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EISENBAHN: EISENBAHNBAU IM 19. JAHRHUNDERT

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Eisenbahn: Eisenbahnbau im 19. Jahrhundert
 
Eine industrielle Massenproduktion und eine Ausweitung des Handels wären ohne eine völlig neue Qualität und Dimension des Transport- und Verkehrswesens, dessen Leistungsfähigkeit seit Jahrhunderten nahezu unverändert geblieben war, nicht möglich gewesen. Die erste öffentliche Dampfeisenbahnlinie war in Großbritannien zwar schon 1825 zwischen Stockton-on-Tees und Darlington eingerichtet worden, aber sie blieb zunächst dem Güterverkehr vorbehalten, und größere Steigungen mussten noch mithilfe stationärer Dampfmaschinen überwunden werden; der Personenverkehr dagegen wurde hier bis 1833 noch ausschließlich mit von Pferden gezogenen Waggons bewältigt.
 
 Eisenbahnbau und Industrialisierung
 
Der Durchbruch der Eisenbahn als Transportmittel für Güter und Personen ist mit dem Namen George Stephensons verbunden. Als Bremser, Dampfmaschinenwärter und Aufseher in den Kohlebergwerken von Killingworth war er mit den Problemen der Dampfmaschine und der damaligen Entwicklung der Eisenbahn bestens vertraut.Als es darum ging, mit den Städten Liverpool und Manchester zwei der wichtigsten Schwerpunkte des britischen Handels miteinander zu verbinden und dafür die beste technische Lösung zu finden, war Stephenson der Einzige, der für einen Lokomotivbetrieb eintrat. Allgemein galt die Pferdeeisenbahn bis dahin als die sicherste Betriebsform. Renommierte Ingenieure traten nun dafür ein, die Strecke in zehn Teile von je 2,4 km Länge einzuteilen und insgesamt 21 ortsfeste Dampfmaschinen zu installieren. Nur so sei eine vollständige Betriebssicherheit erreichbar. Stephenson aber behauptete, er könne eine Lokomotive bauen, die 20 Meilen (etwa 32 km) in der Stunde zurücklegen könne. Die Zeitschrift »Quarterly Review« mokierte sich: »Was kann wohl handgreiflich lächerlicher und alberner sein, als das Versprechen, eine Lokomotive für die doppelte Geschwindigkeit der Postkutsche zu bauen!«
 
Auf Betreiben Stephensons schrieb die Eisenbahngesellschaft Liverpool —Manchester schließlich einen Wettbewerb für Lokomotiven aus, der die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich zog, handelte es sich doch hier um die erste Eisenbahnlinie außerhalb des engeren Bereichs des Bergbaus. Das Wettrennen fand am 6. Oktober 1829 bei Rainhill auf einem bereits fertig gestellten, vollkommen ebenen Teilstück der Strecke Liverpool —Manchester von über 3 km Länge statt, die die am Wettbewerb teilnehmenden Lokomotiven 20-mal durchlaufen sollten. Vor einer großen Zuschauerschar, zu der auch Fachleute aus Amerika gehörten, gewann die von Georg Stephensons Sohn Robert gebaute »Rocket« mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 24 km/h und Höchstgeschwindigkeiten von um die 50 km/h das Rennen. Diese für damalige Verhältnisse sensationelle Geschwindigkeit wurde durch die Verwendung eines neuartigen Kessels mit zahlreichen dünnen Heizrohren ermöglicht, der eine höhere Heizleistung auf engem Raum erreichte. Der Kolben des Dampfzylinders war außerdem unmittelbar mit den Rädern verbunden, während man bis dahin häufig Zahnräder zur Kraftübertragung verwendet hatte.
 
Auf der am 15. September 1830 eröffneten Strecke Liverpool —Manchester wurden nun erstmals sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr ausschließlich Dampflokomotiven eingesetzt. Damit trat die Eisenbahn von Großbritannien aus, wo das Kanalsystem schon bald nicht mehr in der Lage war, das gewaltig anschwellende Transportvolumen zu bewältigen, ihren Siegeszug um die Welt an: Wie das Kanalsystem ermöglichte sie einen billigeren Transport von großvolumigen Massengütern. Daneben sorgte sie für die schnelle Beförderung von Spezialfrachten wie Warenproben oder Post und verbesserte auf diese Weise die für die Entstehung eines großen Marktes unerlässlichen Kontakte. Auch das Tempo des Verkehrs wurde revolutioniert: Das neue Verkehrsmittel übertraf die bisherigen Tagesstreckenleistungen von Pferd und Wagen oder Dampfschiff bei weitem.
 
