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EUROPA IM REVOLUTIONSJAHR 1848/49: BÜRGER AUF DEN BARRIKADEN

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Europa im Revolutionsjahr 1848/49: Bürger auf den Barrikaden
 
Mit der Unterzeichnung eines Manifests am 26. September 1815 hatten Kaiser Alexander I. von Russland, Kaiser Franz I. von Österreich und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen eine »Heilige Allianz« begründet, um die kurz zuvor auf dem Wiener Kongress geschaffene, im Legitimitätsprinzip wurzelnde Herrschafts- und Staatsordnung in Europa zu festigen. In der Gründungsurkunde versprachen sich die Monarchen »gegenseitige Bruderliebe, Hilfe und Beistand« und erklärten, dass sie die »Religion, den Frieden und die Gerechtigkeit aufrechterhalten wollten«. Konnte ein solches Gesinnungsbündnis dreier von den Ideen des Gottesgnadentums tief durchdrungener Herrscher eine Antwort sein auf die in der Großen Französischen Revolution von 1789 in Europa zum Durchbruch gelangten Forderungen der Völker nach nationaler Identität und nach Mitwirkung der Nationen bei der Regierung ihres Landes?
 
Hatte Kaiser Alexander I.in seinem ursprünglichen Entwurf die »Heilige Allianz« als einen Kristallisationskern für die Neuordnung der internationalen Beziehungen gesehen, so formte der österreichische Außenminister und spätere Staatskanzler Klemens Wenzel Fürst von Metternich den im religiös-mythischen Geist entstandenen Fürstenbund zu einem machtpolitischen Instrument der »Restauration« um, die sich zum Ziel setzte, revolutionäre oder reformerische Impulse zu unterdrücken — wenn geboten auch mit institutioneller Gewalt. Unter dem Schlagwort »das System Metternich« ging diese Politik in das europäische Geschichtsbewusstsein ein. Das große internationale Thema des 19. Jahrhunderts, die Stellung der Mächte zur Revolution, konnte jedoch auf Dauer, besonders nach der französischen Julirevolution von 1830, die zwischenstaatlichen Beziehungen nicht mehr allein bestimmen. Zusammen mit Frankreich und Großbritannien bildeten die Staaten der Heiligen Allianz eine »Pentarchie« (Fünferherrschaft), die als »Konzert der europäischen Mächte« die Stabilität des europäischen Staatensystems garantieren sollte, deren Mitglieder aber zunehmend von eigenen Interessen geleitet wurden. Besonders seit der Julirevolution in Frankreich bildete sich ein stärkerer Gegensatz heraus zwischen den »liberalen« Westmächten (Großbritannien und Frankreich) und den »konservativen« Ostmächten (Russland, Österreich und Preußen). Ideengeschichtlich trat immer stärker die Frage in den Vordergrund: War Frieden aus Revolutionserfahrung und Revolutionsfurcht auf Kosten von Freiheit, nationaler Identität und politischer Mitbestimmung der Bürger zu erreichen? War nicht — politisch-weltanschaulich gesehen — der Übergang vom Untertan zum Bürger auf Dauer unumkehrbar?
 
 1830: Revolutionäre Impulse aus Frankreich
 
Von großer Bedeutung für den weiteren Gang der europäischen Geschichte waren die Impulse der französischen Julirevolution von 1830. Mit dem Sturz Karls X. und der Wahl des »Bürgerkönigs« Louis Philippe hatte sich die französische Kammer für die konstitutionelle Monarchie entschieden. In den beiden folgenden Jahrzehnten baute sich in Frankreich immer stärker ein Konflikt auf zwischen dem Parti de l'Ordre (zum Beispiel François Guizot, Casimir Périer), der die bestehende Verfassungsordnung unter der von König Louis Philippe ausgegebenen Regierungsdevise des Juste-milieu (richtige Mitte) konsolidieren wollte, und dem Parti du Mouvement (Jacques Laffitte, Adolphe Thiers), der die Verfassungsgrundlagen des Staates im Sinne von Republikanisierung und Parlamentarisierung weiterentwickeln wollte. War auf Dauer ein Ausgleich zwischen diesen Polen möglich? Darüber hinaus verschärften sich die sozialen Spannungen in der sich entwickelnden Industriegesellschaft. Im Interesse einer nationalen Aussöhnung förderte der Parti du Mouvement in Frankreich einen Napoleonkult, der unter Führung von Louis Napoléon Bonaparte zur Sammlung von Unzufriedenen in der Bonapartistenbewegung führte. Mit der unüberbrückbar gewordenen Diskrepanz zwischen der Reformfeindlichkeit der herrschenden Schicht und den sich tatsächlich verschärfenden Krisen in Wirtschaft, Gesellschaft und Staat wuchsen die innenpolitischen Konfliktpotenziale in der 2. Hälfte der 40er-Jahre dramatisch. Die kritischen Tendenzen in Publizistik und Literatur, sei es ein philanthropischer Liberalismus, ein demokratisch-utopischer Sozialismus oder die in der Romantik wurzelnde Dichtung zum Beispiel eines Victor Hugo oder eines Charles Baudelaire schufen den »Geist von 1848«, der die revolutionären Tendenzen beflügelte; er bildete die ideologische Grundlage des Bündnisses von Kleinbourgeoisie, Arbeitern, Handwerksgesellen und Pariser Intelligenz.
 
