Значение слова "BEATMUSIC" найдено в 1 источнике

BEATMUSIC

найдено в "Universal-Lexicon"

Beatmusic
 
[englisch, biːt], auch Beat, Mersey-Beat, Mersey-Sound, Big Beat oder Beatmusik, um 1960 in Großbritannien aufgekommene Bezeichnung für eine damals noch von Amateuren getragene Musikpraxis Jugendlicher, die in dieser Zeit im westenglischen Industriegebiet von Liverpool und Umgebung am Mersey River entstanden war. Das erste Mal dokumentiert als Bezeichnung in diesem Sinne ist der Begriff im Titel einer ab Juli 1961 erschienenen lokalen Musikzeitschrift: Mersey Beat. Merseyside's Own Entertainments Paper. Mit dem phänomenalen Erfolg der Beatles wurde er dann allgemein übernommen, bis ihn in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre die amerikanische Bezeichnung Rockmusic (Rockmusik) schließlich verdrängte. Heute gilt er eingeschränkt auf die britische Entwicklung dieser Musik bis etwa Mitte der Sechzigerjahre; lediglich im deutschen Sprachraum hat sich der Terminus Beat oder Beatmusik vereinzelt als Bezeichnung für die Gesamterscheinung synonym zu »Rockmusik« erhalten.
 
