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BIOLOGISCHE VIELFALT: MENSCHLICHE EINGRIFFE

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biologische Vielfalt: Menschliche Eingriffe
 
Bedenklicher als die Ausrottung einer einzelnen Art ist die Vernichtung eines Lebensraums, da hierdurch allen Arten, die dort vorkommen, die Lebensgrundlage entzogen wird, sofern sie in ihrer Existenz auf diesen Lebensraum angewiesen sind. Tiere oder Pflanzen, die in der Regel kein direktes Ziel von Jagd- oder Sammeltätigkeit sind, wie niedere Pilze und Moose, Insekten, Kleinkrebse oder Schnecken, können daher auch betroffen sein und aussterben. Die Umgestaltung unserer Umgebung zu einer vom Menschen durch und durch geprägten Kulturlandschaft, die Nutzbarmachung der tropischen Regenwälder, die Belastung mit Umweltchemikalien und die Besiedlung der letzten naturnahen Stellen der Erde führen zu globalen Veränderungen, die die Lebensraummannigfaltigkeit, also die Zahl der verschiedenen Habitate und Ökosysteme, stark vermindern.
 
 Viele Arten verschwinden durch Vernichtung ihres Lebenraums
 
Es ist nicht einfach, diesen Artenschwund, der sich langsam und oft im Stillen vollzieht, zu dokumentieren.Es bedarf des Fachmanns, um die vielen kleinen, unscheinbaren, wenig bekannten und oft schwer bestimmbaren Arten, darunter immer wieder welche, die auch für die Wissenschaft noch neu, also unentdeckt sind, zu identifizieren. Wenn ein Lebensraum gut untersucht ist, kann für einzelne, gut bekannte Tier- oder Pflanzengruppen in »Roten Listen« dokumentiert werden, wie groß der Bedrohungsgrad einzelner Gruppen ist. Da eine solche Auflistung eine mehrjährige intensive Auseinandersetzung mit einem Habitat und einer bestimmten Tier- oder Pflanzengruppe voraussetzt, gibt es derzeit für viele Gruppen und leider für die Mehrzahl der Ökosysteme und Länder (darunter nahezu sämtliche Entwicklungsländer) noch keine Roten Listen. Hier können also nur Vermutungen oder Hochrechnungen der aktuellen Gefährdungssituation Auskunft über den derzeitigen Artenschwund geben. Eine solche Hochrechnung ergibt beispielsweise für Mitteleuropa, dass je nach Tiergruppe etwa 30 bis 60 Prozent der Tier- und Pflanzenarten in irgendeiner Weise in ihrem Bestand gefährdet sind.
 
 Moderne Landwirtschaft und Lebensraumvernichtung
 
Man kommt nicht umhin, als eine Hauptverantwortliche für diesen Prozess unsere moderne Landwirtschaft zu bezeichnen. In ihrer heutigen, schon seit langem ausgeübten Intensität, die im Rahmen von Bodenbearbeitung und Flurbereinigung ganze Landschaften umpflügt, begradigt und egalisiert, mit Nährstoffen in Form von Dünger und vielen verschiedenen Giften (Bioziden) überflutet, bewirkte sie über Jahrzehnte eine Nivellierung aller Standorte zu monotonen, nährstoffreichen, artenarmen und stark gestörten Lebensräumen. Es gilt als sicher, dass landwirtschaftliche Maßnahmen direkt oder indirekt für zwei Drittel des Artenrückgangs verantwortlich sind. Da Tiere in vielfältiger Weise auf Pflanzen angewiesen sind, dürften die Ursachen hier in ähnlicher Größenordnung liegen. In der uns umgebenden Agrarlandschaft sind beispielsweise heute drei Viertel der Wildkräuter eines Ackers verschwunden. Rebhühner und Wachteln sind vom Aussterben bedroht, die ehemals überaus häufigen Feldhasen haben zunehmend Seltenheitswert. Welches Kind kennt heute noch Weißstörche? Wo gibt es noch Kiebitz, Feldlerche und Neuntöter? Selbst Insekten wie Libellen, Wildbienen und Schmetterlinge werden immer seltener.
 
Ähnliches gilt für Trockenrasen und Magerwiesen, Feuchtgebiete und viele weitere Lebensräume. Sie alle sind in diesem Jahrhundert stark zurückgedrängt worden und die sie besiedelnden Arten wurden selten. Viele dieser Bereiche wurden durch entsprechende Maßnahmen der Agrarlandschaft einverleibt. In nicht unbeträchtlichem Umfang wurden ehemalige Naturflächen unter anderem aber auch zu Gärten, Parks, Friedhöfen und zu Grünstreifen neben Verkehrswegen. All diese Ersatz- oder Restflächen könnten eine wichtige Ausgleichsfunktion erfüllen, indem sie quasi als Alternative zu den verloren gegangenen Bereichen verfügbar werden. Umso trauriger muss die Feststellung stimmen, dass in der Realität diesen Ersatzflächen eine solche Funktion nicht zukommt. Angelegt mit vielen fremdländischen Pflanzen und nach einem fragwürdigen Ordnungs- und Sauberkeitsprinzip intensiv gepflegt, werden diese Bereiche meist noch intensiver gedüngt und mit Bioziden behandelt als reine Agrarflächen. Sie sind daher als ökologische Ausgleichsflächen weitgehend wertlos.
 