In einem grundlegenden Konflikt mit dem »System Metternich« und der österreichischen Hegemoniestellung entstand in Italien — besonders unter dem Eindruck der französischen Julirevolution — eine Nationalbewegung, die in kontroversen Tendenzen politische Mitwirkungsrechte und nationale Selbstständigkeit forderte. Im Zeichen des Risorgimento (Wiedererstehen) traten liberale, konstitutionell-monarchische Kräfte unter Führung des Hauses von Savoyen und des piemontesischen Adligen Camillo Benso Graf Cavour, revolutionäre unitarisch-republikanische Bestrebungen, vertreten durch Giuseppe Mazzini und Giuseppe Garibaldi, und konservative föderale Strömungen, das »Neuguelfentum«, dessen führender theoretischer Kopf Vincenzo Gioberti war, in Konkurrenz zueinander. In der Hoffnung auf die »Brüderlichkeit der Völker« entwickelten besonders die republikanischen Kräfte in Italien europäische Perspektiven. Im Kampf gegen das Metternich'sche System entstand in Italien eine romantisch-nationale und gemäßigt liberale Publizistik, die ihr Zentrum zunächst in Mailand, dann in Florenz hatte. Starke patriotische Wirkungen erzielten zum Beispiel frühe Gedichte des Lyrikers Giacomo Leopardi und der historische Roman »Die Verlobten« Alessandro Manzonis. Bedeutsame politische Anstöße im Sinne der italienischen Nationalbewegung gingen 1846/47 vom Kirchenstaat aus, nachdem Giovanni Graf Mastai-Ferretti als Pius IX. zum Papst gewählt worden war. — Am Vorabend der Revolution in Italien standen sich dort zwei Mächtegruppierungen gegenüber: jene, die die liberale Bewegung vor allem im Sinne der moderati (Gemäßigten) unterstützten (Kirchenstaat, Toskana und Sardinien-Piemont), und jene, die diese Entwicklung bekämpften (zum Beispiel das Königreich beider Sizilien).
 
In Mitteleuropa hatte Metternich den Deutschen Bund zu einem Instrument geformt, das die innen- und zwischenstaatlichen Beziehungen auf der Basis fürstlicher Souveränität organisierte und liberale und nationale Bestrebungen bekämpfte. Im Widerspruch zwischen Fürstenmacht und liberal-konstitutioneller Bewegung bildete sich im »Vormärz« — verstärkt in der Zeit zwischen 1830 und 1848 — die »deutsche Frage«, das heißt die Frage nach der staatlichen Einheit der Deutschen, heraus. Zwar erhielten einige Mittel- und Kleinstaaten wie Baden, Hannover, Sachsen, Sachsen-Weimar-Eisenach nach dem Muster der französischen Charte eine Verfassung, doch wandten sich besonders Österreich und Preußen, die Vormächte des Deutschen Bundes, gegen die Einschränkung des monarchischen Prinzips. In der meist vom gehobenen Bürgertum getragenen Verfassungsdebatte orientierten sich die norddeutschen Liberalen am britischen, die radikaleren Süddeutschen stärker am französischen Vorbild. Neben den Dichtern des Jungen Deutschland, besonders Heinrich Heine, Karl Gutzkow und Ludwig Börne, hatten die Schriften des Historikers Friedrich Christoph Dahlmann und das von Karl von Rotteck zusammen mit Karl Theodor Welcker herausgegebene »Staatslexikon oder Enzyklopädie der Staatswissenschaften« große Wirkung auf das politische Klima des Vormärz. Vom Hambacher Fest 1832 über die Feier des »tausendjährigen Bestehens des Deutschen Reiches« 1843 — anknüpfend an den Abschluss des Vertrages von Verdun im Jahre 843 — bis zum Allgemeinen Deutschen Sängerfest 1847 spannte sich ein weiter Bogen liberaler oder nationalromantischer Kundgebungen. Der Höhepunkt in der vormärzlichen Auseinandersetzung zwischen dem konservativ-autoritären Staatsdenken und der liberal-nationalen Bewegung war 1837 der Protest gegen die Aufhebung der Verfassung des Königreiches Hannover durch König Ernst August, den die »Göttinger Sieben« vortrugen: die Professoren Wilhelm Eduard Albrecht, Friedrich Christoph Dahlmann, Heinrich von Ewald, Georg Gottfried Gervinus, Jacob und Wilhelm Grimm, Wilhelm Eduard Weber.
 
Das System Metternich sah sich nicht nur in Italien und im Deutschen Bund mit den verschiedenen liberalen Strömungen konfrontiert, sondern auch in den ungarischen und slawischen Teilen des Kaiserreichs Österreich. In Ungarn wurde das erwachende Nationalbewusstsein getragen vom magyarischen Kleinadel. Führer der Bewegung war Lajos Kossuth, von 1841 bis 1844 Chefredakteur der »Pesti Hírlap«, des Organs der in Opposition stehenden Reformbewegung. In Böhmen formierte sich eine liberal-nationale Bewegung um František Palacký.
 
Neben den grundlegenden verfassungspolitischen Spannungen in Europa traten in Auswirkung der beginnenden Industrialisierung starke soziale Konflikte hervor. Dem vom Bürgerkönig Louis Philippe in Frankreich geförderten finanzstarken Großbürgertum begegnete ein wachsendes, von großer Unzufriedenheit erfülltes Arbeiter- und Handwerkerproletariat. Vor diesem Hintergrund gewannen die Gesellschaftskonzepte der Frühsozialisten wie Pierre Joseph Proudhon, Louis Blanc und Auguste Blanqui große Bedeutung. Um der sozialen Unrast entgegenzuwirken, propagierte die französische Regierung in den 40er-Jahren — besonders im Zeichen einer Hochkonjunktur — die Wahrnehmung individueller Aufstiegschancen unter dem Schlagwort enrichissez-vous (bereichert euch). In Deutschland, wo das Bürgertum nur begrenzten politischen Einfluss besaß, konnte sich dieses besonders in Preußen (Gewerbefreiheit seit 1810) wirtschaftlich stark entfalten. Befreiend in diesem Sinne wirkte vornehmlich 1833 die Gründung des Deutschen Zollvereins; indirekt förderte dieser Vorgang zugleich die Bestrebungen um eine politische Einigung. Wirtschaftliche Rückschläge, Hungersnöte und wachsendes Massenelend (Pauperismus) gaben radikalen Forderungen nach gesellschaftlicher Erneuerung seit etwa 1830 raschen Auftrieb. Der Übergang von der handwerklichen Einzelproduktion zur maschinellen Massenfertigung führte im Vorfeld des Revolutionsjahres 1848 zu Aufständen; am bekanntesten wurde der Weberaufstand in Schlesien 1844.
 