Die Herausbildung des Beat als einer zunächst nur lokalen Amateurmusikbewegung vollzog sich vor dem Hintergrund sozialer Spannungen, die aus umfassenden wirtschaftlichen Strukturveränderungen in dieser Region hervorgegangen waren.Als Ventil für die daraus erwachsenden Frustrationen und das andauernde Konfliktpotenzial einer solchen Situation begannen die Jugendlichen hier, sich in den Kneipen und Klubs der Vorstädte ein eigenes Freizeitterrain zu schaffen. Musik wurde darin zu einer Art Katalysator, gab den Hoffnungen, Wünschen und Glücksansprüchen dieser Generation Raum und einen adäquaten Ausdruck. Noch in Auswirkung der Skiffle-Welle (Skiffle) der Jahre zuvor, die einen regelrechten Musizierboom unter der britischen Jugend ausgelöst hatte, bildete das Selbstmusizieren vor einem gleichaltrigen Publikum die Basis dafür. Neben Rhythm-and-Blues-Klassikern aus der Tamla-Motown-Produktion (Motown-Sound) lieferten vor allem die frühen amerikanischen Rock-'n'-Roll-Standards (Rock 'n' Roll), die in der britischen Öffentlichkeit ein vehementer Streitpunkt zwischen den Generationen geblieben waren, das Material für eine musikalische Ausdrucksform, in der sich die wachsende Opposition Jugendlicher formulieren konnte. Zwar gab es mit Tommy Steele (* 1936), Cliff Richard (* 1940) und Billy Fury (1941-1983) auch so etwas wie eine spezifisch britische Rock-'n'-Roll-Variante, aber die war den Produktionsnormen der Musikindustrie weitgehend angepasst, gesäubert, geglättet und entsprach eher dem offiziellen Selbstverständnis von jugendlicher Freizeitunterhaltung als dem realen Lebensgefühl Jugendlicher. Dieses hatte sich schon im provokanten, oft auch gewalttätigen Auftreten der Teddy Boys — der Anhängerschaft des Rock 'n' Roll in Großbritannien — lautstark Geltung verschafft. Die Anfang der Sechzigerjahre dann zahlreich entstehenden Amateurgruppen in der Klubszene von Liverpool und Umgebung begannen so, auch gerade jene Seiten des frühen Rock 'n' Roll wieder aufzugreifen, die er im Prozess seiner kommerziellen Verwertung inzwischen verloren hatte — die intensive rhythmische Unmittelbarkeit und die aggressive Direktheit des Musizierens. Die Originale wurden entsprechend den Möglichkeiten von Amateuren einfach so zurechtgespielt, dass sie durch Lautstärke und ein sehr vordergründiges Betonen der Motorik der metrischen Grundlage, des Beat, das erhielten, was den englischen Jugendlichen als die Substanz des Rock 'n' Roll erschien. Das allgemein verbreitete Gruppensingen war dabei wohl vor allem darauf zurückzuführen, dass sich die Stimmen auf diese Weise gegenseitig stützen konnten. In der Besetzung folgten diese Amateurbands mit drei elektrisch verstärkten Gitarren und Schlagzeug fast ausnahmslos dem damals in England sehr populären Trend der instrumentalen Gitarrengruppen, wie er von den Shadows mit ihrem 1960 erschienenen »Apache« geradezu mustergültig repräsentiert wurde (Gitarre). Der Anstoß zu diesem Trend war aus den USA gekommen, wo sich mit dem Abflauen der Rock-'n'-Roll-Welle gegen 1958 solche Gitarren-Instrumentals kurzzeitig auch in den Hit-Listen (Charts) durchsetzten. An sich aber waren diese Instrumentalbands in den USA ein Phänomen der lokalen Ebene, spielten dort regelmäßig zum Tanz meist für ein festes Publikum lokaler Anhänger. Der Gitarrist Duane Eddy (* 1938) brachte es mit seiner Gruppe und einem technisch makellosen Studiosound, der durch eine Kombination von Echos die Melodiestimme auf der elektrischen Gitarre in eine schwirrend-schwebende Linie verwandelte (Twangysound), allerdings auch außerhalb der USA, besonders in Großbritannien zu einem solchen Erfolg, dass dort sein Stil eine Vielzahl von Nachahmern fand. Für die Liverpooler Amateurbands wurde diese Besetzung mit der Funktionsteilung der Gitarren in Melodie-, Rhythmus- und Bassgitarre zum Vorbild, die sie auf die frühen Rock-'n'-Roll-Standards übertrugen und daraus allmählich ein durchaus eigenständiges Spielkonzept entwickelten. So übernahm man schon beim direkten Nachspiel der amerikanischen Rock-'n'-Roll-Songs eigentlich nur die rhythmisch-melodische Grundlage und füllte sie mit instrumentalen Begleitformeln und Zwischenspielen aus. Das ergab eine beinahe volksmusikalische Prägung des Liverpooler Beat, der ohne Kenntnis der Notenschrift und ohne eine spezielle musikalische Vorbildung mit der relativ leicht, auch autodidaktisch zu erlernenden Plektrumgitarre gespielt werden konnte. Rhythmisch reduzierte sich das musikalische Geschehen auf die überlaut in den Vordergrund gerückten metrischen Grundschläge (Beat) und deren Achtelteilungen, was eine treibende Motorik zur Folge hatte und dieser Musik ja dann auch ihren Namen gab. Durch einen starken Gegenakzent (Afterbeat) jeweils auf der zweiten und vierten Zählzeit in Kleiner Trommel und/oder Tom-Tom gegenüber der regulären 1-3-Betonung wurde ein spannungsreiches Musizieren möglich, das durch vielfältige Synkopenbildungen noch einen zusätzlichen rhythmischen Impuls erhielt. Die akkordisch geschlagene Rhythmusgitarre markierte zugleich das harmonische Gerüst, wozu der Bass in einfacher Stufenfortschreitung die Grundtöne lieferte, während die Melodiegitarre dem Gesang noch eine Stütze gab. Gesungen wurde einstimmig oder in Terzverdopplungen, der charakteristische Satzgesang bildete sich erst später mit der Professionalisierung der Mersey-Beat-Gruppen heraus. Einen Eindruck von diesem frühen Stadium der Beatmusik vermitteln noch heute die ersten Single-Produktionen der Beatles, obwohl hier eine Anpassung an die klanglichen Normen des Aufnahmestudios bereits erkennbar ist. Vor allem jene Titel, die sie wie »Please Please Me« und »Love Me Do« — das angeblich sogar auf das Jahr 1957 zurückgeht — schon vor ihren Aufnahmesessions für den britischen Schallplattenkonzern EMI in ihrem Repertoire hatten, zeigen noch die typischen Eigenarten des Mersey-Beat. Die vermutlich erste Schallplattenproduktion des Liverpooler Beat war allerdings 1961 auf dem Label Fontana der »Boll Weevil Song« von Howey Casey and the Seniors. Aus der Vielzahl der nach Schätzungen über 350 Mersey-Beat-Gruppen, die wie Cass and the Casanovas, Freddie Starr and the Midnighters, Billy J. Kramer and the Dakotas, Kingsize Taylor and the Dominoes, Ian ' The Zodiacs und Rory Storm and the Hurricans in den Jahren 1962 bis 1964 insgesamt etwa zweihundert Singles veröffentlichten, konnten sich damals neben den Beatles mit überregionalem Erfolg allerdings nur die Swinging Blue Jeans (»Hippy Hippy Shake«, 1963), Gerry and the Pacemakers (»How Do You Like It«, 1962) und dann vor allem die Searchers (»Needles and Pins«, 1963) behaupten.
 
Nicht zuletzt unter dem Einfluss der Beatles, die von ihrem Manager Brian Epstein (1934-1967) ein entsprechendes Erscheinungsbild mit Pilzfrisur und lässig-gepflegter Bühnenkleidung verpasst bekamen, erfuhr die britische Jugendszene eine starke Stilisierung, die den jugendlichen Anhängern dieser Musik ein neues kulturelles Selbstverständnis als Mods (abgeleitet von Modernists) vermittelte und als sozialer Hintergrund zum Verständnis dieser Entwicklung entscheidend ist. In dieser Form griff die Liverpooler Beatbewegung nämlich auch auf andere britische Großstädte über und ließ wie in Manchester mit den Hollies, Freddie and the Dreamers und Wayne Fontana and the Mindbenders weitere lokale Beatzentren entstehen. Die Hauptstadt London mit ihrer ganz anders gearteten Bluesszene (Blues) als Hintergrund, die sich hauptsächlich um die Sänger und Gitarristen Alexis Korner (1928-1984) mit seiner Gruppe Blues Incorporated und John Mayall (* 1933) mit seinen Bluesbreakers formiert hatte, brachte mit einer stark am Rhythm and Blues orientierten Spielweise der Beatmusik und Gruppen wie den Yardbirds, den Animals, vor allem den Rolling Stones und etwas später den Who den eigenständigsten Beitrag ein.
 
