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ARTENREICHTUM UND BIODIVERSITÄT: WIE VIELE ARTEN GIBT ES?

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Artenreichtum und Biodiversität: Wie viele Arten gibt es?
 
Die meisten Arten, die auf Nimmerwiedersehen vom Antlitz des Planeten verschwinden, sind eher unscheinbar. Wenn überhaupt, so wussten lediglich Fachleute von ihrer Existenz. Dies erklärt den scheinbaren Widerspruch zwischen der Dringlichkeit des Rio-Gipfels und den vielfältigen Beispielen für erfolgreichen Artenschutz in den Medien. Gerettet wurden nämlich ausnahmslos große, wohl bekannte und attraktive Arten von Säugetieren und Vögeln; dazu noch einige Kriechtiere und wenige Gruppen von vor allem in Liebhaberkreisen geschätzten Pflanzen wie Orchideen und Kakteen. Doch zusammen stellen diese Arten und ihre Verwandtschaft nur einen sehr geringen Anteil am gesamten Artenspektrum der Erde. Wie viele Arten heute auf der Erde leben, ist dabei völlig unklar. Die Schätzungen hierzu klaffen zwischen fünf und bis zu hundert Millionen Arten weit auseinander.
 
 Im Kleinen liegt die Ungewissheit
 
Die etwa 4000 Säugetier- und gut 9000 Vogelarten auf der Erde ergeben zusammen mit jeweils etwa 4000 Spezies von Kriechtieren (Reptilien) und Lurchen (Amphibien) nicht einmal die Hälfte der Fischarten.Dabei sind diese Arten, die allesamt zur Gruppe der Wirbeltiere gehören, recht gut bekannt und erfasst. Man weiß bei den meisten Vogelarten, wo sie tatsächlich vorkommen und kann in etwa ihre Häufigkeit abschätzen. Bei kleinen Säugetieren fällt das schon erheblich schwerer. Für viele Froscharten gibt es noch nicht einmal grobe Abschätzungen der Größe ihres Gesamtbestands. Ganz zu schweigen von den vielen Arten kleiner und kleinster Fische, zumal wenn sie schwer zugängliche tropische oder subtropische Gewässer bewohnen.
 
Unser Kenntnisstand nimmt sprunghaft weiter ab, wenn wir die große Masse der wirbellosen Tiere betrachten. Zu ihnen gehören Insekten und Spinnentiere, Schnecken und Muscheln, Krebstiere und zahlreiche weitere, weniger bekannte Gruppen.
 
Noch bis etwa 1980 nahmen die meisten Forscher an, es gäbe auf der Erde etwa drei Millionen verschiedener Arten — die Ozeane und ihre Lebenswelt eingeschlossen. Knapp die Hälfte davon galt als bekannt, also wissenschaftlich beschrieben und mit eigenem Namen bedacht. Heute ist die Zahl der bekannten Arten dank der Bemühungen der Wissenschaftler um einen besseren Einblick in die Welt der Kleinlebewesen auf etwa 1,75 Millionen angewachsen.
 
Gleichzeitig stiegen aber die Schätzungen zum Gesamtartenbestand der Erde auf das Zehnfache an. So fand man besonders im Kronenbereich der tropischen Regenwälder eine überraschende Vielfalt an Käfern und anderen Insekten. Tatsächlich gibt es heute, zum Beginn des neuen Jahrtausends niemanden, der auch nur einigermaßen zuverlässig sagen könnte, wie groß der Artenreichtum des Planeten Erde tatsächlich ist.
 
 Korrigierte Schätzungen
 
Gegenüber den Zahlen bis zum Anfang der 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts haben sich die Schätzungen, wie viele verschiedene Organismen den Planeten Erde bevölkern, kräftig erhöht. Sie reichen heute von fünf Millionen Arten bis zu 30, 50, ja 100 Millionen. Problematisch sind derartige Schätzungen schon deshalb, weil Biologen sich bislang nicht auf eine einheitliche Definition des Artbegriffs einigen konnten.
 
So untergliedern die Botaniker Pflanzen stark in Kleinarten, während Zoologen bei ähnlichen Verhältnissen eher von Unterarten oder geographischen Rassen sprechen. Die Mikrobiologen müssen vielfach chemische Reaktionen und Fähigkeiten der von ihnen untersuchten Organismen zur Kennzeichnung benutzen. Das Leben, so stellen die Spezialisten immer wieder fest, ist eben vielfältig und lässt sich nicht einfach in Schubladen sortieren.
 