 »Bereicherung« durch Floren- und Faunenverfälschung?
 
Regelmäßig ist darauf hingewiesen worden, dass es durch die Tätigkeit des Menschen nicht nur zur Gefährdung von Arten oder gar ihrer Ausrottung gekommen ist, sondern Menschen auch stets eine lokale Anreicherung mit fremden Arten bewirkt haben, einem Verlust also auch ein Gewinn gegenübersteht. Diese Argumentation ist völlig falsch und auch ziemlich gefährlich, denn sie zielt darauf hin, einen Prozess, an dem wir tagtäglich beteiligt sind, zu verharmlosen. Die Ausrottung einer Art ist ein unwiederbringlicher Vorgang, bei dem die entsprechenden Organismen ein für allemal für die gesamte Welt verloren gehen. Das bewusste oder unbewusste Verschleppen von Arten in Lebensräume, die diese Arten bisher noch nicht besiedelt haben, ändert hingegen vorerst am Arteninventar der Erde nichts. Diese verschleppten Arten gelangen jedoch, sofern sie sich zu etablieren vermögen, meist in Lebensräume, in denen sie ein zuvor ausbalanciertes Artengleichgewicht empfindlich stören können. Solche Störungen äußern sich beispielsweise in der Verdrängung einzelner Arten der einheimischen Flora oder Fauna, in Extremfällen können einheimische Arten auf diese Weise sogar ausgerottet werden. Eine Verschleppung von Arten in fremde Gebiete, die wir Floren- und Faunenverfälschung nennen, kann also die Ausrottung von Arten fördern beziehungsweise beschleunigen, auf keinen Fall jedoch kompensieren.
 
Die expansive Verbreitung des Menschen und seiner Siedlungen auf der Erde schuf Bedingungen für eine Großstadtflora und -fauna, die es heute vielen Arten ermöglicht, in weiten Bereichen der Erde synanthrop, also an den Menschen und seine Gebäude gebunden, vorzukommen. Zusätzlich kommt es durch die menschlichen Aktivitäten (Handel und Verkehr, Migrationen, Kolonisationen) zu einem ständigen Transport von Arten in andere Lebensräume. Zwar kann man schon davon ausgehen, dass der Großteil solcher Verschleppungen nicht zur Etablierung neuer Populationen führt. Angesichts des intensiven Kontakts zwischen fast allen Lebensräumen der Erde deutet dies aber dennoch die Möglichkeit von permanenten Neueinbürgerungen an. Hierdurch wird es zwangsläufig zu einer gewissen Homogenisierung des Artenbestands der Ökosysteme kommen. Es besteht also die Gefahr, dass langfristig und weltweit nur noch besonders anpassungsfähige Arten vorkommen werden. Als Folge der Homogenisierung werden die einheimische Fauna und Flora zum großen Teil in Restareale verdrängt oder gar aussterben, und unter den erfolgreichen Arten werden besonders viele sein, die wir aus landwirtschaftlicher oder medizinisch-hygienischer Sicht als Unkräuter, Schädlinge oder Krankheitserreger bezeichnen werden. Es muss also damit gerechnet werden, dass die weltweite Floren- und Faunenverfälschung sich nicht nur nachteilig auf die Struktur und Stabilität von Ökosystemen auswirkt, sondern darüber hinaus die landwirtschaftliche Produktion und damit die Ernährungssicherung einer wachsenden Menschheit und auch die Gesundheit der Menschen selbst gefährdet.
 
 Neophyten
 
Nicht einheimische Pflanzenarten, die in den letzten 500 Jahren zufällig oder absichtlich eingeschleppt und eingebürgert wurden, bezeichnen wir als Neophyten (Neubürger). In den vergangenen Jahrhunderten gab es eine mehr oder weniger konstante Rate von Einbürgerungen, die jedoch im letzten Jahrhundert sprunghaft anstieg. Inzwischen sind zu den ursprünglich rund 2100 einheimischen Blütenpflanzenarten 164 vor dem Mittelalter eingebürgerte Arten und anschließend noch einmal 253 Neophyten gekommen, sodass heute ein Anteil von 16 Prozent unserer Flora als ursprünglich nicht einheimisch bezeichnet werden kann. In ehemals abgelegeneren Gebieten kann dieser Anteil noch viel höher sein, so etwa in Kanada oder Neuseeland. Nach Kanada wurden vor allem durch die europäischen Siedler Hunderte europäischer Nutzpflanzen, Zierpflanzen und Unkräuter eingeschleppt, sodass dort heute 28 Prozent der Flora nicht einheimisch sind; in Neuseeland sind es sogar 47 Prozent.
 
Wenn wir in unsere Gärten und Parks schauen, sehen wir, dass das Potenzial von (eigentlich unerwünschten) Neubürgern noch viel größer sein kann. In Mitteleuropa werden rund 3600 Arten fremde, aber winterharte Freilandgehölze kultiviert, während es gerade 213 entsprechende einheimische Arten gibt. Die Zahl der bei uns kultivierten Zierpflanzen dürfte bei über 2000 liegen. Zum Glück können die meisten dieser Arten, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, sich ohne stete Pflege des Menschen nicht halten. Sie sind daher nicht in der Lage, einen lebensfähigen Freilandbestand aufzubauen, oder entfernen sich nicht aus dem menschlichen Siedlungsgebiet.
 
