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DESCARTES: VON DER METHODE DES RICHTIGEN VERNUNFTGEBRAUCHS

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Descartes: Von der Methode des richtigen Vernunftgebrauchs
 
Die Philosophie der Renaissance hatte viele neue Denkansätze entwickelt. Vor allem aber betonte sie den Vorrang von Wissen und Forschung gegenüber der metaphysischen Wahrheitsfrage, und hatte die menschliche Perspektive in die Wissenschaften eingebracht. Zugleich weckte sie den Bedarf an einer philosophischen Begründung der Theologie, wodurch die Antworten auf die Frage nach Gott immer auch Antworten auf die Fragen nach der Natur und dem Menschen sein konnten. Besonders aber lenkte sie den Blick auf die Methode der Wissenschaft. »Methode« wurde geradezu ein Modewort. Denn darin waren sich fast alle einig: Der Streit der verschiedenen Schulen und Fächer konnte am ehesten geschlichtet werden, wenn man über die Vorgehensweise der Wissenschaft grundsätzlich Rechenschaft geben konnte. So suchten die Denker die richtige Methode schlechthin, die zuverlässige und unbestreitbare Ergebnisse versprach. Nikolaus von Kues zum Beispiel fand sie mit den Paradoxien, Marsilio Ficino mit den Platonischen Seinsstufen, Lorenzo Valla mit der Sprachkritik, Petrus Ramus mit Wissenschaftsschemata, Geronimo Cardano mit Experimenten, Giordano Bruno mit Gedächtniskunst, Giacomo Zabarella und andere reflektierten die Methoden selbst. Tendenziell gab es zwei Arten von Lösungsansätzen: universalistische und reduktionistische. Die einen versuchten eine Gesamtphilosophie aufzustellen, die anderen dagegen strategische Lösungen zu finden, um die Gegensätze zu umgehen oder zu versöhnen. Im Ergebnis waren sie einander ähnlich, weil beide einen umfassenden Geltungsanspruch der Wissenschaft anboten. Der erfolgreichste Universalist und Vereinfacher war Descartes.
 
René Descartes stammte aus altem, niederem Adel, lernte am Jesuitenkolleg in La Flèche und studierte Rechtswissenschaft an der Universität Poitiers. Er verstand sich als Edelmann und Militär und nahm auch an Feldzügen teil. Wegen der liberalen Politik des Landes lebte er lange in Holland, wo er mit zeitgenössischen Physikern befreundet war und Schüler hatte. Ein kleines Gut im französischen Poitou gewährte ihm ein sicheres Auskommen. Bald nach seiner Ankunft 1649 am Hof der Königin. Christine von Schweden in Stockholm starb er.
 
Descartes' Denken gründet auf zwei Strängen, die sich immer wieder verflechten. In seinen »Prinzipien der Philosophie« bricht er mit dem aristotelisch-scholastischen Ansatz, wonach die Naturdinge aus Materie und substanzieller Form bestehen. Die »substanzielle Form« verleiht den Dingen die (beobachtbaren) wesentlichen Eigenschaften wie Gestalt, Aussehen oder Verhalten, die Materie ist hierfür die Grundlage. Descartes nimmt ein anderes Gegensatzpaar an: Materie und Bewegung. Materie ist für ihn Trägerin und erstes Erklärungsprinzip aller Eigenschaften. Er schließt damit an die antike Atomistik an, wonach die Welt als eine geordnete Ansammlung von Teilchen existiert, deren Position und Grundform jene Eigenschaften, die wir beobachten, ausmachen. Die Bewegung ist bei Descartes kein inneres Prinzip wie bei Aristoteles, sondern lediglich ein Positionswechsel von Materie. Gestalt und Bewegung werden zu den einzigen zulässigen »Qualitäten«, auf die jetzt alle anderen scheinbaren Qualitäten wie Wärme, Geschmack oder Magnetismus zurückgeführt werden können. Die Nachfolger und Gegner Descartes' im 17. Jahrhundert haben sich vor allem um diese Physik gestritten, weil sie unter anderem einschließt, dass die Welt lückenlos voller Teilchen ist, die sich nur bewegen können, wenn sich alle umgebenden Teilchen mitbewegen, sodass das ganze Weltall aus Wirbeln von Materie besteht und kein Vakuum übrig bleibt.
 