 Der Verlauf der Revolution
 
Zu Beginn des Jahres 1848 kam der politische und soziale Sprengstoff, der sich in den 30er- und 40er-Jahren unter verschiedenen regionalen Bedingungen in den Ländern des kontinentalen Europa angesammelt hatte, zur Explosion und trat in vielen revolutionären Aktivitäten in Erscheinung. Obwohl die Unruhen in Süditalien bereits im Januar 1848 begonnen hatten, empfing die revolutionäre Bewegung in Europa ihre Dynamik erst durch die Februarrevolution in Paris; sie griff im März 1848 auf die deutschen Mittelstaaten (Baden, Hessen-Darmstadt, Sachsen), dann auf Preußen und Österreich und von Österreich auf Ungarn und die slawisch besiedelten Gebiete des Kaiserreiches über. Seit Mai 1848 nahmen die revolutionären Bewegungen in ihrem zeitlichen Fortgang — europaweit gesehen — einen unterschiedlichen Verlauf: Während sie sich in Frankreich und Italien im Sommer 1848 bereits starken gegenläufigen Tendenzen gegenüber sahen, standen sie zu diesem Zeitpunkt im Bereich Deutschlands und Österreichs auf dem Höhepunkt.
 
Frankreich
 
Vor dem Hintergrund einer seit 1846 in Frankreich andauernden Krise in Industrie und Handel hatte sich die Opposition gegen das Regime des königlichen Ministers François Guizot und die es tragenden Oberschichten verschärften Unterdrückungsmaßnahmen ausgesetzt gesehen. Da politische Versammlungen verboten waren, organisierte die Oppositionsbewegung eine Reihe von »Banketten«, die weniger dem Amüsement als vielmehr der politischen Meinungsbildung und der revolutionären Planung dienten. Zentrale Forderung war eine Wahlrechtsreform, insbesondere die Senkung des hohen Wahlzensus. Das Verbot eines solchen Banketts durch die Regierung löste in Frankreich die Februarrevolution aus. Am 22. Februar 1848 brach in Paris der Aufstand aus. Nach der Abdankung des »Bürgerkönigs« Louis Philippe und der Ausrufung der Republik am 25. Februar 1848 stand Alphonse de Lamartine, ein Schriftsteller und republikanischer Politiker, an der Spitze einer aus bürgerlichen Republikanern und Sozialisten gebildeten provisorischen Regierung. Diese verkündete ein politisches Reformprogramm: allgemeines Wahlrecht für Männer, allgemeines Recht auf Arbeit, Einführung des Zehn- oder Elfstundentages, Einberufung der Arbeitslosen in eine neu zu schaffende Mobilgarde und ihre Beschäftigung in »Nationalwerkstätten«. Mobilgarde und Nationalwerkstätten sollten nicht nur der Überwindung der Arbeitslosigkeit, sondern auch der Eindämmung und Einbindung revolutionärer Energien dienen.
 
Die Wahl zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung vom 23. April brachte den gemäßigten bürgerlichen Republikanern die Mehrheit (etwa 500 von 900 Sitzen); bürgerliche Demokraten und Sozialisten konnten zusammen etwa 100 Sitze gewinnen; 300 Mandate errangen die Royalisten unterschiedlicher dynastischer Präferenzen. Im Mai wählte die Nationalversammlung als Nachfolgerin der provisorischen Regierung eine Exekutivkommission. Mit der Ausrufung der Republik am 4. Mai 1848 stagnierten jedoch die Kräfte der Bewegung. In Paris ging die regierende Mehrheit bald gegen die linke Opposition vor. Am 21. Juni 1848 löste die Regierung die Nationalwerkstätten, die sie als Operationsbasis der Linken betrachtete, de facto auf und verhängte ein Demonstrationsverbot. Vor dem Hintergrund starker Radikalisierungstendenzen in der Arbeiterschaft brach am 23. Juni in Paris ein Arbeiteraufstand — Juniaufstand genannt — aus, der jedoch auf den Widerstand des gesamten Bürgertums stieß, das die Anarchie fürchtete. Nach Verhängung des Ausnahmezustandes und Rücktritt der Exekutivkommission am 24. Juni schlugen Regierungstruppen unter dem Befehl des Kriegsministers Louis Eugène Cavaignac den Aufstand blutig nieder. Unter der neuen Regierung Cavaignac wurden die Reste der demokratisch-sozialistischen Bewegung bekämpft, am 28. Juni die Nationalwerkstätten offiziell aufgelöst sowie im Juli und August die Versammlungs- und Pressefreiheit eingeschränkt. Nach der Verabschiedung einer neuen republikanischen Verfassung im November 1848, die das »Recht auf Arbeit« in eine »Pflicht des Staates« zu »brüderlicher Hilfe« umwandelte, gewannen die konservativen Tendenzen endgültig die Oberhand. Im Dezember fanden entsprechend der neuen Verfassung Präsidentschaftswahlen statt: Louis Napoléon Bonaparte, ein Neffe Napoleons I., der im September aus dem Londoner Exil zurückgekehrt war, gewann als Kandidat der Rechten mit überwältigender Mehrheit. Am 20. Dezember als Präsident der Zweiten Republik vereidigt, führte er das politische System Frankreichs in den Bonapartismus, in eine plebiszitär abgestützte, mit diktatorischen Vollmachten ausgestattete Einzelherrschaft. Die Parlamentswahlen vom 13. Mai 1849 bestätigten den Sieg des Parti de l'Ordre.
 
Italien
 
In Italien hatten schon 1846 die Reformen des neuen Papstes Pius IX. im Kirchenstaat, denen sich das Großherzogtum Toskana anschloss, und 1847 der Thronwechsel im Königreich Sardinien-Piemont zu Karl Albert der liberalen und nationalen Bewegung Auftrieb gegeben. In den übrigen italienischen Staaten wurden diese Tendenzen jedoch unterdrückt, zum Beispiel im Königreich beider Sizilien — auch Neapel-Sizilien genannt —, wo Ferdinand II. an einem absolutistischen Zentralismus festhielt. Im September 1847 ließ er einen Aufstand in Messina und Reggio di Calabria blutig niederschlagen. Am 27. Januar 1848 brach ein von radikal-bürgerlichen Gruppen und von ländlichem Proletariat getragener Aufstand in Palermo aus. Unter dem Druck dieser Ereignisse sah sich König Ferdinand II. genötigt, die Herrschaft der Aufständischen in Palermo zu akzeptieren und dem ganzen Königreich eine Verfassung zu geben. Mit dieser Verfassung, verkündet am 10. Februar, versuchte er die Interessen der Krone, des Adels und des Bürgertums miteinander zu verbinden. Am 8. Februar erließ König Karl Albert von Sardinien-Piemont nach dem Vorbild der französischen Charte eine Verfassung (Statuto Albertino), die die Elemente der Nationalrepräsentation mit dem Gedanken der Souveränität des Monarchen verknüpfte. Am 17. Februar verkündete der Großherzog der Toskana eine Verfassung desselben Zuschnitts. Papst Pius IX., der anfänglich mit seinen Reformen im Kirchenstaat große Hoffnungen geweckt hatte, lavierte mittlerweile zwischen Gewähren und Verzögern von politischen Reformen. Ein von ihm erlassenes Statut schwankte zwischen Absolutismus und Konstitutionalismus und zeigte damit die Grenzen der Reformierbarkeit des Kirchenstaates auf. Nach der Wiener Märzrevolution (13.—15. März) ergriff diese auch das zum österreichi- schen Kaiserreich gehörende Königreich Lombardo-Venetien: Am 17. März erhoben sich die Italiener in Venedig, am 18. März in Mailand gegen Österreich. Die Revolution erfasste auch die mit Österreich dynastisch verbundenen Herzogtümer Parma und Modena. Nach einigem Zögern stellte sich König Karl Albert von Sardinien-Piemont an die Spitze der »nationalen Revolution«, die sich unter dem Schlagwort Risorgimento die Bildung eines italienischen Nationalstaates zum Ziel setzte.
 
