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BABYLONISCHASSYRISCHE WISSENSCHAFT: IM ZEICHEN DER STERNE

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babylonisch-assyrische Wissenschaft: Im Zeichen der Sterne
 
Weder der Begriff »Wissenschaft« noch ein Wort dafür existierten im antiken Mesopotamien. Unseren heutigen Vorstellungen von Empirie und Theorie kommen jedoch - im Gegenstand, nicht in der Methode - zwei Wissensgebiete nahe: Vorzeichenkunde und rechnende Astronomie.
 
Im antiken Mesopotamien glaubte man, dass die Götter den Menschen Zeichen geben würden, die zukünftige Ereignisse ankündigen könnten. Außergewöhnliche Geschehnisse wurden als Vorzeichen gedeutet; ein bald darauf eintretendes Ereignis von großer Bedeutung wurde dann mit diesen Zeichen in Verbindung gebracht. Man nahm außerdem an, dass durch dasselbe Zeichen auch dieselben Folgen angekündigt würden. Wusste man daher aus Erfahrung, welche Folgen ein Zeichen in der Vergangenheit einmal gehabt hatte, so rechnete man damit, dass beim nächsten Vorkommen desselben Zeichens dieselben Folgen eintreten würden.
 
Die Zeichen konnten von verschiedener Art sein; sie konnten sowohl ungefragt auftreten - etwa Erscheinungen am Himmel, Missgeburten oder auffälliges Verhalten von Tieren und Menschen - als auch von den Menschen gesucht werden.Eigens zur Gewinnung von Vorzeichen diente die Eingeweideschau bei Opfertieren oder das Betrachten der Formen, die auf Wasser gegossenes Öl bildete. Diese Art der Vorzeichen war geeignet, den Göttern Fragen zu stellen; denn man glaubte, dass sie durch das Aussehen der Eingeweide eine positive oder negative Antwort geben konnten. Diese Methode ist schon gegen Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. bezeugt; wir haben aber auch noch Texte aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. mit Anfragen assyrischer Könige, die für militärische und politische Entscheidungen Rat suchten. In dieser Zeit wurde auch den Himmelserscheinungen besonderes Gewicht gegeben. Experten hatten täglich Sonne, Mond und Sterne zu beobachten und dann dem König sowohl die Beobachtungen als auch ihre Deutung mitzuteilen. Waren die Vorzeichen günstig, so bedurfte es keiner Maßnahmen; bei ungünstigen Vorzeichen aber musste man unverzüglich an die Unschädlichmachung gehen.
 
Im Laufe der Zeit wurden die Zeichen und ihre Folgen gesammelt und zu umfangreichen »Handbüchern« auf Tontafeln verarbeitet. Die von den Zeichen angekündigten Geschehnisse galten aber nicht als unabwendbar; viele Zeichen wurden als Warnungen aufgefasst. Warnende Zeichen wurden auch als Ausdruck der Unzufriedenheit der Götter mit dem König verstanden; dieser musste dann sein Verhalten ändern, um die Götter zufrieden zu stellen und das angekündigte Unheil abzuwenden. Das war z. B. durch Opfer oder apotropäische Rituale möglich.
 
Der Kalender in Mesopotamien verwendete Mondmonate: Jeder Monat begann mit dem Abend der ersten Sichtbarkeit des Mondes nach seiner Konjunktion mit der Sonne. Zwölf solche Monate enthielten etwa 354 Tage und waren damit um etwa elf Tage kürzer als das Sonnenjahr. Um die jahreszeitlichen Tätigkeiten (z. B. in der Landwirtschaft) an ungefähr der gleichen Stelle im Jahr zu halten, wurde bei Bedarf ein Schaltmonat eingefügt. Ein Schema für die Schaltung gab es erst seit etwa 500 v. Chr.: In 19 Jahren waren sieben Schaltmonate vorgesehen. Der Tag begann mit Sonnenuntergang. Tag und Nacht wurden in je drei »Wachen« unterteilt, Wochen gab es nicht. Astronomische Texte verwenden eine Zeiteinheit, die vier unserer Minuten entspricht.
 