 Goldrute, Staudenknöterich und Riesenbärenklau
 
Als Problemunkräuter bezeichnen wir die Pflanzenarten, die (beispielsweise aus Gärten) in das Umland auswandern, sich gut gegen die einheimische Vegetation behaupten können und zu starken Beeinträchtigungen führen. Weltweit werden etwa 250 besonders problematische Arten aufgelistet, die zusammen einen jährlichen Schaden in der Größenordnung von über einer Milliarde DM verursachen. Die Kanadische Goldrute (insbesondere die Arten Solidago altissima und Solidago gigantea) verdrängt großflächig vor allem im Brachland die vorhandene Vegetation und bildet Reinbestände. In der oberrheinischen Tiefebene gibt es inzwischen riesige Gebiete, die nur noch aus Goldruten bestehen, und manches Naturschutzgebiet ist durch das aggressive Wachstum dieser Pflanze stark entwertet worden. In landwirtschaftlichen Kulturen, die im Frühjahr wärmebedürftig sind und daher erst ab Mai kräftig wachsen können (beispielsweise Mais und Zuckerrüben), sind Amaranth-Arten, die aus Amerika eingeschleppt wurden, ein solches Problem, dass sie mit Herbiziden bekämpft werden müssen, um einen Totalausfall der Kulturpflanze zu verhindern.
 
Der Japanische Staudenknöterich, und zwar die beiden Arten Reynoutria japonica und Reynoutria sachalinensis, breitet sich an Waldrändern und lichten Stellen aus, aber auch in feuchten Bereichen und an Fluss- und Bachläufen. In Süddeutschland sind inzwischen einzelne kleinere Flusstäler zum Teil komplett mit dieser aggressiv wachsenden Pflanze zugewachsen und die ursprüngliche Flussufervegetation wurde verdrängt. Da Reynoutria-Arten unter ihren großen Blättern keine Bodenbedeckung aufkommen lassen und Uferzonen schlecht durchwurzeln und befestigen, kommt es überall zu gewaltigen Abspülungen des Erdreichs.
 
Ähnliche Probleme verursacht der Riesenbärenklau Heracleum mantegazzianum, welcher im letzten Jahrhundert aus Abchasien im Kaukasus eingeschleppt wurde. Er verdrängt ebenfalls die ursprüngliche Vegetation, sodass erhöhte Erosionsgefahr besteht, und außerdem verändert er den Charakter unterschiedlicher Pflanzengemeinschaften, in die er eindringen kann. Da der Riesenbärenklau auch noch Substanzen produziert, die bei Hautkontakt und unter Sonnenbestrahlung zu großflächigen, verbrennungsartigen Hautverletzungen führen, ergibt sich bei zunehmender Verbreitung dieser Pflanzen für den Menschen darüber hinaus noch ein ernstes Gesundheitsproblem.
 
Die Liste der Pflanzen, die in unserer unmittelbaren Umgebung ohne unser Zutun und oft auch gegen unseren Willen verwildern, ist fast beliebig lang, und jeder kennt Beispiele aus seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Aus Nordamerika stammen Essigbaum (Rhus typhina), Robinie (Robinia pseudoacacia) und Platane (Platanus hybrida), aus Ostasien der Schmetterlingsflieder (Buddleia davidii) und der Flieder (Syringa vulgaris). Die aus China stammende Glycine (Wisteria sinensis) hat sich gelegentlich eingebürgert, und der ebenfalls aus China stammende Götterbaum (Ailanthus altissima) breitet sich vor allem in wärmebegünstigten Großstadtbereichen aus. Im Süden können meist aus Afrika stammende Akazien-Arten verwildern. Die meisten dieser Neophyten scheinen keine (erkennbaren) Nachteile oder gar Schäden zu verursachen, sodass wir sie vor allem aus ästhetischen Gründen als positiv einstufen.
 
 Mitunter helfen nur natürliche Fressfeinde
 
In einem mindestens genauso starken Ausmaß, wie Europa durch fremde Pflanzenarten überflutet wird, haben europäische Pflanzen in anderen Kontinenten Probleme und Schäden verursacht. Bekannt wurden die Brombeeren und Waldreben, die in Neuseeland riesige Flächen überwuchern und die Flächen dadurch jeglicher Nutzung entziehen, aber auch die einheimische Vegetation ersticken, wodurch bis heute ungelöste Probleme entstanden. Das europäische Johanniskraut (Hypericum perforatum) wurde nach Ostkanada verschleppt, wo es die Weideflächen mehrerer Staaten überwucherte. Wegen seiner zum Teil giftigen Inhaltsstoffe wird das Johanniskraut vom Vieh gemieden, sodass diese Flächen der Weidewirtschaft verloren gingen. Erst als aus Europa mehrere Blattkäfer, die an Johanniskraut leben und es recht stark zu dezimieren vermögen, nach Kanada nachimportiert wurden, konnten die riesigen mit Johanniskraut überwucherten Flächen langsam wieder für die Weidewirtschaft zurückgewonnen werden.
 