Am 24. März erklärte Karl Albert auf die Bitte der Mailänder provisorischen Regierung Österreich den Krieg. Obwohl in Venedig im März 1848 fast kampflos die Republik ausgerufen und Mailand nach fünftägiger Straßenschlacht von den Österreichern geräumt worden war, konnten die Italiener ihre Erfolge nicht sichern. Während Sardinien-Piemont und die Aufständischen in Lombardo-Venetien die Hauptlast des Krieges trugen, zugleich aber über die künftige Gestalt Italiens uneins waren, rüstete Ferdinand II. im Königreich beider Sizilien zur Gegenrevolution. Programmatische Zerstrittenheit, dynastische Sonderinteressen und mangelnde militärische Durchschlagskraft verstärkten seit dem Sommer 1848 die Rückschläge der italienischen Nationalbewegung. Britische Vermittlungsversuche zwischen Italien und Österreich scheiterten; Karl Albert lehnte aus Furcht, seine Führungsrolle im Kampf um einen italienischen Nationalstaat zu verlieren, französische Bündnisangebote ab. Im Juni begann der österreichische Oberbefehlshaber Feldmarschall Joseph Wenzel Graf Radetzky nach Verstärkung seiner Truppen eine Gegenoffensive. Nach dem Sieg seiner Streitkräfte bei Custoza am 25. Juli musste sich König Karl Albert mit seinem Heer und den lombardischen Freiwilligen nach Piemont zurückziehen. Die Niederlage der Truppen Karl Alberts leitete die Konsolidierung der österreichischen Herrschaft in Oberitalien ein. Am 6. August 1848 zogen die Österreicher wieder in Mailand ein. Karl Albert sah sich gezwungen, nunmehr einen Waffenstillstand zu schließen, der unter großer Empörung der Mailänder die Lombardei unter Kriegsrecht stellte. Die Republik Venedig leistete dagegen jedoch weiter Widerstand. In den übrigen italienischen Staaten mit Ausnahme Neapel-Siziliens, wo es Ferdinand II. gelang, die absolute Monarchie wiederherzustellen, setzten sich nun radikale Demokraten durch.
 
Im Zuge dieser Radikalisierungstendenzen errichtete Giuseppe Mazzini, gestützt auf die Freischärler Giuseppe Garibaldis, in Rom im November 1848 die »Römische Republik«. Es war der letzte ebenso entschlossene wie verzweifelte Versuch, der italienischen Nationalbewegung ein Zentrum zu geben und ihr zugleich die Richtung zu weisen. Unter dem Eindruck dieser Entwicklung flohen im Februar 1849 Papst Pius IX. und der Großherzog der Toskana nach Gaeta unter den Schutz Ferdinands II.; in Florenz übernahm ein Triumvirat die Regierung. Am 12. März nahm Karl Albert den Krieg gegen Österreich wieder auf, wurde aber am 23. März bei Novara von Radetzky entscheidend geschlagen und dankte zugunsten seines Sohnes Viktor Emanuel II. ab. Dieser unterzeichnete am 26. März einen Waffenstillstand. Ab April 1849 setzte sich in Italien die Reaktion durch: Ferdinand II. eroberte das bis dahin noch von Aufständischen beherrschte Sizilien zurück. Österreich, Neapel-Sizilien, Spanien und Frankreich gingen auf Bitten des Papstes nunmehr gegen die Römische Republik vor, die zwar den ersten Angriff abwehrte, aber nach massiver Beschießung im Juli von einem französischen Expeditionskorps besetzt wurde. Zugleich kapitulierte auch die Republik Venedig. Die Einnahme Roms und der österreichisch-piemontesische Friedensschluss im August 1849 bedeuteten das Scheitern der italienischen Nationalbewegung. Das Eingreifen Frankreichs unter seinem Präsidenten Louis Napoléon Bonaparte zugunsten des Papstes und der Wiederherstellung des Kirchenstaates offenbarte die Schwenkung der französischen Politik in Richtung auf den vorrevolutionären Zustand und auf eine weniger ideen- als vielmehr interessengeleitete Außenpolitik.
 
Deutschland
 
Angestoßen durch die Vorgänge in Paris griff die liberale und nationale Bewegung auch auf die Länder des Deutschen Bundes über und stellte die obrigkeitsstaatlich bestimmte Gesellschafts- und Staatsordnung seiner Mitgliedsländer infrage. Darüber hinaus stürzte sie den Vielvölkerstaat der Habsburgermonarchie, deren Herrschaft in Ober- und Mittelitalien bereits durch die italienische Nationalbewegung bedroht war, vor allem in seinen Kerngebieten in eine schwere Existenzkrise — verursacht durch die liberalen und nationalen Bestrebungen im deutschsprachigen Raum, durch die Unabhängigkeitsbestrebungen in Ungarn unter Führung von Lajos Kossuth sowie durch die Forderung der im Staatsgebiet des Kaiserreiches lebenden slawischen Völker nach politischen Reformen.
 