Listen von Sternnamen und Vorzeichen aus Finsternissen gab es seit der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. Babylonische astronomische Texte, die um 1000 v. Chr. entstanden sein dürften, sind noch ziemlich schematisch: so stimmen z. B. ihre Angaben zu den Planetenerscheinungen nur der Größenordnung nach mit der Natur überein. Weil sie allgemein gültige Aussagen bieten wollen, enthalten alle diese Texte Beobachtungen nur in umgearbeiteter Form. Spätestens seit der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. wurden aber regelmäßig Himmelsbeobachtungen durchgeführt. Man stellte sie in »Tagebüchern« zusammen, von denen ein leider nur kleiner Teil erhalten ist. Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Mond und den Planeten gewidmet. Man beobachtete ihr Vorbeigehen an Fixsternen, die in der Nähe ihrer Bahn standen. Auch die Daten der ersten beziehungsweise letzten Sichtbarkeit der Planeten wurden festgehalten. Beim Mond war man besonders an Finsternissen interessiert, weil sie als wichtige Vorzeichen galten; aber auch die Zeiten von Monduntergang oder -aufgang bis Sonnenaufgang oder -untergang vor und nach Neumond und Vollmond wurden festgehalten; diese Angaben erwiesen sich als wichtig für Berechnungen.
 
Außer den astronomischen Beobachtungen enthielten die »Tagebücher« auch Aufzeichnungen über das Wetter, die Preise der wichtigsten Handelsgüter, den Wasserstand des Euphrat und bemerkenswerte Vorfälle. Die Beobachtungen wurden über Jahrhunderte durchgeführt und gesammelt; die jüngsten Texte stammen aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. Die »Tagebücher« konnten allerdings nur für ungefähre Voraussagen dienen. Erscheinungen der Planeten kehren nämlich nach einer bestimmten Anzahl von Jahren am nahezu gleichen Kalenderdatum wieder. Kennt man diese Perioden (die für jeden Planeten verschieden sind), so kann man das Datum eines Planetenphänomens in etwa bestimmen, indem man die Aufzeichnungen nachschlägt, die genau eine Periode früher gemacht wurden. Eigens angefertigte Tontafeln enthielten für ein bestimmtes Jahr die jeweils um eine derartige Periode zurückliegenden Planetenbeobachtungen aus den entsprechenden »Tagebüchern«.
 
Phänomene des Mondes und der Planeten kehren zwar immer wieder, aber nicht immer im selben Zeitabstand. Um die Regelmäßigkeiten in der scheinbaren Unregelmäßigkeit herauszufinden und um damit zu Vorhersagen dieser Phänomene im Stande zu sein, muss man Beobachtungen zur Verfügung haben, die sich über ein bis zwei Jahrhunderte erstrecken; dann kann man die Zeitabstände zwischen den einzelnen Vorkommen eines Phänomens zusammenstellen und vergleichen. Die erforderlichen Beobachtungen gab es in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. in den »Tagebüchern«. Zu dieser Zeit gelang es den Babyloniern, bestimmte Phänomene des Mondes und der Planeten im Voraus zu berechnen. Sie konnten die Zeit für den Vollmond sowie für die erste Sichtbarkeit des Mondes nach Neumond bestimmen und Mondfinsternisse vorhersagen. Bei Sonnenfinsternissen konnten sie nur die Möglichkeit angeben; für eine echte Vorhersage hätten sie die Kugelgestalt der Erde kennen müssen. Bei den Planeten berechneten sie die erste und letzte Sichtbarkeit vor und nach der Konjunktion mit der Sonne und die Stillstände am Anfang und Ende der rückläufigen Bewegung. Die mathematischen Hilfsmittel dafür waren einfach: Zahlenfolgen mit konstanter Differenz, die zwischen einem höchsten und niedrigsten Wert hin- und hergehen. Mehrere solche Zahlenfolgen wurden kombiniert, um die Daten und Positionen der Planetenerscheinungen zu berechnen.
 
Babylonische Gelehrte waren anscheinend die ersten, die die Idee hatten, eine schwer verständliche Bewegung aus mehreren Komponenten zusammengesetzt zu denken und diese Komponenten getrennt zu berechnen. Die Verfahren waren von geometrischen Modellen der Planetenbahnen völlig unabhängig; wir wissen nicht einmal, ob sich die Babylonier den Himmel als Kugelfläche vorstellten. Spätere griechische Astronomen übernahmen grundlegende Zahlenwerte aus der babylonischen Astronomie; wir wissen aber nicht, wie sie davon erfahren haben. Auf Papyri aus dem römischen Ägypten sind Fragmente babylonischer Tabellen entdeckt worden; dies beweist gleichfalls eine Kenntnis der Methoden der Babylonier, auch wenn sich der Weg der Übermittlung nicht nachvollziehen lässt.
 
Prof. Dr. Hermann Hunger


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