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AFRIKANISCHE LITERATUR

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afrikanische Literatur,
 
traditionell die Bezeichnung für die Literatur in afrikanischen Sprachen, im weiteren Sinne aber auch für die in Anfängen seit dem 18., hauptsächlich aber seit dem 20. Jahrhundert entstandenen modernen literarischen Werke des subsaharischen Afrika in europäischen Sprachen (v. a. der der ehemaligen Kolonialherren: Englisch, Französisch und Portugiesisch), die bisweilen auch als schwarzafrikanische Literatur bezeichnet werden.
 
Literatur in afrikanischen Sprachen wurde ursprünglich nicht geschrieben (afrikanische Schriften) und war somit traditionell Oralliteratur, die mimisch-gestisch vorgetragen wurde, oft in Verbindung mit Musik, Tanz und Gesang. Reichtum und Fülle dieser mündlichen Dichtung sind bisher kaum erfasst oder gesichtet.
 
Von Missionaren, Reisenden, Forschern, Kolonialbeamten und Afrikanisten wurden seit dem 19. Jahrhundert Märchen, Fabeln, Mythen und Legenden, Lieder, Preisgesänge, Sprichwörter und Rätsel aufgezeichnet und veröffentlicht.Neben der Volksdichtung sind auch Zeugnisse höfischer Poesie und geschichtliche Überlieferungen (v. a. von den ost- und südafrikanischen Königshöfen seit dem 16. Jahrhundert) bekannt geworden. Weiterhin hat die Forschung umfangreiche Epen (v. a. in West-, Zentral- und Ostafrika) zutage gefördert; z. B. das »Mvet« bei den Fang in Gabun oder das »Mwindo-Epos« in der Demokratischen Republik Kongo (bis 1997 Zaire). Eine literaturwissenschaftliche Bearbeitung und Auswertung dieser Werke - im Sinne einer Bestimmung eigenständiger afrikanischer oraler Stilelemente und Motive - steht aber noch weitgehend aus. Bedeutsam ist in dieser Hinsicht, dass bei Gedichten, Sprichwörtern und Rätseln als metrisches Formelement die Reimung von Tonmustern anstelle von Vokalmustern auftreten kann.
 
Mit der Ankunft der Araber in Ostafrika wurden seit dem Mittelalter religiöse Werke im Sinne des Islam sowie Chroniken verfasst, die sich der jeweiligen afrikanischen Sprache (Hausa, Kanuri, Ful, Suaheli) bedienten und dafür arabische Schriftzeichen verwendeten. Seit dem Beginn der christlichen Mission im subsaharischen Afrika entstanden im Wesentlichen seit dem 19. Jahrhundert Werke in afrikanischen Sprachen, jedoch unter Verwendung der lateinischen Schrift, wie z. B. Bibelübersetzungen, christliche Erbauungsliteratur, Oralliteratur-Sammlungen und seit dem 20. Jahrhundert auch Lyrik, Dramen, Romane.
 
Im nachkolonialen Afrika wurden besonders im Theaterbereich zahlreiche Texte in afrikanischen Sprachen verfasst, wobei das Theater häufig als informierendes bzw. erzieherisches Medium fungiert. In einigen Ländern (Tansania, Äthiopien, Mali u. a.) wurde die Literatur in afrikanischen Sprachen bewusst gefördert. Die Vielzahl dieser Sprachen, ihr oft begrenztes Einzugsgebiet, eine hohe Analphabetenrate und die Tatsache, dass sich die Bildungselite nach wie vor meist der Sprachen der ehemaligen Kolonialherren bedient, tragen dazu bei, dass die indigensprachige Literatur einen eher kleinen Teil der gesamten afrikanischen Literatur einnimmt. Afrikanische Autoren sind häufig mit dem Problem der Rezeption konfrontiert: Verwenden sie eine europäische Sprache, mag ihnen im günstigsten Falle internationale Rezeption widerfahren, allerdings verschließen sie sich so weitgehend den Lesern im eigenen Land; schreiben sie jedoch in afrikanischen Sprachen, fehlt die Rezeption im Ausland, mit der sie ihr Überleben sichern könnten. Hinzu kommt, dass die Lyrik und das Theater, teilweise wohl wegen ihrer Nähe zur Mündlichkeit, höhere Popularität als Prosa besitzen. Einige Autoren wenden sich daher eher dem Theater und seit den 1960er-Jahren auch dem Film zu, der aufgrund seiner eigenständigen Formensprache in den letzten Jahren auch internationale Anerkennung fand (O. Sembène; Souleymane Cissé, * 1940, Mali; Idrissa Ouedraogo, * 1952, Burkina Faso; Gaston Kaboré, * 1952, Burkina Faso; Flora Gomes, Guinea-Bissau; Raymond Rajaonarivelo, Madagaskar und John Akomfrah, Ghana).
 
