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AUSTRALIEN UND SÜDSEE: ENTDECKUNG UND ERKUNDUNG VON PARADIES UND HÖLLE

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Australien und Südsee: Entdeckung und Erkundung von Paradies und Hölle
 
Die pazifische Inselwelt, die nahezu die halbe Erdkugel umschließt, war vor dem 16. Jahrhundert den Europäern ebenso wenig bekannt wie der amerikanische Kontinent. Die Entdeckung und Erkundung der Inseln des Pazifischen Ozeans vollzog sich allerdings — im Gegensatz zu der raschen Erschließung der Neuen Welt — in einem Zeitraum von über dreihundert Jahren. Die daran anschließende koloniale Aufteilung dauerte dagegen nur 78 Jahre: 1828 besetzten die Niederländer das westliche Neuguinea, und 1906 errichteten die Engländer und Franzosen ein Kondominium über die Neuen Hebriden, das heißt, sie verwalteten die Inselgruppe gemeinsam. Mit dieser Übereinkunft war der gesamte pazifische Raum kolonial verteilt.
 
Beteiligt an diesem Prozess der Erschließung und Beherrschung waren sämtliche westlichen Expansionsnationen einschließlich der Russen, wobei die Motive weitgehend den bekannten Zielsetzungen europäischer Ausbreitung entsprachen: Ausweitung des Asienhandels, Suche nach Gold, Silber und Diamanten, aber auch nach dem irdischen Paradies, Missionseifer und zivilisatorisches Sendungsbewusstsein, Ausdehnung politischer und ökonomischer Einflusssphären, aber auch Abenteuerlust und wissenschaftlicher Erkenntnisdrang. Die europäisch-amerikanische Durchdringung bedingte, dass sich im pazifischen Raum neben Afrika und Südamerika der wohl stärkste soziokulturelle und ökonomische Wandel vollzogen hat.
 
 Die spanische See
 
Den Anfang der Südseeerkundung machten, entsprechend ihrer weltpolitischen Hegemonie im 15. und 16. Jahrhundert, die Iberer. Da die Portugiesen aber nur sporadisch vom Ostsaum ihres asiatischen Imperiums in die pazifische Inselwelt vorstießen, blieb deren Erforschung eine spanische Angelegenheit. Sie ging weitgehend vom amerikanischen Reich der Spanier aus. 1513 erreichte der spanische Konquistador Vasco Núñez de Balboa nach einer abenteuerlichen Durchquerung des mittelamerikanischen Festlandes als erster Europäer den größten der drei Ozeane. Da er von Norden her über die von Ost nach West verlaufende Landenge vorstieß, nannte er das vor ihm liegende Gewässer Südmeer. Der in spanischen Diensten reisende Fernão de Magalhães, der im Zuge seiner Weltumsegelung zwischen 1519 und 1521 als erster dieses Südmeer durchquerte, bezeichnete es dagegen, »weil wir während der ganzen Fahrt keinen Sturm erlebten«, als Stillen Ozean. Aber erst der Neffe des Vizekönigs von Mexiko, Ruy López de Villalobos, schuf 1542 mit der Landung auf den Philippinen eine Plattform für die spanische Expansion im Südmeer und im Fernen Osten.
 
Dem 1529 geschlossenen Vertrag von Saragossa zufolge hätten die Philippinen eigentlich zum Einflussbereich Portugals gehört. Die Erkundung des Archipels im Jahre 1543 durch Villalobos, der die Inseln zu Ehren des Thronfolgers Philipp, des späteren Philipp II., Las Felipinas taufte, führte daher auch umgehend zu Protesten der Portugiesen. Erst 1565 nahm Miguel López de Legazpi die Philippinen definitiv für Spanien in Besitz, und zwar ohne größeren Widerstand vonseiten der einheimischen Bevölkerung. Der Grund für das vergleichsweise gewaltlose Vorgehen lag zunächst einmal in der geographischen Zersplitterung des Landes, stellt der philippinische Archipel mit seinen über 7000 Inseln doch die größte Inselgruppe der Welt dar. Die Mehrzahl der vorwiegend malaiischen Siedler lebte isoliert in kleinen Dorfgemeinschaften, an deren Spitze autoritär herrschende Häuptlinge standen. Einheitliche religiöse Vorstellungen existierten in dieser seit dem 6. Jahrhundert unter einen gewissen Einfluss der großen vorderindischen Kulturen geratenen Inselwelt nicht. Nur im Süden hatte der Islam Fuß gefasst, den auch die Spanier zukünftig nicht zu verdrängen vermochten.
 
Dass die Spanier gegenüber den militanten Conquistamethoden in Amerika auf ein friedlicheres Verfahren bei der Befriedung der zunächst ebenfalls Indios genannten Filipinos setzten, beruhte aber vor allem auf dem Umstand, dass es auf den Philippinen keine großen Mengen an Gewürzen und Edelmetallen zu geben schien. In der Tat war die Inselgruppe bis 1781, als das von der Regierung eingeführte Tabakmonopol eine gewisse Wende in der Kolonialwirtschaft brachte, eine ausgesprochene Zuschusskolonie, deren Defizit von Neuspanien ausgeglichen werden musste. Auch die Einnahme Manilas durch Legazpi 1571 und Nutzung als Umschlaghafen zwischen Mexiko und Ostasien für den Silberhandel im Austausch gegen asiatische Produkte wie Gewürze, Seide und Porzellan änderte an diesem kolonialen Verlustgeschäft nur wenig. Und schließlich scheiterte auch die in großem Stil vorgesehene Besiedlungspolitik.
 
