Значение слова "CHEMIENOBELPREIS 1977: ILYA PRIGOGINE" найдено в 1 источнике

CHEMIENOBELPREIS 1977: ILYA PRIGOGINE

найдено в "Universal-Lexicon"

Chemienobelpreis 1977: Ilya Prigogine
 
Der belgische Wissenschaftler erhielt den Nobelpreis für »seinen Beitrag zur Ungleichgewichtsthermodynamik, insbesondere zur Theorie dissipativer Strukturen«.
 
 Biografie
 
Ilya Prigogine, * Moskau 25. 1. 1917; Studium der Physik und Chemie in Brüssel, 1941 Promotion, ab 1947 Professor an der Université Libre de Bruxelles, ab 1979 weitere Professur an der University of Texas in Austin, zahlreiche theoretische Arbeiten zur Ungleichgewichtsthermodynamik nichtlinearer Systeme, entdeckte die Dissipationsstrukturen, veröffentlichte Schriften über Naturphilosophie (»Dialog mit der Natur«).
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Ilya Prigogine wurde 1917 in Moskau geboren. 1921 verließ die Familie die Sowjetunion, lebte zunächst in Litauen, dann in Berlin und siedelte 1929 nach Brüssel über.
 
Charakteristisch für Prigogine ist seine Neigung, aus naturwissenschaftlichen Ergebnissen Konsequenzen für die Naturphilosophie zu ziehen.Sein großes Thema war die Zeit. Bereits als Jugendlicher las er philosophische Autoren, wobei ihn Henri Bergson (Nobelpreis für Literatur 1927) besonders beeindruckte. Ihm verdankte er wichtige Anregungen für seine spätere Kritik am Zeitbegriff der klassischen Mechanik. Dass Prigogine trotz seiner humanistischen Interessen Naturwissenschaften studierte, ist dem Umstand zu verdanken, dass mit Théophile De Donder und Jean Timmermans in Brüssel zwei Wissenschaftler über Thermodynamik arbeiteten, das Gebiet also, auf dem mit dem Entropiebegriff die Ideen der Unumkehrbarkeit und des Zeitpfeils in die Physik eingeführt wurden.
 
 Die Paradoxien der Zeit
 
Es sind im Wesentlichen zwei Paradoxien der Zeit, die Prigogine in seinen Büchern immer wieder aufgriff: In der klassischen Mechanik werden alle Veränderungen als grundsätzlich umkehrbar betrachtet. Besitzt man eine vollständige Beschreibung des augenblicklichen Zustands eines Systems durch Positionen und Geschwindigkeiten und kennt man das Gesetz der Veränderung, so lassen sich daraus theoretisch alle vergangenen und zukünftigen Zustände berechnen. »Zukunft und Vergangenheit«, kritisierte Prigogine, »haben in der Dynamik eine genau äquivalente Bedeutung, nämlich überhaupt keine.« Ein derartiger Zeitbegriff steht nicht nur in eklatantem Widerspruch zur Alltagserfahrung, sondern auch zu den wissenschaftlichen Kenntnissen über materieverändernde Prozesse wie chemische Reaktionen, Konvektion oder radioaktiven Zerfall.
 
Die zweite Paradoxie betraf den Entropiebegriff der Thermodynamik: Nach der klassischen Interpretation des deutschen Physikers Rudolf Clausius stellt die Entropie diejenige bei Arbeit-Wärme-Transformationen anfallende Wärmemenge dar, die nicht mehr spontan in mechanische Arbeit verwandelt wird. Dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zufolge ist jeder in einem abgeschlossenen System ablaufende Prozess mit einer Zunahme an Entropie verbunden. Nach Clausius' Erweiterung des zweiten Hauptsatzes auf kosmologische Dimensionen entstand die Idee vom »Wärmetod« des Weltalls.
 
Der österreichische Physiker Ludwig Boltzmann formulierte in den 1870er-Jahren eine Gleichung, die die Entropie mit der mikroskopischen Ebene der Atome und Moleküle verknüpfte. Der Zustand maximaler Entropie war demzufolge der Zustand maximaler Wahrscheinlichkeit und maximaler Unordnung.
 
Prigogine fiel früh das Missverhältnis zwischen dem Zeitpfeil der Physik und dem der Biologie und der historischen Wissenschaften auf. Sahen die Physiker in der Unumkehrbahrkeit Zerfall, den Verlust von Ordnung und nützlicher Energie, so entdeckten Biologen und Historiker in Evolution und Geschichte Kreativität, Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen und die Ausbildung hochorganisierter Systeme. In diesen unterschiedlichen Zeitbegriffen sah Prigogine die Wurzel der Spaltung zwischen den zwei Kulturen der Natur- und der Humanwissenschaften.
 
