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EHE: KONFLIKT UND KOOPERATION ZWISCHEN DEN GESCHLECHTERN

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Ehe: Konflikt und Kooperation zwischen den Geschlechtern
 
Unsere Alltagserfahrung in den modernen Industriegesellschaften mag manchmal den Blick dafür verstellen, dass die uns so vertraute Monogamie keineswegs die am weitesten verbreitete Eheform ist. Der berühmte und von Anthropologen viel bearbeitete »Ethnographic Atlas« vermerkt einen Anteil von nur 16 Prozent aller dort erfassten 849 Kulturen, die nach ihren Gesetzen oder Normen als monogam zu klassifizieren sind. 84 Prozent haben die Polygynie legalisiert, hingegen weniger als 1 Prozent die Polyandrie. Menschliche Heiratssysteme sind demnach extrem variabel, aber auch im Tierreich ist es keineswegs ungewöhnlich, innerhalb ein und derselben Art verschiedene Paarungsmuster zu finden. Ein Großteil dieser Varianz — bei Tieren wie bei Menschen — ist durch den Einfluss äußerer, sozioökologischer Bedingungen erklärbar. Polygyne Ehen finden sich vor allem in traditionellen, patriarchalischen Gesellschaften, in denen Männer die essenziellen Ressourcen wie Vieh oder Ländereien kontrollieren können. Je mehr Ressourcen den Männern zur Verfügung stehen, desto mehr Frauen haben sie im Durchschnitt geheiratet.
 
 Wie kommt es zur Polygynie?
 
Polygyne Ehen werden keineswegs nur durch despotische Patriarchen erzwungen, sondern meistens von den beteiligten Frauen mitgetragen.Unter welchen sozioökologischen Bedingungen Frauen wahrscheinlicher eine polygyne Ehe akzeptieren und unter welchen eher eine monogame, wird durch das Konzept der Polygynieschwelle erklärt. Es entstand zwar im Zusammenhang mit Untersuchungen an Sperlingsvögeln, den Nordamerikanischen Trauerammern, lässt sich aber durchaus auch auf menschliche Verhältnisse anwenden. Wenn die Männchen einer Population nach Art und Umfang recht gleichmäßig Ressourcen kontrollieren und keine großen materiellen Unterschiede entstehen, werden sich die Weibchen gleichmäßig auf die Männchen verteilen. Bestehen aber qualitative oder quantitative Unterschiede in den von Männchen beherrschten Territorien, werden mehr Weibchen die Männchen mit den meisten Ressourcen oder besten Brutmöglichkeiten wählen — sofern keine anderen Verhaltenseinschränkungen bestehen.
 
Mit dem Modell der Polygynieschwelle lässt sich die Variabilität in den Eheformen der kenianischen Kipsigis recht gut verstehen. Wegen eines Besiedlungsvorstoßes durch die Europäer Anfang des 20. Jahrhunderts musste eine Gruppe Kipsigis aus ihrem traditionellen Stammesgebiet in das benachbarte Gebiet der Massai ausweichen. Eine Gruppe dieser Pioniere, die zwischen 1930 und 1949 in das neue Gebiet zogen, bestand aus 25 Männern, von denen die meisten mit bereits einer oder mehreren Ehefrauen eintrafen. Die Männer erwarben — der Besiedlungsfolge entsprechend — unterschiedlich große Ländereien. Sie heirateten in der Folge weitere Frauen, die hauptsächlich aus dem von den Europäern eingerichteten und sehr bald überbesetzten Nachbarreservat kamen. Nach den traditionellen Eigentumsregelungen der Kipsigis teilten die Frauen eines Mannes den Landbesitz untereinander gleichmäßig zur Bewirtschaftung auf.
 