Ähnlich dramatisch verlief die Verbreitungsgeschichte der Opuntien. Diese an Trockenheit gut angepassten Kakteen kamen 1839 als Zierpflanzen von Mittelamerika nach Australien, wo sie innerhalb von 80 Jahren 24 Millionen Hektar überwiegend besten Weidelands, immerhin eine Fläche in der Größe der alten Bundesländer Deutschlands, völlig überwucherten. Der Schaden für die Viehwirtschaft Australiens war gewaltig, bis es 1925 gelang, aus der Heimat der Opuntien, Mexiko, einen dort verbreiteten Kleinschmetterling ebenfalls nach Australien einzuführen. Seine Raupen legten Fraßgänge in den Kakteen an, sodass nachfolgende bakterielle Fäulniserreger die Pflanzen zum Absterben brachten. In vergleichsweise wenigen Jahren war dann das Opuntienproblem beseitigt. Solche Beispiele gelten heute als Lehrbuchbeispiele für eine erfolgreiche biologische Unkrautkontrolle durch eine nachträgliche Einfuhr von natürlichen Fressfeinden aus dem Herkunftsgebiet des Problemunkrauts. Bei den vielen noch Schäden verursachenden Problemunkräutern hofft man heute, durch ähnlich wirksame Gegenspieler, das heißt importierte Fressfeinde, in den nächsten Jahren brauchbare Lösungen zu finden.
 
 Durch Verschleppung weltweit verbreitet
 
Besonders intensiv haben die Menschen bei ihrem geschäftigen Treiben rund um den Globus Tiere aktiv — absichtlich, beispielsweise als Nutz- und Haustiere — oder passiv — unbeabsichtigt, zum Beispiel im Gepäck oder im Ballast von Schiffen — über den Globus verteilt. In den menschlichen Siedlungen kommen heute weltweit Kellerasseln und Milben, bestimmte Spinnenarten, Silberfischchen und Staubläuse, verschiedene Schaben und Heimchen, Mehlkäfer und andere vorratsschädigende Käfer oder Motten, diverse Holzkäfer, Schmeißfliegen und Flöhe vor.
 
Unter den Säugetieren haben sich verschiedene Rattenarten besonders erfolgreich mit dem Menschen verbreiten können. Die aus Indochina stammende Hausratte (Rattus rattus) war vermutlich bereits in vorgeschichtlicher Zeit weltweit verbreitet und hat beispielsweise im Mittelalter zur Verbreitung der Pest in Europa maßgeblich beigetragen; der Pesterreger Yersinia pestis, ein Bakterium, lebt in Flöhen, die vor allem durch Ratten verbreitet werden. Erst in den letzten Jahrhunderten wurde speziell in Europa diese Art, die auf das Innere von Gebäuden und trockene Bereiche angewiesen ist, vermutlich durch bauliche und hygienische Maßnahmen bedingt, relativ selten. Gleichzeitig breitete sich jedoch die Wanderratte (Rattus norwegicus) vermutlich aus Südchina weltweit aus. Die Wanderratte ist deutlich anpassungsfähiger als die Hausratte und lebt beispielsweise auch auf Müllhalden und in der Kanalisation. Die Kulturlandschaft des Menschen, vor allem aber die Siedlungsbereiche, sind für diese Art ein geradezu idealer Lebensraum. Ratten haben daher bis heute trotz ständiger Bekämpfungsaktionen weltweit stetig zugenommen: Die Umwelt wird für sie immer geeigneter. An Holz- und Kunststoffverkleidungen, Verpackungen, Kabeln und anderen Gegenständen richten sie durch ihre Nagetätigkeit einen kaum zu beziffernden Schaden an. Zusätzlich vernichten sie durch Fraß oder Verschmutzung menschliche Nahrungsmittel, die für jährlich rund 200 Millionen Menschen ausreichen würden.
 
 Manche Neubürger entpuppen sich als gefährliche Schädlinge
 
Ein weiteres Beispiel von Tierverschleppung mit besonders gravierenden Auswirkungen stellt eine ursprünglich auf Australien beschränkte Schildlaus dar, die jetzt seit 100 Jahren weltweit verbreitet ist und Zitruskulturen so sehr schädigt, dass die Bäume ganzer Landstriche absterben. Auch der ursprünglich in Europa beheimatete Kohlweißling lebt heute in vielen Teilen der Welt. Seine Raupen leben von Kohl, und er ist mehr oder weniger überall dahin verbreitet worden, wo Kohl angebaut wird, unter anderem nach Nordamerika, Hawaii, Australien und China.
 
Zum Zweck wissenschaftlicher Untersuchungen wurden um die Jahrhundertwende einige Schwammspinner in die USA gebracht, wo sie aus dem Labor entkamen und sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem der gefürchtetsten Forstschädlinge Nordamerikas entwickelten. Einen starken Schaden erlitt die europäische Bienenzucht, die seit den 1970er-Jahren durch die Bienenmilbe Varroa jacobsoni stark beeinträchtigt wird. Diese schmarotzende Milbe war zuvor durch Züchter und wissenschaftlichen Austausch von Indien über die damalige Sowjetunion nach Westeuropa gelangt. Im Getreideanbau Nord- und Südamerikas sind heute die Hessenmücke, der Getreideblattkäfer und eine Getreidehalmwespe bedeutende Schädlinge. In diesen Beispielen stammen die Tiere ursprünglich allesamt aus Europa und richten in Übersee großen Schaden an. Es gibt aber auch Beispiele für viele andere Verschleppungsrichtungen und Verbreitungswege. So gelangte 1891 mit Kaffeetransporten die gefährliche argentinische Feuerameise in die nordamerikanischen Südstaaten, von wo aus sie weitere große Gebiete besiedelte. Das in Südamerika weit verbreitete, oft tödlich verlaufende Gelbfieber kam ursprünglich mit Sklaventransporten aus Westafrika.
 