Die Ursprünge der anglophonen Literatur des subsaharischen Afrika gehen bis ins 18. Jahrhundert zurück. Damals veröffentlichten nach Europa beziehungsweise Amerika verschleppte Westafrikaner autobiographische Werke, in denen sie sich v. a. gegen die Sklaverei wandten, andererseits aber auch die europäische Zivilisation und den christlichen Glauben glorifizierten (Ignatius Sancho, * 1729, ✝ 1780; Olaudah Equiano, * 1745, ✝ 1797; Phillis Wheatley, * 1754, ✝1784). In Westafrika verfassten ab Mitte des 19. Jahrhunderts Publizisten, die der neu entstehenden schwarzen Elite angehörten, pädagogische und politische Schriften, die zumeist stark an europäischen Bildungsidealen orientiert waren (E. W. Blyden; James Africanus B. Horton, * 1835, ✝ 1883; J. E. Casely Hayford). Mit dem Erstarken der antikolonialen Bewegungen im 20. Jahrhundert entstand eine Fülle oft autobiographischer politischer, ethnologischer und pädagogischer Schriften, die sich für die Emanzipation von der europäischen Kolonialherrschaft einsetzten.
 
In den 1950er-Jahren erschienen die ersten im engeren Sinn modernen literarischen Werke westafrikanischer Autoren, die zum Teil direkt an die traditionelle Oralliteratur anknüpften (A. Tutuola, »The palm-wine drinkard«, 1952; deutsch »Der Palmweintrinker. ..«) oder versuchten, das im Gefolge der Kolonialherrschaft verzerrte Bild des traditionellen Afrika zu korrigieren (C. Achebe, »Things fall apart«, 1958; deutsch »Okonkwo oder Das Alte stürzt«). Bereits in den frühen 1960er-Jahren begannen sich jedoch Autoren wie W. Soyinka (Nobelpreis 1986) von der oft romantisch verklärten Beschwörung traditioneller Werte abzuwenden und gleichzeitig vor den Fehlentwicklungen der postkolonialen Ära zu warnen. In der Folge entstand, zunächst v. a. in Nigeria und Ghana eine »Desillusionierungsliteratur«, die sich kritisch, oft in satirisch-ironischer Form, mit der Realität der postkolonialen Gesellschaften auseinander setzte und ihr die Hoffnungen und Ideale der antikolonialen Bewegungen gegenüberstellte (A. K. Armah, »The beautyful ones are not yet born«, 1968; deutsch »Die Schönen sind noch nicht geboren«; Achebe, »A man of the people«, 1966; Soyinka, »The interpreters«, 1965; deutsch »Die Ausleger«). V. a. Lyriker unternahmen in den 1960er-Jahren Versuche, neue Synthesen aus der mythischen Bilderwelt der oralen Tradition und den literarischen Techniken des europäischen Modernismus zu schaffen (C. Okigbo, J. P. Clark, G. Okara, W. Soyinka, Kofi Nyidevu Awoonor, * 1936). In Nigeria begründete C. Ekwensi eine »städtische Literatur«, die den hektischen Lebensrhythmus sowie den Zerfall traditioneller Wertvorstellungen in den neu entstehenden Großstädten Afrikas zum Thema hat. Als Basis dafür diente ihm die nach der gleichnamigen ostnigerianischen Stadt benannte »Onitsha-Marktliteratur«, eine belehrend-unterhaltende Populärliteratur, die schon seit den 1940er-Jahren die Alltagsprobleme der neuen städtischen Mittelschichten aufgegriffen hatte.
 
