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EXILLITERATUR: DEUTSCHE LITERATUR IM EXIL

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Exilliteratur: Deutsche Literatur im Exil
 
Nur wenige Wochen nach der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 begann in Deutschland die Verfolgung missliebiger Personen. In der Nacht vom 27. zum 28. Februar, der Nacht des Reichstagsbrandes, setzte mithilfe vorbereiteter Listen eine breit angelegte Verhaftungsaktion ein, der zahlreiche prominente Schriftsteller und Publizisten, unter anderen Erich Mühsam und Carl von Ossietzky, zum Opfer fielen. Zum Teil gelangten sie nicht mehr oder nur mit schweren gesundheitlichen Schäden in die Freiheit: Mühsam starb nach qualvollen Demütigungen 1934 im Konzentrationslager Oranienburg, Ossietzky wurde erst unter dem Druck der Weltöffentlichkeit - er war inzwischen an offener Tuberkulose erkrankt - im Mai 1936 aus dem Konzentrationslager in ein Polizeikrankenhaus verlegt; er starb 1938 an den Folgen der Haft.
 
Ein Teil der Gefährdeten war von loyalen Angehörigen der Polizei rechtzeitig vor der Gefahr gewarnt worden. Viele von ihnen mieden in dieser Nacht ihre Wohnung, tauchten bei Freunden und Bekannten unter und flohen - so Bertolt Brecht, Walter Mehring und Alfred Döblin - in den nachfolgenden Tagen und Wochen ins Ausland.Kurt Tucholsky, der den Nationalsozialisten wie kaum ein anderer verhasst war, hatte seinen Wohnsitz ohnehin schon frühzeitig ins Ausland verlegt. Andere, wie Ernst Toller oder Walter Hasenclever, die sich zum Zeitpunkt des Reichstagsbrandes im Ausland befanden, kehrten aufgrund der Ereignisse nicht mehr nach Deutschland zurück.
 
Noch vor In-Kraft-Treten des Ermächtigungsgesetzes am 24. März 1933, mit dem der nationalsozialistischen Regierung die Möglichkeit gegeben wurde, ein totalitäres System zu errichten, wurden durch unmittelbar nach dem Reichstagsbrand erlassene Notverordnungen bereits wesentliche Teile der Weimarer Reichsverfassung außer Kraft gesetzt, darunter die Artikel 114 (Freiheit der Person), 115 (Unverletzlichkeit der Wohnung), 118 (Recht der freien Meinungsäußerung) und 123 (Versammlungsfreiheit). Durch zwei neu geschaffene Straftatbestände, »Verrat« und »Verstoß gegen das Wohl des Reiches«, konnte außerdem nahezu jede missliebige Handlung geahndet werden. Infolgedessen waren die Opfer der Verhaftungswelle vom 27./28. Februar 1933 ohne Einschränkung der nationalsozialistischen Willkür ausgeliefert. Anderen, die sich noch in Freiheit befanden, drohte die Verhaftung.
 
Zwei weiteren Daten, dem 15. Februar und dem 10. Mai 1933, kommt eine ähnliche Bedeutung zu wie der Nacht des Reichstagsbrandes. Am 15. Februar wurde Heinrich Mann, Vorsitzender der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste, aufgrund massiven Drucks seitens des neu ernannten Reichskommissars Bernhard Rust zum Rücktritt von seinem Amt und zum Ausscheiden aus der Akademie gezwungen. Er verließ Deutschland sechs Tage später. Daraufhin setzte die nationalsozialistische »Neuordnung« der Sektion für Dichtkunst ein, in deren Gefolge zahlreiche prominente Autoren, unter anderen Döblin, Leonhard Frank, Georg Kaiser, René Schickele, Jakob Wassermann und Franz Werfel, gezwungenermaßen oder, wie Ricarda Huch und Thomas Mann, auf eigenen Wunsch die Akademie verließen. Begründet wurde ihr Ausscheiden zum Teil bereits mit dem am 7. April 1933 erlassenen »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«, aufgrund dessen Juden und politisch Inkriminierte aus dem öffentlichen Dienst entfernt wurden.
 