Was den übrigen Bereich des Deutschen Bundes angeht, hatte im badischen Offenburg — nachdem dort auf einem »Freiheitsfest« bereits am 12. September 1847 ein liberales und demokratisches Programm verkündet worden war — am 27. Februar 1848 eine Volksversammlung die Berufung eines deutschen Parlaments gefordert; die gleiche Forderung erhob einen Tag später der Abgeordnete Heinrich von Gagern, der führende Mann der liberalen Opposition im Landtag des Großherzogtums Hessen-Darmstadt. Auf Volksversammlungen und bei Straßendemonstrationen in zahlreichen deutschen Staaten, an denen sich Handwerker, Angehörige akademischer Berufe, Arbeiter und Studenten beteiligten, forderten die Teilnehmer im März 1848 unter anderem Verfassungsrevisionen unter Mitwirkung des Volkes, Gewährung von Versammlungs- und Pressefreiheit, Einrichtung von Schwurgerichten und Vollendung der Bauernbefreiung. Neben diesen allgemeinen, meist von bürgerlich-liberalen Kräften erhobenen »Märzforderungen« traten besonders die Vertreter der radikaldemokratischen Linken darüber hinaus ein für Aufhebung der stehenden Heere, Abschaffung des Berufsbeamtentums, Liquidierung der indirekten Steuern, Aufhebung der Klöster, Trennung von Staat und Kirche, Ausgleich des Missverhältnisses von Kapital und Arbeit, Beteiligung der Arbeiter am Gewinn aus ihrer Arbeit, Aufhebung der erblichen Monarchie und Errichtung der Republik. Die Regierungen der einzelnen deutschen Länder und die sie tragenden Schichten der Bevölkerung zeigten sich angesichts der in ganz Deutschland sich ausbreitenden liberalen Reformbewegung stark verunsichert (»Märzschock«). In Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt, Sachsen, Hannover und in mehreren kleineren deutschen Staaten stürzten die Kabinette, und es wurden Regierungen mit liberaler Programmatik gebildet, die Märzministerien.
 
Der von Bauern getragene republikanisch-demokratische Aufstand in Baden unter Führung von Gustav von Struve, Friedrich Hecker und Georg Herwegh im April 1848, der sich vor allem gegen die großgrundbesitzenden Standesherren richtete, wurde von Truppen des Deutschen Bundes unter dem Kommando des Generals Friedrich von Gagern niedergeschlagen. Mitte März 1848 kam es in Wien (13.—15.) und Berlin (18.) zu Kämpfen zwischen Demonstranten und Regierungstruppen. Fürst Metternich, mit dessen Name der Kampf gegen die liberalen und nationalen Bestrebungen in Europa verbunden war, wurde als österreichischer Staatskanzler gestürzt. Unter dem Eindruck wachsender Unruhen und Barrikadenkämpfe zogen sich die kaiserlichen Truppen aus Wien, die königlich-preußischen aus Berlin zurück. Bürgerwehren übernahmen dort die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung.
 
Mit der Proklamation »An mein Volk und an die deutsche Nation« suchte König Friedrich Wilhem IV. von Preußen in diesem für die Herrschaft der Hohenzollern in Preußen kritischen Moment, die revolutionäre Entwicklung durch Entgegenkommen zu bremsen. Unter dem Druck des Aufstandes bezeugte er den im Berliner Schlosshof aufgebahrten toten Barrikadenkämpfern, den »Märzgefallenen«, die Ehre und zeigte sich auf einem Umritt mit den Symbolen der liberalen Bewegung. Er berief am 29. März eine liberale Regierung unter Ludolf von Camphausen und sagte die Einberufung einer nach allgemeinem und gleichem Wahlrecht gewählten preußischen Nationalversammlung zu, die am 22. Mai 1848 in Berlin zusammentrat und eine Verfassung beriet.
 
Die deutsche Nationalversammlung und die Reichsverfassung
 
Aus der revolutionären Bewegung ging auf der Ebene des Deutschen Bundes zunächst ein aus 500 Mitgliedern bestehendes »Vorparlament« hervor, das vom 31. März bis 3. April 1848 in Frankfurt am Main tagte und den Fortgang auf gesamtdeutscher Ebene bestimmte. Der Bundestag, das Beschlussorgan des Deutschen Bundes, übernahm ohne Widerstand die Entscheidungen des Vorparlaments, das die Wahl einer deutschen Nationalversammlung gemäß allgemeinem und gleichem Männerwahlrecht beschlossen hatte. Am 18. Mai 1848 trat die Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt am Main zusammen. Die Abgeordneten waren Professoren, Rechtsanwälte, Richter und Staatsanwälte, wenige Landwirte und Unternehmer, keine Arbeiter. Das in sich stark gegliederte politische Spektrum war bestimmt von einer liberalen Mitte, aufgefächert in ein linkes und ein rechtes Zentrum, und einer demokratischen Linken, die aus einer radikalen und einer gemäßigten Grundrichtung bestand. Die ständisch orientierte, meist reformfeindliche konservative Rechte war nur schwach vertreten. Zu ihrem Präsidenten wählte die Nationalversammlung am 19. Mai 1848 Heinrich Freiherrn von Gagern, den Vertreter eines gemäßigten Liberalismus aus dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Er setzte die Schaffung einer Zentralgewalt und die Wahl des österreichischen Erzherzogs Johann zum Reichsverweser durch. Am 18. Dezember übernahm von Gagern selbst die Leitung des Reichsministeriums.
 