Die Hispanisierung der Philippinen ist schließlich nahezu allein das Werk der christlichen Glaubensboten gewesen. Ihnen verdankte der spanische Kolonialstaat letztlich die Herrschaft über den philippinischen Archipel. Während Legazpi in seiner kurzen Amtszeit das »feudale« Encomiendasystem einführte, suchten die Missionare die zerstreuten Filipinos zu größeren Gemeinden mit der Kirche als religiösem und administrativem Zentrum zusammenzufassen und bei ihnen christlich-spanische Rechts- und Obrigkeitsvorstellungen durchzusetzen. Obgleich der Kolonialstaat auch auf den Philippinen keineswegs ohne politisch-militärischen Druck auskam — zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert gab es nicht weniger als 200 regionale Aufstände —, herrschte insgesamt doch eine vergleichsweise tolerante Methode der Kolonialisierung vor.
 
Während die spanische Festsetzung auf dem philippinischen Archipel auf Dauer gelang und die Philippinen zu dem einzigen katholischen Land des Orients wurden, scheiterten alle Erkundungen nach einem Stützpunkt, der mehr im Zentrum der Verbindung zwischen Asien und Amerika lag. Das Interesse am pazifischen Raum hatte zugenommen, als um 1560 die Eroberung Perus abgeschlossen war und die gleichzeitige Suche nach dem sagenhaften Eldorado dort immer wieder zu Enttäuschungen führte. In deren Folge wurde auch der Mythos vom alttestamentlichen Goldland Ophir — also jenes Landes, aus dem König Salomo ungeheure Mengen an Gold, Elfenbein und Diamanten für seinen Tempelbau in Jerusalem geholt hatte — auf die Inselwelt des Pazifik übertragen. Zusätzliche Nahrung erhielt diese Modifizierung des Mythos durch Gerüchte, nach denen der Inkaherrscher Topa Inca Yupanqui bereits in präkolumbischer Zeit eine Südseefahrt unternommen und sein Gold von Inseln im Pazifik mitgebracht habe, die etwa auf der Höhe Limas liegen sollten. Eine scheinbar reale Grundlage bekamen die Hoffnungen auf ein Goldland im Pazifik schließlich durch das Wiederaufleben der bereits in der Antike vorhandenen Vorstellung von einer terra australis incognita, eines bislang unbekannten Südkontinents. Diese Erwartungen gründeten in der noch bis ins 18. Jahrhundert Allgemeingültigkeit besitzenden Vorstellung, den Landmassen der nördlichen Halbkugel müsse ein stabilisierendes Gegengewicht auf der Südhälfte entsprechen. Nachdem die Spanier mit den Philippinen in erster Linie ein Sprungbrett zum asiatischen Kontinent besaßen und der ehemalige Augustinermissionar Andrés de Urdaneta 1565 den »Rückweg«, das heißt die West-Ost-Route der Seeverbindung über den Pazifik, gefunden hatte, sollte die Erstentdeckung des Australkontinents der Etablierung eines weiteren, möglicherweise noch ertragreicheren Herrschaftsgebietes im pazifischen Raum dienen.
 
Die erste große Pazifikexpedition, die die Inseln des Salomo im Bereich des bereits 1545 entdeckten Neuguinea suchen sollte, stand unter der Leitung von Álvaro de Mendaña de Neira. Als am 7. Februar 1568 Land in Sicht kam, glaubte man, den ersehnten Südkontinent entdeckt zu haben. Nur zu bald stellte sich jedoch heraus, dass die Expedition nicht das Südland gefunden hatte, sondern in einer weit zerstreuten Inselgruppe gelandet war. Das begehrte Gold fand man auf den sofort Salomonas getauften Inseln in den heutigen Südsalomonen ebenso wenig wie andere Schätze, und auch die Beziehungen zu den Eingeborenen gestalteten sich alles andere als freundlich. Bald gab es die ersten Toten auf beiden Seiten. Gegen den Widerspruch der mitreisenden Franziskaner, die die Forschungsfahrt nach Süden zur terra australis incognita fortsetzen wollten, brach Mendaña das Unternehmen ab.
 
Erst 1595 startete eine weitere Expedition, wiederum unter Álvaro de Mendaña, in Richtung Salomonen, auch um den inzwischen als Mitbewerbern im Pazifik aufgetauchten Engländern zuvorzukommen und diesen gegenüber durch die Niederlage der Armada 1588 in Europa verlorenes Terrain wettzumachen. Die Salomonen wurden indessen nicht wieder gefunden; dafür entdeckte Mendaña aber eine Inselgruppe, der er zu Ehren des peruanischen Gouverneurs Marqués Pedro de Mendoza den Namen Marquesas gab. Einige Zeit später stieß er auf den Santa-Cruz-Archipel, wo er sich mit seiner Frau und seiner Mannschaft niederließ. Nur ein Schiff unter dem Steuermann Pedro Fernández de Quirós kehrte zurück.
 
