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AGRICOLA, RAMUS UND ZABARELLA: SPRACHE, LOGIK UND WISSENSCHAFTSLEHRE

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Agricola, Ramus und Zabarella: Sprache, Logik und Wissenschaftslehre
 
Man konnte die Probleme auch pragmatisch angehen, als Frage der Ausbildung und des logischen Unterrichts. Deshalb hat Rudolf Agricola aus Groningen, der unter anderem in Pavia studierte, ein Lehrbuch veröffentlicht, das aus der Sprache heraus die wissenschaftliche Argumentation begründete: »Über das logische Finden« (De inventione dialectica). Er berief sich dabei auf die »Topik« des Aristoteles, die in der Vergangenheit als rein rhetorische Abhandlung verstanden worden war. Agricola fasste die gesamte Logik nun in Topoi zusammen, das heißt zu Klassen von Argumenten, die über eine Sache gesagt werden können. Wissenschaft bedeutet gute Argumente finden. Das Reden soll belehren, es soll - wie alle Humanisten von der Rhetorik verlangten - etwas bei den Hörern erzeugen, nämlich Emotionen und Handlungen, aber auch Wissen. Deshalb musste die Argumentation nicht nur einfach in sich stimmig sein, sondern sie muss an den Sachen, über die gesprochen wird, einen Zusammenhang deutlich machen. Demnach ist es Aufgabe der Logik, an den Sachen solche Beziehungen zu finden, aus denen man einen Zusammenhang konstruieren kann. Dieser sollte dann argumentierend vorgeführt werden, um zu belehren und zu überzeugen.
 
Agricolas Inventionslogik war enorm erfolgreich, weil sie unter Umgehung von rein metaphysischen Fragen das wissenschaftliche Beweisen plausibel und lehrbar machte.Sein Buch wurde ab 1515 sechzig mal nachgedruckt, auch in Paris, wo es unter dem Einfluss des protestantischen Pädagogen Johannes Sturm das mittelalterliche Standardlehrbuch zur formalen Logik, die »Summulae logicale« (»Logisches Handbuch«) des Petrus Hispanus ablöste.
 
Ein Franzose war es denn auch, der noch einen Schritt weiterging: Pierre de la Ramée oder, wie sein Name latinisiert lautete, Petrus Ramus. Er stammte aus einer verarmten Adelsfamilie und studierte in Paris. 1547 wurde er ein Günstling des französischen Königshofes, sodass er ab 1551 das Amt des Königlichen Professors für Rhetorik und Philosophie am Collège de Presles erhielt. Mitte des 16. Jahrhunderts spitzten sich die Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten in Frankreich zu, und Ramus - obwohl im Dienst des katholischen Königs - wurde Protestant. In der Bartholomäusnacht, einem Pogrom gegen die Protestanten am 26. August 1572, wurde er ermordet. Im Laufe seines Lebens hat er in immer neuen Formen seine wissenschaftliche Logik entwickelt und in den reformierten Gebieten verbreitet, so in Basel, Zürich, Bern, Straßburg und Heidelberg. Das ist für die Wirkung deshalb wichtig, weil der Ramismus sich bis weit ins 17. Jahrhundert in den reformierten Universitäten hielt, wo sich der auf die ramistische Logik aufbauende Cartesianismus zuerst verbreitete.
 