Das spektakulärste Ereignis, mit dem die neue Regierung ihren politischen Willen manifestierte, waren jedoch die Bücherverbrennungen vom 10. Mai 1933. In der internationalen Öffentlichkeit wurden sie als ein »Rückfall in die mittelalterliche Barbarei« gewertet. Politisch signalisierten sie das Ende der freien Kunstausübung. Mit Schaffung der Reichsschrifttumskammer wurden anschließend Berufsverbot und Zensur auch institutionell abgesichert. Im Juli 1933 begannen die Vorbereitungen für die gesetzliche Ausbürgerung der Geflüchteten. Durch die Ausbürgerung wurden diese staatenlos und damit vor allem in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die Aberkennung der Staatsbürgerschaft bedeutete auch die Beschlagnahme des Vermögens. Die Maßnahmen zielten auf die Vernichtung der bürgerlichen Existenz. Die politische Gesinnung wurde kriminalisiert, die Flüchtlinge zur polizeilichen Verfolgung ausgeschrieben.
 
Nach den Bücherverbrennungen bestand die Gefahr, dass der Ausschluss der Geflohenen vom innerdeutschen Buchmarkt die Publikationsmöglichkeiten der Emigranten im Ausland - aufgrund der Verschränkung zwischen dem inner- und dem außerdeutschen Verlagswesen - drastisch reduzieren könnte. Verschiedene ausländische Verlage, in erster Linie Querido und Allert de Lange in Amsterdam und Oprecht in Zürich, erklärten sich aber bereit, die Werke der in Deutschland geächteten Autoren innerhalb neu errichteter deutschsprachiger Abteilungen zu verlegen. Von entscheidender Bedeutung war dabei die Tätigkeit von Fritz H. Landshoff, Hermann Kesten sowie Walter Landauer, die nach ihrer Flucht ins Exil die Leitung der deutschsprachigen Abteilungen bei Querido und Allert de Lange übernahmen. Als 1936 dann Gottfried Bermann Fischer wesentliche Teile des ehemaligen S. Fischer Verlages ins Exil verlegte, war die Basis für eine anspruchsvolle belletristische Literatur endgültig gesichert. Der wichtigste Autor des Bermann Fischer Verlages war Thomas Mann, der auf Drängen seiner Kinder Erika und Klaus von einer im März 1933 angetretenen Reise in die Schweiz nicht nach Deutschland zurückgekehrt war.
 
Bis Mai 1940, als der deutsche Überfall auf die Niederlande die Tätigkeit der holländischen Verlage beendete, erschienen bei Querido und Allert de Lange zum Beispiel Heinrich Manns Romanfolge »Die Jugend des Königs Henri Quatre« und »Die Vollendung des Königs Henri Quatre«, Brechts »Dreigroschenroman«, Anna Seghers' »Die Rettung«, die ersten Bände von Döblins Trilogie »November 1918« oder Joseph Roths »Tarabas«.
 
Um die großen Verlage als Zentrum entfaltete sich schnell ein dichtes Geflecht mittelgroßer und kleiner Verlage. Zu nennen ist als Beispiel der Malik-Verlag Wieland Herzfeldes - hier erschienen die meisten Werke von Brecht. Mit dem »Neuen Tage-Buch« und der »Neuen Weltbühne« wurden im Exil die beiden ehemals führenden politisch-kulturellen Zeitschriften der Weimarer Republik fortgeführt. Die vielleicht interessanteste literarische Zeitschrift des Exils, »Die Sammlung«, herausgegeben von Klaus Mann, wurde im Querido-Verlag verlegt, das KPD-orientierte Periodikum »Neue Deutsche Blätter« im Malik-Verlag, Thomas Manns Zeitschrift »Maß und Wert« im Oprecht-Verlag in Zürich. Prägend für das künstlerische und politische Profil der Exilliteratur waren außerdem die in Moskau erscheinenden Zeitschriften »Internationale Literatur« und »Das Wort«.
 
Dieses Verlagssystem besaß bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs eine bemerkenswerte Konstanz. Durch die schrittweise Expansion des nationalsozialistischen Deutschland verloren die Verlage jedoch zuerst wichtige Absatzgebiete und schließlich, mit der Besetzung der Niederlande und Frankreichs, die politische Basis. In der zweiten, überseeischen Phase des Exils gelang es nicht, ein ähnlich effizientes Verlagssystem neu zu errichten. Es war nun in viele Kleinverlage zersplittert, die nur in Ausnahmefällen eine ausreichende Öffentlichkeit erreichten. Aber immerhin: Der abschließende Band von Thomas Manns Josephs-Tetralogie, »Joseph, der Ernährer«, erschien weiter bei Bermann Fischer, und »Das siebte Kreuz« von Anna Seghers wurde - allerdings nicht als Erstausgabe - in dem Verlag El Libro Libre in Mexiko publiziert, dessen Leiter der Exilant Walter Janka war.
 