Felsenfest von der Existenz eines großen Kontinents im pazifischen Raum überzeugt, den er zu entdecken und zu christianisieren hoffte, legte dieser spanische Seefahrer portugiesischer Herkunft Klemens VIII. sein Projekt und seine religiösen Beweggründe, die in der Tradition religiöser Utopien standen, dar, woraufhin sich der Papst beim spanischen König, bei hohen Kirchenvertretern und beim Franziskanerorden für ihn einsetzte. Schließlich konnte Quirós am 21. Dezember 1605 mit drei Schiffen den Hafen von Lima verlassen. Neben einigen kleineren Inseln entdeckte die Expedition die Tuamotu- und die Manihikiinseln sowie die Neuen Hebriden, deren Inselcharakter man allerdings nicht erkannte. Vielmehr hielt Quirós eine der Inseln dieser Gruppe bereits für den gesuchten Südkontinent. Er nahm das Eiland für Spanien in Besitz und taufte es auf den programmatischen Namen Austrialia del Espíritu Santo. Das Wort Austrialia bildete er nicht nur dem lateinischen Wort für »südlich«, australis, nach, sondern er bezog sich ganz bewusst auf den spanischen Namen der Dynastie seines Königs Philipp III., Casa d'Austria. Der König, der persönliche Pläne eines Großreiches im Südmeer verfolgte, hatte sein Unternehmen unter Umgehung des Indienrats genehmigt.
 
Mithilfe des von Quirós gegründeten Ordens der Ritter vom Heiligen Geist sollten die entdeckten Länder befriedet, besiedelt und christianisiert werden. Die misslungene Kontaktaufnahme mit den Südseebewohnern, nautische Rückschläge und vor allem wohl die Uneinigkeit der Expeditionsteilnehmer erzwangen indes bereits nach einem Monat die Aufgabe des Experiments und die getrennte Rückkehr der Flotte.
 
 Holländische Entdecker
 
Im 17. Jahrhundert übernahmen die Niederländer von ihrem südostasiatischen Kolonialreich aus die Führung bei der Suche nach der terra australis incognita. 1605 brach Willem Jansz. auf, um die Südküste von Neuguinea, dem die Spanier den Namen Goldland gegeben hatten, zu erforschen. Tatsächlich landete er an der Nordküste Australiens und hatte somit, ohne es zu wissen, einen neuen Kontinent entdeckt. Zwischen 1605 und 1627 unternahmen die Niederländer weitere Entdeckungsfahrten an den Küsten Australiens, das sie Neuholland nannten. Aufgrund der unwirtlichen Landschaft und der sich feindlich verhaltenden Bewohner drangen sie jedoch nicht weiter in das Landesinnere vor. Hingegen gründete ein Amsterdamer Großkaufmann, Isaac Le Maire, die Australische Gesellschaft, mit der er sich gegen das Monopol der Vereinigten Ostindischen Kompanie (Verenigde Oostindische Compagnie; VOC) im fernöstlichen Handel stellte. Da die VOC jedoch die wichtigen Seewege um das Kap der Guten Hoffnung und durch die Magellanstraße kontrollierte, machten sich zwei Schiffe unter den Kapitänen Jakob Le Maire, dem Sohn Isaacs, und Willem Cornelisz. Schouten auf die Suche nach einer neuen Route. Sie umsegelten 1616 die südlichste Spitze des amerikanischen Kontinents, die sie — zu Ehren der Heimatstadt Schoutens — Kap Hoorn tauften, ein bis zum Bau des Panamakanals viel befahrener Handelsweg. Anschließend überquerten sie den Pazifik, vorbei an den polynesischen Tonga- und Hoorninseln. Auf Java wurden die Schiffe der »Monopolbrecher« allerdings von der VOC konfisziert und die beiden Seefahrer nach Holland zurückgeschickt.
 
Im Auftrag der VOC standen dagegen die Entdeckungsfahrten des Kapitäns Abel Jansz. Tasman. Auf der Suche nach dem australischen Kontinent segelte er zwar an Australien selbst vorbei, traf dafür aber südlich auf ein Land, das heute nach ihm benannt ist, das er selbst jedoch nach sei- nem Auftraggeber, dem Generalgouverneur der Ostindischen Kompanie, Van Diemen's Land nannte. Bei der Weiterfahrt stieß Tasman auf die Küste Neuseelands. Als erste Europäer gerieten er und seine Männer in Berührung mit den Maori, die sich indes so abweisend und feindselig zeigten, dass es zu keinem näheren Kontakt kam. Tasman nannte dieses Land, das er für einen Teil Australiens hielt, Staatenland. Ohne es zu registrieren, segelte er zwischen der Nord- und der Südinsel Neuseelands — der späteren Cookstraße — hindurch, erreichte die Tonga- und die Fidschiinseln und fuhr bis an den Bismarckarchipel heran. Auf einer weiteren Reise erkundete er die Südküste Neuguineas, den Carpentariagolf und die gesamte Nordküste Australiens.
 
Abel Tasman hatte auf seiner ersten Reise den Pazifik auf einer südlicheren Route befahren als irgendeiner seiner Vorgänger. Er hat, obwohl er nicht in Australien anlegte, als erster Seefahrer den fünften Kontinent umrundet und gilt als sein eigentlicher Entdecker. Die Leitung der VOC honorierte seine Leistungen jedoch in keiner Weise. Man warf ihm vielmehr vor, von seinen Reisen nicht eine einzige Gold- oder Silbermine »vermeldet« zu haben. Seine Fahrt war denn auch die letzte Expedition, die die Kompanie ausgerüstet hatte.
 
Die letzte Suchfahrt nach der terra australis incognita, die von der Westindischen Kompanie (West-Indische Compagnie; WIC) — sie hatte das Handelsmonopol mit Amerika inne — finanziert wurde, fand dagegen erst zu Anfang des folgenden Jahrhunderts statt. 1721 brach ein reicher Holländer namens Jakob Roggeveen mit dem Ziel auf, das sagenhafte Südland zu finden. Um Kap Hoorn herum gelangte er in den Pazifik und entdeckte zu Ostern 1722 die von ihm benannte Osterinsel. Aufgrund der starken Brandung hatten er und seine Mannschaft nur einmal Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung, wobei sie die bis heute rätselhaften großen Ahnenstatuen aus Tuffstein bewundern konnten. Den unbekannten Kontinent aber fand auch Roggeveen nicht.
 