Die Nationalversammlung und die von ihr geschaffenen Reichsbehörden, das heißt der Reichsverweser und das Reichsministerium, standen vor zwei großen Aufgaben: der Bildung eines deutschen Nationalstaates und der Ausarbeitung einer Verfassung. Die Grenzen des angestrebten Deutschen Reiches festzulegen bereitete größte Schwierigkeiten. Bereits im Frühjahr 1848 führte die Erhebung der Deutschen in Schleswig gegen die dänischen Einverleibungspläne zu europäischen Verwicklungen; die Frankfurter Nationalversammlung und die neu geschaffenen Reichsbehörden konnten ihren Willen, Schleswig in das Deutsche Reich einzubeziehen, nicht gegen den Kompromisskurs Preußens gegenüber Dänemark durchsetzen, da sie über keine eigenen Machtmittel, vor allem über kein eigenes Heer, verfügten. Die nach diplomatischen Interventionen Russlands, Frankreichs und Großbritanniens zustande gekommene Annahme eines Waffenstillstandes mit Dänemark durch Preußen offenbarte nicht nur die innerdeutsche Schwäche der Frankfurter Nationalversammlung und der von ihr getragenen Zentralgewalt, sondern auch das Misstrauen, das die europäischen Großmächte im Sinne ihrer Eigeninteressen einem deutschen Einheitsstaat entgegenbrachten, von dem sie befürchteten, er könne nachhaltig das europäische Gleichgewicht gefährden. Die Nationalversammlung und ihre Regierung unter dem Reichsverweser Erzherzog Johann von Österreich sahen sich auf Dauer immer stärker mit dem wieder erstarkenden Selbstbewusstsein der traditionellen Gewalten im Deutschen Bund, vor allem Preußens und Österreichs, konfrontiert und in die Defensive gedrängt, zumal sie bei der Realisierung militärischer Ziele stets auf deren Streitkräfte angewiesen waren. Das Scheitern ihres Versuches, mithilfe preußischer Truppen die Annexion Schleswigs durch Dänemark rückgängig zu machen, sowie die Niederschlagung eines Aufstandes der radikalen Linken im September 1848 durch österreichische und preußische Truppen minderten das Ansehen der Nationalversammlung auch in den reformorientierten Teilen der deutschen Bevölkerung stark.
 
Von entscheidender Bedeutung für die Schaffung eines deutschen Nationalstaates war die Frage, ob die deutschsprachige Bevölkerung Österreichs in den deutschen Gesamtstaat einzubeziehen sei. Vor dem Hintergrund bereits einsetzender gegenrevolutionärer Ereignisse in Österreich und Preußen spitzte sie sich in der Verfassungsdiskussion der Paulskirchenversammlung zu einer Kontroverse zwischen den Verfechtern einer groß- oder einer kleindeutschen Lösung zu. Die »großdeutsche Lösung«, das heißt die Einbeziehung der deutschsprachigen Bevölkerung des österreichischen Kaiserreiches, würde Österreich zwar eine starke Stellung im Deutschen Reich verschaffen, jedoch zwangsläufig auf seine Auflösung als Vielvölkerstaat hinauslaufen. Die »kleindeutsche Lösung«, das heißt die Schaffung eines Staatsgebietes ohne die Deutschösterreicher, ginge zwangsläufig mit einer beherrschenden Stellung Preußens in diesem neuen Staat einher. Mit der verfassungsrechtlichen Festlegung vom 27. Oktober 1848, dass kein Teil des zukünftigen Deutschen Reiches mit nichtdeutschen Ländern staatlich vereinigt sein dürfe und lediglich eine Personalunion zwischen deutschen und nichtdeutschen Gebieten unter einem Monarchen erlaubt sei, stellte die »Paulskirche« besonders Österreich vor die Wahl, einem gesamtdeutschen Staat fernzubleiben oder sich in seiner bisherigen Form aufzulösen. Schließlich entschied sich die Mehrheit der Frankfurter Nationalversammlung, gestützt auf ihre gemäßigt konstitutionellen Fraktionen und unter Vermittlung Heinrich von Gagerns, für die kleindeutsche Lösung.
 
Die am 28. März 1849 verkündete Reichsverfassung enthielt einen ausführlichen Katalog von »Grundrechten des deutschen Volkes«, die auch für die Einzelstaaten verbindlich waren; die Vorrechte des Adels wurden abgeschafft. Die Einzelstaaten blieben bestehen und fanden ihre Vertretung im Staatenhaus des Reichstages. Das Volkshaus des Reichstages sollte in allgemeinen, gleichen und direkten Wahlen bestimmt werden. Der Reichstag war Gesetzgebungsorgan, hatte aber keine parlamentarische Kontrolle über die Reichsregierung. Als Reichsoberhaupt war ein Erbkaisertum vorgesehen. Auf der Grundlage dieser neuen Verfassung wählte die Versammlung am selben Tage König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum »Kaiser der Deutschen«. Friedrich Wilhelm IV. lehnte jedoch am 3. April 1849 die ihm angetragene deutsche Kaiserkrone ab und begründete dies mit dem Hinweis auf die gottgegebene Legitimität seines Königtums. Am 28. April wies er endgültig die Annahme der Kaiserkrone zurück und verwarf die Reichsverfassung, die inzwischen von 28 deutschen Regierungen anerkannt worden war. Bereits im Dezember 1848 hatte er die im Vormonat von Berlin nach Brandenburg verlegte preußische Nationalversammlung aufgelöst und aus eigenem Machtanspruch eine preußische Verfassung »oktroyiert«, die am 31. Januar 1850 in Kraft trat.
 
Die tschechische Nationalbewegung
 
Trotz enger Verflechtung mit den revolutionären Bestrebungen in den anderen Ländern des Deutschen Bundes und den von der Frankfurter Nationalversammlung ausgehenden verfassungspolitischen Impulsen bahnte sich seit Mai 1848 im Kaisertum Österreich eine Sonderentwicklung an. Ein in Prag tagender Kongress von Abgesandten der in Österreich lebenden Slawen forderte unter der Leitung des tschechischen Historikers František Palacký in einem Manifest die Umformung Österreichs in »einen Bund gleichberechtigter Völker« und sprach sich dabei für den Verbleib der Deutschstämmigen in der Donaumonarchie aus. Die Deutschsprachigen in den Ländern der böhmischen Krone hingegen wählten 50 Abgeordnete in die Frankfurter Nationalversammlung. In Kontrast zu den gemäßigt konstitutionellen und föderativen Reformtendenzen des Prager Slawenkongresses entwickelte sich zur selben Zeit in Böhmen eine radikale tschechische Nationalbewegung, die im Juni 1848 den »Pfingstaufstand« gegen die Herrschaft Österreichs auslöste. Im Zusammenwirken von Dynastie, Militär und Bürokratie organisierte Kaiser Ferdinand I., der angesichts des Aufstands in Wien nach Innsbruck geflohen war, von dort aus die Wiederherstellung der vorrevolutionären Herrschaftsordnung. Unter Führung des Feldmarschalls Alfred Fürst zu Windischgrätz unterdrückten im Juni Regierungstruppen den tschechischen Pfingstaufstand.
 
