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ANSELM VON CANTERBURY: ÜBER DIE ERKENNBARKEIT UND DIE BEWEISBARKEIT GOTTES

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Anselm von Canterbury: Über die Erkennbarkeit und die Beweisbarkeit Gottes
 
Mit dem großen Philosophen und Theologen Anselm von Canterbury (* 1033, ✝ 1109) verbinden sich die Vorstellungen vom »Vater der Scholastik« und die seines Gottesbeweises. Der Sohn eines Grafen aus Aosta im nördlichen Piemont übernahm nach Studien in Burgund 1068 bereits drei Jahre nach seinem Eintritt in das französische Kloster Bec dessen Leitung. Seit 1093 Erzbischof von Canterbury, wurde er im Investiturstreit, der Auseinandersetzung zwischen König und Papst über die Besetzung geistlicher Ämter, wegen seiner Verteidigung der päpstlichen Ansprüche mehrfach vom König verbannt, wodurch er in Süditalien mit Byzanz und der arabischen Welt in Berührung kam.
 
Anselm suchte ausgehend von Augustinus die christlichen Glaubensinhalte so weit wie möglich mit der Vernunft zu durchdringen. »Ich glaube, damit ich verstehe« (»Credo, ut intelligam«) und »der Glaube, der nach Einsicht sucht« (»Fides quaerens intellectum«) lauteten seine Maximen, die dann auch seinen methodischen Ansatz charakterisierten.Ähnlich wie Eriugena bediente er sich der Wissenschaft und rationaler Argumente, um ein Gesamtverständnis der Welt, eine umfassende Philosophie zu schaffen.
 
Grundlage seiner Erkenntnislehre bildete der Sündenfall, der die menschliche Erkenntnisfähigkeit einschränkt und einer Erkenntnis Gottes im Wege steht. Vor seinem Fall habe der Mensch über direktes Wissen über Gott verfügt, in seiner heutigen Situation jedoch brauche er einerseits den Akt des Glaubens, dürfe sich aber andererseits auch nicht der Mühe entziehen, diesen verstandesmäßig zu begreifen zu suchen. Auch wenn Anselm damit die Grundhaltung des Glaubens für das Erkennen voraussetzt, so will er doch die konkreten Glaubensinhalte wie Gottes Wesen, seine Güte und Gerechtigkeit, die Trinität selbst für den Ungläubigen logisch nachvollziehbar beweisen. Und das gleiche galt auch für Gottes Existenz; auch sie sollte zweifelsfrei erwiesen werden.
 
Ausgangspunkt für Anselms Beweisverfahren bildet eine Definition Gottes, der auch ein Atheist zustimmen könnte: Ein Wesen, das so vollkommen ist, dass nichts noch Vollkommeneres gedacht werden könnte. Hatte der fiktive Atheist dieser Wesensbeschreibung zugestimmt, so konnte ihm Anselm die Unhaltbarkeit seiner atheistischen Position nachweisen. Ein vollkommenes Wesen, das existiert, wäre nämlich vollkommener als ein derartiges Wesen, das nicht existiert. Ein im umfassenden Sinne vollkommen gedachter Gott muss also notwendigerweise existieren. Andernfalls könnte man ja noch ein vollkommeneres Wesen denken, dem dann auch die Existenz zukäme.
 
Diese elegante Form des Gottesbeweises stützte sich nur noch auf das Denken und die semantische Analyse und fand in den folgenden Jahrhunderten in unterschiedlichen Spielarten von Descartes, über Leibniz bis Hegel Anhänger, wurde aber beispielsweise von Kant vehement bekämpft.
 
Philosophiegeschichtlich ist aber von besonderem Interesse, dass Anselm in einem Zeitgenossen, dem ansonsten völlig unbekannten Mönch Gaunilo, ein ebenbürtiger Gegner erwuchs. »Der Argumentationsaustausch zwischen Gaunilo und Anselm. .. beweist, dass eine selbstständige philosophische Forschung schon in dieser frühen Zeit vorhanden war. Im Vergleich zu dieser Diskussion unter Mönchen über die Vertretbarkeit des Atheismus erscheinen Luthers Debatten mit Karlstadt, mit Erasmus und Zwingli als gedankenarmes Gepolter. .. Wir besitzen nur wenige Seiten aus der Feder Gaunilos; aber diese weisen ihn aus als einen der bedeutendsten Denker des 11. Jahrhunderts.« (Kurt Flasch) Seine - übrigens von Anselm selbst überlieferten - Argumente sind vielschichtig: Er kritisiert die innere Logik des Beweises und legt dessen innere Voraussetzungen frei; er drängt auf einen präziseren Sprachgebrauch und weist Anselm nach, dass seine Definition schon daran krankt, dass sich etwas derart Vollkommenes vollständig unserer Erfahrung entzieht, weswegen wir es eben nicht erkennen können. Überhaupt lag das Hauptgewicht seiner Kritik darin, worin Anselm wohl die Stärke seines Beweises vermutet hatte: Im völligen Absehen von empirischen Tatsachen. Lässt sich denn aus der begrifflichen Denkbarkeit Gottes wirklich auf seine reale Existenz schließen? Mit ihrer unterschiedlichen Methode erwiesen sich die beiden Denker als Vertreter verschiedener philosophischer Richtungen: Anselm steht stärker in der ideellen Tradition Platons, die in den folgenden Jahrhunderten langsam aber sicher gegen Gaunilos empirische Richtung, die an Aristoteles anknüpfte, an Boden verlieren sollte.
 
Dr. Ulrich Rudnick
 
Literatur:
 
Flasch, Kurt: Einführung in die Philosophie des Mittelalters. Darmstadt 31994.


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