Ramus beschränkte die rhetorische und topische Richtung der Logik zunächst auf das rein vernünftige Argumentieren: Dialektik, ein anderes Wort für Logik, kommt von »dialegesthai, das ist so viel wie besprechen, dasselbe wie diskutieren, das heißt überhaupt die Vernunft zu gebrauchen«, sagt er in der ersten Fassung seiner Logik, dem »Lehrbuch der Dialektik« von 1543. Die formale Logik müsse sich nach der »natürlichen Logik« richten, nämlich der allen Menschen angeborenen Fähigkeit zu denken. Diese natürliche Denkfähigkeit sei eine Nachahmung der göttlichen Weisheit - andere Humanisten und später Descartes sprechen von den eingeborenen Ideen. Um nun die Gegenstände der wissenschaftlichen Argumentation auf möglichst plausible Art für die Wissenschaft vorzubereiten, wie das Agricola ebenfalls gefordert hatte, führte Ramus die gesamte Klassifikation der Dinge, das heißt die Topik, auf Dichotomien (Zweiteilungen) zurück. Jeden Bereich des Wissens teilte er in Alternativen auf, etwa so: »Alle Dinge sind entweder belebt oder unbelebt, wenn belebt, dann entweder mit Verstand oder ohne, wenn unbelebt, dann überirdisch oder irdisch. ..« und so weiter bis in die kleinste Unterscheidung. Zumeist werden diese Unterscheidungen in Tafeln aufgelistet, auf denen die Begriffe (die Örter) sich immer weiter verzweigen. Die »Örter« bilden dabei die Beziehungen der Dinge untereinander und für das Denken ab und sind auf die einfachste mögliche Struktur »entweder/oder« reduziert. Jedes Ding hat seinen Platz in Beziehung zu den anderen und zwar so, dass es neben sich auf gleicher Ebene nur eine Alternative hat und einer höheren Ebene zugeordnet ist. Unter sich hat es immer genau zwei Alternativen, die sich wiederum alternativ verzweigen können. Alle Gegenstände des möglichen Wissens konnten auf diese Weise zusammengestellt werden. Dieses Rezept der Systematisierung (griechisch »System« = Zusammenstellung) war höchst erfolgreich und bildete zugleich den Beginn der modernen Enzyklopädie. Denn jetzt konnte man die ganze Welt in einem großen Zusammenhang darstellen, den man leicht selbst erschließen und den man sich auch leicht merken konnte.
 
Mit Ramus waren die Probleme der Metaphysik nicht aus der Welt, sondern nur vorübergehend ausgesetzt. Selbstverständlich muss man sofort fragen: Ist denn die Welt wirklich so geordnet, wie sie sich in solchen Darstellungen gibt? Wenn wir das beweisen wollen, müssen wir die Richtigkeit der Dichotomien nachweisen, wir müssen vor allem zeigen, dass es eine erste Unterscheidung gibt, die über alle anderen vorentscheidet und es erlaubt, sich »nach unten« zu verzweigen. Descartes und seine Nachfolger haben es deshalb als die Aufgabe der »Ersten Philosophie« angesehen, diese erste Unterscheidung zu finden und als gültig nachzuweisen. Descartes sollte sie dann in der Unterscheidung »geistiges Ding« oder »ausgedehntes Ding« (res cogitans oder res extensa) finden. Dies war nach Descartes die erste und für alles Folgende grundlegende Unterscheidung aller Dinge.
 
Bevor es dazu kommen konnte, bedurfte es noch eines weiteren Schrittes. Es mochte ja richtig sein, dass wir durch Anordnung der gewussten Sachverhalte zuverlässige oder wenigstens plausible, wahrscheinliche Aussagen über die Gegenstände unseres Wissens machen. Dabei muss aber gesichert werden, dass wir über die Sachen reden und nicht bloß über unsere Begriffe davon. Hier kam eine Lehre der mittelalterlichen Logik zum Tragen. Denn die traditionelle aristotelische Logik hatte in der Zwischenzeit nicht geschlafen.
 
Eine wichtige Schule der aristotelischen Wissenschaftslehre war die in Padua, wo der für das Renaissancedenken wichtigste Paduaner Giacomo Zabarella lehrte. Dort wurde im Anschluss an die Einführung in die Kategorien des Aristoteles über die Universalien (allgemeine Gattungen) diskutiert.
 
Ein Instrument der Lösung der Frage nach den Universalien war die Unterscheidung von Ersten und Zweiten Intentionen. Traditionell bezeichnete man mit den Ersten Intentionen das mit einfachen Wörtern gemeinte, etwa dieser Stein hier, oder Petrus. Mit den Zweiten Intentionen bezeichnete man dagegen die von diesen abstrahierten Begriffe wie zum Beispiel Mensch. Zabarella identifizierte nun die Namen der Ersten Intentionen mit den »Sachen selbst« des Lorenzo Valla. Den Einwand, dies seien doch alles von Menschen vergebene Namen räumte er aus, indem er sagte, dass zwar die Namen in der Tat menschlich, die Dinge aber nicht von Menschen gemacht seien. Zabarella betont hier den Unterschied zwischen der Realität im Geist, die Namen, und der Realität der Dinge außerhalb des Geistes. Deshalb gebe es trotz aller Unterschiede der gesprochenen Sprachen eine Identität aller Begriffe bei allen Menschen.
 