 Australiens Kampf gegen die Kaninchenplage
 
Das wohl bekannteste Beispiel für die absichtliche weltweite Verschleppung einer Art ist das europäische Kaninchen, das die europäischen Kolonialisten überallhin mitnahmen. Als Haustier entkam es den Käfigen und als Jagdwild wurde es gezielt ausgesetzt. So gelangten 1859 zwei Dutzend dieser Tiere nach Australien, weil ehemalige englische Auswanderer dort auf die traditionelle Kaninchenjagd nicht verzichten wollten. Da es zuvor auf diesem Kontinent aber nie Kaninchen gegeben hatte, hatten die Tiere keinerlei echte Feinde und vermehrten sich in atemberaubender Geschwindigkeit. Große Gebiete wurden verwüstet und unfruchtbar, weil die Nager alle Pflanzen gefressen und den Boden unterhöhlt hatten. Nachdem die Hälfte des Kontinents besiedelt war, führte man erst europäische Füchse ein, dann Wiesel und Marder, die es aber allesamt vorzogen, die einheimischen Beuteltiere, Vögel und Reptilien zu jagen, und einige von ihnen fast ausrotteten. Berühmt wurden gewaltige Zaunanlagen mit einer Gesamtlänge von 11 000 Kilometer, mit denen man vergeblich versuchte, das noch kaninchenfreie Gebiet sicher abzutrennen. Intensive Bejagung führte zu keiner spürbaren Reduktion der Plage, obwohl über Jahre hinweg bis zu 80 Millionen Felle und eingefrorene Körper jährlich exportiert wurden. 1950 versuchte man es mit biologischer Kriegführung und infizierte die Wildbestände mit dem Myxomatose-Virus, das verheerend unter den Tieren wütete. Obwohl der größte Teil der Tiere an dieser Infektion starb, wurden sie dennoch nie ganz ausgerottet. Überlebende Tiere erholten sich rasch und verbreiteten sich erneut. Resistenz gegen die Krankheit entstand, sodass heute diese Krankheit für Kaninchen keine besondere Gefahr mehr darstellt. Nach verschiedenen anderen Versuchen, die allesamt wenig erfolgreich waren, wurden 1995 Calici-Viren, ebenfalls tödlich für Kaninchen, auf ihre Eignung zur Kaninchenbekämpfung untersucht. Es kam zu einer unbeabsichtigten Freisetzung, da die Viren versehentlich aus einer Quarantänestation verbreitet wurden. Seitdem sind bereits einige Millionen Kaninchen gestorben, es muss jedoch abgewartet werden, ob wieder Resistenz auftaucht.
 
 Die Förderung einzelner Tier- und Pflanzenarten belastet den Naturhaushalt zusätzlich
 
Genauso wenig wie die »Bereicherung« von Lebensräumen durch absichtlich oder zufällig eingeführte zusätzliche Arten den durch den Menschen verursachten Artenschwund kompensiert, kann die Förderung einzelner Arten die verminderte Artendiversität wieder herstellen. Die unbeabsichtigte oder gezielte Förderung einzelner Arten als Haus- und Nutztiere beziehungsweise -pflanzen als Kulturfolger oder als Jagdwild bewirkt in der Regel lediglich eine zusätzliche Belastung des Naturhaushalts mit an den Menschen besonders gut angepassten Arten. Diese führen über Verdrängung der vorhandenen Arten zu einem weiteren Artenschwund in der Natur und gleichzeitig zu einer weiteren Homogenisierung der Ökosysteme.
 
Der Mensch hat seine wichtigsten Nutztiere inzwischen weltweit verbreitet. Hühner, Rinder und Schafe sind mit Abstand am häufigsten und kommen in Milliardenzahl vor. Diese immensen Mengen verursachen vielfältige Nebenwirkungen. Kot und Urin aus der Massentierhaltung führen zu Entsorgungsproblemen und Eutrophierung von Gewässern, Methan aus der Rinderzucht ist ein bedeutendes Klimagas (Treibhauseffekt). Vor allem Rinder, Schafe und Ziegen zerstören bei extensiver Freilandhaltung viele Lebensräume, bei intensiver Stallhaltung verbreiten sich trotz strenger Hygienevorschriften immer wieder Seuchen, die wie BSE auch für den Menschen gefährlich werden können.
 