Nach dem Biafra-Krieg (1967-1970) entstanden in Nigeria in den 1970er-Jahren, v. a. von jüngeren Autoren verfasste Bürgerkriegsromane, von denen viele als reine Unterhaltungsliteratur konzipiert sind, einige jedoch den tieferen Ursachen dieses traumatischen Konflikts nachspüren (Eddie Iroh, * 1943; Vincent Chukwuemeka Ike, * 1931; Sebastian Okechukwu Mezu, * 1941). In den 1970er- und 1980er-Jahren versuchte eine Reihe von Autoren, neue Perspektiven jenseits von rückwärts gewandtem Kulturnationalismus und lähmender Desillusionierung zu entwickeln und Wege aus der nachkolonialen sozialen Krise aufzuzeigen, z. B. durch die kreative Fortschreibung traditioneller Mythen in die komplexe Gegenwartswirklichkeit hinein (Soyinka), durch eine politisch radikalere, oft sozialistisch inspirierte Literatur, die v. a. soziale Fragen thematisiert und eine »neue Einfachheit« propagiert (Femi Osofisan, * 1946; K. Omotoso; Festus Iyayi, * 1947; Odia Ofeimun, * 1950; Niyi Osundare, * 1947), durch eine traditionelle Rollenmuster nachhaltig infrage stellende Frauenliteratur (Ama Ata Aidoo, * 1940, Ghana; Buchi Emecheta, * 1944, Nigeria; Flora Nwapa, Grace Ogot, Zaynab Alkali, * 1954, Nigeria) oder auch durch eine spezifische Schreibweise, die, um die aktuelle Wirklichkeit zu beschreiben, Stilmittel und Motive der Oralliteratur nutzt (Kojo Laing, * 1946, Ghana; B. Okri, Nigeria; Syl Cheney-Coker, * 1945, Sierra Leone). Dieses künstlerische Mittel findet v. a. seit den ausgehenden 1980er-Jahren internationale Anerkennung. Eine Besonderheit der westafrikanischen Literatur, v. a. der Nigerias, sind - seit den 1970er-Jahren - literarische Werke, die sich des westafrikanischen Pidgin bedienen (K. Saro-Wiwa, Frank Aig-Imoukhuede, * 1935). Für die Literatur Gambias sind William Conton (* 1925) und Lenrie Peters (* 1932) zu nennen. Für die neuere Literatur Sierra Leones stehen - neben dem Lyriker und Romancier Syl Cheney-Coker - die Dramatiker Dele Charley (* 1948; schreibt in Krio) und Yulisa Amadu »Pat« Maddy (* 1936). Für Ghana sind neben K. Laing, Ama Ata Aidoo und K. N. Awoonor noch der Lyriker Kofi Anyidoho (* 1947) und der Romancier Yam Boateng (* 1950) von Bedeutung. Seit den 1990er-Jahren melden sich in wachsendem Maße Autoren zu Wort, die in den literarischen Zentren Europas und Amerikas leben und schreiben. Dabei handelt es sich nicht mehr um Autoren der älteren Generation, die im erzwungenen oder selbst gewählten Exil schreiben, sondern um eine neue Schriftstellergeneration, die in diesen Ländern geboren ist und ihre »black experience« des Lebens in westlichen Industriestaaten und den entsprechenden Gesellschaften thematisiert (B. Okri, Biyi Bandele, * 1967, Nigeria; Diran Adebayo, * 1968, Nigeria).
 
