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ANARCHISMUS

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Anarchismus: übersetzung

An|ar|chis|mus 〈[ANARCHISMUS фото -çı̣s-] m.; -; unz.〉 polit. Lehre, die jede staatl. Ordnung ablehnt u. das menschl. Zusammenleben nur vom Willen u. von der Einsicht des Einzelnen bestimmt wissen will

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An|ar|chịs|mus, der; -, …men:
Lehre, die eine Gesellschaftsform ohne Staatsgewalt u. gesetzlichen Zwang propagiert:
sich zum A. bekennen.

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Anarchịsmus
 
der, -, eine in sich vielfältige politische Ideologie sowie eine auf ihr fußende politische Bewegung, die sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte und in seiner zweiten Hälfte einen Höhepunkt erreichte.
 
 Programmatische Aspekte
 
Die Grundhaltung des Anarchismus zielt darauf, jede Herrschaft von Menschen über Menschen, jede gesetzliche Zwangsordnung, besonders den Staat, zu beseitigen sowie ein autoritäts- und herrschaftsloses Zusammenleben herbeizuführen. Dieses soll sich nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit entfalten.
 
Anarchistische Denkansätze finden sich schon in der Antike (z.B. bei den Kynikern und in der stoisch-epikureischen Lehre), im Mittelalter (u. a. bei chiliastischen Reformbewegungen) und in der frühen Neuzeit (bei täuferischen Gruppen). Mit seiner radikalen Absage an jede Form von Herrschaft gilt der von der französischen Aufklärung beeinflusste englische Schriftsteller W. Godwin als Vorläufer des Anarchismus (»Enquiry concerning political justice and its influence on morals and happiness«, 1793). Auf der Grundlage der linkshegelianischen Forderung nach »Verwirklichung der Vernunft« und der hegelschen Geschichtsauffassung als »Forschritt des Geistes im Bewusstsein der Freiheit« entwickelte sich gegen Mitte des 19. Jahrhunderts eine anarchistische Lehre. Es bildeten sich zunächst zwei Grundformen des Anarchismus heraus, der individualistische und der kollektivistische Anarchismus.
 
Als bedeutender Vertreter des individualistischen Anarchismus gilt M. Stirner (»Der Einzige und sein Eigentum«, 1845); er vertrat einen extremen Individualismus, nach dem das Individuum das einzig Reale, der Dienst am Ich das einzig Werthafte ist. Staat, Kirche, Recht und Familie sind abzulehnende Formen der Herrschaft des Menschen über den Menschen; auf freiwilliger Basis verbindet sich der Einzelne mit anderen Einzelnen zu Vereinen.
 
Der Frühsozialist P.-J. Proudhon legte die Grundlagen des kollektivistischen Anarchismus (»Qu'est-ce que la propriété?«, 1840). Er verband sein Ziel, eine Gesellschaft ohne Staatsmacht zu errichten, mit der Forderung nach Abschaffung der bestehenden Eigentumsordnung. Er lehnte dabei aber nicht das Eigentum schlechthin ab, sondern suchte, über eine Umverteilung des Produktionseigentums von wenigen auf alle, die Gesellschaft von Grund auf umzugestalten. Auf der Grundlage eines Systems gegenseitiger Dienstleistungen (Mutualismus) sollten sich die Menschen freiwillig (in einer positiv zu verstehenden Anarchie) in »Föderationen« zusammenschließen. Mit Proudhon entwickelte sich jene Richtung des Anarchismus, die anarchistisches Gemeinschaftsverständnis mit sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsvorstellungen verbindet. Mit ihm wurde der Anarchismus zu einem Teil der Arbeiterbewegung.
 