Faszinierend war diese Philosophie, weil sie streng von Hypothesen und empirischen Tests ausging, und weil sie Naturgesetze formulierte, die nicht auf metaphysischen Lehren, sondern auf methodischen Überlegungen basierten, zum Beispiel: »Jedes Ding. .. bleibt immer in demselben Zustand und wird nur durch äußere Ursachen verändert.« Das einzige, was Descartes dabei voraussetzte, war die Unwandelbarkeit Gottes als erste aller Ursachen. Denn nach Descartes vertritt Gott die sachliche und wirkliche Regelmäßigkeit der Natur, von der wir hypothetisch immer ausgehen müssen, wenn wir überhaupt etwas erkennen wollen.
 
Den Prinzipien der körperlichen Dinge stellte Descartes die Prinzipien der Erkenntnis zur Seite, die den anderen Strang seines Denkens ausmachen. Während seine physikalischen Lehren längst als überholt gelten, wirkt er damit bis in die Gegenwart. In zwei Schriften hat er die Prinzipien der Erkenntnis dargestellt, in der »Abhandlung über die Methode« (Discours de la méthode, 1637) und in den »Meditationen über die Erste Philosophie« (Meditationes de prima philosophia, 1641). Sie enthalten den berühmten Cartesischen Zweifel, nämlich »nichts für wahr zu halten, was ich nicht klar als solches erkenne«. Dieser Zweifel knüpfte an die Tradition skeptischer Kritik dogmatischen Wissens an und führte zu dem berühmten Satz Descartes': »Ich denke, also bin ich« (Cogito, ergo sum). Denn »solange ich denken will, dass alles Irrtum ist, muss notwendigerweise ich, der das denkt, etwas sein«. Dies ist der für Descartes erste unerschütterliche und notwendig wahre Satz. Aus ihm leitet er sowohl die Existenz Gottes wie auch die Existenz ausgedehnter Dinge ab. Der methodische Zweifel hat bestätigt, dass nur diejenigen Aussagen als wahr gelten können, die von nichts was unbekannt ist abhängen. Mit der Existenz des denkenden Ich ist aber die Existenz einer unendlichen, unabhängigen und höchst einsichtigen sowie allmächtigen Substanz mitgegeben; sie ist nicht vom Denken des Menschen abhängig und schließt die »Eigenschaft« zu existieren in ihrem Begriff ein. Ferner schließt die Existenz einer denkenden Substanz, des Ich, die Existenz von Gegenständen außerhalb des Denkens ein, die materiell ausgedehnt sein müssen. Somit schränkt Descartes die Fragen der Philosophie zunächst auf drei Grundvoraussetzungen ein: Gott, Bewusstsein und Materie. Die Philosophie hat sich als Erste Philosophie beziehungsweise als Grundlage aller Wissenschaften daher mit dem »denkenden Ding« (Res cogitans) und dem »ausgedehnten Ding« (Res extensa) zu befassen. Descartes' Methode ist es demnach, aus wahren, das heißt unwiderleglich klaren und einsichtigen (ersten) Sätzen alles Weitere Schritt für Schritt abzuleiten.
 
Diese Theorie ist erst allmählich bei dem weltläufigen Franzosen herangereift. Mit 41 Jahren veröffentlichte er seine erste Schrift, den »Discours de la méthode«. Darin schildert er romanhaft, wie er im Winter 1619/20 - auf dem Weg zu seinem Heer aufgehalten - in einer deutschen Stube am Ofen sitzend über die Unsicherheit der ihm bisher bekannten Studien sinnierte und seine methodischen Regeln entwarf: nichts gelten zu lassen, was nicht sicher und einleuchtend bekannt ist; die Probleme in Teilprobleme aufzulösen; die Gedanken von den einfachsten zu den komplexen hin zu ordnen; alles vollständig aufzuzählen, um nichts auszulassen. Damit schuf Descartes das Bild des modernen Philosophen, der sich nur auf seine eigene Einsicht verlässt und am Ende mit seiner Person für die Wahrheit seiner Theorie einsteht.
 