In Ostafrika entstand erst ab Mitte der 1960er-Jahre eine moderne englischsprachige Literatur. In den arabisch geprägten Küstengebieten gab es bereits seit Jahrhunderten eine Suaheli-Literatur, die zunächst v. a. religiös bestimmt und der Oberschicht vorbehalten war; eine moderne Suaheli-Literatur entwickelte sich später v. a. in Tansania (Shabaan Roberts, * 1909, ✝ 1962). Sprichwörter, Volkserzählungen und die Geschichte der Königshäuser Ostafrikas sammelte und verarbeitete der tansanische Schriftsteller Aniceti Kitereza (* 1896, ✝ 1981). Ende der 1960er-Jahre war Kenia zum Zentrum der literarischen Aktivitäten in Ostafrika geworden. Hierher emigrierten viele Schriftsteller während der Diktatur I. Amin Dadas in Uganda (John Ruganda, * 1941; R. Serumaga, O. p'Bitek). Orientiert am Vorbild Achebes verfasste Ngugi wa Thiong'o vor dem Hintergrund der Erfahrungen der antikolonialen Mau-Mau-Bewegung der 1950er-Jahre in den 1960er-Jahren historische Romane; spätere Werke dieses Autors sind sozialkritischen Inhalts und stärker von sozialistischen Vorstellungen geprägt. Ngugi wa Thiong'o ist einer der wenigen Schriftsteller des subsaharischen Afrika, die sich nach ihren Erfolgen mit Werken in einer europäischen Sprache bewusst ihrer jeweiligen afrikanischen Sprache zuwandten. Wichtige autobiographische Werke schrieben Josiah Kariuki (* 1929, ✝ 1975) und Mugo Gatheru (* 1925). Auch in Ostafrika entwickelte sich in den 1960er-Jahren eine an der traditionellen Oraldichtung orientierte Literatur (p'Bitek; Okello Oculi, * 1942, Kenia), die ebenso Züge der Desillusion aufweist wie die ihr ansonsten gegenüberstehende bewusst provozierende, avantgardistische Literatur (Taban lo Liyong; Richard Ntiru, * 1946, Kenia; Jared Angira, * 1947, Kenia). In den 1970er-Jahren entstand v. a. in Kenia eine städtische Literatur, die besonders durch ihre schonungslose Darstellung von Armut und Gewalt in den Slums beeindruckt (M. Mwangi; Thomas Akare, * 1950), sowie eine populäre Unterhaltungsliteratur (D. Maillu; Charles Mangua, * 1939; Mwangi Ruheni, * 1934). Die Romane des Somaliers Nuruddin Farah verbinden mündliche Erzähltraditionen mit den Literaturtraditionen westlicher Prägung und thematisieren das Verhältnis von Macht, Diktatur und Korruption. Im Zentrum stehen häufig einfühlsam geschilderte Frauen, in deren Unterdrückung sich die gesellschaftlichen Zustände in vielfältiger Brechung spiegeln. In Malawi kam es nach Anfängen in den 1960er-Jahren mit David Rubadiri (* 1930) und Legson Kayira (* um 1940) unter der Herrschaft von H. Banda zunächst nicht zu einer Weiterentwicklung. Erst mit dem Lyriker Jack Mapanje (* 1944) und mit Steve Chimombo (* 1945) ist hier seit den ausgehenden 1970er-Jahren wieder ein Aufschwung zu beobachten.
 
Im südlichen Afrika stellen v. a. Simbabwe und die Republik Südafrika wichtige Zentren moderner afrikanischer Literatur dar. In Simbabwe erschienen bereits zur Zeit des weißen rhodesischen Minderheitsregimes in den 1970er-Jahren zahlreiche englischsprachige Werke afrikanischer Autoren. Daneben begann sich, ausgehend von der Sammlung mündlicher Dichtung und einer Literatur aus dem Umkreis der christlichen Missionen, auch literarisches Leben in den beiden afrikanischen Hauptsprachen des Landes zu entfalten, in dessen Mittelpunkt ebenso wie bei den englischsprachigen Autoren (Charles Mungoshi, * 1947; Wilson Katiyo; Stanlake Samkange, * 1922) die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und Kultur stand. Ende der 1970er-Jahre trat D. Marechera mit (im Londoner Exil entstanden) stark experimentellen Prosatexten hervor, die ein z. T. kafkaeskes Bild menschlicher Existenz in einer von Gewalt, Unterdrückung und Hoffnungslosigkeit geprägten Gesellschaft zeichnen. Nach der Unabhängigkeit setzte auch in Simbabwe ein tief greifender Desillusionierungsprozess ein, der die Autoren zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Befreiungskampf führte (Stanley Nyamfukudza, * 1951; Chenjerai Hove, * 1956; Shimmer Chinodya, * 1957). Nach seiner Rückkehr aus dem Londoner Exil konfrontierte auch Marechera den idealischen Anspruch auf eine menschenwürdige Gesellschaft mit der Wirklichkeit im »sozialistischen« Simbabwe. Die Situation der Frauen zwischen propagierter Selbstbestimmung und patriarchaler Tradition thematisiert die Schauspielerin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga (* 1959) in einem Roman - ein Thema, das auch Yvonne Vera (* 1964) in ihren höchst komplexen Werken aufgreift. Diese reflektieren außerdem Entwurzelung, Desorientierung und Missstände, die auch nach der Unabhängigkeit nicht aufgehoben sind. In der Republik Südafrika entwickelten sich seit den 1920er-Jahren Literaturen in Englisch, Afrikaans und afrikanischen Sprachen, die seit den 1950er-Jahren in unterschiedlichem Maße den Kampf gegen das System der Apartheid spiegelten (südafrikanische Literatur) und seit Mitte der 1990er-Jahre wachsend die Desillusionierung und den gesellschaftlichen Verfall zum Gegenstand haben.
 