 Verwildernde Haustiere können verheerende Schäden anrichten
 
Viele heute vegetationslose und verkarstete Flächen zeugen im Mittelmeerraum von jahrhundertelanger Übernutzung, die oft schon vor Jahrtausenden anfing. Meist begann eine verhängnisvolle Entwicklung mit der Abholzung von Wäldern, im Römischen Reich etwa um Schiffe für die Flotten oder — später — Paläste für Venedig zu bauen. Das Nachwachsen der Wälder wurde verhindert, weil Ziegen das Buschwerk abfraßen und Regenfälle das Erdreich abspülten. Heute noch treiben Nomaden ihre Herden regelmäßig über die kahlen Hänge und verhindern so eine Erholung der Vegetation. Ähnlich verhalten sich Ziegen auf unzähligen ozeanischen Inseln, wo sie freigelassen wurden, um zukünftig vorbeikommenden Schiffen als Proviant zur Verfügung zu stehen. Meist hat die einheimische Vegetation stark unter diesen gefräßigen Tieren gelitten, oft genug wurde auch die Lebensgrundlage der dortigen Tierwelt existentiell eingeschränkt. Auf den Galápagos-Inseln beispielsweise ist ein konsequenter Schutz der Galápagos-Schildkröten, anderer Tierarten und einer zum Teil einmaligen Vegetation nur möglich, wenn die gewaltige Zahl verwilderter Ziegen ausgeschaltet werden kann. Wegen der Größe und Unzugänglichkeit der Gebiete ist dies aber mit einem gewaltigen Aufwand verbunden und wegen fehlender finanzieller Mittel erst auf wenigen, kleinen Inseln gelungen.
 
In Australien wurden Pferde, Esel, Dromedare und Wasserbüffel ursprünglich als Haustiere eingeführt, sind aber schnell verwildert. In Neuseeland rotteten europäische Hauskatzen, die rasch verwilderten und sich überall verbreiteten, mindestens fünf Vogelarten aus. Auch nach Europa wurden immer wieder »exotische« Haustiere importiert. Wasserbüffel aus Asien, Strauße aus Afrika, Bisons aus Nordamerika und Lamas aus dem andinen Südamerika sind Beispiele für Versuche, andernorts erfolgreiche Nutztiere auch hier in die Viehzucht einzuführen.
 
 Der Wunsch nach exotischen Haustieren
 
Im Unterschied zu den eigentlichen Nutztieren begleiten Haustiere die Menschen auch in die Ballungszentren der Großstädte. Ja es scheint sogar so zu sein, dass wir uns umso mehr Wildtiere in unsere Wohnungen nehmen, je naturferner unsere direkte Umgebung ist. Hieraus resultieren Gefahren für die Tiere selbst, gegebenenfalls für ihren Herkunftslebensraum und für die Menschen und ihre Umgebung. Etwa in jedem zweiten Haushalt Mitteleuropas gibt es Haustiere und am beliebtesten sind — etwa in dieser Reihenfolge — Hunde, Wellensittiche, Katzen, Singvögel und Papageien, Hamster, Meerschweinchen und andere Nagetiere, Schildkröten und Fische. Daneben werden aber auch viele ungewöhnliche Tiere gehalten, vor allem Exoten, so beispielsweise unterschiedliche Eidechsen, Leguane, Krokodile, Schlangen, Wildkatzen, Affen, Kleinbären, Frösche, Vogelspinnen, Skorpione. Leider finden es manche chic, besonders gefährliche oder giftige Tiere zu halten. Seltenheit ist ein ähnlich dubioses Kriterium für die Beliebtheit eines Tiers, welches dazu führen kann, dass die Roten Listen beziehungsweise die Anhanglisten im Washingtoner Artenschutzübereinkommen leicht als Einkaufsliste missbraucht werden können. Über den Handel ist fast alles lieferbar, was gewünscht wird. Das bedeutet aber auch, dass fast alles im Freiland gefangen wird, was gewünscht wird beziehungsweise verkauft werden kann. Hieraus ergibt sich bei entsprechender Nachfrage ein großer Druck auf die Freilandpopulationen, die oft genug arg dezimiert oder lokal sogar ausgerottet werden. Man darf nicht vergessen, dass in vielen Fällen durch Wildfang und Transport auf jedes lebend verkaufte Tier ein Mehrfaches an toten Tieren kommt. Wenn dann auch noch die Lebensdauer in Gefangenschaft kurz ist, beispielsweise wegen zu komplizierter Haltungsbedingungen, ist eine permanente Ausplünderung des ursprünglichen Lebensraums vorprogrammiert. Tierfang, Tierhandel und viele Tierhalter tragen also deutlich zum Verschwinden vieler Arten im Freiland bei!
 
Für viele Tiere ist ihr Gefangenschaftsdasein eine Qual und sie sterben mehr oder weniger schnell dahin. Lediglich ihrer sehr robusten Konstitution ist es oft zu verdanken, dass Vogelspinnen oder Schildkröten erst nach mehreren Jahren sterben, obwohl sie nie artgerecht gehalten wurden. Für höher stehende Tiere wie Vögel und Säugetiere kann die Gefangenschaft im wahrsten Sinn des Worts todlangweilig sein, wenn ihnen sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten fehlen. Dies gilt in besonderem Maß, wenn es sich um sozial lebende Tiere handelt, denen ihr Familienverband fehlt. In den Fällen, in denen sich einzelne Arten gut an den Menschen anpassen und sich gut fortpflanzen, kann ihnen die Experimentierfreudigkeit des Menschen zum Verhängnis werden, der sie in Zuchtrichtungen drängt, die unter natürlichen Bedingungen nicht stattfinden würden, ja hinderlich wären. Hierunter fallen Hunderassen, die unter Skelettdeformationen und Arthrose leiden (beispielsweise Boxer), Tauben, die nicht mehr richtig fliegen können (Tümmler) oder Schnabeldeformationen aufweisen, sodass sie kaum noch fressen können. Solche Extremzüchtungen (Krüppelzüchtungen) entsprechen hingegen leider oft einem krankhaften züchterischen Rassenideal und werden prämiert.
 