In der Tat war Descartes' Ansatz revolutionär, gerade weil er nicht von der sachlichen Lösung einzelner philosophischer Fragen ausging, sondern die Philosophie einzig in der Methode der Kontrollierbarkeit der Gedankenschritte begründete. Damit leitete er unmittelbar in die Transzendentalphilosophie über. Wenn auch seine Zeitgenossen sein Verdienst besonders in seinen physikalischen Lehren sahen, so besteht seine eigentliche Leistung sicherlich in diesem Brückenschlag. Dass es ihm um eine Transzendentalphilosophie ging, zeigen postum veröffentlichte Dokumente. In einem Traktat von 1628/29 hatte er bereits eine Wissenschaft der »reinen« Mathematik entworfen, die nicht bloß Hilfswissenschaft der Naturforschung oder Vorstufe der Metaphysik immaterieller Dinge ist, sondern ein Forschungsbereich, in dem die Mathematik als reiner Gegenstand des Denkens zum Thema wird.
 
Descartes hat mit seiner Methode aber auch einen Graben zwischen den historischen Wissenschaften und dem reinen Philosophieren aufgerissen, der bis in die Gegenwart besteht. Hatten die Humanisten gerade in der Aneignung der Vergangenheit die Quellen der Weisheit und des engagierten Denkens gefunden, so verlor diese historische Sichtweise mit der Verfeinerung der philologischen Mittel und einem immer übertriebene werdenden Rückgriff auf alte und ehrwürdige Weisheiten, aber auch mit der Krise der kirchlichen Tradition in der Reformation, an Autorität. Deshalb verhält sich Descartes so, als ob er alles Denken allein aus sich heraus entwickelt habe, denn nichts sollte ja gelten, was man nicht selbst eingesehen hat. Daraus folgt das Problem, dass man Philosophie eigentlich nicht mehr lernen kann, sondern nurmehr ihre Methode. Und es folgt, dass Philosoph zu sein zu etwas Elitärem wird, denn nicht jeder ist immer auf der Höhe der Spekulation.
 
Zunächst aber machten sich Gegner Descartes' daran nachzuweisen, dass er gegen die Traditionen des schulmäßigen Philosophierens verstoße, und dass obendrein seine Physik gar nicht neu sei, sondern Fehler der antiken Vorsokratiker wiederhole. Doch dies schien Descartes vorausgesehen zu haben. Mit seiner Zustimmung hatte sein Freund Marin Mersenne noch vor der Veröffentlichung der »Meditationen« Kommentare und Einwände gegen dieses Werk gesammelt, die zusammen mit Erwiderungen Descartes' in den Anhang des Buches aufgenommen wurden. So konnte sich ein jeder, der etwas über die Quellen und die systematischen Probleme wissen wollte, sofort informieren. Zu diesen Kommentatoren gehörten neben Mersenne selbst katholische Theologen aus Löwen und Paris, Thomas Hobbes, der gerade in Frankreich weilte, Antoine Arnauld, ein späterer Verfechter cartesischer Logik, Pierre Gassendi und ein Jesuit.
 
Prof. Dr. Paul Richard Blum
 
Literatur:
 
Geschichte der Philosophie. Mit Quellentexten, begründet von Karl VorländerNeu herausgegeben von Herbert Schnädelbach u. a. Band 2 und 3. Reinbek 1990.
 
Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung, herausgegeben von Rüdiger Bubner. Band 3: Renaissance und frühe Neuzeit, herausgegeben von Stephan Otto. Neudruck Stuttgart 1994.


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