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ARABISCHE WISSENSCHAFT = MUSLIMISCHE WISSENSCHAFT

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arabische Wissenschaft = muslimische Wissenschaft
 
Der Begriff »arabische Wissenschaft« ist insofern missverständlich, als diejenigen, die sie schufen, kaum »Araber« waren, vielmehr Angehörige anderer Völker des weiten Ausbreitungsgebietes des islamischen Glaubens. Sinnvoller wäre es also, von einer »muslimischen Wissenschaft« wie später von einer »christlichen Wissenschaft« zu sprechen; denn nur insofern die Sprache des Korans das Arabische ist, wurde diese auch die Allgemeinsprache und Sprache der Wissenschaft, der sich aber auch etwa hier ansässige Christen, Sabier und Juden bedienten. Begünstigt durch die gemeinsame Sprache kam es vielfach zu einer freiwilligen, aber teilweise auch erzwungenen Migration von Medizinern und Wissenschaftlern, die zudem häufig wegen theologischer Streitigkeiten verfolgt und eingekerkert wurden. Der Perser Ibn Sina, im lateinischen Westen bekannt unter seinem latinisierten Namen Avicenna, ist Beispiel für einen rastlos zwischen den Höfen hin- und herwandernden (Hof-)Arzt und Gelehrten, ebenso der Universalgelehrte al-Biruni, der 1017 während der kurzen Expansionsphase des Ghasnawiden-Reiches unter Sultan Machmud mit anderen persischen Gelehrten in die neue Residenz Ghazni verschleppt wurde, dort Hofastromom und durch seine Übersetzungen zum bedeutendsten Vermittler zwischen (griechisch-)arabischer und indischer Medizin, Mathematik und Wissenschaft wurde.Der letzte große Repräsentant der Philosophie und Wissenschaft des westlichen Islam im spanisch-marokkanischen Maurenreich, der aus Córdoba stammende Ibn Ruschd (Averroes) ist dagegen ein Beispiel für einen wegen Koranfeindlichkeit seiner Lehren von orthodoxen Theologen Verfolgten, der aus seinem Amt als Leibarzt des Almohaden-Kalifen vertrieben wurde. Er war der wichtigste Vertreter der von Ibn Badjdja (Avempace) und anderen eingeleiteten arabischen Aristoteles-Renaissance des 12. Jahrhunderts, die gegenüber einem zwischenzeitlich den Aussagen des Korans angepassten Aristotelismus wieder auf den echten Aristoteles fußen wollte. Ibn Ruschd, Abul Walid Mohammed ibn Ahmad ibn Mohmmed (Averroes) verfasste neben seinen über hundert philosophischen, medizinischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Schriften die gesamte griechische und arabische Kommentarliteratur berücksichtigende Kommentare zu allen damals bekannten Aristoteles-Schriften, die mit nur geringer Zeitverschiebung auch im lateinischen Abendland bekannt wurden - hier ebenso von Philosophen und Naturwissenschaftlern geschätzt und bei Theologen umstritten.
 
Überhaupt war die ja nur in die arabische Sprache umgegossene griechische Wissenschaft, soweit sie mathematische oder praktisch umsetzbare Aussagen überschritt, stets in einem prinzipiellen Konflikt mit der islamischen Religion gewesen, blieben ihre Grundlagen doch unverändert die heidnischen - in der allgemeinen Physik die aristotelischen, in der Astronomie die der ptolemäischen Geozentrik und in der Medizin und Pharmakologie die der galenischen Humoralpathologie. Deshalb wurde in der Phase der Aneignung griechischen Wissens die Diskussion von Aussagen des Korans und die »Sunna« tangierenden Grundsatzfragen in der Regel vermieden. Angestrebt wurde dagegen eine strikte Bewahrung des überlieferten Wissens, allerdings in neuer systematischer Strukturierung und klarer enzyklopädischer Gliederung des Stoffes mit auf die praktische Verwendbarkeit abzielender Prägnanz. Das Wissen wurde auf diese Weise immer wieder in kleinen, für den Unterricht an den verschiedenen Zentren gedachten und in großen, das gesamte Wissen zusammenfassenden Synopsen dargestellt, die über Jahrhunderte die maßgeblichen Handbücher bildeten - in der Medizin der erst im 17. Jahrhundert in Europa abgelöste »Al-kanun fi at-tibb« (»Canon medicinae«) des Avicenna, in der Astronomie die »Elemente der Astronomie« des Bagdader Astronomen al-Farghani aus dem 9. Jahrhundert, vor allem aber das Handbuch des zum Islam übergetretenen syrischen Sabiers al-Battani (Albategnius) und in der Astrologie die »Große Einführung« des in Bagdad wirkenden Abu Maschar (Albumasar).
 