Mit der Flucht ins Exil wuchs der dort erscheinenden Literatur die politische Aufgabe des Protests gegen das nationalsozialistische Deutschland zu. Darüber bestand aufgrund von Charakter und Zielrichtung der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen von Anfang an kein Zweifel. Es war offenkundig, dass sich die »Gleichschaltung« der Literatur parallel zur politischen »Gleichschaltung« vollzog. Ebenso deutlich war die personale Verknüpfung von Politik und Literatur: Der Schriftsteller Ernst Toller wurde verfolgt, weil er auch führender Repräsentant der Räterepublik gewesen war, Heinrich Mann, weil er Verfasser des gesellschaftskritischen Romans »Der Untertan« war und einen Aufruf zum Zusammengehen von SPD und KPD bei den letzten freien Reichstagswahlen unterzeichnet hatte.
 
Literatur berührt stets zentrale und subtile Aspekte von Legitimität und Identität. Die Tatsache, dass bedeutende Dichter ihr Heimatland verlassen mussten und ihre Werke verboten und öffentlich verbrannt wurden, erregte - anders als die »Gleichschaltung« der Parteien - deshalb im Ausland beträchtliches Aufsehen und tangierte unmittelbar die politische Glaubwürdigkeit der nationalsozialistischen Regierung. Von Bedeutung war dabei auch die Prominenz der Autoren. Ernst Toller, Heinrich und Thomas Mann, Lion Feuchtwanger oder Stefan Zweig waren weltweit bekannte Schriftsteller, denen man in der Öffentlichkeit außerhalb Deutschlands Glauben schenkte. Aber nicht nur die aktuellen Ereignisse lösten Aufmerksamkeit und Solidarität aus. Der internationalen Schriftstellergemeinschaft stand noch die Katastrophe des Ersten Weltkrieges vor Augen. Autoren wie Henri Barbusse, Romain Rolland und André Gide waren aufgrund ihrer politischen Erfahrungen Internationalisten und Pazifisten geworden: Sie sahen die Gefahr, dass vom nationalsozialistischen Deutschland ein neuer Weltkrieg ausgehen könnte. Deshalb lag es nahe, dass sie die exilierten deutschen Schriftsteller unterstützten. Es gab Querverbindungen zwischen dem deutschen Exil - über Toller und Albert Einstein - und den einflussreichen pazifistischen Organisationen in der ganzen Welt, sodass der Schriftstellerprotest nicht ungehört verhallte.
 
Es waren also die äußeren Umstände, die dazu führten, dass im Exil Werke mit klar erkennbarem politischem Bezug wie Thomas Manns »Doktor Faustus«, Stefan Zweigs »Schachnovelle« oder Brechts »Furcht und Elend des Dritten Reiches« und »Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui« entstanden. Die Politisierung erfolgte zwangsläufig, und sie erstreckte sich auch auf Autoren, die sich wie Stefan Zweig oder Döblin zumindest zeitweilig gegen die Inanspruchnahme der Literatur durch die Politik aussprachen.
 
Insbesondere an Texten, die in der Anfangsphase des Exils entstanden, wird die Zwangsläufigkeit dieser Entwicklung ersichtlich. Hier sind besonders Feuchtwangers Roman »Die Geschwister Oppermann« und Friedrich Wolfs Drama »Professor Mamlock« hervorzuheben: Sowohl der Roman als auch das Drama klagen den nationalsozialistischen Antisemitismus und die Judenverfolgung vehement an. In beiden Fällen handelt es sich um belletristisch-fiktionale Texte, freilich mit dem entscheidenden Merkmal, dass sie einen deutlichen aktuellen, appellativen Bezug haben: Sie rufen zum politischen »Handeln« seitens des Auslandes beziehungsweise der scheinbar nichtbetroffenen Außenstehenden auf. Appellativen Charakter hat auch der Bericht, den der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Gerhart Seger - einer der ersten, dem die Flucht aus einem KZ gelang - unter dem Titel »Oranienburg« über seine Erfahrungen im Konzentrationslager verfasste, wobei er die Form der dokumentarischen, autobiographischen Darstellung wählte. Welche Intentionen damit verfolgt werden, zeigt das von Heinrich Mann verfasste Vorwort. Es ist ein Appell an die schweigende Weltöffentlichkeit, ihre Haltung aufzugeben, und gipfelt in dem Satz, es sei »schließlich genau so erniedrigend, Unrecht zu dulden, wie Unrecht zu tun«.
 
