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EVOLUTION: DER MENSCH ERSCHEINT

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Evolution: Der Mensch erscheint
 
Zu den allgemein bekannten besonderen menschlichen Eigenschaften gehören der aufrechte Gang, die Größe des Gehirns und die Kulturfähigkeit. Die Bipedie, also der mit einer aufrechten Haltung verbundene aufrechte Gang, ist in der mosaikartigen Merkmalsausbildung im Verlauf der Stammesgeschichte der Menschen dasjenige Merkmal, dessen Ursprünge am weitesten zurückreichen — mindestens dreieinhalb bis vier Millionen Jahre — und auch dasjenige, das am frühesten voll ausgebildet war: bereits vor über zwei Millionen Jahren. Das menschliche Gehirn erreichte seine volle Leistungsfähigkeit erst an die zwei Millionen Jahre später.
 
Evolutionsbiologisch ist von Interesse, welche Vorteile der aufrechte Gang unseren ursprünglich vierfüßigen Vorfahren brachte oder worin die Notwendigkeit zu seiner Entwicklung bestanden haben könnte. Diese Vorfahren lebten semiterrestrisch, sowohl auf dem Boden als auch in Bäumen. Das ließ in stammesgeschichtlich kurzer Zeit viele Möglichkeiten für Spezialisierungen offen. Wie aber genau die Spezialisation zur menschlichen Bipedie erfolgte und was der Antrieb dafür war, liegt noch im Dunkeln.Warum war die Vierfüßigkeit nicht mehr eine optimale Anpassung?
 
Die Möglichkeit zu anderweitiger Nutzung von Armen und Händen durch die Befreiung der Vorderextremität von Aufgaben der Fortbewegung ist für sich genommen nicht stichhaltig, denn alle Tierprimaten führen ebenso wie der Mensch Feinmanipulationen kleiner Objekte in der Regel im Sitzen aus. Für eine Aufrichtung zu diesem Zweck gab es keine funktionelle Notwendigkeit.
 
Das Tragen von Nachkommen ist bei andern Primaten funktionell gut gelöst und bedurfte keiner Veränderung. Im Gegenteil: Das Tragen von Kindern im aufrechten Gang ist mit statischen und dynamischen Problemen verbunden. Auch beim Tragen von Werkzeugen oder Nahrung ist, wie zum Beispiel bei den Schimpansen, kein gravierender Nachteil zu erkennen, der einen einschneidenden Umbau des ganzen Körpers hätte in Gang setzen können.
 
Ein Aufrichten aus sozialen Gründen, etwa beim Imponieren oder Drohen, kommt nur sporadisch vor und hat auch die andern Menschenaffen nicht zu ständiger Bipedie bewogen. Auch das Präsentieren von Sexualmerkmalen kommt nicht — jedenfalls nicht allein — als Grund in Betracht. Die Ausprägung sekundärer Geschlechtsmerkmale wie Brüste, Schambehaarung oder Bart lassen bei aufgerichteten Individuen keine größeren Nachkommenzahlen erwarten. In beiden Fällen muss man auch fragen, was den Urmenschen hätte veranlassen können, anschließend in aufrechter Haltung zu verharren.
 
Wenn Tierprimaten nach Beutegreifern Ausschau halten und sich dabei kurzfristig aufrichten, zeigen sie sich nicht länger als nötig. Wenn sie gemeinsam aufstehen und in Gegenwart beispielsweise eines Leoparden stehen bleiben, kann ihm das vielleicht imponieren. Über die Wirksamkeit solchen Verhaltens bestehen kontroverse Ansichten. Anderseits kann auch die Flucht kein Selektionsfaktor gewesen sein, denn alle vierfüßigen Tierprimaten galoppieren schneller, als Menschen laufen können. Der zweifüßige Gang verbraucht etwas weniger Energie als der vierfüßige, die aufrechte Haltung ist im Stand aber weniger günstig. Insgesamt dürfte es keinen sonderlichen energetischen Vorteil für eine bipede Lebensweise geben, denn sonst hätten andere Tiere diesen Evolutionsweg wohl ebenfalls beschritten.
 
Eine starke Erhitzung des Körpers in der steilen Mittagssonne der Savanne könnte vielleicht ein Selektionsfaktor für eine Aufrichtung gewesen sein. Doch alle Savannenbewohner einschließlich des Menschen regeln dieses Problem eher, indem sie die Sonne durch Mittagsruhe meiden. Eine Mittagsaktivität wäre auch schwer mit dem Verlust des Fells zu vereinbaren; alle in der Sonne aktiven Tiere brauchen diesen Sonnenschutz.
 
