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AUFKLÄRUNG IN ENGLAND: FREIDENKER, DEISTEN UND LIBERALE

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Aufklärung in England: Freidenker, Deisten und Liberale
 
Es gehörte zu den unwiderlegbaren praktischen Lebenserfahrungen vieler Aufklärer, dass die Hingabe der Menschen an Aberglauben, Unvernunft und würdelose Unterwerfung mit dem Despotismus und der weltlichen Macht der Kirche verbunden waren. Erst wenn diese schwänden, so ihre Vermutung, die sich in England bestätigte, könnte sich ein freies Forschen entwickeln, das sich an der Erfahrung und der Vernunft orientiert. Hier und in den freien Niederlanden entfalteten sich die Naturforschung sowie die theoretische Begriffsbildung und mit Newtons Physik und Lockes Philosophie bestimmten sie weithin das 18. Jahrhundert.
 
Als sich in England nach den Wirren des religiösen Bürgerkrieges und der »Glorius Revolution« eine liberale Staatsmacht festigte, wurde es für das methodische Denken zu einer Notwendigkeit, sich der Religion zuzuwenden. Bisher hatte sich die Religion der Vernunft entzogen und eine eigene Domäne beansprucht. Aber sie hatte auch die schwersten Kriege über die meisten Länder Europas gebracht. Das Terrain war jedoch gefährlich; wenn die Theologen auch selten starke Argumente hatten, so waren sie mächtig und hatten immer noch Einfluss auf die öffentliche Meinung. Da sie die Offenbarung als einzige Grundlage der Moral ansahen, polemisierten sie gegen eine Trennung beider Bereiche als Anschlag auf die Sitten. Wo sie den Gegner witterten, kam zum frommen Eifer der ungezügelte Hass.
 
Das Plädoyer für eine freie Prüfung der Offenbarung war nicht neu. Spinoza hatte es schon 1670 in seinem »Theologisch-politischen Traktat« formuliert. Die jüngeren Deisten gingen allerdings noch einige Schritte weiter. Sie verteidigten zwar die Idee eines Schöpfergottes, sprachen ihm aber alle über die Schöpfung hinausgehende Einflussnahme auf die Welt ab. Vor allem bestritten sie jede Form göttlicher Offenbarung. So argumentierten die beiden englischen Philosophen Anthony Collins und John Toland, jener mit seiner »Abhandlung über das Freidenken« (1713), dieser mit seiner Schrift über das »Christentum ohne Geheimnisse« (1696), mit John Lockesdeistisch-aufklärerischen Gedanken im Hinterkopf. Indem sie die Gestalt der im Altertum entstandenen christlichen Religion und die Aussagen ihrer Heiligen Schrift mit den modernen Kriterien wissenschaftlicher Vernunft prüften, stießen sie unweigerlich auf Widersprüche. Der Freidenker Collinsversuchte sie dadurch zu glätten, dass er zeigte, wie schon der jüdische König Salomo ebenso wie einzelne Propheten und die Kirchenväter in Wahrheit »Freethinker« gewesen seien, also den Glauben nur in seiner Übereinstimmung mit der Vernunft anerkannt hätten.
 
Toland strebte eine Aussöhnung von Vernunft und Offenbarung durch den Nachweis an, dass die Lehre des Evangeliums mit der Vernunft übereinstimme: Die Offenbarung ist demnach wahr, weil sie mit der Vernunft konform geht; und was der Vernunft widerspricht, muss ein späterer Zusatz sein, der dem Ziel der wahren Religion widerspricht. Die christlichen Sakramente erscheinen in diesem Licht als heidnische Zutaten zum Christentum. Das musste den heftigsten Widerspruch erregen. Während Tolands Schrift durch einen Henker verbrannt wurde, floh der Autor vor einer Verhaftung aus Dublin.
 
Waren Newton und Locke noch tief in der überlieferten christlichen Religion verwurzelt, so hatten sie doch Gedanken in die Welt gesetzt, mit denen jüngere Philosophen wie beispielsweise Collinsund Toland, aber auch Schriftsteller wie Alexander Pope die Religion dem Gericht der Vernunft unterwarfen. Die Gesetze der Natur mussten auch für die Gottheit gelten; Willkür, Gnadenwahl und Verdammnis hatten in einer aufgeklärten Religion keinen Platz mehr. Die Mysterien wurden natürlich erklärt, und die Ethik musste für alle Menschen gleichermaßen gelten. Während Toland von seinem Pantheismus aus eine neue materialistische Religion mit einem sinnlichen Kultur erfand, der dem der soeben begründeten ersten Freimaurerlogen verwandt war, trennte Collins das nur sich selbst verantwortliche Denken von jeder Rücksicht auf überlieferte Glaubenslehren.
 
Zunächst sorgten diese mit den Mitteln der Vernunft vorgetragenen Attacken gegen die überlieferte Religion für Skandale. Die moralischen Wochenschriften, herausgegeben von den englischen Schrifstellern Steele und Addison, die sonst den utilitaristischen Tendenzen einer gemäßigten Vernunft huldigten, vergaßen bei diesem Thema ihre liebenswürdige Verbindlichkeit und brachen in offenen Hass und Hohn aus. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Religion beschäftigte aber die Geister. Allerdings setzte sich das Thema nicht mit glänzenden Schriften und überzeugenden Beweisführungen durch, sondern vor allem aufgrund des offenen Widerspruchs, in den sich die Kirchenpolitik mit ihren Verwüstungen und Verfolgungen, ihrer Sittenlosigkeit und Gewalt gegen die Lehre des Evangeliums begeben hatte. Man versuchte schließlich nicht mehr, die Kirchen zu reformieren, sondern sehnte sich nach einer friedlichen Religion. Und diese bot sowohl der Deismus, der keine geistigen Auseinandersetzungen oder persönlichen Opfer forderte, als auch das Freidenkertum, das alle religiöse Dogmatik ablehnte.
 
Nach einer geistigen Gewöhnungsphase wurde der Deismus deshalb so überzeugend, weil er dem neu gewonnenen politischen und sozialen System entsprach: Der Gott des Deismus war ein konstitutioneller Monarch, der jedem seine Handlungsfreiheit ließ. Die »Bill of Rights« (1689) hatte das Gottesgnadentum, wonach die Könige von Gott eingesetzt wurden, für England abgeschafft und damit die konstitutionelle Monarchie begründet. Wie der König den Gesetzen unterworfen war, so der Gott des Deismus den Gesetzen der Natur. Auf diese Erfolge der englischen Nation schaute Europa mit Bewunderung und Neid: Die Souveränität des Volkes, die Herrschaft der Gesetze, die Unabhängigkeit des Parlaments und die Selbstständigkeit der Richter waren Errungenschaften des bürgerlichen Liberalismus, die andernorts noch lange auf sich warten ließen. Sie garantierten dem Bürger Sicherheit, sie hielten die Machtgelüste der Geistlichkeit im Zaum. Die Toleranz unter den Konfessionen und die Aufhebung der Zensur gehörten ebenso zu den Bedingungen der neuen politischen Öffentlichkeit. Was auch immer der Einzelne für religiöse Überzeugungen hegen mochte und welches Ausmaß die Missstände, etwa die offizielle Korruption, im Staate auch annahmen, der Deismus wurde zur Basis der politischen Religion wie der Liberalismus zur Basis der politischen Ökonomie. England war damit den kontinentalen Mächten um einige Generationen voraus.
 
Prof. Dr. Horst Günther
 
Literatur:
 
Röd, Wolfgang: Der Weg der Philosophie von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Band 2: 17. bis 20. Jahrhundert. München 1996.


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