Wenn es stimmt, dass die Philosophie, um wissenschaftlich zu sein, dafür sorgen muss, dass die Begriffe auf die extramentale Realität zielen, dann muss die Philosophie in erster Linie eine Methode zur Klärung der Begriffe bereitstellen. Die bloße Unterscheidung der Begriffe kann nicht die Richtigkeit der Forschung und des Lehrens garantieren, es muss vielmehr ein Weg - das Wort Methode kommt von griechisch »methodos« für »Weg« - gefunden werden, der von den Sachen zu den Begriffen führt und dann Aussagen ermöglicht, die für die Sachen gelten und eine Erkenntnis mitteilen, die zunächst nicht bekannt war. Hierfür entwickelte Zabarella die Methode des Regresses.
 
Seine erste Annahme ist die, dass wir immer schon irgendetwas irgendwie wissen: zum Beispiel dass Formen in einer Materie sind. Wissenschaftliches Ziel ist es dann zu beweisen, dass Materie in jedem geformten Ding ist. Der zweite Schritt stellt fest, dass in allen geformten Dingen irgendetwas wie Materie als das die Formen Aufnehmende gegeben ist: wir beweisen damit, dass etwas ist, und definieren auch schon, was es ist, nämlich Aufnehmendes. Der dritte Schritt soll sein, dass wir zeigen, warum und weswegen Materie so ist, dass sie Formen aufnimmt und somit Ursache im Ding ist. Dies ist der dritte, der »Schritt zurück« (Regress) zur Ausgangslage der Diskussion. Wir erreichen ihn nach Zabarella bereits, indem wir den Begriff der Materie allein analysieren. Er nennt das eine »geistige Prüfung« oder »Verhandeln des Verstandes«. In unserem Verstand prüfen und analysieren wir den zunächst undeutlich gefundenen Begriff. Sobald wir ihn genau kennen, kennen wir auch seine Geltung für den zu untersuchenden Fall. Wenn wir also in diesem Beispiel den Begriff der Materie analysieren und als das für alle Formen offene und in allen Formen konstante erkennen, dann wissen wir auch, warum Materie eine Ursache der geformten Dinge ist - das ist die wissenschaftliche Beweisführung. Zabarella hat auf diese Weise die Logik zur methodischen Leitwissenschaft der Philosophie erhoben. Die Philosophie will die Dinge erkennen, und sie braucht die Logik dazu als Operation an den Dingen, als Instrument ihrer Erkenntnis.
 
Hier haben wir das noch fehlende Element für die cartesische Wissenschaft, die von der ramistischen Topik die Frage nach den grundlegenden Unterscheidungen der Dinge übernommen hatte. Mit der Methode des Zabarella wurde die Philosophie und die wissenschaftliche Forschung ermächtigt, rein mental (geistig) über extramentale (außergeistige) Dinge zu urteilen. Dies war auch ein wichtiger Schritt in Richtung auf die experimentelle und empirische Naturforschung, wie Galileo Galilei sie propagierte. Denn die Gesetzmäßigkeiten der Natur waren auch zuerst real beobachtete und dann theoretisch analysierte Daten, die schließlich als Naturgesetze auf die Realität (zurück) angewendet wurden.
 
Ohne die Ausweitung des Aristoteles und der griechischen Kommentare, ohne Kenntnis des Griechischen, ohne das Interesse an der rhetorischen Bedeutung der Sprache und der anthropozentrischen Frage nach dem Sinn der Welt, ohne den Anspruch, mit Philosophie nicht nur erkennen, sondern auch sicher wissen und lehren zu wollen, wären diese Ergebnisse nicht zustande gekommen. Der zunächst scheinbar von der Philosophie weg führende Anfang des Renaissance-Humanismus führte - nicht zuletzt dank sachlicher Kontrolle durch die spätscholastische Philosophie - direkt in die moderne Wissenschaftsmethodik und Philosophie.
 
Prof. Dr. Paul Richard Blum
 
Literatur:
 
Buck, August: Humanismus. Seine europäische Entwicklung in Dokumenten und Darstellungen. Freiburg im Breisgau u. a. 1987.
 
Geschichte der Philosophie. Mit Quellentexten, begründet von Karl Vorländer. Neu herausgegeben von Herbert Schnädelbach u. a., Band 2 und 3. Reinbek 1990.
 
Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung, herausgegeben von Rüdiger Bubner, Band 3: Renaissance und frühe Neuzeit, herausgegeben von Stephan Otto. Neudruck Stuttgart 1994.
 Gerl, Hanna-Barbara: Einführung in die Philosophie der Renaissance. Darmstadt 21995.
 Grassi, Ernesto: Einführung in die humanistische Philosophie. Vorrang des Wortes. Darmstadt 21991.


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