Die Eisenbahn stellte nicht nur einen ersten Höhepunkt der technisch-industriellen Revolution dar, sondern der Eisenbahnbau selbst wurde zu einem Leitsektor für die weitere Industrialisierung. Der Bau der Eisenbahnnetze setzte eine enorme Nachfrage nach Erzeugnissen der Bergbau-, Metall- und Maschinenindustrie frei: Ein einziger Schienenkilometer verschlang 200t Eisen. Der Bedarf an Schienenmaterial, an Waggons und Lokomotiven führte wiederum zur Errichtung moderner Puddel- und Walzwerke und erhöhte die Nachfrage nach Steinkohle. Der Bau von Lokomotiven regte den gesamten Maschinenbau an. Steigende Eisenbahninvestitionen hatten somit stets einen Konjunkturaufschwung in der Schwerindustrie zur Folge. Man hat sogar nachgewiesen, dass die gesamte Konjunktur in Deutschland im Zeitraum von 1840 bis 1880 von den Investitionen in den Eisenbahnbau abhängig war, der in den Jahren 1850 bis 1890 die Hälfte der gesamten deutschen Eisenproduktion beanspruchte.
 
Die starke Verbilligung des Gütertransports hatte wegen damit einhergehender Preissenkungen eine Anhebung der Massenkaufkraft zur Folge. Durch die erhöhte Nachfrage wurde wiederum die Massenproduktion angeregt und deren überregionaler Absatz ermöglicht. Dadurch dass nun in einem vergrößerten Markt Ernteerträge und Bodenschätze mithilfe der Eisenbahn überall verfügbar wurden, konnten an neuen Orten Fabriken angesiedelt werden und sich neue industrielle Ballungsräume bilden, was wiederum die Entstehung großer städtischer Ballungszentren förderte. Die Verbilligung der Transportkosten hatte zudem eine starke Ausweitung des volkswirtschaftlichen Transportvolumens zur Folge. Die Verkehrsdienstleistungen wuchsen in Deutschland zwischen 1852 und 1913 fast dreimal so schnell wie das Sozialprodukt, während die Preise im Güterverkehr von 1840 bis 1913 auf ein Viertel sanken. Die Eisenbahn wurde damit zum entscheidenden Wachstumsfaktor von der Mitte der 1830er- bis in die 1870er-Jahre, der eine Fülle von direkten und indirekten Wachstumsimpulsen auslöste.
 
 Aufbau nationaler Eisenbahnnetze
 
Der erste regelrechte Eisenbahnboom setzte in Großbritannien um 1840 ein. Im Zeitraum von 1832 bis 1841 verdreifachte sich — nicht zuletzt durch die Nachfrage der Eisenbahnen — die britische Gesamtproduktion von Gusseisen. 1846 bis 1848 wurden fünf bis sieben Prozent des gesamten Nationaleinkommens und damit die Hälfte aller Investitionen für den Bau von Eisenbahnen verwandt. Um 1850 gab es in Großbritannien bereits ein Eisenbahnnetz von 8045 km Gesamtlänge. Die erzielten Geschwindigkeiten auf den großen Hauptlinien zwischen London, Liverpool, York, Bristol und der Südküste betrugen damals zwischen rund 50 und 64 km/h.
 
Auch andere Staaten erkannten sehr bald die große wirtschaftliche Bedeutung der Eisenbahn. Der Bau von Eisenbahnen wurde deshalb auf dem Kontinent von den Ländern, die ihren wirtschaftlichen Rückstand gegenüber Großbritannien aufholen wollten, bewusst gefördert.
 
Die erste deutsche Eisenbahnlinie zwischen Nürnberg und Fürth wurde 1835 eröffnet. Wirtschaftlich bedeutend war erst die rund 115 km lange Strecke zwischen Leipzig und Dresden, die das sächsische Industriegebiet mit der Elbe verband. Mit der Fertigstellung der Elbbrücken 1848 entstand zudem eine wirtschaftlich sehr wichtige Verbindung vom Ruhrgebiet nach Berlin. Damit wurde die Eisenbahn auch zu einem wesentlichen Faktor der nationalen Einigung.
 