Die britische Anthropologin Monique Borgerhoff Mulder konnte zeigen, dass Frauen jene Männer bevorzugt heirateten, die ihnen das größte Stück Landbesitz anbieten konnten. So waren etwa 1934 fünf Männer in der Region sesshaft geworden. In diesem Jahr heiratete ein Junggeselle, der einen Besitz von 100 acres anzubieten hatte. Er wurde den anderen vier Männern vorgezogen, die 150 acres (bereits eine Frau), 37,5 acres (drei Frauen), 33 acres (zwei Frauen) und 32 acres (vier Frauen) anboten. 1935 hatte sich die Situation entsprechend verändert: Der Junggeselle, der im Jahr zuvor geheiratet hatte, war jetzt Monogamist und hatte damit einer zweiten Frau nur noch 50 acres anzubieten. Ein neuer Pionier (mit bereits zwei Frauen verheiratet) traf ein und bot einen Besitz von 16,7 acres an. In diesem Jahr heiratete — den Erwartungen des Polygynieschwellenmodells entsprechend — der Monogamist, der 50 acres anbot. Beides, Besitzgröße und die momentane Zahl der Ehefrauen übte einen signifikanten Effekt auf die Wahrscheinlichkeit aus, mit der ein Mann als Ehepartner gewählt wurde. Frauen bevorzugten Männer, die einen möglichst großen Landbesitz hatten und dabei mit möglichst wenigen Frauen verheiratet waren. Dass das Partnerwahlverhalten der Kipsigis-Frauen tatsächlich fitnesssteigernd wirkte, beweist die Abhängigkeit des Lebensreproduktionserfolgs von der Größe der Ländereien: Je mehr Land bewirtschaftet wurde, desto besser gestaltete sich die Nahrungsversorgung und desto geringer waren Krankheitsanfälligkeit und Sterberisiko für die Frauen selbst und ihre Kinder.
 
Soziale Konsequenz polygyner Eheformen ist eine extrem hierarchische Gesellschaftsstruktur mit reichen Haremshaltern einerseits und armen, zur Ehelosigkeit gezwungenen Männern andererseits. Entsprechend findet sich (unter Ausnahme der westlichen Industriestaaten) im Kulturenvergleich ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem sozialen Gefälle einer Gesellschaft und ihrem Polygyniegrad, also dem Anteil polygyner an allen Ehen.
 
Extrem schwankende Umwelt- und Klimabedingungen mit ihren unregelmäßig wiederkehrenden traumatisierenden Einflüssen auf Land und Leute verursachen eine Ungleichverteilung der Ressourcen und fördern deshalb die Entstehung polygyner Systeme. Tatsächlich ist ein statistischer Zusammenhang zwischen der Saisonalität und mangelnder Vorhersagbarkeit von Niederschlag (als Indikator ökologischer Schwankungen) und dem Polygyniegrad der jeweiligen Gesellschaften nachgewiesen. Es besteht auch ein Zusammenhang mit der örtlich auftretenden Belastung durch Krankheitserreger, was ebenfalls für einen ökologischen Einfluss auf die Eheform spricht: Je stärker der Stress durch Krankheitserreger ausfällt, desto weniger Männer kommen als taugliche Ehepartner infrage, und Polygynie ist die Folge.
 
 Was spricht für die Monogamie?
 
Monogame Gesellschaften finden sich häufig unter den traditionellen, egalitären Kleingesellschaften der Wildbeuter und Pflanzer. Sie scheint vor allem unter extremen Umweltbedingungen vorzukommen, wie etwa in Wüstenrandgebieten oder arktischen Regionen, in denen die Sicherung des Lebensunterhalts extrem erschwert ist. Durch die enge Ressourcenbegrenzung ist ein einzelner Mann normalerweise nicht in der Lage, in mehr als die Kinder einer einzigen Frau zu investieren. Jagbares Wild ist zudem — im Gegensatz zu Nutzvieh oder Land — schwer als Eigentum zu beanspruchen. Dafür ist die Verteidigung eines großen Territoriums erforderlich, was kaum von einer Einzelperson zu bewältigen wäre, sodass in vielen Wildbeutergesellschaften die ökologischen Voraussetzungen für das Entstehen polygyner Ehen — die Möglichkeit Vorräte anzulegen — nicht gegeben sind. Der amerikanische Biologe Richard Alexander spricht in diesem Zusammenhang von »ecologically imposed monogamy« (ökologisch bedingte Monogamie), um anzudeuten, dass diese Monogamie primär auf die ökologisch bedingte Lebenssituation zurückzuführen ist.
 