 Das wieder gefundene Paradies
 
Mitte des 18. Jahrhunderts war die Südsee noch immer ein Meer voller Geheimnisse. Die Entdeckungsfahrten, die seit der ersten Weltumsegelung Magalhães' bereits mehr als zwei Jahrhunderte andauerten, hatten nur bruchstückhafte Ergebnisse gebracht. Die Gründe für die insgesamt geringen Fortschritte lagen sowohl in der unzulänglichen navigatorischen Ausrüstung als auch in der mangelhaften Organisation der meisten Fahrten. Überdies suchten jeder Kapitän seine Erfahrungen und jedes Land sein Wissen möglichst geheim zu halten, um zu verhindern, dass die Konkurrenten daraus Nutzen ziehen konnten. Zudem förderten die ständigen Kriege in Europa nicht gerade die Ausrüstung aufwendiger Überseeexpeditionen.
 
Diese Situation änderte sich Mitte des 18. Jahrhunderts; die Ursachen hierfür waren komplex. In erster Linie trugen zweifelsohne die Fortschritte im Schiffsbau und in der wissenschaftlichen astronomischen Navigation dazu bei. Mit Metallelementen verstärkte Schiffskörper boten nun mehr Schutz gegen die Holzfäule. Außerdem wurden die Takelage verbessert und der Schiffsraum erweitert. Erste erfolgreiche Maßnahmen zur Bekämpfung des Skorbuts kamen hinzu. Vor allem erlaubte jedoch die Erfindung des seetauglichen Chronometers durch den schottischen Uhrmacher John Harrison nunmehr auch eine exakte Längengradmessung, sodass es etwa seit den 1760er-Jahren jedem Schiffsführer möglich war, seine Position auf dem Meer genau zu bestimmen. Schließlich übernahmen jetzt immer häufiger die Regierungen selbst die Planung, Organisation und Finanzierung der Entdeckungsfahrten, die fortan zu einem vorrangigen Betätigungsfeld umfassend ausgebildeter Marineoffiziere wurden. Viele Kapitäne von Forschungsexpeditionen waren gute Seeleute und Wissenschaftler zugleich; außerdem stand ihnen meist ein Stab von Gelehrten zur Seite.
 
Als Fortschritt im Hinblick auf die Entdeckung fremder Regionen und Kulturen wirkte sich auch aus, dass die vorher streng geheimen Reiseberichte nun publiziert wurden. 1749 veröffentlichte der englische Kapitän George Anson als Erster einen Reisebericht über seine Weltumsegelung, der in ganz Europa Aufmerksamkeit fand. Für die Regierungen ging es in diesem Zusammenhang sicherlich nicht in erster Linie um eine Förderung des wissenschaftlichen Diskurses, sondern um eine Gelegenheit nationalen Prestigegewinns und der frühzeitigen »Markierung« von Einflusssphären. Auf der anderen Seite plädierten wissenschaftliche Gesellschaften und bedeutende Gelehrte im Zeitalter der Aufklärung mit Nachdruck für eine Klärung noch offener allgemein gültiger philosophischer, naturwissenschaftlicher und geographischer Fragen. So stellte der große französische Enzyklopädist und Naturforscher Louis Buffon 1749 fest: »Es gibt noch viel zu finden und eine Menge Gebiete zu entdecken.«
 
Zu den ungelösten Rätseln der Zeit gehörte nach wie vor die Frage nach der Existenz eines riesigen Südkontinents. Bei der praktischen Suche danach zeichnete sich allerdings insofern eine Wende ab, als jetzt die Briten und Franzosen die Stelle der Iberer und Holländer einnnahmen, womit gleichzeitig der französisch-britische »Wettlauf« um den Pazifik einsetzte. Die britische Marine organisierte 1764 eine Reise um die Welt, die unter der Leitung von John Byron stand, der schon an der Weltumsegelung Ansons teilgenommen hatte. Ziel sollte einmal mehr das Südland sein. Politisch-strategische Aspekte kamen indessen hinzu. So sollte Byron auf den Falklandinseln einen Stützpunkt errichten, da von dort die Südpassagen durch die Magellanstraße und um Kap Hoorn gleicherweise zu kontrollieren waren. Bereits im Jahr seiner Rückkehr 1766 brach eine weitere Expedition unter Samuel Wallis und Philip Carteret auf. Während Carteret im Juli 1767 die Insel Pitcairn entdeckte, die 1790 von den Meuterern der Bounty besiedelt wurde, erreichte Wallis am 18. Juni 1767 Tahiti, die erste größere britische Entdeckung in der Südsee. In der Folgezeit sollte gerade Tahiti als Etappenziel und Versorgungsstation Bedeutung erlangen. Den Einwohnern hinterließen die Briten vorerst nur zwei Mitbringsel: Waffen und die Syphilis.
 
Wallis und Carteret hatten ihre Reise nicht zuletzt deshalb angetreten, weil der britischen Marine Geheiminformationen über ein ähnliches französisches Unternehmen vorlagen. Tatsächlich hatte parallel mit dem Besuch Byrons auf den Falklandinseln ein französischer Marineoffizier, Louis Antoine de Bougainville, auf eigene Kosten versucht, diesen »Schlüssel zum Südmeer« — von den Franzosen nach einem Seefahrer aus Saint-Malo Malvinen genannt — für Frankreich zu annektieren; sie wurden indes schon 1766 an Spanien zurückgegeben.
 