M. A. Bakunin entwickelte den kollektivistischen Anarchismus zu einem revolutionären Anarchismus fort (»Dieu et l'État«, 1871, und viele andere Schriften). Von der uneingeschränkten Freiheit des Einzelnen ausgehend, will er auf dem Wege der Revolution jeglichen staatlichen Zwang und jegliche gesellschaftliche Klassenordnung abschaffen und eine auf dem Individuum gegründete Gemeinschaft der Menschen schaffen, in der zwar das Privateigentum an den Konsumgütern beibehalten wird, die Produktionsmittel (Grund und Boden, Arbeitswerkzeuge) jedoch in Gemeinschaftseigentum überführt sind. Eine oberste staatliche Autorität sollte sich erübrigen. Der bedeutendste Vertreter eines kommunistischen Anarchismus (Anarchokommunismus) ist P. A. Fürst Kropotkin, der sowohl die Konsum- als auch die Produktionsgüter in Gemeineigentum überführen will. Ziel seiner Lehre ist es, alle Regierungsformen abzuschaffen und eine »freie Föderation der Gruppen von Produzenten und Konsumenten« aufzubauen. Die Produktion der notwendigen Bedarfsgegenstände soll durch eine tägliche, zeitlich geringe Arbeitsleistung der Erwachsenen gesichert werden. Dabei soll die Wahl der Arbeitsgruppe völlig in das freie Ermessen des Einzelnen gestellt werden. Für Kropotkin ist in der anarchistischen Gesellschaft der Unterschied von Stadt und Land, von körperlicher und geistiger Arbeit aufgehoben. - Unter Berufung auf die »Propaganda der Tat« entwickelte S. G. Netschajew die terroristische Komponente des Anarchismus: Durch Attentate auf Personen und Institutionen soll der gleichgültigen Masse der Bevölkerung die Unterdrückung durch das bestehende politisch-soziale System bewusst gemacht werden.
 
Oft verbindet sich der Anarchismus eng mit dem Syndikalismus (Anarchosyndikalismus). Im Rahmen kleiner gewerkschaftlicher Berufsverbände sollen die Arbeiter v. a. mit den Mitteln des Streiks (besonders des Generalstreiks) die bestehende Herrschaftsordnung stürzen und die Gesellschaft in eine klassen- und herrschaftlose Gemeinschaft umwandeln. Des Öfteren verknüpft sich der Anarchismus auch mit dem Pazifismus. So gelangte der russische Dichter L. N. Tolstoj, der jede Form von Gewalt ablehnte, in späteren Jahren zu einer Ablehnung von Herrschaft, v. a. in Gestalt von Kirche und Staat.
 
 Internationale Organisation
 
Die anarchistischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts waren zunächst vornehmlich von Proudhon, dann entscheidend von Bakunin, der seit 1867 in der Schweiz lebte, bestimmt; Letzterer schuf auch die erste internationale revolutionär-anarchistliche Organisation. Ihr Ziel war nicht die Eroberung, sondern die Zerstörung der politischen Macht. Die Teilnahme an der politisch-parlamentarischen Arbeit sowie die Gründung von Parteien wurden verworfen; stattdessen wurden kleine und geheime anarchistische Kader auf internationaler Ebene geschaffen. Es kam zu einer großen Zahl von Sabotageakten sowie von Attentaten auf Staatsoberhäupter und hohe Staatsbeamte; diese terroristische Aktivitäten prägten das Bild des Anarchismus in der Öffentlichkeit stark.
 
In den mehr industrialisierten Ländern Europas organisierten sich die Anarchisten oft als Flügelgruppen innerhalb der Sozialdemokratie. Seit 1867 versuchte Bakunin, die Erste Internationale für die von ihm entwickelte anarchistische Programmatik zu gewinnen, geriet jedoch dabei in Gegensatz zu K. Marx. Die Auseinandersetzungen endeten 1872 mit dem Ausschluss der Bakunisten (der Anhänger Bakunins) aus der Ersten Internationale. Danach konstituierte sich die Internationale des Anarchismus, die aber 1879 schon wieder auseinander fiel. 1881 (London) und 1907 (Amsterdam) fanden weitere Kongresse statt. Im Zeichen des Pazifismus gründete der niederländische Anarchist F. D. Nieuwenhuis die »Internationale Antimilitaristische Vereinigung«. Um die Wende zum 20. Jahrhundert geriet der Anarchismus in eine Krise, die in den folgenden Jahrzehnten auch seine Entwicklung bestimmte; in den romanischen Ländern blieb der Anarchismus aber lebendig.
 