 Dissipative Strukturen
 
Sowohl die in der klassischen Mechanik beschriebenen umkehrbaren als auch die in der Thermodynamik beschriebenen, in abgeschlossenen Systemen auf einen stabilen Gleichgewichtszustand zustrebenden, unumkehrbaren Prozesse stellen nur in Ausnahmefällen sinnvolle Idealisierungen dar. Für Prigogine bildeten die chemischen Reaktionen den Prototyp unumkehrbarer Veränderungen. Vor allem autokatalytische Reaktionen, in denen ein Produkt seine eigene Synthese beschleunigt, und den in der Biologie sehr bedeutsamen Reaktionstyp der wechselseitigen Katalyse, zum Beispiel nach dem Schema 2X + Y → 3X; B + X → Y + D, wählte er zum Gegenstand eingehender Studien. Derartige Reaktionen folgen komplizierten, nichtlinearen Geschwindigkeitsgesetzen; in lebenden Systemen sind sie die Regel.
 
Die chemischen Reaktionen der Stoffwechselaktivität biologischer Systeme verlaufen unter Bedingungen, die weitab vom thermodynamischen Gleichgewicht liegen. Es handelt sich um offene Systeme, die ständig Energie aufnehmen und abführen. Das traditionelle Modell des isolierten Systems konnte hier keine Anwendung finden. In offenen Systemen können sich stabile, stationäre Zustände ausbilden, die komplexe, hochgeordnete Strukturen zeigen. Prigogine prägte hierfür den Begriff der dissipativen Struktur. Dissipative Strukturen stellen eine Form von supramolekularer Selbstorganisation dar, das heißt, die Parameter, durch die sie beschrieben werden können, lassen sich nicht aus den Eigenschaften der Moleküle ableiten. Sie werden vielmehr durch makroskopische Nichtgleichgewichtsbedingungen hervorgebracht und dementsprechend durch makroskopische Parameter beschrieben.
 
Prigogine und seine Mitarbeiter untersuchten als Modell eine Reaktion des oben genannten Schemas. Amerikanische Kollegen verliehen ihm den Spitznamen »Brüsselator«. Eine Reaktion dieses Typs zeigte ein völlig neuartiges Verhalten, wenn im Verhältnis der eingesetzten Ausgangsstoffe A und B eine bestimmte Schwelle überschritten wurde. Sie strebte nicht einem stationären Zustand zu, sondern entwickelte einen Zyklus: Die Konzentrationen von X und Y oszillierten mit einer wohldefinierten Periode. Jenseits der kritischen Schwelle mündete das System unabhängig von den Anfangsbedingungen in diesen Zyklus. Das Phänomen der Oszillation, das sich zum Beispiel in einem periodischen Farbenwechsel zeigen kann, deutet auf eine »Kommunikation« der Moleküle hin. Das System agiert als Ganzes. Eine solche Form von Kommunikation beziehungsweise organisiertem Verhalten auf mikroskopischer Ebene ist ein Merkmal dissipativer Strukturen. Es zeigt sich auch in der turbulenten Strömung von Flüssigkeiten oder den Bénardschen Konvektionszellen, die sich in Flüssigkeiten mit sehr hohem Wärmegefälle ausbilden.
 
 Verzweigungskaskaden
 
Prigogine stellte fest, dass Ungleichgewichtssysteme so genannte Verzweigungspunkte aufweisen können. Sie kennzeichnen Zustände, von denen aus ein System sich in verschiedene Richtungen entwickeln kann. Dies können zum Beispiel zwei oder mehrere verschiedene stabile oder instabile stationäre Zustände sein. Welchen Weg das System wählen wird, scheint nach heutiger Kenntnis völlig dem Zufall überlassen. Es ist möglich, dass ein System eine große Zahl von Verzweigungspunkten besitzt. Es können dann viele verschiedene Wege durchlaufen werden. Welcher Zustand im Endeffekt erreicht wird, hängt nunmehr von seiner »Geschichte« ab. Als wichtige Konsequenz seiner Entdeckungen ergab sich für Prigogine die Absage an eine Naturphilosophie, die das Universum im Wesentlichen als tot und das Leben als höchst unwahrscheinliche Randerscheinung des Naturgeschehens auffasste. Er betonte immer wieder, dass das Hervorbringen von Leben der Natur innewohnt.
 
J. Berger


T: 48