Für Frankreich stand nach dem Verlust des nordamerikanischen und fast des gesamten indischen Kolonialreiches an Großbritannien im Jahre 1763 sein Prestige als Weltmacht auf dem Spiel, sodass sich Erfolge in der Südsee als »Kompensationen« anboten. Ludwig XV. beauftragte daher 1766 den weitläufig gebildeten Grafen von Bougainville, eine »Informationsreise« in den Stillen Ozean zu unternehmen. An Bord der Fregatte La Boudeuse und begleitet von der Fleute L'Étoile segelte der Graf durch die Magellanstraße in den Pazifik, nahm Kurs auf die Gesellschaftsinseln und hielt sich längere Zeit auf deren Hauptinsel Tahiti auf, die er für Frankreich beanspruchte und La Nouvelle Cythère nannte. Anschließend durchfuhr er die melanesische Inselwelt, passierte die Nordküste Neuguineas und gelangte durch die Sundastraße und über das Kap der Guten Hoffnung nach zwei Jahren und vier Monaten bei einem Verlust von sieben Mann 1769 nach Frankreich zurück. Damit hatte zum ersten Mal ein Franzose die Welt umsegelt.
 
Seine Erlebnisse und Erfahrungen veröffentlichte Bougainville 1771 unter dem Titel »Reise um die Welt«. Bedeutung gewannen dieses Werk sowie ein gleichzeitiger Bericht des mitreisenden Arztes und Botanikers Philibert Commerson in der angesehenen Literatur- und Kulturzeitschrift »Mercure de France« aber nicht nur durch die in ihnen festgehaltenen neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern vor allem durch die Schilderungen des Südseezaubers und der dort in absoluter Harmonie mit der Natur lebenden Menschen. »Ich glaubte mich in den Garten Eden versetzt«, schrieb Bougainville über das mit allen Attributen paradiesischer Schönheit versehene Tahiti. Damit trugen er und seine zeitgenössischen Mitentdecker zur Neubelebung jenes älteren Mythos vom »edlen Wilden« bei, der sich nun aus dem Vergleich der Südseewelt mit dem irdischen Paradies und der Idealisierung der Einwohner als noch ungeformte und unverbildete »Wilde« ergab. Diese im Grunde von europäischer Zivilisations- und Gesellschaftskritik geprägte Blickweise schuf so jenes eine geraume Zeit vorhaltende Bild der Südseebewohner, die in kindlicher Unschuld und völliger Gleichheit in geradezu paradiesischer Umgebung leben.
 
 James Cook und das Ende der terra australis incognita
 
Mit der Übersetzung der Reisebeschreibung Bougainvilles ins Englische durch den deutschen Naturforscher Johann Georg Adam Forster im Jahr 1772 erfuhren gleichzeitig die britischen Aktivitäten im Hinblick auf den Südkontinent eine neuerliche Verstärkung. Das Problem sollte schließlich der aus bescheidenen Verhältnissen aufgestiegene Marineoffizier James Cook lösen. Insgesamt unternahm der auch als Kartograph hoch bewanderte Cook drei Weltumsegelungen, verbunden mit einer intensiven Forschungstätigkeit in der Südsee. Während seiner 1. Reise von 1768 bis 1771, auf der er auf Tahiti astronomische Beobachtungen durchführen und mit dem Vorstoß zum Südkontinent Großbritanniens Seegeltung mehren sollte, erkannte er die Natur Neuseelands als Doppelinsel, versuchte Kontakt mit den Maori aufzunehmen und erkundete vor allem erstmals die Ostküste Australiens, an der 1788 die britische Strafkolonie Neusüdwales entstehen sollte. Die Verluste an Menschen während dieser Reise waren hoch, die topographischen und hydrographischen Erkenntnisse dagegen so präzise wie nie zuvor.
 
Die 2. Reise James Cooks von 1772 bis 1775, begleitet von einem großen Stab von Gelehrten, unter ihnen Georg Forster und dessen Vater Johann Reinhold, brachte die endgültige Widerlegung der Hypothese eines Südkontinents. Cook überquerte, erstmals bei einer Weltumsegelung einen Ostkurs einschlagend, am 17. Januar 1773 den südlichen Polarkreis und näherte sich bis auf 75 Seemeilen den antarktischen Landmassen. Anschließend kreuzte er auf verschiedenen Breitengraden den Pazifik, ohne Land geschweige denn einen Kontinent zu finden. Er nahm daraufhin Nordkurs, besuchte Tahiti und Neuseeland und gelangte schließlich bei seiner Weiterfahrt Richtung Osten bei 71º 10' so weit wie niemand zuvor nach Süden. Eisbarrieren und eine meuternde Mannschaft erzwangen die Rückreise, auf der er noch Neukaledonien entdeckte. Aufgrund seiner Maßnahmen gegen Skorbut — unter anderem befanden sich allein 7060 Pfund Sauerkraut an Bord — hatte seine Weltumsegelung nur wenige Menschenleben gefordert. Georg Forsters Bericht von 1777 über diese Reise verlieh jener als Paradies apostrophierten Inselwelt überdies wesentlich realistischere Konturen.
 
Die 3. Reise von 1776 bis 1779 stand schließlich ganz im Zeichen der — vergeblichen — Suche nach einer Nordwestpassage, die Cook von Westen aus anging. In diesem Zusammenhang kam es zu einem kurzen Aufenthalt bei den gastfreundlichen Tschuktschen Nordostsibiriens. Weniger Glück hatte der britische Kapitän jedoch bei seinem zweiten Besuch auf Hawaii, wo er bei Auseinandersetzungen mit den Einwohnern infolge von Tabuverletzungen seiner Mannschaft den Tod fand.
 