Die Entstehung der frankophonen Literatur West- und Zentralafrikas wurde hauptsächlich durch die von der Kolonialmacht Frankreich praktizierte Politik der Assimilation geprägt, die einerseits das Ziel verfolgte, einheimische Kräfte für den Kolonialdienst auszubilden und andererseits darauf ausgerichtet war, die französische Sprache und Kultur in den Kolonien zu verankern. Dies führte zunächst zu einer stärkeren Orientierung der entstehenden intellektuellen Elite nach Europa und v. a. Paris. Die Begegnung junger Intellektueller aus Afrika und der Karibik (L. S. Senghor, B. Diop, A. Césaire, L.-G. Damas) im Schmelztiegel des Paris der 1920er- und 1930er-Jahre, unterstützt durch ein gewachsenes Selbstbewusstsein der Afrikaner und unter Einfluss der Anziehungskraft sozialistischer Vorstellungen und Ideale führte zur Entstehung der literarisch-philosophischen Strömung der Négritude, die v. a. im französischsprachigen Afrika einflussreich, wenn auch später umstritten war. 1948 gab Senghor mit der »Anthologie de la nouvelle poésie nègre et malgache« eine umfangreiche Sammlung von Gedichten ihrer Autoren heraus: Sie greifen auf die afrikanische Tradition mündlicher Dichtung zurück, verwenden aber auch moderne Formen; sie beklagen die den Afrikanern durch Sklavenhandel, Kolonialismus und Rassismus zugefügten Leiden und zelebrieren die traditionsreichen kulturellen Werte Afrikas, das sie allerdings in eine idealisierte, romantisch verklärte Vergangenheit entrücken.
 
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die 1947 von A. Diop gegründete Zeitschrift »Présence Africaine« (später auch gleichnamiger Verlag) zum Sprachrohr der Intellektuellen und Künstler des frankophonen Afrika. Sie entwickelte sich zu einem entscheidenden Forum der kulturphilosophischen, literarischen und politischen Diskussion.
 
Romane wurden bis Mitte des 20. Jahrhunderts im frankophonen Afrika nur vereinzelt geschrieben: der autobiographische Roman »Force-bonté« (1926) von Bakari Diallo (* 1892, ✝ 1978, Senegal); in den 1930er-Jahren einige Fortsetzungsromane von Félix Couchoro (* 1900, ✝ 1968, Benin) sowie die ersten Sittenromane (O. Socé). Die 1950er-Jahren aber sind von einer sprunghaften Entwicklung der Prosa gekennzeichnet, wobei zunächst die Aufzeichnung mündlicher Dichtung (Märchen, Legenden, Epen) in französischer Sprache dominiert (B. B. Dadié; B. Diop; Djibril Tamsir Niane, * 1932, Guinea), aber auch die ersten Bildungsromane entstehen (L. Camara, A. Loba, F. Oyono, Cheikh H. Kane). Diese zeichnen oft den schwierigen Weg junger Menschen zwischen zwei Kulturen oder beschreiben satirisch, meist anklagend das Leben unter der Kolonialherrschaft (A. Sadji, M. Beti, F. Oyono). Viele dieser frühen Romane sind von der Négritude geprägt. Erst in den 1960er-Jahren wurden die Romane, v. a. mit O. Sembène, politisch engagierter.
 