Außer in Großbritannien und im wirtschaftlich ebenfalls fortschrittlichen Belgien gab es um 1850 in Europa noch kein zusammenhängendes Bahnnetz. Es bestand nur die Verbindung Paris —Brüssel —Köln —Berlin —Krakau mit Abzweigungen nach Hamburg, Kiel, Stettin, München, Wien und Prag.
 
Frankreich und Italien hinkten damals noch weit hinterher. Italien besaß 1860 erst ein Streckennetz von 1750 km. Das französische Netz besaß um 1850 eine Länge von 3000 km, bestand aber im Wesentlichen aus Stichbahnen, die von Paris aus ins Land gingen und lediglich nach Belgien einen Anschluss hatten. Mit dem finanziellen Engagement der 1852 gegründeten Bank Crédit Mobilier begann dann die allmähliche Beseitigung der technischen und personellen Vorherrschaft der Briten im französischen Eisenbahnbau.
 
Unter Napoleon III., der mit seiner Politik die Industrialisierung vorantreiben und die Arbeiterschaft für sich gewinnen wollte, wurde der Ausbau der Eisenbahnen in Frankreich beschleunigt. Seit 1852 wurden die Linien Paris —Orléans, Paris —Lyon —Mittelmeer, die Nord-, die Ost- und die Westbahn gebaut. 1870 waren die Hauptstrecken mit einer Länge von 17500 km fertig gestellt. Nach Deutschland bestand eine Verbindung über Straßburg —Kehl, durch den Mont-Cenis-Tunnel seit 1871 auch eine solche nach Norditalien.
 
In Frankreich brachten einige große Finanzgruppen das Eisenbahnnetz in ihre Hände: Das Bankhaus Rothschild kontrollierte 1855 die Compagnie du Nord, die Compagnie du Paris —Orléans, die Compagnie du Lyon —Méditerranée und die Compagnie du Lyon —Genève; der Crédit Mobilier der Brüder Péreire die Compagnie du Midi, die Compagnie de l'Ouest und die Compagnie de l'Est. Beide Finanzgruppen bekämpften sich auch in Mitteleuropa und im Mittelmeerraum erbarmungslos.
 
In Deutschland waren die Hauptstrecken bis 1870 fertig gestellt. Zunächst waren die Strecken überwiegend durch private Gesellschaften errichtet worden. Reichskanzler Bismarck betrieb eine forcierte Verstaatlichungspolitik, um das Streckennetz zu vereinfachen, den Fahrbetrieb zu koordinieren, die Eisenbahn jederzeit für Truppentransporte nutzen zu können und vor Streiks immun zu sein. Mit der Verfügung über die Eisenbahn hatte der Staat zudem auch ein wirtschaftspolitisch sehr wichtiges Instrument in der Hand.
 
In den USA setzte ab 1828/30 ein lebhaftes Interesse für den Eisenbahnbau ein. Genau wie die ersten Kanäle wurden auch die ersten Eisenbahnen in Amerika als Verbindungen natürlicher Wasserstraßen untereinander gebaut, ehe man ihren eigenen Wert erkannte. Seit 1862 erhielten die Eisenbahngesellschaften westlich des Mississippi große Landsubventionen und erschlossen auf diese Weise den riesigen Siedlungsraum. Die Entstehung des nordamerikanischen Eisenbahnnetzes gehört wie die Entwicklung der Viehzucht im Westen, der Kühleinrichtungen für den Fleischtransport und die Entstehung von Fleischkonservenfabriken neben der Entwicklung der Erdöl- und der Stahlindustrie zu den großartigsten Beispielen für das rasante Wirtschaftswachstum der USA. Die mit britischem Kapital gebauten Eisenbahnlinien erschlossen den amerikanischen Weizengürtel und die Rinder- und Schweinezuchtgebiete im Hinterland Chicagos für den Weltmarkt, vor allem aber für den britischen Markt. Die Eisenbahnen hatten 1860 ein Schienennetz von 49292 km, 1880 von 150712 und 1890 von 165000 km, das im Besitz einiger weniger Gesellschaften von »Eisenbahnkönigen« war. Große Bedeutung hatten die den Kontinent durchquerenden Linien: 1867/69 bauten die Union Pacific Railroad und die Central Pacific Railroad die ersten dieser transkontinentalen Linien.
 