James Cooks Erforschung des pazifischen Raumes, die vor allem endgültig bewies, dass der legendäre Südkontinent nicht existierte, sollte wenige Jahre später Jean François de Galaup Comte de La Pérouse abrunden. Mit Unterstützung der Pariser Akademie der Wissenschaften und der Marineakademie erforschte er vornehmlich den nordpazifischen Raum im Bereich zwischen Sibirien, China, Japan, Alaska und Nordamerika. Nach Absendung seiner letzten Berichte am 7. Februar 1788 von der australischen Ostküste verloren sich seine Schiffe im polynesisch-melanesischen Archipel, bis der französische Weltumsegler und Antarktisforscher Jules Sébastien César Dumont d'Urville 1828 die Überreste der Expedition vor der zur Santa-Cruz-Gruppe gehörenden Insel Vanikolo entdeckte. Infolge weiterer Forschungsreisen konnte der Pazifik bis etwa 1840 als nahezu bekannt gelten. Das Entdeckungszeitalter in der Südsee war zu Ende.
 
 Händler und Missionare
 
Die Entdeckungsreisen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts markieren einen Wendepunkt in der Geschichte Ozeaniens. Mit ihnen beginnt der Übergang von der Entdeckungs- zur Kolonialgeschichte. Nachdem Entdecker und Forscher die pazifische Welt »geöffnet« hatten, folgten ihnen Händler und Missionare.
 
Ihren Ausgang nahm die wirtschaftliche Erschließung der Südsee von der 3. Reise Cooks, während der die Briten auf Hawaii für ein paar Nägel Seeotterfelle erworben hatten, die man in China teuer verkaufen konnte. Die Nachrichten hierüber ließen europäische Händler aufhorchen. Als die Seeotterfelle wegen der Ausrottung der Tiere spätestens um 1825 zu Ende gingen, ersetzte das Sandelholz die Pelze. Sandelholz wurde für Schnitzarbeiten und Luxusgegenstände sowie zur Herstellung von Duftstoffen und Likör verwendet und war ebenfalls in China begehrt. Der Sandelholzhandel legte nicht nur den Grundstock für den amerikanischen Einfluss auf Hawaii, sondern er führte auch dazu, dass der hawaiische Archipel binnen zweier Jahrzehnte abgeholzt war. Andere Inseln wie Fidschi und die Marquesas erlitten ein ähnliches Schicksal. Ein weiteres Produkt vornehmlich für den Chinamarkt war der Trepang, eine getrocknete Seegurke, die als Delikatesse und Aphrodisiakum diente. Später erweiterten europäische Händler das Güterangebot und bedienten den gesamten ostasiatischen Raum. Auf diese Weise erlebten einzelne Handelshäuser wie die Hamburger Firma Johann Cesar Godeffroy einen geradezu rasanten Aufstieg. Die Mehrzahl der britischen, französischen und vor allem amerikanischen Schiffe waren jedoch Walfischfänger. Ihre Besatzungen rekrutierten sich zum Teil aus Einheimischen, während umgekehrt desertierte Matrosen und entlaufene Strafgefangene als »Strandläufer« eine Art Zwischenhändlerschicht bildeten.
 
Mit der fortschreitenden kolonialen Aufteilung der Südsee gingen die westlichen Expansionsmächte von der Konzentration auf ein Produkt beziehungsweise dem »Sammeln« von Kolonialerzeugnissen zur Anlage von Plantagen und zum Abbau von Mineralien über. Die wichtigsten »Marktprodukte« Ozeaniens waren Phosphate, Ananas, Zucker, Baumwolle und — an der Spitze — Kopra, das getrocknete, fettreiche Fleisch der Kokosfrucht. Dieses Hauptnahrungsmittel der Einheimischen, das auch zum schützenden Einreiben des Körpers diente, verwendeten die Europäer für Schmierstoffe, Öle, Fette und Seifen. Während der Abbau von Phosphaten auf einigen Inseln wie Nauru europäisch-amerikanischen Konsortien Riesengewinne bescherte, standen die Großplantagen nicht selten vor einem Arbeiterproblem. Deshalb wurden Fremdarbeiter importiert, namentlich aus China, Indien und dem Malaiischen Archipel, sowie — meist gewaltsam — Arbeitskräfte vorwiegend von den melanesischen Inseln. Todesraten von bis zu 75 Prozent innerhalb kurzer Zeit auf manchen Plantagen waren keineswegs eine Ausnahme.
 
Austauschprodukte der Amerikaner und Europäer waren in der Anfangsphase Eisenwaren, Stoffe, Branntwein, Gewehre und Schießpulver. Nicht zuletzt mit den Waffen der Neuankömmlinge erweiterten eine ganze Reihe lokaler Potentaten ihre kriegerische Machtbasis und proklamierten sich zu Königen (kings). Die Europäer brachten aber auch ihre Bakterien mit in den bis dahin unberührten pazifischen Raum, denen in der Anfangsphase des Kontaktes oft über die Hälfte der ursprünglichen Bevölkerung erlag. Die spätere Zuwanderung von Chinesen, Japanern, Indern und Malaien veränderte die Bevölkerungszusammensetzung zusätzlich. Insgesamt wandelten sich durch die Einbindung in die westliche Ökonomie Arbeitsverhalten und Erwerbsleben sowie Lebensformen entscheidend.
 