Österreich
 
Auf der Grundlage eines Wahlgesetzes, das im Mai unter dem Druck von Demonstrationen im Sinne liberaler Forderungen geändert worden war, trat im Juli ein österreichischer Reichstag zusammen. Nachdem in Wien ab dem 6. Oktober 1848 erneut ein Aufstand ausgebrochen war, nunmehr getragen von radikalen Demokraten aus der Studentenschaft, dem Bürgertum und dem Proletariat, floh Kaiser Ferdinand nach Olmütz in Mähren. Um sich dem Druck der Radikalen zu entziehen, verlegte auch der österreichische Reichstag ab dem 22. Oktober seinen Sitz in die mährische Landstadt Kremsier in die Nähe von Olmütz. Nach achttägigen heftigen Kämpfen nahmen die kaiserlichen Truppen unter dem Oberbefehl des Fürsten Windischgrätz, der von dem aus Kroatien stammenden General Joseph Jellačićvon Bužim unterstützt wurde, Wien ein. Einen offenen Bruch des geltenden Reichsrechts stellte die standrechtliche Erschießung Robert Blums durch österreichisches Militär am 9. November 1848 bei Wien dar. Blum, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung und Führer des »Deutschen Hofes«, war mit Julius Fröbel nach Wien gekommen, um den gegen die österreichische Regierung kämpfenden Demokraten eine Sympathieadresse der Frankfurter Nationalversammlung zu überbringen. Er nahm an den Auseinandersetzungen teil und wurde deshalb nach der Einnahme Wiens zum Tod verurteilt. Seine Hinrichtung markiert den Bruch der österreichischen Regierung mit der Frankfurter Nationalversammlung.
 
Felix Fürst zu Schwarzenberg, der am 21. November zum Leiter der österreichischen Regierung berufen wurde, erklärte die Wiederherstellung und Erhaltung des österreichischen Gesamtstaates einschließlich Ungarns zum obersten Ziel seiner Politik und erteilte damit den großdeutschen Bestrebungen der Frankfurter Nationalversammlung eine Absage. In Kremsier konnte sich seine Regierung nicht mit dem Reichstag über eine Verfassung für das Kaiserreich einigen; sie löste den Reichstag gewaltsam auf und oktroyierte am 4. März 1849 eine Verfassung. Während diese »Märzverfassung« die Wiederherstellung der vorrevolutionären Herrschaftsstrukturen auf zentralistischer Basis in den Mittelpunkt stellte, ersetzte der Verfassungsentwurf des Reichstages von Kremsier die Kronländer und »historischen Individualitäten« durch Bundesländer der einzelnen Völker der Habsburger Monarchie. Die gemeinsamen Angelegenheiten sollten von einem Reichstag beraten und beschlossen werden, der aus einer direkt gewählten Volkskammer und einer von den Landtagen beschickten Länderkammer bestehen sollte.
 
Das Scheitern der Revolution in Deutschland
 
Nachdem mit der Durchsetzung der kleindeutschen, erbkaiserlichen Lösung in der Nationalversammlung und der Verkündung der oktroyierten Märzverfassung Österreich aus dem deutschen Einigungsprozess ausgeschieden war, führte die Ablehnung der deutschen Kaiserkrone durch König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die deutsche Nationalbewegung endgültig in die Krise. Die Ablehnung der Kaiserkrone und der Reichsverfassung durch den preußischen König bedeutete das Scheitern der Revolution in Deutschland. Ein letztes machtvolles Aufbäumen brachten im April und Mai 1849 die Aufstände radikaler Demokraten, die die Paulskirchenverfassung mit Gewalt durchzusetzen versuchten: in Sachsen, wo unter anderen der russische Revolutionär Michail Bakunin und der Komponist Richard Wagner beteiligt waren; in der Pfalz, deren provisorische republikanische Regierung die Loslösung von Bayern verkündete; in Baden, wo das Militär zu den Aufständischen überging und der revolutionäre Landesausschuss das ganze Land hinter sich brachte. In allen Fällen wurden die Aufstände von preußischen Truppen niedergeschlagen, die in der Pfalz und in Baden unter dem Oberbefehl des »Kartätschenprinzen« Wilhelm von Preußen, des späteren Kaisers Wilhelm I., standen. Aus der Frankfurter Nationalversammlung waren die Österreicher und die Anhänger des Erbkaisertums ausgezogen; das nunmehr von der Linken dominierte Rumpfparlament verlegte Ende Mai 1849 seinen Sitz nach Stuttgart, wo es nach kurzer Zeit von württembergischem Militär gesprengt wurde. Mit der Wiedereröffnung des Frankfurter Bundestages am 1. September 1850 und mit dem Abschluss der Olmützer Punktation vom 29. November 1850 zwischen Preußen und Österreich, mit der Preußen seine kurzfristig betriebene kleindeutsche Unionspolitik aufgab, nahm der Deutsche Bund wieder seine Funktionen wahr.
 
Ungarn
 
Jenseits der Ereignisse im Bereich des Deutschen Bundes eskalierte der Konflikt zwischen der österreichischen Reichsregierung und der ungarischen Nationalbewegung unter Lajos Kossuth. Zugleich steigerten sich die innerungarischen Spannungen vor allem zwischen den Ungarn und den kaiserlich gesinnten Kroaten, da Letztere in einem Nationalstaat ein Übergewicht der ungarischen Nationalität befürchteten. Im September 1848 kam es zum Bruch zwischen der österreichischen Reichsregierung und dem ungarischen Reichstag. Der ungarisch-österreichische Konflikt, in dem die ethnischen Minderheiten in Ungarn vor allem von den Gegnern der ungarischen Reformen am Wiener Hof unterstützt wurden, eskalierte um die Jahreswende 1848/49: Im Dezember 1848 widersetzte sich das ungarische Parlament der von Kaiser Franz Joseph I. — ab dem 2. Dezember 1848 Nachfolger Ferdinands I. — befohlenen Auflösung und erklärte im April 1849 nach der Verkündung der zentralistischen österreichischen Gesamtstaatsverfassung das Haus Habsburg für abgesetzt. Kossuth wurde zum Reichsverweser gewählt. Österreichische und ungarische Truppen kämpften mit wechselnden Erfolgen, bis Russland auf ein kaiserliches Hilfegesuch vom Mai 1849 hin aufseiten Österreichs eingriff. Nach der Flucht Kossuths und der Kapitulation General Görgeys bei Világos im August gab im Oktober als letzte auch die Festung Komorn auf. Die Österreicher verhängten über die Aufständischen ein blutiges Strafgericht und teilten Ungarn in fünf Provinzen unter Militärverwaltung. Mit dem Zusammenbruch der ungarischen Nationalbewegung war das Kaiserreich Österreich in seiner vorrevolutionären Struktur wiederhergestellt.
 