 Die Liebe zur Jagd treibt seltsame Blüten
 
Prinzipiell wird Jagdwild bejagt, also getötet. Damit aber immer genügend Wild verfügbar ist, gilt die Hauptsorge jedes Jägers der Förderung hoher Wildbestände beispielsweise durch ein geregeltes System von Jagd- und Schonzeiten, bei Bedarf auch durch Winterfütterung, Käfignachzucht und Aussetzen von neuen Tieren. Diese »geregelte Jagd« hat in Mitteleuropa fast überall zu stark überhöhten Beständen geführt, die zwar die Jagd an sich lohnend machen, jedoch auch starke Schäden durch Verbiss am Wald bewirken. Während die natürliche Wilddichte beispielsweise bei ein bis zwei Rehen pro 100 Hektar Wald liegt, kommen in den meisten mitteleuropäischen Wäldern fünf- bis zehnfach überhöhte Dichten vor. Durch permanenten Verbiss verhindern diese viel zu vielen Tiere eine Naturverjüngung der Wälder, sodass keine artenreichen und naturnahen Wälder mehr entstehen können. Es gab vermutlich noch nie so viel Wild in Mitteleuropa wie heute.
 
Die sehr einseitige Liebe zum Wild hat immer wieder dazu geführt, dass neue, jagdbare Tiere von andernorts eingeführt wurden oder europäische Aussiedler ihr aus Europa gewohntes Wild fast weltweit mitnahmen. Die ursprünglich asiatischen Fasane werden seit römischen Zeiten überall in Europa immer wieder neu ausgesetzt, da sie strenge europäische Winter nicht überleben, die Jäger sie aber offensichtlich nicht missen wollen. Um die Jahrhundertwende wurde aus Japan der Sikahirsch eingeführt, weil sein Geweih besonders schön ist. Das korsische Mufflon, ein Wildschaf, wurde etwa zur gleichen Zeit in Deutschland ausgesetzt und mit dem Hausschaf gekreuzt, um eine attraktivere Jagdtrophäe, ein imposanteres Gehörn, zu erhalten. Nordamerikanische Waschbären sind aus deutschen Pelztierfarmen entwichen, haben sich dann aber so gut vermehrt, dass sie heute in vielen Regionen zum Jagdwild zählen.
 
Die Auswirkungen der Kaninchen auf Australien sind schon beschrieben worden. Darüberhinaus leben dort heute noch europäische Wildschweine und sechs verschiedene Hirscharten. In Neuseeland kommen heute neben dem europäischen Wildschwein auch Gämsen und Elche vor, zudem europäische Rothirsche und Damwild, indische Axishirsche, südasiatische Sambarhirsche, ostasiatische Sikahirsche sowie nordamerikanische Wapiti und Virginiahirsche. Im Unterschied zu solch einer möglichst gleichmäßigen Verteilung weniger als geeignet erscheinender Jagdtiere, die sich dann in den nicht mit ihnen entstandenen Lebensräumen oft sehr nachteilig auswirken, hat sich die Nutzung einiger einheimischer Großsäuger in Freiland- oder Halbfreilandhaltung durchaus bewährt. Ein solches »game farming« gilt auch als ernst zu nehmende Alternative zum Import europäischer Hochleistungsnutztiere, wie etwa von Kühen, in tropische Lebensräume.
 
 Auch die Nachfrage nach Versuchstieren gefährdet Freilandbestände
 
Versuchstiere werden in modernen Industriestaaten in großer Zahl benötigt; sie werden »verbraucht« und daher auch zahlreich produziert. Vor allem bei den heute überwiegend verwendeten Mäusen, Ratten, Meerschweinchen und Kaninchen handelt es sich inzwischen um echte Haustiere, die so selektiv gezüchtet wurden, dass sie kaum noch Ähnlichkeit mit den Wildformen haben. Daneben werden, wenn auch mit abnehmender Tendenz, auch Wildtiere eingesetzt. Neben Amphibien und Reptilien sind dies vor allem verschiedene Säugetiere, unter ihnen mehrere Affenarten. Da gerade unter ihnen viele Arten sind, die sich nicht oder nur schwer in Gefangenschaft vermehren, hat der Bedarf an diesen Versuchstieren zu einem zusätzlichen Druck auf die Wildbestände geführt. Beispielsweise galten und gelten Schimpansen wegen ihrer großen Ähnlichkeit zum Menschen als für die biomedizinische Forschung unersetzbar. Versuchen mit diesem uns nächst verwandten Menschenaffen verdanken wir beispielsweise die Nierendialyse und das künstliche Herz. Derzeit sind Schimpansen für die Aidsforschung als unverzichtbar erklärt, sodass angesichts ihrer problematischen Gefangenschaftszucht erneut die ohnehin stark verkleinerten Freilandbestände gefährdet sind.
 