Daneben finden sich monogame Ehen in den hoch differenzierten Industriegesellschaften mit sehr komplexen Sozialsystemen. Da solche Gesellschaften durchaus soziale Hierarchien mit erheblichen Unterschieden in den Lebens- und Reproduktionschancen haben können, würde man eigentlich gemäß des Polygynieschwellenmodells erwarten müssen, dass auch hier Polygynie verbreitet ist. Es überrascht zunächst, dass stattdessen Monogamie die vorgeschriebene Eheform ist. Alexander bezeichnet sie als »socially imposed monogamy« (sozial bedingte Mongamie). Während im Tierreich grundsätzlich alle monogamen Systeme auf ökologisch begrenzte Situationen zurückgehen, handelt es sich bei der sozial bedingten Monogamie um ein nur beim Menschen vorkommendes kulturelles Phänomen. Gesetze oder normative Regeln verbieten hier polygyne Verbindungen. Wissenschaftler erklären das mit der in solchen Gesellschaften angestrebten reproduktiven Gleichheit. Sie diene der Minderung von Konkurrenz und stärke den Zusammenhalt und die Kooperation beim engen Zusammenleben in großen Gruppen. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass in Gesellschaften mit vorgeschriebener Monogamie polygyne Tendenzen existieren. Oft nur scheinbar steht hier die kulturelle Norm der Einehe den polygynen Interessen zur Fitnessmaximierung von Männern und Frauen entgegen. Sozial angesehene und reiche Männer beispielsweise haben überdurchschnittlich häufig außereheliche Affären und unterlaufen so die Monogamie.
 
 Polyandrie
 
Polyandrische Ehen, also solche, in denen eine Frau mit mehreren Männern verheiratet ist, sind weltweit äußerst selten. Man sollte meinen, dass sie zunächst weder den naturgemäßen männlichen noch den naturgemäßen weiblichen Interessen bei der Fortpflanzung dienen. Für den Reproduktionserfolg einer Frau reicht in der Regel die Kooperation mit einem einzigen Mann, sodass Frauen kaum ihre Fitness steigern können, wenn sie Beziehungen zu mehreren Männern gleichzeitig eingehen (vergleiche aber die obigen Ausführungen zu den Partnerwahlpräferenzen). Auch den Männern nützt »im Normalfall« Polyandrie nichts. Sie sollten vielmehr zur Steigerung ihrer Vaterschaftswahrscheinlichkeit für exklusive Paarbeziehungen sorgen und Konkurrenten von ihren Frauen fern zu halten versuchen. Weil unklare Vaterschaftsverhältnisse zu Fehlinvestitionen führen können, droht Polyandrie die Fitness von Männern zu reduzieren und dies umso mehr, je bedeutsamer väterliches Investment für das Überleben der Kinder wird. Wenn man trotz dieser innewohnenden Nachteile reproduktive Mehrmänner-Konstellationen vorfindet, muss man erwarten, dass spezifische, begrenzend wirkende Systemzwänge eine ganz direkte, gleichsam »unverfälschte« Durchsetzung vor allem männlicher Fortpflanzungsinteressen nicht erlauben, sondern spezielle Verhaltensanpassungen erzwingen.
 
Die britischen Sozioökologen John Crook und Stamati Crook haben die Polyandrie der Tibeter unter verhaltensökologischen Gesichtspunkten analysiert. Die Ehemänner einer Familie kooperieren bei der arbeitsintensiven Landarbeit und Viehzucht. Ihre gemeinsamen Kinder werden innerhalb der gemeinsamen Familie aufgezogen. Die Bauernstelle wird an den ältesten Sohn vererbt. Wenn er heiratet, können sich seine jüngeren Brüder dieser Ehe anschließen (»fraternale Polyandrie«), was im klassischen Fall bedeutet, dass in jeder Familie und Generation nur einmal geheiratet wird. Der Landbesitz wird so ungeteilt von einer Brüdergeneration auf die nächste weitergegeben. Chef einer solchen Familiengemeinschaft ist aber immer der älteste Bruder. Die Töchter heiraten nach außerhalb oder helfen als ledige Arbeiterinnen auf dem brüderlichen Anwesen mit.
 