Die größte Veränderung im Leben der Südseebewohner dürfte jedoch die europäisch-christliche Mission hervorgerufen haben. Durch ihre Tätigkeit haben die christlichen Sendboten das gesamte geistig-kulturelle Normengefüge, das die von religiösen Mythen, Kulten und Sanktionsmechanismen — den Tabus — bestimmten Gesellschaften zusammenhielt, nachhaltig umgeformt.
 
Gelang es dem abendländischen Christentum bereits in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Polynesien innerhalb weniger Jahrzehnte Fuß zu fassen, so lagen die Inseln Melanesiens und Mikronesiens noch bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein im Windschatten missionsstrategischer Entwürfe und Erfolge. Die ersten Missionsversuche der Spanier waren — mit der Ausnahme Guams — längst versickert; neuere Vorstöße scheiterten zumeist tragisch. In kaum einem anderen Gebiet hatten die Missionare einen so hohen Blutzoll zu zahlen. Ursachen lassen sich mehrere anführen: die Zersplitterung der Inselwelt, das für Europäer höchst unverträgliche Klima mit dem ständig gegenwärtigen Malariafieber, das undurchdringliche Hinterland, verheerende Taifune, Kannibalismus und Kopfjagd sowie die Existenz verschiedenster Sprach- und Kulturgruppen. In Melanesien gab es zudem kein institutionalisiertes Häuptlingstum.
 
Erst zwischen 1860 und 1880 wurde die Inselwelt Melanesiens und Mikronesiens zu einem Anziehungspunkt für europäische Händler und Missionare. Seit den 1880er-Jahren folgten im Zuge des europäischen »Wettlaufs« um Kolonialbesitz die Imperialmächte, die in diesem heute als nahezu vollständig christianisiert geltenden Gebiet ihre Einflussbereiche abgrenzten. Pflanzungsgesellschaften sowie einige Phosphatabbauunternehmen bestimmten mit ihren rigiden Arbeiterrekrutierungsmethoden das Leben in jenen Gebieten, die dem kolonialen Zugriff unterlagen.
 
 Aborigines und Maori
 
Während im polynesischen, melanesischen und mikronesischen Raum die westlichen Expansionsmächte in erster Linie als Händler und Missionare auftraten, betrieben sie in Australien und Neuseeland eine ausgesprochene Siedlungskolonisation. Diese besonders aggressive Form des Expansionismus führte zumeist zu einer Versklavung, Verdrängung oder gar Vernichtung der Urbevölkerung; so auch in Australien und Tasmanien. Dabei hatte sich die erste Begegnung mit den heute offiziell Aborigines genannten Ureinwohnern durchaus freundlich gestaltet, als die Schiffe der First Fleet im Januar 1788 700 Strafgefangene ins Land brachten.
 
Kleine Übergriffe der Aborigines und Racheakte der freigelassenen Strafgefangenen und ersten Siedler trugen aber bald zu Konflikten bei, die sich mit der wachsenden Zahl von Kolonisten verschärften. Seitdem sahen sich die Aborigines einem erbarmungslosen Verdrängungs- und zum Teil systematischen Ausrottungsprozess ausgesetzt. Seuchen und Epidemien vollendeten auch in Australien, was brutale Härte noch nicht bewerkstelligt hatte. So war bereits ein Jahr nach Ankunft der Briten in der Botany Bay nahezu die Hälfte der im Gebiet des heutigen Sydney lebenden Aborigines der ersten Pockenepidemie zum Opfer gefallen. Verheerend wirkten sich zudem Geschlechtskrankheiten und Alkohol aus. Darüber hinaus machten in Australien und Tasmanien Siedler, freigelassene Strafgefangene und Soldaten geradezu Jagd auf die Einheimischen — bis hin zu Tötungskampagnen. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts sollten sich die Verwaltungen sowie eine in frühkolonialistischer Zeit weitgehend desinteressierte Mission zu einer Schutzpolitik — in Form der Einrichtung von Stationen und Reservaten — entschließen.
 
Parallel zum Rückgang der Ureinwohner stieg die Zahl der Siedler an, die sich vor allem in der Schafzucht betätigten. Ihren Charakter als Sträflingskolonien hatten Australien und Tasmanien seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verloren. Ackerbau und Viehzucht kamen jetzt zur Schafzucht hinzu, während die Entdeckung von Goldvorkommen ab 1851 einen ersten Goldrausch auslöste — mit der Folge, dass die Bevölkerungszahl binnen weniger Jahre die Millionengrenze überschritt. Gleichzeitig ging die ungeordnete Landnahme vom Süden und Südosten aus weiter, wobei sich die fast ausschließlich britischen Siedler in eigenen und selbst verwalteten Kolonien oder Provinzen zusammenschlossen. Erst nach 1885 fassten sie die Einrichtung zentraler Organe und einer Konföderation ins Auge.
 
Gewalt stand auch am Beginn der Begegnung mit der einheimischen Bevölkerung Neuseelands, den Maori. Bereits bei der Entdeckung durch Abel Tasman 1642 wurden vier der Seeleute des holländischen Seefahrers von den Einheimischen erschlagen. James Cook, der wie im Falle Australiens Großbritanniens Besitzansprüche anmeldete, hob den Kannibalismus, die ständigen Kriege wie überhaupt das Moment der Streitlust in der Lebensart der Maori hervor, obgleich er ihnen auch einige Attribute des »edlen Wilden« zubilligte. Ein Massaker an der Besatzung der Boyd im Februar 1810 intensivierte das kursierende Horrorbild von den »Menschenfressern« Neuseelands.
 