In jedem Fall steht fest, dass die Ahnungslosigkeit über den Artenbestand der Erde unsere Kenntnisse weit übertrifft. Falls der unterste Schätzwert von fünf Millionen Arten zuträfe, hätten wir erst ein Drittel aller Lebewesen erfasst. Liegt der tatsächliche Wert aber bei 50 Millionen, schrumpft der Anteil der bekannten und wissenschaftlich beschriebenen Arten auf lediglich dreieinhalb Prozent.
 
Seit dem Abschluss der Vorarbeiten zum Umweltgipfel von Rio ist rund ein Jahrzehnt vergangen, aber immer noch gibt es kein umfassendes Programm für die Erfassung des Artenbestands der Erde. Dabei finden die großen Verluste aller Wahrscheinlichkeit nach bei den kleinen, den unbekannten Arten statt.
 
Die wissenschaftlich-technisch hoch entwickelten Nationen leisten sich milliardenteure Teilchenbeschleuniger für die Suche nach den kleinsten Bausteinen der Materie, sie geben ein Vielfaches dieser Summe für die bemannte Raumfahrt aus oder erschließen auf dem Gebiet der Biowissenschaften das menschliche Erbgut bis ins letzte Detail. Für die Erforschung des Wissens, das die Evolution im Lauf von gut drei Milliarden Jahren angesammelt hat, stehen dagegen vergleichsweise geringe Beträge zur Verfügung. In Deutschland sind die Investitionen dafür geringer als die Kosten für den Bau eines Autobahnkilometers.
 
Es reicht dabei nicht aus, das Problem in seiner möglichen Größe erkannt zu haben, wenn die Abhilfemaßnahmen nicht zu dieser Größenordnung passen. Wir sind für den Artenschatz der Erde mitverantwortlich, auch wenn der größte Teil davon nicht in Mitteleuropa lebt, denn wir sind Mitschuldige bei der Vernichtung der biologischen Vielfalt.
 
 Hot Spots
 
Zwischen 40000 und 50000 verschiedene Tier- und Pflanzenarten kennen die Wissenschaftler in Mitteleuropa — je nachdem, wie sie den Begriff der Art definieren. Das ist eine durchaus beachtliche Vielfalt. Kein einzelner Biologe kann sie überblicken oder gar alle Arten erkennen. Dazu sind Spezialisten nötig. Diese können, etwa für die Tagfalter in Mitteleuropa, rund 200 verschiedene Arten ermitteln. Dies entspricht aber nur einem Zehntel aller Schmetterlingsarten in diesem Raum. Die allermeisten fliegen nur nachts, sodass von ihrer Vielfalt wenig zu sehen ist.
 
Trotzdem kann es ganz Mitteleuropa in puncto Vielfalt nicht einmal mit einem so winzigen Tropenland wie Costa Rica aufnehmen. Dort leben mehr Vogelarten als in ganz Nordamerika, und ein einziger Baum kann mehr Arten von Ameisen beherbergen als es auf den Britischen Inseln gibt. Ganz allgemein steigt der Artenreichtum von den Polen äquatorwärts stark an. Die Tropen sind, was die Artenvielfalt angeht, die Schatztruhe der Erde.
 
Hinter dieser Tatsache versteckt sich zugleich das größte Artenschutzproblem unserer Zeit: Sehr viele Organismen, die in den Tropen leben, sind dort nur regional oder lokal verbreitet. Sie verfügen nicht über so große, mehr oder minder zusammenhängende Lebensräume wie ihre außertropische Verwandtschaft in Nordamerika oder Eurasien, den beiden größten Landmassen.
 
Wo in Europa oder Nordasien zahlreiche kleine Restvorkommen eine Art erhalten können, weil sich der Lebensraum recht gleichartig über die ganze Hemisphäre hinweg erstreckt, bestehen die Tropen vielfach aus lauter kleinen »Inseln« mit höchst unterschiedlichen Bewohnern. Wie Schiffbrüchige mitten im Ozean können diese Populationen nur auf ihrem ökologischen Eiland überleben und sind beim Schrumpfen ihres Lebensraums entsprechend gefährdet.
 