Crook und Crook verstehen die tibetische Polyandrie als Anpassung an eine ausgesprochen lebensfeindliche Umwelt, die wegen ihrer begrenzten Weide- und Ackerflächen und klimatischer Härte kein Wachstum der Population zulässt und zudem intensive Landarbeit zur Sicherung des Lebensunterhalts erfordert. Die Tragekapazität der Himalajahochtäler ist erschöpft. Wenn sich alle überlebenden Kinder fortpflanzen würden, etwa bei einem Übergang der Gesellschaft zur Monogamie, müsste das demographische Gleichgewicht zusammenbrechen. Abwanderungsmöglichkeiten für die überzähligen Kinder existieren in den abgelegenen Regionen kaum, und dort, wo sie sich am ehesten ergeben, etwa in der Nähe der sich entwickelnden städtischen Zentren mit ihren nichtagrarischen Einkommenschancen, wird in der Tat vermehrt ein soziodemographischer Strukturwandel beobachtet. Hier kommt es immer seltener zu polyandrischen Ehen, während Monogamie zunimmt.
 
Unter traditionellen Bedingungen erfüllt Polyandrie also zwei wesentliche sozioökologische Funktionen: Erstens Begrenzung der Haushalte, dadurch Vermeidung einer Ressourcenzersplitterung und zweitens Vermehrung der Arbeitskraft innerhalb der Haushalte. Beides trägt zu einer gewissen Abpufferung der latenten ökologischen Bedrohung bei.
 
So plausibel eine verhaltensökologische Interpretation der traditionellen tibetischen Eheform auch sein mag; letztlich ist die Frage nach der biologischen Angepasstheit kooperativer Polyandrie nicht zu beantworten, ohne ihre reproduktiven Konsequenzen für Männer und Frauen zu beachten. Die Wissenschaftler konnten nun mithilfe umfangreichen genealogischen Materials nachweisen, dass nicht nur der Lebensreproduktionserfolg von polyandrisch verheirateten Frauen über dem der monogamen Frauen lag, sondern dass sich dieser reproduktive Vorteil bis in die Enkelgeneration fortsetzte. Frauen haben also etwas davon, die Arbeitsproduktivität mehrerer Männer gleichzeitig zu nutzen und in die eigene Haushaltsökonomie und Fortpflanzung zu kanalisieren.
 
Für die Männer sieht die Rechnung jedoch anders aus. Gegenüber einer Einehe büßen sie an Fitness ein, wenn sie sich zu einer polyandrischen Ehe zusammenschließen. Allerdings scheint der Fitnessverlust weniger groß, als man zunächst vermuten sollte, denn erstens ziehen polyandrische Familien mehr Kinder auf und zweitens sind die Väter Brüder, sodass eine Zunahme der indirekten Fitness über die Verwandtenselektion teilweise für den Verlust an direkter Fitness entschädigt. Wenn zudem die Vaterschaftswahrscheinlichkeiten nicht für alle Ehemänner gleich verteilt sind, weil der ältere, dominante Bruder die sexuellen Möglichkeiten seiner jüngeren Mitehemänner einengt, sollte in der Tat zumindest für nachgeborene Söhne eine polyandrische Ehe nicht die reproduktionsstrategische Entscheidung erster Wahl sein. Wenn immer sich Möglichkeiten zur Gründung einer eigenen, unabhängigen Ehe auftun, sollten jüngere Brüder diese nutzen, was auch beobachtet wurde. Wenn dennoch über 30 Prozent aller Ehen polyandrisch sind, so deshalb, weil hier die Alternative nicht »Polyandrie oder Monogamie« lautet, sondern »Polyandrie oder Ehelosigkeit«. Dann ist selbstverständlich die Entscheidung für eine Mehr-Männer-Familie die reproduktiv effektivste. Die polyandrisch verheirateten jüngeren Brüder wählen die »beste aller schlechten Möglichkeiten«, und genau das ist biologisch angepasst und funktional.
 
Fazit: Es gibt und gab auf unserem Planeten keine Gesellschaft, die sich in nennenswertem Umfang außerhalb gesellschaftlich sanktionierter ehelicher Institutionen vermehrt hätte. Wenngleich die jeweiligen Ehe- und Familienformen enorme historische und ethnische Unterschiede aufweisen, gruppiert sich ihre Vielfalt um einen recht unveränderlichen Kern: Die Ehe fungiert als ein kulturelles Mittel zur biologischen Fortpflanzung und spiegelt den jeweils erreichten Kompromiss zwischen männlichen und weiblichen Lebens- und Reproduktionsinteressen wider.
 
Prof. Dr. Eckart Voland, Gießen
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Fortpflanzung zwischen Kindersegen und Kinderfluch, zwischen Manipulation und Opportunismus
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Sexualität: Zwischen Liebe und Ausbeutung


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