 Der Anarchismus in einzelnen Ländern
 
Schweiz
 
und Frankreich: Politisch bedeutsam war der 1871 in der französischen Schweiz gegründeter »Jurassische Bund«. Von ihm gingen starke anarchistische Impulse nach Frankreich aus. 1871 nahmen dort viele Anhänger Bakunins am Aufstand der Pariser Kommune teil. Anarchistische Ideen beeinflussten dabei stark das Modell der Räterepublik. Ende der 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts gründete Kropotkin die erste anarchistische Organisation in Frankreich, die durch verschiedene Attentate die Aufmerksamkeit auf sich lenkte (u. a. die Ermordung des französischen Staatspräsidenten S. Carnot 1894). Auch an der Gewerkschaftsbewegung, besonders an der Gründung der »Confédération Générale du Travail« (CGT) 1895, hatte der französische Anarchismus Anteil.
 
In Italien gründete Bakunin eine anarchistische Organisation, die spätere »Alianza della Rivoluzione Sociale«; bedeutende Mitglieder waren u. a. E. Malatesta und A.Costa. Im Jahre 1900 fiel König Umberto I. einem anarchistischen Attentat zum Opfer. Im Zuge eines Generalstreiks löste 1914 Malatesta in Ancona einen Aufstand aus, der ganz Italien ergreifen sollte. Im Zeichen des Anarchosyndikalismus kam es 1920 zu vielen Werkbesetzungen.
 
In Spanien bestanden seit den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts viele anarchistische Organisationen. Dort ging der Anarchismus eine besonders enge Verbindung mit dem Syndikalismus ein. Die 1927 gegründete »Federación Anarquista Ibérica« (FAI) beherrschte die syndikalistische Gewerkschaftsorganisation »Confederación Nacional del Trabajo« (CNT), die im Spanischen Bürgerkrieg (1936-39) aufseiten der Republik eine wesentliche Rolle spielte (B. Durruti). Von den südeuropäischen Ländern ausgehend, griff der Anarchismus auf viele Länder Lateinamerikas über (z. B. Aktivitäten Malatestas in Argentinien). In der Zeit der mexikanischen Revolution (1910/11) beeinflusste der mexikanische Anarchist R. F. Magón (mit der Parole »Land und Freiheit«) die Truppen des Aufstandsführers E. Zapata.
 