Russland begann in den 1860er- und 1870er-Jahren mit einem verstärkten staatlichen Eisenbahnbau im Rahmen einer allgemeinen Industrialisierungspolitik. Als der ehemalige Stationsvorsteher der Südwestbahn Sergej Juljewitsch Witte 1892 zum Finanzminister aufgestiegen war, beschleunigte er den Eisenbahnbau mithilfe von Auslandskapital so sehr, dass dieser schneller wuchs als der westeuropäische. 1896 gewann die 1891 begonnene Transsibirische Eisenbahn Anschluss an die Ostchinesische Eisenbahn. Der Eisenbahnbau förderte die Industrialisierung des Donezbeckens. 1900 war Russland mit sieben Prozent an der Weltroheisenerzeugung beteiligt.
 
 Eisenbahn und Weltwirtschaft
 
Mit den Eisenbahnen setzten sich auch neue Methoden der Industriefinanzierung durch, da sie die Kapitalkraft eines einzelnen Unternehmers überstiegen. Aktiengesellschaften sammelten nunmehr breit gestreutes Kapital. Auf diese Weise kam es bereits im Vormärz, also den 1840er-Jahren, zu jener »Initialzündung, die über den Eisenbahnbau die Kapitalinvestitionen und die Schwerindustrie zusammenführte und damit die Entstehung einer modernen Industriegesellschaft anbahnte« (Reinhart Koselleck).
 
Für die britische Wirtschaft stellte die Eisenbahn einen wichtigen Exportartikel dar. Mehr als 40 Prozent allen bis zum Ersten Weltkrieg investierten britischen Kapitals floss in den Bau von Eisenbahnen in anderen Ländern wie zum Beispiel in Kanada, Argentinien und den USA. Mit der Zeit aber entstanden im Ausland in nachrückenden Industrieländern eigene Industrien, die mit der britischen in Wettbewerb traten. Die mit britischem Kapital finanzierten Eisenbahnen im Ausland, insbesondere diejenigen in den USA, ermöglichten erst den Transport riesiger Mengen von Rohstoffen und Nahrungsmitteln, die das Industrieland Großbritannien benötigte.
 
Ende der 1850er-Jahre begann der Eisenbahnbau der Briten in Indien. Den Investoren wurden fünf Prozent Verzinsung garantiert. Nach 1865 floss britisches Kapital zum Eisenbahnbau nach Argentinien, nachdem dort eine zuverlässige Regierung im Amt war, die die Sicherheit der Investitionen garantieren konnte. Bis 1875 waren 23 Millionen Pfund Sterling in Argentinien investiert worden, bis 1890 175 Millionen. 1874 wurde mithilfe einer britischen Anleihe die erste japanische Eisenbahn zwischen Tokio und seinem Hafen Yokohama eröffnet. In Indien, China und Südamerika bewirkten britische Anleihen für den Eisenbahnbau, dass das gesamte ruhende und rollende Material in Großbritannien geordert wurde.
 
Zusammen mit dem sie ergänzenden Dampfschiff bildeten die Eisenbahnen in aller Welt die Grundlage für die Entstehung einer wirklichen Weltwirtschaft. Sie durchdrangen alle wirtschaftlich fortgeschrittenen Länder von ihren Häfen aus, sorgten für den billigen Transport der Ausfuhrgüter und erschlossen koloniale Räume.
 
Prof. Dr. Hans-Werner Niemann
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
industrielle Revolution: Wissenschaft und Technik im Verbund
 
Literatur:
 
Die Entwicklung der industriellen Gesellschaften, Beiträge von Basilio M. Biucchi u. a. Aus dem Englischen. Taschenbuchausgabe Stuttgart u. a. 1985.
 
Europäische Wirtschaftsgeschichte, herausgegeben von Carlo M. Cipolla. Band 3 und 4. Aus dem Englischen. Neuausgabe Stuttgart u. a. 1985.
 Noble, David F.: Maschinenstürmer oder die komplizierten Beziehungen der Menschen zu ihren Maschinen. Aus dem Amerikanischen. Berlin 1986.
 Then, Volker: Eisenbahnen und Eisenbahnunternehmer in der industriellen Revolution. Ein preußisch/deutsch-englischer Vergleich. Göttingen 1997.


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