1968 brachte eine Wende in der Literatur des frankophonen Afrika: Y. Ouologuem zerstörte das von der Négritude gepflegte idealisierte Bild der vorkolonialen Zeit, A. Kourouma behandelte in einer stark an den mündlichen Erzählstrukturen orientierten Schreibweise die Thematik des Versagens der Politik in den unabhängigen Staaten. Auch im frankophonen Afrika wurde die desillusionierte Auseinandersetzung mit dem Status quo der Unabhängigkeit (und der Diktatur) zum wichtigsten literarischen Stoff (Emmanuel Dongala, * 1941, Kongo; Mohamed-Alioum Fantouré, * 1938, Guinea; H. Lopes; V. Y. Mudimbe; W. Sassine; Sony Labou Tansi; O. Sembène; R. Philombe; M. Beti). In den 1970er-Jahren meldeten sich auch die Frauen, bisher v. a. positive Heldinnen vieler Erzählwerke, zu Wort. Sie schrieben sozialkritische Romane (Aminata Sow Fall) und Theaterstücke (Werewere Liking, * 1950, Kamerun) oder Biographien. Es sind realistische Berichte (Aoua Keita, * 1912, Mali; Nafissatou Diallo, * 1941, ✝ 1982, Senegal), schmerzvolle Klagen (Mariama Bâ) oder Revolten gegen die sexuelle Unterdrückung durch den afrikanischen und den europäischen oder amerikanischen Mann (Ken Bugul, * 1948, Senegal; Calixthe Beyala, * 1960, Kamerun). Mit der Erzählprosa Jean-Marie Adiaffis (* 1941, ✝ 1999, Elfenbeinküste) und des v. a. durch seine Lyrik bekannten Tchicaya U Tam'si erschienen in den 1980er-Jahren Werke, die das Thema der Identitätssuche zwischen Realität und symbolhafter Fantasie behandeln und bewusst Erzählformen der Oralliteratur einsetzen, die den Rahmen des Romans sprengen. Diese an der mündlichen Dichtung geschulte Schreibweise fand sich bei Amadou Hampaté Bâ (* 1900, ✝ 1991, Mali) bereits in den 1970er-Jahren; sie ist aber auch für die 1990er-Jahre (A. Kourouma, E. Dongala) charakteristisch. Francis Bebey (* 1929, ✝ 2001, Kamerun) bediente sich in seinem erzählerischen Werk ebenfalls dieser Technik, ist aber stärker auf eine Harmonisierung der europäischen und afrikanischen Kulturen bedacht. Auch in der frankophonen Literatur des subsaharischen Afrika ist der Topos Großstadt und ihr Einfluss auf das Leben der Menschen zu einem zentralen Gegenstand geworden (Tierno Monénembo, * 1947, Guinea; Pabé Mongo, * 1948, Kamerun; Zamenga Batukezanga, * 1933, Kongo), der letztlich auf die Bestimmung von Identität zielt. Diesselbe Suche ist in den essayistisch geprägten Texten V. Y. Mudimbes präsent, die v. a. über die Probleme afrikanischer Tradition und Identität im Verhältnis zu europäischen Einflüssen, namentlich dem des Christentums reflektieren.
 
In den nördlichen Gebieten des subsaharischen Afrika führte die Rezeption der maghrebinischen Literatur zu literarischen Mischformen und eigenständigen Tendenzen.
 