Außerhalb der romanischen Länder fand der Anarchismus geringeren Anhang. In Deutschland gab es kleine anarchistische Kreise, ursprünglich organisiert von J. Most. Auf sie geht eine Reihe von Attentaten und Attentatsplänen zurück (Plan zur Ermordung der deutschen Fürsten am Niederwalddenkmal; Attentate gegen Kaiser Wilhelm I. 1878). Anarchosyndikalistische Ziele verfolgte die von R. Rocker geführte, 1912 gegründete Gewerkschaftsorganisation »Freie Arbeiterunion«. Einer jüngeren Generation gehört A.Souchy an. - In Österreich wurde der Anarchismus in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts besonders von J. Peukert propagiert. - Die anarchistische Bewegung in Russland wurde von M. A. Bakunin (»Vater des Anarchismus«), P. A. Fürst Kropotkin und S. G. Netschajew begründet. Nachdem bereits die Narodniki seit den 1860er-Jahren von den Theorien Bakunins beeinflusst worden waren, entstanden um 1903 die ersten anarchistischen Gruppen innerhalb des Russischen Reiches (u. a. in Białystok, Odessa u. a. Städten des Westens, später auch in Sankt Petersburg, Moskau); die wichtigsten der - mit der Revolution von 1905 stärker in Erscheinung tretenden - anarchistischen Gruppen waren »Das schwarze Banner« (russisch »Tschornoje snamja«) und »Anarchie« (russisch »Besnatschalje«), die sich beide allgemeinen Terrors bedienten, sowie die um die Zeitschrift »Brot und Freiheit« (russisch »Chleb i wolja«) gruppierten Anhänger Kropotkins, die zum Teil anarchosyndikalistisch orientiert waren. Nach der Februarrevolution 1917 nahm der Einfluss der wenigen und zu keiner einheitlichen Organisation findenden Anarchisten stark zu (besonders unter den Matrosen von Kronstadt); sie forderten eine allgemeine »Arbeiterkontrolle« und beteiligten sich am Sturz der Provisorischen Regierung (Teilnahme am Juniaufstand und der Oktoberrevolution 1917), gerieten jedoch schnell in Opposition zum Sowjetregime und wurden von der eine kommunistische Zentralmacht errichtenden bolschewistischen Regierung unterdrückt (u. a. 1921 Niederschlagung der bäuerlich-anarchistischen Machnobewegung; N. I. Machno). - In den USA organisierte der 1882 dorthin ausgewanderte Deutsche J. Most anarchistische Zirkel und schloss 1883 verschiedene anarchistische Gruppen zur »International Working People's Association« zusammen; neben ihm wirkte u. a. der weniger radikale Benjamin Tucker (* 1854, ✝ 1939). Nach dem blutigen Aufruhr auf dem Haymarket Square in Chicago (1886), der 1887 zur Hinrichtung von vier Anarchisten führte, ging der Einfluss des Anarchismus in den USA zurück. Die Ermordung des amerikanischen Präsidenten W. McKinley (1901) hatte einen anarchistischen Hintergrund.
 
 Der Anarchismus heute
 
Anarchistische Vorstellungen leben heute weiter, gehen aber meist Verbindungen mit anderen Ideologien ein. In den Zielen der neuen Linken wurden Elemente des Anarchismus wieder belebt. Spuren des Anarchismus finden sich sowohl im Terrorismus, bei den Autonomen, in Formen des zivilen Ungehorsams als auch in den eher unpolitischen Verweigerungshaltungen (Hippies, Punks u. a.). Durch bestimmte Denk- und Erscheinungsweisen der Alternativkultur gewannen Föderalismus, Selbstorganisation und Dezentralisation als Chancen zur Demokratisierung an Bedeutung. In den englischsprachigen Ländern ist neuerdings eine reformistische Bewegung entstanden, die die Erkenntnisse moderner Wissenschaft mit anarchistischem Gedankengut verbindet (pragmatischer Anarchismus).
 
Literatur:
 
E. V. Zenker: Der A. (1895, Nachdr. 1966);
 H. Zoccoli: Die Anarchie (a. d. Ital., 1909);
 M. Nettlau: Der A. von Proudhon zu Kropotkin (1927);
 E. Eucken-Erdsieck: Die Macht der Minderheit. Eine Auseinandersetzung mit dem neuen A. (1970);
 R. Krämer-Badoni: A., Gesch. u. Gegenwart einer Utopie (1970);
 
Der A., hg. u. eingeleitet v. E. Oberländer (1972);
 G. Bartsch: A. in Dtl. 1945-1973, 3 Bde. (1972-73);
 G. Bartsch: Kommunismus, Sozialismus, A. (1976);
 R. Nozick: A., Staat, Utopia (1976);
 P. Lösche: A. (1977);
 J. Cattepoel: Der A. (31979);
 D. Guérin: A. (a. d. Frz., 81979);
 U. Linse: Ökopax u. Anarchie (1986).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Anarchismus: Anarchistische Bewegungen im 19. Jahrhundert
 
Anarchisten in Europa: Konsequenter Individualismus
 

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Anar|chịs|mus, der; -: Lehre, die eine Gesellschaftsform ohne Staatsgewalt u. gesetzlichen Zwang propagiert: sich zum A. bekennen; ... halte ich es mit ... Kant. Der hat gesagt: „A. ist Gesetz und Freiheit ohne Gewalt.“ (Spiegel 16, 1983, 222).


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