 Artenschwund in der Landwirtschaft
 
Im landwirtschaftlichen Bereich laufen in diesem Jahrhundert komplexe Prozesse ab, die sich überwiegend nachteilig für die Artenfülle der gesamten Kulturlandschaft auswirken. Einerseits werden ausgewählte Kulturpflanzen auf großen Flächen angebaut und somit durch den Menschen in ihrer Verbreitung massiv gefördert. Andererseits wird die Naturlandschaft aber hierdurch zurückgedrängt und zumindest regional ernsthaft in ihrem Bestand gefährdet. Nutzpflanzen werden also auf Kosten der ursprünglichen Flora verbreitet, wodurch die Vegetation insgesamt verarmt.
 
Aber auch innerhalb der Kulturfläche hat eine einschneidende Veränderung stattgefunden, denn die Zahl der in Mitteleuropa kultivierten Nutzpflanzen nahm nach einem Maximum im letzten Jahrhundert stetig ab. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts wurde unter dem Druck zunehmender Nahrungsknappheit die Viehhaltung immer mehr in die Ställe verlagert, sodass weniger Weideflächen benötigt wurden, die nun zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion genutzt werden konnten. Das bis dahin obligate dritte Brachejahr der klassischen Dreifelderwirtschaft entfiel. Neue Nutzpflanzen wie die Kartoffel aus dem andinen Amerika verbreiteten sich, aber auch Mais, Zuckerrüben und Sonnenblumen. Vom Futterpflanzenanbau wurden weiße und gelbe Lupine, Rotklee und Luzerne entdeckt. Wahrscheinlich war die Vielfalt an Kulturpflanzen in Mitteleuropa nie größer als im letzten Jahrhundert.
 
 Die Verarmung an Sorten führt zu »genetischer Erosion«
 
Aus ganz unterschiedlichen Gründen, die aber alle mit der Industrialisierung unserer Landwirtschaft zusammenhängen, verschwand in diesem Jahrhundert der Anbau »Arme-Leute-Nahrung« wie Buchweizen und Kohlrüben, von Faserpflanzen (Hanf und Flachs), von Ölfrüchten (Mohn, Lein, Hanf) und von einzelnen Futterpflanzen (Wicken, Lupinen, Serradella). Übrig bleibt seit einigen Jahrzehnten nur noch eine monotone Agrarlandschaft, in der Getreide, Zuckerrüben und Mais vorherrschen.
 
Darüber hinaus werden von einer Nutzpflanzenart immer weniger Sorten angebaut. Dies hat zur Folge, dass zunehmend größere Bereiche mit einer einzigen Sorte — und damit genetisch einheitlichem Material — angepflanzt werden. Schädlinge oder Krankheitserreger, die sich dann zu etablieren vermögen, können sich schier unbegrenzt verbreiten und immensen Schaden anrichten. Heute erfolgt beispielsweise auf rund 90 Prozent der Getreideflächen der Anbau von jeweils nur drei oder vier Sorten, während Hunderte andere Sorten nicht mehr genutzt oder vergessen werden und verschwinden. Hierdurch geht auch ihre genetische Information verloren, das heißt, die genetische Basis der betreffenden Kulturart wird schmaler. In diesem Zusammenhang wird daher auch gerne von genetischer Erosion gesprochen.
 
 »Neue« Nutzpflanzen als Lieferanten nachwachsender Rohstoffe
 
Der quasi gegenläufige Prozess von allerdings deutlich geringerer Intensität findet derzeit in Form einer gewissen Rückbesinnung auf die ehemals vielfältigen Funktionen der Landwirtschaft statt, von der ja fast nur noch Nahrungs- und Futtermittelproduktion übrig blieb. So wird inzwischen vielerorts versucht, beispielsweise die vergessenen Faserpflanzen (wie Hanf oder Lein) oder Ölpflanzen — neben Raps und Sonnenblumen auch Lein, Mohn, Leindotter, Ölrettich und andere — und auch Energiepflanzen — neben Holzlieferanten auch Chinaschilf, ölhaltige Pflanzen oder Biomasseproduzenten, die über Vergärung Alkohol oder Biogas liefern — wieder anzubauen. Da hier versucht wird, eine Alternative zum Verbrauch der begrenzten fossilen Energieträger wie Erdöl zu finden, spricht man auch von der Nutzung nachwachsender Rohstoffpflanzen. Eine konsequente Ausweitung entsprechender Programme könnte somit zu einer gewissen Anhebung des Artenreichtums in der Agrarlandschaft führen und damit ein wenig die früheren Verluste kompensieren.
 
Prof. Dr. Wolfgang Nentwig
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Artensterben und Artenschutz
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Artenschutzkonzept und Wiedereinbürgerung
 
Literatur:
 
Ende der biologischen Vielfalt? Der Verlust an Arten, Genen und Lebensräumen und die Chancen für eine Umkehr, herausgegeben von Edward O. Wilson. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1992.
 Korneck, Dieter / Sukopp, Herbert: Rote Liste der in der Bundesrepublik Deutschland ausgestorbenen, verschollenen und gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen und ihre Auswertung für den Arten- und Biotopschutz. Bonn-Bad Godesberg 1988.
 
Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands, bearbeitet vom Bundesamt für Naturschutz. Bonn-Bad Godesberg 1998.


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