Die angeführten Beispiele sind charakteristisch für zwei Grundtendenzen der Exilliteratur - für ihre dokumentarische und ihre autobiographische Ausrichtung. Hinzu tritt das Erstarken der politischen Publizistik. Mit Heinrich Manns Essaysammlung »Der Hass« eröffnete bezeichnenderweise der Querido-Verlag im Herbst 1933 seine Produktion. Andererseits übernahmen die Schriftsteller neben den literarischen auch unmittelbar politisch-organisatorische Aufgaben: Heinrich Mann fungierte im Pariser Exil als Vorsitzender des Lutetia-Komitees, des »Ausschusses zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront«; Thomas Mann verfasste und sprach während des Zweiten Weltkrieges politische Kommentare (»Deutsche Hörer!«), die über den Rundfunk nach Deutschland gesendet wurden. In der ersten, europäischen Phase des Exils gewannen vor allem die internationalen Schriftstellerkongresse von 1933 an eine ungeahnte Bedeutung. Die Entwicklung kulminierte im ersten Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur in Paris (21. bis 25. Juni 1935). Auf diesem Kongress zeichnete sich eine breite »antifaschistische« Einheitsfront prominenter internationaler Schriftsteller ab, zu denen Aleksej Tolstoi, Ilja Ehrenburg, Boris Pasternak, Heinrich Mann, Anna Seghers, André Gide, André Malraux und andere gehörten. Als sich die Schriftsteller noch einmal im Juli 1937 zum zweiten Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur zuerst in Valencia, Madrid, Barcelona und dann in Paris versammelten, war diese Front jedoch bereits brüchig. In der Zwischenzeit hatte in Moskau der erste und der zweite Schauprozess gegen die innerparteiliche Opposition stattgefunden. Mit »Retour de l'USSR« hatte Gide eine vorläufige, politisch noch zurückhaltende Kritik an der politischen Situation in der Sowjetunion geäußert. Als Feuchtwanger daraufhin mit »Moskau 1937« die Prozesse und die Rechtlichkeit des juristischen Ablaufes verteidigte, war der Eklat offenkundig. Die politische Spaltung des Exils war endgültig. Sie wurde vertieft durch die Verfolgung linkssozialistischer, angeblich »trotzkistischer« Gruppen während des Spanischen Bürgerkriegs. Der Hitler-Stalin-Pakt 1939 tat ein Übriges. Er beendete das vorübergehende Bündnis zwischen kommunistischen und linksliberalen, nicht parteigebundenen Autoren gegen Nationalsozialismus und Faschismus in Europa. Oberflächlich wurde der Riss während der zweiten Phase des Weltkriegs, nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, noch einmal überbrückt, aber im Grunde war diese Periode politischer Annäherung differierender politischer Gruppen beendet.
 
Die künstlerische Heterogenität der Exilliteratur resultiert zum Teil daraus, dass im Exil Schriftstellerinnen und Schriftsteller extrem divergierender Generationengruppen vertreten waren. Die älteste Gruppe wurde durch Else Lasker-Schüler und Karl Wolfskehl repräsentiert, die jüngste Gruppe durch Autoren wie Stephan Hermlin oder Erich Fried. Es ist gar keine Frage, dass angesichts dieser Spannweite die Erfahrungen von Exil und Verfolgung nur »eine« Form epochenspezifischer literarischer Prägungen darstellen. Andererseits ist unübersehbar, wie wichtig dieses gemeinsame Bindeglied in Hinblick auf die Entstehung einzelner Werke und den Epochenzusammenhang ist; anders sind Texte wie die »Hiob«-Klagen Wolfskehls oder Else Lasker-Schülers Drama »IchundIch« kaum zu verstehen. Wenn man zum Beispiel an den in Wien geborenen Fried denkt, wird zudem deutlich, dass allenfalls von einer »deutschsprachigen«, jedoch nicht von einer einheitlichen »deutschen« Exilliteratur zwischen 1933 und 1945 die Rede sein kann. Die österreichische Exilliteratur - und auch die Literatur der deutschsprachigen Emigranten aus der Tschechoslowakei, zu denen etwa Egon Erwin Kisch gehört - unterscheidet sich merkbar aufgrund anderer Traditionsbezüge und zum Teil auch anderer politischer Schwerpunkte von der »reichsdeutschen«, durch Wilhelminismus und Weimarer Republik geprägten Literatur.
 
