälischen Frieden, der 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendete, wurde Religion zu einer Sache der Staatsordnung einerseits und des privaten Gewissens andererseits. Unter den damaligen theologischen Voraussetzungen war Bruno ein Ketzer, denn er leugnete die Dreifaltigkeit, die Eucharistie und die Menschwerdung Christi. Vor allem aber verlangte er, über jeden dieser Punkte zu diskutieren. Der Glaube stand aber nicht zur Diskussion, allenfalls die Wege, wie er theologisch gefestigt werden konnte.
 
In seiner Ausbildung hatte Bruno die spätscholastischen Diskussionen um die Allmacht Gottes, die Endlichkeit der Welt und die Wissenschaftstheorie kennen gelernt. Er war ebenso mit der Erkenntniskritik des Nikolaus von Kues und den neuplatonischen Schriften des Marsilio Ficinovertraut, wie mit den neuen empiristischen Theorien des Bernardino Telesio und den Versuchen des Raimundus Lullus, mithilfe von mechanistischen Argumentationstechniken neue Wissensgebiete zu erschließen und unschlagbare Argumente zur Bekehrung der Heiden zu finden. Als erstes entwickelte er eine Gedächtniskunst, die durch Verschlüsselung der Wörter, die gespeichert werden sollen, beliebig viele Inhalte zu memorieren erlaubte. Diese Technik begründete er in der Schrift »Die Schatten der Ideen« mit der neuplatonischen Theorie der Abstufungen des Geistes, aufgrund derer der Mensch über ein weit höheres geistiges Vermögen verfügt, als er gewöhnlich aktiviert. Schon in dieser Schrift stellte er sich als eine auserwählte Person dar, die nach einer langen Zeit der Dunkelheit die alte Weisheit wieder belebt - das Renaissance-Motiv der Wiederentdeckung der Antike bezieht er dabei einerseits auf die Ägypter und Hermes Trismegistos, von denen Mose und die Griechen gelernt haben sollen, andererseits aber auch auf sich selbst.
 
Eine andere Größe, die auch, aber noch unvollständig die alte Weisheit wieder entdeckt haben soll, ist für ihn Nikolaus Kopernikus, der sich auf antike Autoren berufen hatte, als er seine astronomische Theorie von der Zentralstellung der Sonne (anstelle der Erde) rechtfertigte. In seinen italienischen Werken, die 1584 bis 1585 in London erschienen, wo italienische Kultur in Mode war, weitete Bruno das kopernikanische Weltbild aus. Hatte Kopernikus angenommen, die Fixsternsphäre müsse sehr weit entfernt sein, weil man in ihr keine Bewegung beobachten kann, so verhalf Bruno ihm zum Sieg, indem er behauptete, sie sei wirklich unendlich. Denn wenn sie unendlich ist, so argumentierte er, dann hat sie keinen Mittelpunkt beziehungsweise sind Umkreis und Mittelpunkt überall und nirgendwo. Das war ein Argument des Nikolaus von Kues, aber auch eines aus der theologischen Spekulation über die Unendlichkeit und Allgegenwart Gottes. Wenn die Welt unendlich ist, dann schließt nichts aus, dass es unendlich viele Welten gibt, es muss sie sogar geben, sonst wäre Gott nicht allmächtig. Wenn es überhaupt einen Mittelpunkt gibt, dann jeweils dort, wo man gerade steht. So verknüpft Bruno astronomische, mathematische, traditionell theologische und platonische Theorien, um eine Reformation der Wissenschaften (unter seiner Führung) zu propagieren. In den witzig und polemisch geschriebenen italienischen Dialogen »Das Aschermittwochsmahl« und »Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen« nennt er sich Teofilo (»Gottesfreund«) oder Filoteo (»Gernegott«). Vor Blasphemie hatte er keine Scheu.
 
Zwei Probleme musste Bruno lösen: die Theorie der Erkenntnis und die christliche Theologie des Mensch gewordenen Gottes. Auch die Renaissanceplatoniker, vor allem Ficino, hatten den menschlichen Geist als Abschattung des göttlichen Geistes interpretiert, denn nur dann war die Chance gegeben, Welt und Gott zu erkennen. Gott ist allwissend, weil er selbst die Welt erschaffen hat, so wie die Mathematik gänzlich verstehbar ist, weil sie vom mathematischen Denken selbst Schritt für Schritt entwickelt worden ist. Nach diesem Vorbild muss der Mensch sich von den irdischen Sinneswahrnehmungen ablösen, um durch Konzentration auf die »Arbeitsweise« des Denkens die geistige Struktur der geschaffenen Welt und womöglich Gott zu erkennen. An der Gedächtniskunst wollte Bruno zeigen, wie der menschliche Geist die Welt selbst erschafft. In ihr stand die ganze Welt zur Verfügung, um als Produkt des Denkens nachvollzogen zu werden. Da aber die Welt nicht »bloß ausgedacht« sein kann, muss gefunden werden, welche geistigen Strukturen in der Welt und im Menschen (selbst ein Produkt dieses Geistes) identisch sind. Hierzu griff er auf die Mathematik zurück. Vor allem in seiner letzten Schriftentrilogie »Das Kleinste«, »Die Monade«, »Das Unermessliche« legte er dar, dass sich die Welt aus unendlich vielen kleinsten Bausteinen - Monaden, auf die Leibniz zurückkommen sollte - aufbaut, die einerseits unendlich klein und, wie die Seele, unkörperlich sind, andererseits aber im Maße die ungehinderte Potenz der Ausweitung haben, sodass aus ihnen auch die sichtbare endliche Ordnung der Welt erfolgt.
 
Da in dieser Theorie das Materielle und das Geistige vereint sind als zwei Aspekte derselben Sache, ist für einen persönlichen Gott, der die Welt erschafft und in Gang hält und der sich in die Welt herablässt, indem er als Sohn Mensch wird, kein Platz mehr. Die Aufgabe des Messias, des Heilsboten, übernimmt der Philosoph selbst. Brunos provokantes Auftreten an den Universitäten und Fürstenhöfen Europas verschaffte ihm das Image eines fahrenden Ritters der neuen Philosophie.
 
Prof. Dr. Paul Richard Blum
 
Literatur:
 
Burckhardt, Jacob: Die Kultur der Renaissance in Italien, herausgegeben von Horst Günther. Taschenbuchausgabe Frankfurt am Main u. a. 1997.
 Burke, Peter: Die Renaissance in Italien. Sozialgeschichte einer Kultur zwischen Tradition und Erfindung. Aus dem Englischen. Darmstadt 1996.
 Gerl, Hanna-Barbara: Einführung in die Philosophie der Renaissance. Darmstadt 21995.
 
Geschichte der Philosophie. Mit Quellentexten, begründet von Karl Vorländer. Neu herausgegeben von Herbert Schnädelbach u. a. Band 2 und 3. Reinbek 1990.
 
Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung, herausgegeben von Rüdiger Bubner. Band 3: Renaissance und frühe Neuzeit, herausgegeben von Stephan Otto. Neudruck Stuttgart 1994.


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