Die lusophone Literatur (portugiesischsprachige Literatur) Afrikas (Kapverden, Angola, Moçambique, Guinea-Bissau, São Tomé und Príncipe) blieb lange sehr viel stärker mit dem Kulturleben der Kolonialmacht Portugal verknüpft als die anglo- oder frankophone. Durch die jahrhundertelange Kolonialherrschaft kam es v. a. auf den Kapverden und in Angola dazu, dass in der lusophonen afrikanischen Literatur von Anfang an immer auch Europäer und deren Nachfahren einen wichtigen Platz einnahmen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts veröffentlichten Autoren auf den Kapverden und in Angola v. a. lyrische Werke (Eugénio Tavares, * 1867, ✝ 1930; Joaquim da Mata, * 1857, ✝ 1894). In der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts orientierten sich viele Autoren noch vorrangig an Portugal; um die Zeitschriften »Claridade« (Kapverden), »Mensagem« (Angola) und »Itinerario« (Moçambique) entstand jedoch eine Literaturbewegung mit nationaler Tendenz, die eine oft als »Lusotropicalismo« bezeichnete kulturelle (und bald auch politische) Eigenständigkeit der portugiesischen Kolonien einforderte und sich stark nach Brasilien orientierte (B. Lopes, Manuel Lopes, * 1907; A. Neto; J. L. Vieira; Oscar Bento Ribas, * 1909). Mit Beginn des Befreiungskampfes wandte sich die Literatur in den 1960er- und 1970er-Jahren v. a. dem politischen Widerstand zu (Manuel dos Santos Lima, * 1935; Pepetela; Antonio Cardoso, * 1933; Marcelino dos Santos, * 1929; L. B. Honwana; A. Neto). Seit dieser Zeit vollzieht sich auch ein Bruch mit der »klassischen« portugiesischen Sprache; besonders Vieira greift in seinem Erzählwerk angolanische Sprachvarianten auf, die in den Slums der angolanischen Großstädte gesprochen werden. Im Verlauf der 1980er- und 1990er-Jahre wandten sich die Autoren in unterschiedlichsten literarischen Formen der komplexen Realität des zeitgenössischen Afrikas zu (José Craveirinha, * 1922; Pepetela). Zugleich trat mit Mia Couto (* 1955) und Paulina Chiziane (* 1955, beide Moçambique) oder José Eduardo Agualusa (* 1960) eine jüngere Autorengeneration nachhaltig in Erscheinung. In der kapverdischen Prosa setzt u. a. Germano Almeida (* 1945) neue Akzente.
 
Literatur:
 
Literatur in afrikan. Sprachen:
 
C. Meinhof: Die Dichtung der Afrikaner (1911, Nachdr. 1970);
 R. Finnegan: Oral literature in Africa (Oxford 1970, Nachdr. Nairobi 1984);
 I. Okpewho: The epic in Africa. Towards a poetics of the oral performance (New York 1979);
 V. Görög-Karady: Littérature orale d'Afrique noir. Bibliographie analytique (Paris 1981);
 
Afrikan. Lit. - afrikan. Identität, hg. v. K. Ermert (41988);
 
Semper aliquid novi. Littérature comparée et littératures d'Afrique, hg. v. J. Riesz u. a. (Tübingen 1990);
 R. Finnegan: Oral poetry. Its nature, significance and social context (Neuausg. Bloomington, Ind., 1992).
 
Literatur in europ. Sprachen:
 
A. Imfeld: Vision u. Waffe. Afrikan. Autoren, Themen, Traditionen (Zürich 1981);
 M. Kane: Roman africain et traditions (Dakar 1982);
 
Grundlagen zur Lit. in engl. Sprache, hg. v. W. Arens u. a., Bd. 5: West- u. Ostafrika (1983);
 
A new reader's guide to African literature, hg. v. H. M. Zell u. a. (Neuausg. New York 1983);
 B. Mouralis: Littérature et développement (Neuausg. Paris 1984);
 A. Seiler-Dietrich: Die Literaturen Schwarzafrikas (1984);
 K. Kreimeier: Geborstene Trommeln (1985);
 
European-language writing in Sub-Saharan Africa, hg. v. A. S. Gérard, 2 Bde. (Budapest 1986);
 P. Haffner: Kino in Schwarzafrika (1989);
 H.-J. Lüsebrink: Schr., Buch u. Lektüre in der frz.-sprachigen Lit. Afrikas (1990);
 
Matatu. Ztschr. für afrikan. Kultur u. Gesellschaft, Nr. 10: African literatures in the 1980s (Amsterdam 1992);
 
Die Lit. Schwarzafrikas. Lex. der Autorinnen u. Autoren, hg. v. H. Ehling u. P. Ripken (1997);
 R. G. Giguère: Écrivains noirs d'Afrique et des Antilles (New York 1997).


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