Eine weitere Ursache für das heterogene Erscheinungsbild der Exilliteratur liegt im unterschiedlichen Charakter und im unterschiedlichen literarischen Anspruch der Autoren. Werke wie Thomas Manns »Lotte in Weimar« oder Brechts »Leben des Galilei« verraten kaum, dass sie im Exil entstanden sind, während das bei Texten wie Johannes R. Bechers »Winterschlacht« und Bredels »Die Prüfung« unübersehbar ist. Ähnlich groß ist die Spannweite zwischen den publikumsorientierten, dabei jedoch literarisch anspruchsvollen Autoren wie Feuchtwanger, Werfel, Zweig oder Erich Maria Remarque und den dezidiert »nur« literarischen Autoren wie Broch, Musil oder Ernst Weiß. Dennoch ist auch hier ein übergreifender politischer Bezug nicht zu übersehen. Ebenfalls zur Exilliteratur gehören so unterschiedliche Texte wie »Sonnenfinsternis« von Arthur Koestler oder der erwähnte Bericht »Moskau 1937« von Feuchtwanger. Der eine Text wurde zur klassischen Anklage gegen den Stalinismus, der andere zur ebenso klassischen Apologie des Stalinismus.
 
Gemeinhin gilt als übergreifendes Kennzeichen der Exilliteratur ihr »Realismus«. Der Begriff wurde von Georg Lukács, dem bedeutendsten Literaturtheoretiker des Exils, ins Zentrum der Expressionismusdebatte gestellt. Der Begriff beschreibt den »Zwang zur Politik«, dem die Schriftsteller im Exil unterlagen. Lukács meinte jedoch, dass sich damit zugleich eine programmatische Abwendung von Dekadenz und L'art pour l'art, also von der »Moderne«, vollzogen habe. Dieses Urteil erweist sich bei genauerer Analyse jedoch als falsch: Zwar ist die Thematisierung politischen Geschehens, verbunden mit klar bestimmbaren Wirkungsabsichten, offensichtlich, aber in Bezug auf das künstlerische Verfahren haben sich die Vorgehensweisen im Exil durchaus nicht geändert. Die Exilliteratur stellt eine Fortsetzung der literarischen Moderne unter veränderten politischen Rahmenbedingungen dar. Die Mehrzahl der literarisch bedeutenden Autoren des Exils knüpft mit ihren im Exil entstandenen Werken an Konstellationen an, die sich bereits weit früher in der deutschen Literatur formiert haben. Sie reflektieren Problem- und Aufgabenstellungen, die mit der Moderne der deutschen Literatur verbunden sind. Im Kontext von politischer und rassistischer Verfolgung und der davon ausgelösten Reflexion über die Grundlagen der Existenz zu jener Zeit gewannen die Impulse der Moderne eine neue, auf eine konkrete politische Problemlage bezogene Bedeutung. Dieses Faktum macht dann auch verständlich, weshalb das Exil, eine der literarischen Produktion zunächst nicht förderliche Periode, eine Reihe von Texten hervorgebracht hat, die zu den weltliterarisch bedeutendsten Werken der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts gehören.
 
Brecht und Arnold Zweig, Theodor Plievier und Anna Seghers kehrten nach Ende des Krieges nach Deutschland zurück. Die meisten jedoch kehrten nicht zurück. Das war zum Teil altersbedingt. Andere wie Tucholsky, Toller, Stefan Zweig, Hasenclever oder Walter Benjamin hatten in Verzweiflung oder in scheinbar aussichtsloser Situation Selbstmord verübt. Wiederum andere kehrten nicht zurück, weil sie die Erfahrungen von Verfolgung und Exil als eine fortdauernde, nicht aufzuhebende Belastung empfanden.
 
Prof. Dr. Frithjof Trapp
 
Literatur:
 
Exilliteratur 1933—1945, herausgegeben von Wulf Koepke und Michael Winkler. Darmstadt 1989.
 
Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933—1945, herausgegeben von Claus-Dieter Krohn u. a. Darmstadt 1998.


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