Weil keine der genannten Hypothesen für sich allein überzeugen kann, sind sich die meisten Evolutionsbiologen darin einig, dass es bei den gemeinsamen Vorfahren von Schimpansen und Menschen in den ostafrikanischen Wald- und Savannengebieten für die Aufrichtung zur Bipedie ein höchst komplexes Zusammentreffen vieler stark wirksamer Selektionsfaktoren gegeben haben müsste.
 
Zu der infrage kommenden Zeit war Hadar in Äthiopien durch einen Meereseinbruch für geraume Zeit mit Meer- oder Brackwasser überschwemmt. Im Gegensatz zur Savanne bietet eine Ufer- oder Küstenlandschaft ein reiches Angebot an Pflanzen und leicht erreichbaren Tieren bester Nahrungsqualität. Das Waten im Wasser erfordert ein aufrechtes Gehen, das strandbewohnende Affen, wenn sie aus dem Wasser kommen, manchmal beibehalten. Sohlengang und ein unter seinem Schwerpunkt unterstützter Kopf sind dabei von Vorteil. Der Fellverlust, wie er unter ähnlichen Bedingungen einer amphibischen Lebensweise beim Flusspferd erfolgte, könnte auch für unsere eigenen Vorfahren zutreffen.
 
Kleine Gründerpopulationen auf Inseln im damaligen Hadar-Becken würden die rätselhaft schnelle Evolution der frühen Hominiden zwanglos erklären, denn das Erbgut kleiner Fortpflanzungsgemeinschaften verändert sich schneller als dasjenige großer Populationen. Sie wären auch eine Erklärung für das bisherige Fehlen von sicheren Übergangsfossilien zur aufrechten Haltung.
 
Insgesamt ist festzustellen, dass die Evolutionsfaktoren für die Bipedie des Menschen noch nicht bekannt sind. Möglicherweise handelt es sich um eine Kombination sozialer, energetischer und ökologischer Faktoren. Die Anpassung an ein Leben im Flachwasserbereich kann dabei so lange nicht ausgeschlossen werden, wie eine endgültige Lösung des Problems nicht gefunden ist.
 
Prof. Dr. Carsten Niemitz
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Affen als Urahnen des Menschen
 
Literatur:
 
Bräuer, Günter: Die Entstehungsgeschichte des Menschen, in: Brockhaus. Die Bibliothek. Grzimeks Enzyklopädie Säugetiere, Band 2. Leipzig u. a. 1997.
 Bräuer, Günter: Vom Puzzle zum Bild. Fossile Dokumente der Menschwerdung, in: Funkkolleg Der Mensch. Anthropologie heute, herausgegeben vom Deutschen Institut für Fernstudienforschung an der Universität Tübingen. Heft 2. Tübingen 1992.
 
Die ersten Menschen. Ursprünge und Geschichte des Menschen bis 10000 vor Christus, herausgegeben von Göran Burenhult. Aus dem Englischen. Hamburg 1993.
 
Evolution des Menschen, herausgegeben von Bruno Streit. Heidelberg 1995.
 
Evolution des Menschen, Band 2: Die phylogenetische Entwicklung der Hominiden, bearbeitet von Peter Schmid und Elke Rottländer. Tübingen 1989.
 
GEO Wissen, Heft 2/1998: Die Evolution des Menschen. Hamburg 1998.
 Henke, Winfried / Rothe, Hartmut: Paläoanthropologie. Berlin u. a. 1994.
 
Hominid evolution. Past, present and future, herausgegeben von Phillip V. Tobias. Neudruck New York 1988.
 Johanson, Donald / Edey, Maitland: Lucy. Die Anfänge der Menschheit. Aus dem Amerikanischen. Neuausgabe München u. a. 21994.
 Leakey, Richard: Die ersten Spuren. Über den Ursprung des Menschen. Aus dem Englischen. München 1997.
 Lewin, Roger: Spuren der Menschwerdung. Die Evolution des Homo sapiens. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1992.
 Reader, John: Die Jagd nach den ersten Menschen. Eine Geschichte der Paläanthropologie von 1857-1980. Aus dem Englischen. Basel u. a. 1982.
 Schrenk, Friedemann: Die Frühzeit des Menschen. Der Weg zum Homo sapiens. München 1997.
 Tattersall, Ian: Puzzle Menschwerdung. Auf der Spur der menschlichen Evolution. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1997.
 
Vom Affen zum Halbgott. Der Weg des Menschen aus der Natur, herausgegeben von Wulf Schiefenhövel u. a. Stuttgart 1994.


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