Für die Astronomie wurde zwar stets eine gewisse theologische Berechtigung und damit auch fürstliche Förderung (Hofastronomen, Sternwarten) aus der Notwendigkeit abgeleitet, mit ihrer Hilfe den Zeitpunkt der rituellen Gebete, des Anfangs und Endes der Fastenzeit, des Beginns der Monate im Mondkalender und des Aufbruchs der Pilgerkarawanen sowie die Gebetsrichtung nach Mekka (Kibla) zu bestimmen - wofür es auch primitive, nach und nach allerdings verfeinerte tabellarische Verfahren gab, die von orthodoxen Theologen und Juristen favorisiert wurden. Die hierzu in mehreren Sternwarten eingesetzten Astronomen vervollkommneten nicht nur das von den Griechen übernommene Beobachtungsgerät, sondern beschäftigten sich dann auch über das Erstellen hierzu dienlicher und anderer Tafelwerke hinaus zweckfrei mit der ihrer Berechnung zugrunde liegenden Astronomie des Ptolemäus, die sie durch genaue Beobachtungen der Planetenörter verbesserten oder ergänzten: al-Farghani übertrug die Präzession der Fixsternbewegung auf die Planeten; Thabit Ibn Kurra ergänzte den unzureichenden Wert der Präzession von Hipparch um eine vermeintliche »Trepidation« (die Annahme, dass sich der Frühlingspunkt gegen den von Hipparch berechneten (ungenauen) Wert vorwärts und rückwärts verschiebt), für die er eine zusätzliche (neunte) Sphäre einführte, um die Differenz zum beobachteten Ort des Frühlingspunktes auszugleichen; einen gegenüber dem hipparchischen erweiterten Sternkatalog, der nicht nur erstmals den Andromedanebel aufführt, sondern auch die arabischen Sternnamen auf die griechischen Sternbilder bezieht, erstellte um 974 As-Sufi am Hofe des Emirs von Isfahan. Auch wurden die mathematischen Grundlagen der Astronomie und Gnomonik, insbesondere die ebene und sphärische Trigonometrie weiterentwickelt: Der Sinus- und Tangenssatz sowie Sekans und Konsekans wurden eingeführt und Sinustafeln auf vier Sexagesimalstellen berechnet; die erste selbstständige systematische Abhandlung zur Trigonometrie stammt allerdings erst von Nasir ad-Din at-Tusi in Maragha im 13. Jahrhundert. Überhaupt entwickelte sich an dieser unter mongolischer Herrschaft entstandenen Astronomenschule eine gewisse Loslösung von den ptolemäischen Prinzipien. Zwar hatte bereits der große islamische Physiker Ibn al-Haitham zu Beginn des 10. Jahrhunderts in seinem Bemühen, mathematische Theorie und physikalische Wirklichkeit im Anschluss an Aristoteles und den griechischen Astronomen Sosigenes wieder zu vereinen, die ptolemäische Ausgleichsbewegung kritisiert, doch entwickelte erst Nasir im 13. Jahrhundert mathematische Verfahren, diese Ungleichförmigkeit als Resultante zweier gleichförmiger Epizykelbewegungen wiederzugeben, wie sie dann auch von Nikolaus Kopernikus angewendet wurden.
 
Auch andere mathematische Neuerungen gegenüber den Griechen betrafen vor allem die praktische Verwendbarkeit von Rechenverfahren, so etwa die Gleichungslehre des am Kalifen-Hof in Bagdad wirkenden persischen Mathematikers al-Charismi, der zu Beginn des 9. Jahrhunderts das Rechnen mit indischen Ziffern im dezimalem Stellenwertsystem einführte und von dessen Namen später der Begriff Algorithmus und dessen Buchtitel der Begriff Algebra abgeleitet wurden. Dezimalbrüche treten erst in der 1427 vollendeten Abhandlung von al-Kaschi auf, der zu den Gelehrten zählte, die der türkisierte mongolische Herrscher Transoxaniens, Timur-i Läng, von seinen unbeschreiblich grausamen Eroberungszügen bis in die Türkei und nach Indien neben Handwerkern und Künstlern zur Ausschmückung seiner Residenz Samarkand dorthin verschleppte. Sein an der Astronomie interessierter und diese wesentlich fördernder Enkel und späteres Haupt der Timuridendynastie Muhammad Taragay, genannt »Der große Fürst« (Ulug Beg), hatte ab 1409 als Khan der Provinz die östlichste Residenzstadt durch die Errichtung einer Hohen Schule und der damals am besten ausgerüsteten Sternwarte zu einer neuen Hochburg der Wissenschaft ausgebaut.
 
Prof. Dr. Fritz Krafft


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