 Verlorenes Leben
 
Der Großangriff auf die Lebensräume der Tropen ist nun seit einem Vierteljahrhundert in vollem Gang. Regenwälder werden gerodet und zu Viehweiden oder Plantagen umgewandelt. Das Land wird abgebrannt, um den Graswuchs zu fördern. Was dabei auf dem Spiel steht, belegen einige Befunde aus Amazonien. Dort können auf einem einzigen Hektar Regenwald mehr als 400 verschiedene Baumarten und zusätzlich noch einmal 100 weitere Holzgewächse wie etwa Lianen leben — gegenüber höchstens einer Hand voll Baumarten pro Hektar in einem typischen europäischen Wirtschaftswald.
 
In Amazonien finden sich auf jeder Baumart bis zu mehrere Tausend verschiedener Insektenarten. Jede Baumart vermag zudem noch über 100 Frosch- und 150 Vogelarten zu beherbergen, außerdem viele weitere Pflanzengruppen sowie Orchideen, Baumfarne, Moose und Flechten. Die Rodung und Vernichtung solch eines Areals trifft damit ins Herz der biologischen Vielfalt.
 
Die auf Grundlage solcher Überlegungen berechneten Zahlen über die täglichen oder jährlichen Verluste sind erschreckend. Es mag durchaus stimmen, dass die Erde allein im vergangenen Jahrzehnt mehrere Zehntausend bis mehrere Hunderttausend Arten verloren hat. Die Erfolge bei den großen, öffentlichkeitswirksamen Schutzkampagnen für Vögel und Säugetiere täuschten über die verheerenden Niederlagen hinweg, die vor allem in den Tropen aller Wahrscheinlichkeit nach erlitten wurden und die sich fortsetzen werden, wenn es uns nicht gelingt, die Ursachen des Artensterbens zu beseitigen oder wenigstens in ihren Auswirkungen abzumildern.
 
Es sind besonders auch die kleinen, unscheinbaren Arten, in denen jene genetische Vielfalt steckt, die für die Menschheit durchaus von Nutzen sein kann. So wissen wir, dass die Käfer deshalb die mit weitem Abstand artenreichste Gruppe von Lebewesen geworden sind, weil sie sich bei der Nutzung von Pflanzen ganz besonders stark spezialisiert haben. Sie stellen wenigstens zwei Drittel, vielleicht sogar mehr als drei Viertel aller Tierarten, die es überhaupt gibt. Zwei einander extrem ähnliche und nur von Spezialisten zu unterscheidende Käferarten können sich in der Nutzung von Pflanzen sehr stark unterscheiden und Besonderheiten aufweisen, die auch für den Menschen höchst interessant sind.
 
Das gilt sicher noch mehr für die kaum abzuschätzende Vielfalt an Pilzen in den Tropenwäldern. Bedenken wir, dass mit die besten und wirkungsvollsten Arzneimittel der modernen Medizin, die Antibiotika, von unscheinbaren Schimmel- oder anderen Pilzen stammen.
 
Pflanzliche Inhaltsstoffe nutzen die Tropenvölker traditionell seit Urzeiten zur Behandlung von Herz- und Kreislauferkrankungen oder von Infektionen sowie als Psychopharmaka. Ohne zu übertreiben kann man sagen, dass der tropische Regenwald das größte und erfolgreichste Chemielabor der Erde ist.
 
Alle Stoffe, die er herstellt, sind hinsichtlich Umweltverträglichkeit, Wirksamkeit und Energieaufwand bei der Synthese durch alle Prüfungen gekommen. Allein aus diesem Grund lohnt sich die Erhaltung dieser Naturgüter auf jeden Fall. Außerdem erneuern sie sich auch noch ganz von selbst. Sie brauchen unsere Hilfe dazu nicht, wenn wir sie nur gewähren lassen.
 
Prof. Dr. Josef H. Reichholf
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Artensterben: Gründe
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
biologische Vielfalt und die Verantwortung des Menschen
 
Literatur:
 
Dobson, Andrew P.: Biologische Vielfalt und Naturschutz. Der riskierte Reichtum. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1997.
 
Ende der biologischen Vielfalt? Der Verlust an Arten, Genen und Lebensräumen und die Chancen für eine Umkehr, herausgegeben von Edward O. Wilson. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1992.
 Wilson, Edward O.: Der Wert der Vielfalt. Die Bedrohung des Artenreichtums und das Überleben des Menschen. Aus dem Amerikanischen. Taschenbuchausgabe München u. a. 1997.


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