 Die Auswirkungen der Revolution
 
Die Revolution von 1848/49 zerstörte weitgehend das Metternich'sche Unterdrückungssystem. Die gemäßigt konstitutionellen Kräfte erfuhren auf Dauer — trotz des Sieges der Gegenrevolution — eine Stärkung, sahen sich jedoch in der Lösung nationaler Fragen auf die Zusammenarbeit mit den alten Gewalten und den sie tragenden gesellschaftlichen Schichten verwiesen. Die eigentlichen Verlierer im Ringen um eine staatliche Erneuerung auf der Grundlage der Volkssouveränität waren die radikalen Demokraten, besonders die Republikaner. Die zeitweilige Radikalisierung der politischen Erneuerungsbewegung in den Jahren 1848 und 1849 entfachte in den bürgerlichen Schichten eine starke, lange nachwirkende Revolutionsfurcht. Das Wiedererstarken von Monarchie, Militär und Bürokratie trug wesentlich dazu bei, das auf dem Wiener Kongress geschaffene europäische Staatensystem zu erhalten. Stabilisierend wirkte sich auch die Außenpolitik Großbritanniens und Russlands aus, zweier Mächte, die nicht direkt von den revolutionären Ereignissen betroffen waren: Während die britische Politik darauf ausgerichtet war, das europäische Gleichgewicht zu bewahren, bestimmten die Vorstellungen von der unbedingten kaiserlichen Autokratie und die imperialen Ziele, das heißt die Einbeziehung nichtrussischer Völker in das Russische Reich, die russische Politik, besonders gegenüber Österreich.
 
Jenseits der allgemeinen Tendenzen in der nachrevolutionären Ära zeigten sich in den einzelnen europäischen Ländern eigene Perspektiven und Entwicklungen. In Frankreich verstärkte Louis Napoléon Bonaparte im Zuge seiner Präsidentschaft die plebiszitären Elemente, während er gleichzeitig den parlamentarischen Einfluss zurückdrängte und die republikanischen Kräfte ausschaltete. Durch den Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 und seine Ernennung zum erblichen Kaiser der Franzosen am 2. Dezember 1852 — beide Vorgänge wurden durch Plebiszite legitimiert — erreichte er die Wiedererrichtung des Kaisertums. In Italien hatte die Revolution trotz ihres Scheiterns einen Prozess gesellschaftlicher Emanzipation eingeleitet. Die Kräfte des Bürgertums hatten jedoch nicht ausgereicht, das doppelte Ziel nationaler Einigung und freiheitlicher Staatsgestaltung zu verwirklichen. Eine tiefe Ernüchterung begründete die »Realpolitik« des nächsten Jahrzehnts und die Verschmelzung der nationalen Idee mit der Wirklichkeit eines bestehenden Staates, mit dem Königreich Sardinien-Piemont. Mit der Errichtung der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie 1867 erzielten Österreich und Ungarn einen Ausgleich zwischen der Habsburgerdynastie und der ungarischen Nationalbewegung, nicht jedoch eine Lösung der Nationalitätenfragen der Donaumonarchie.
 
Angesichts der zweifachen Frontstellung gegen das Beharrungsvermögen von Dynastien, Bürokratien, Armeen und partikularen Kräften auf der einen Seite und gegen republikanisch-sozialrevolutionäre Strömungen auf der anderen Seite scheiterte die bürgerlich-liberale Revolution im Bereich der deutschen Staatenwelt — ebenso wie in Italien — an der Doppelaufgabe der Staats- und Verfassungsschöpfung. Der Aufhebung der in der Paulskirche beschlossenen Grundrechte durch den Bundestag 1851 standen Reformen der deutschen Regierungen auf den Gebieten der Verwaltung, Finanzen, Schule und Universität gegenüber. Mit der Gründung des »Deutschen Nationalvereins« 1859 suchten die bürgerlichen Kräfte die deutsche Einigung erneut voranzutreiben, ein Anliegen, das in den 60er- und 70er-Jahren mit militärischen Mitteln durch Otto von Bismarck auf dynastisch-kleindeutscher Ebene verwirklicht wurde.
 
Gerhard Baum
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Menschenrechte: Von kollektiven und individuellen Rechten
 
Deutschland: Die deutsche Einigung im 19. Jahrhundert
 
Österreich-Ungarn: Nationale Fragen in der Donaumonarchie
 
Italien: Zwischen Cavour und Garibaldi
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Europa im Vormärz: Um Verfassung und Nation
 
Literatur:
 
Die Achtundvierziger. Lebensbilder aus der deutschen Revolution 1848/49, herausgegeben von Sabine Freitag. München 1997.
 
»Alle Menschen sind dort gleich. ..«. Die deutsche Amerika-Auswanderung im 19. und 20. Jahrhundert, herausgegeben von Wolfgang J. Helbich. Düsseldorf 1988.
 
Des Volkes Freiheit. Die Revolution von 1848/49 in Baden und Württemberg, Beiträge von Joseph Béhé u. a. Stuttgart 1998.
 
Europa 1848. Revolution und Reform, herausgegeben von Dieter Dowe u. a. Bonn 1998.
 Hachtmann, Rüdiger: Berlin 1848.Bonn 1997.
 Heuss, Theodor: 1848. Die gescheiterte Revolution. Neuausgabe Stuttgart 1998.
 Mick, Günter: Die Paulskirche. Frankfurt am Main 21997.
 Rieder, Heinz: Die Völker läuten Sturm. Die europäische Revolution 1848/49. Gernsbach 1997.
 Valentin, Veit: Geschichte der deutschen Revolution von 1848-1849. 2 Bände Neuausgabe Weinheim u. a. 1998.
 Vollmer, Franz X.: Offenburg 1848/49. Karlsruhe 1997.


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