Wirklich durchgesetzt, zunächst national, dann international, haben diese Musikform ab 1963 aber die Beatles, obwohl noch ihr »Please Please Me« (1963) in einer Fassung mit Gerry and the Pacemakers populärer war als das Original. Doch waren sie die ersten, die sich von den Rock-'n'-Roll- und Rhythm-and-Blues-Vorbildern lösten und nach eigenen Wegen suchten. Ihre im Mai 1963 erschienene erste Langspielplatte »Please Please Me« enthielt neben sechs übernommenen bereits acht eigene Titel, denen dann Songs wie »She Loves You« (1963), »I Want to Hold Your Hand« (1963), »A Hard Day's Night« (1964), »Eight Days a Week« (1964), »Help« (1965) und »Yesterday« (1965) folgten, die ihnen eine an Hysterie grenzende Popularität, auch als »Beatlemania« bezeichnet, einbrachte. Die Rolling Stones, die sich als Gegenpol zu den Beatles profilierten, blieben der Rhythm-and-Blues-Tradition zunächst weiter verpflichtet, wobei aber auch sie mit Titeln wie »The Last Time« (1964) und vor allem »Satisfaction« (1965) schon damals zu einer eigenständigen, nervös-aggressiven Spielweise fanden, die mit dem Gestus des Exzessiven verbunden, auf Schock und Bürgerschreck angelegt war.
 
1964 erreichten die Beatles auch auf dem amerikanischen Markt mit »I Want to Hold Your Hand« den Durchbruch. Im April 1964 belegten sie mit »Can't Buy Me Love«, »Twist and Shout«, »She Loves You«, »I Want to Hold Your Hand« und »Please Please Me« gleich alle ersten fünf Plätze der meistverkauften Schallplatten in den amerikanischen Billboard-Charts (Charts). Zu dieser Zeit entfielen 60 % sämtlicher Schallplattenverkäufe in den USA auf die Beatles, weshalb man dort auch von einer »British Invasion« sprach. Aus der englischen Beatmusik war eine internationale Erscheinung geworden, die weltweit Nachahmer fand, neue musikalische Entwicklungen auslöste und unter der amerikanischen Bezeichnung Rockmusic von da an auch international verbreitet wurde.
 
Zu erklären ist der weltweite Siegeszug dieser Musik aus dem Umstand, dass die Beatles, die Rolling Stones wie auch andere der britischen Beatgruppen mit ihren Songs das Alltags- und Selbstbewusstsein Jugendlicher in einer Weise spiegelten, die sie zum Identifikationsobjekt einer ganzen Generation werden lassen konnte. Zugleich fiel diese Entwicklung mit einer Art Aufbruchsstimmung Jugendlicher zusammen. Die ging zunächst auf die Tatsache zurück, dass ihre materielle Situation ihnen die Herausbildung eigenständiger Verhaltensnormen in Unabhängigkeit, oft sogar Gegensatz zu ihren Eltern und damit eines entsprechenden Selbstbewusstseins als Generation erlaubte. Andererseits hatte sie ihre Wurzeln aber auch in den wachsenden sozialen und politischen Spannungen in Westeuropa und den USA, die in den Sechzigerjahren nach dem wirtschaftlichen Boom der Nachkriegszeit durch die Frage nach dem sozialen Sinn der industriellen Wohlstandsgesellschaft und den Perspektiven der Jugend in ihr ausgelöst wurden.
 
Die Auswirkungen dieser Entwicklung betrafen dann nicht minder auch die Musikindustrie, die Verkaufserfolge dieses Ausmaßes bis dahin nicht gekannt hatte. So erreichte etwa die britische Schallplattenindustrie nach dem Erscheinen der ersten Single der Beatles im Oktober 1963 (»Love Me Do«/»P.S. I Love You«) binnen nur drei Jahren das Zwanzigfache ihres Produktionsaufkommens, veranlasste der Stellenwert des Exportartikels »Beatles« in der Außenhandelsbilanz Großbritanniens 1965 das britische Repräsentantenhaus zur Verleihung des Ordens M.B.E. (Members of the Order of the British Empire) an diese Gruppe. Diese Komplexität ökonomischer, sozialer, politischer und ästhetischer Faktoren hat dann die von der britischen Beatmusik ausgehende Entwicklung der angloamerikanischen Rockmusik wesentlich geprägt.
 
Siehe auch: Rockmusik.


T: 30