Die etwa 50 Stämme umfassende, sozial in Adel, Freie und Hörige differenzierte Maorigesellschaft, die ihre Abstammung auf unterschiedlichste polynesische Einwanderergruppen zurückführte, bildete mehr eine kultische denn politische Identität aus. Die wichtigsten religiös-politischen Regulative der von einem Geisterglauben beherrschten Gesellschaft waren tapu und mana, tapu als Ver- und Gebotskatalog mit Sanktionsmechanismus und mana als das vom Maß der persönlichen Errungenschaften und Auszeichnungen bestimmte persönliche Heil, das jedoch auch Dingen anhaften konnte. Die Rache (utu) stellte die gewohnte Form der Vergeltung dar. Der Großteil der 1773 auf etwa 240000 Maori geschätzten Bevölkerung lebte im Bereich der Bay of Islands im Norden der Nordinsel, wo sich auch seit Ende der 1790er-Jahre die Kontakte zwischen Einheimischen und europäischen Händlern, Robben- und Walfängern, von Neusüdwales entflohenen Sträflingen und Deserteuren und schließlich den Missionaren häuften.
 
In der Folge wuchs auch in Neuseeland die weiße Bevölkerung an, zusätzlich gefördert von einer eigens als Landkauf- und Siedlungsorganisation 1839 gegründeten New Zealand Company. Gleichzeitig hatte der Erwerb von europäischen Waffen zu einer allmählichen Verschiebung des Machtgleichgewichts geführt und einige Stammesoberhäupter zu mächtigen Kriegshäuptlingen aufsteigen lassen, die das Land mit Beutezügen überzogen. Die immer blutigeren Kriege, aber auch der für die Maori erschreckende Bevölkerungsrückgang aufgrund von Seuchen führten schließlich durch die Vermittlung der Mission im Februar 1840 zum Vertrag von Waitangi. In ihm garantierte die britische Königin Viktoria im Gegenzug für die Erlangung der Souveränität über Neuseeland den Besitzanspruch der Maori auf ihr Land, ihre Wälder, ihr Eigentum und ihre Fischgründe. Nur die Kolonialregierung sollte das Recht zum Kauf und Verkauf von Land besitzen, über dessen Preis beide Parteien Einvernehmen erzielen mussten. Außerdem wurden den Maori alle Rechte und Privilegien von britischen Staatsbürgern verliehen.
 
Gleichwohl besaßen selbst die Missionare kein Verständnis dafür, welche Bedeutung die Ureinwohner dem Land unter nicht wirtschaftlichen Gesichtspunkten beimaßen. Dieses diente nämlich nicht nur als Nahrungsquelle, sondern bezog seinen Wert darüber hinaus aus den Erinnerungen an die Vorfahren, an die Traditionen des Stammes und an geheiligte Plätze. Alleiniges Besitz- und Entscheidungsrecht über das Land kam nur der Stammesgemeinschaft zu. Insofern hatten die Maori im Vertrag von Waitangi auch nicht ihre Besitzrechte abgetreten, sondern nach ihrem Verständnis nur ihr Land unter den Schutz der britischen Krone gestellt. Als daher immer mehr Siedler immer mehr Land für die Schafzucht begehrten, setzten sich die Maori zur Wehr. Auch von der Kolonialregierung, die ja im Vertrag von Waitangi den Besitz der Maori garantiert und diese sogar zu Untertanen der britischen Krone gemacht hatte, war keine Hilfe zu erwarten. Da die Ureinwohner keinen Individualbesitz kannten, an den jedoch das Wahlrecht in der neuen Verfassung von 1853 gebunden war, wurden sie zu Objekten der Kolonialpolitik, deren Angelegenheiten später in eine Behörde für Maori Affairs und in ein Maori Protectorate Department abgeschoben wurden. Der Zorn über die Missachtung ihrer traditionellen und verbrieften Rechte entlud sich in Massakern und gegenseitigen Vergeltungsschlägen, die in die seit 1845 mit Unterbrechungen geführten »Maorikriege« mündeten.
 
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden von der neuseeländischen Regierung und den Missionaren Maßnahmen zur Rettung der von Ausrottung und Aussterben bedrohten Maori eingeleitet. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert ist ihre Zahl wieder in einem ständigen Wachstum begriffen; heute liegt ihr Bevölkerungsanteil bei etwa 15 Prozent. Auch ihre politische Diskriminierung hat aufgehört — sie sind in Parlament und Regierung vertreten —, ihre gesellschaftliche und soziale jedoch noch keineswegs.
 
Prof. Dr. Horst Gründer
 
Literatur:
 
Bougainville, Louis Antoine de: Reise um die Welt. Aus dem Französischen. Leipzig 1772.
 Dodge, Ernest S.: Islands and empires. Western impact on the Pacific and East Asia. Minneapolis, Minn., 1976.
 Howe, K. R.: Where the waves fall. A new South Sea islands history from first settlement to colonial rule. Neudruck Honolulu, Ha., 1991.
 Kotzebue, Otto von: Neue Reise um die Welt, in den Jahren 1823, 24, 25 und 26. 2 Bände Weimar 1830.
 Sobel, Dava: Längengrad. Die wahre Geschichte eines einsamen Genies, welches das größte wissenschaftliche Problem seiner Zeit löste. Aus dem Amerikanischen. Berlin 61997.
 Taillemite, Etienne: Die Entdeckung der Südsee. Aus dem Französischen. Ravensburg 21991.
 Voigt, Johannes H.: Geschichte Australiens. Stuttgart 1988.


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