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DEUTSCHE LITERATUR IM SPÄTEN MITTELALTER: HERBST DES MITTELALTERS, FRÜHLING DER NEUZEIT

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deutsche Literatur im späten Mittelalter: Herbst des Mittelalters, Frühling der Neuzeit
 
Das zeitlich schwer abzugrenzende Spätmittelalter war weniger eine Phase des Niedergangs als des Übergangs und Neubeginns. Ab dem 13. Jahrhundert wächst die volkssprachliche Textproduktion ins Unüberschaubare, erweitert und transformiert das vorhandene Gattungsrepertoire und erschließt völlig neue Themenbereiche und Publikumsschichten. Als paradigmatisch kann die Lyrik angesehen werden, wo Neidharts von Reuental gegenhöfisches Modell, die Transponierung der Minne ins bäuerliche Milieu, so erfolgreich war, dass man später auch viele fremde Lieder unter seinem Namen überlieferte. Daneben wurde auch der höfische Minnesang weiter gepflegt, wobei sich neben der epigonalen Nachahmung der »Klassiker« und diversen Experimenten, zum Beispiel die Einbettung der Lieder in Ulrichs von Lichtenstein fiktive Autobiographie »Frauendienst«, als Haupttendenz eine rhetorisch-stilistische Verfeinerung abzeichnete, die im formalen Virtuosentum Heinrichs von Meißen, genannt Frauenlob, ihren Höhepunkt erreichte. Die schon bei Walther von der Vogelweide beginnende »Grenzüberschreitung« vom Minnesang zur Spruchdichtung und die Erweiterung des Themen- und Gattungsspektrums, vor allem um das religiöse Element, sind ebenso typisch für die spätmittelalterliche Lyrik wie der stark lehrhafte Ton und das Verständnis von Kunst als göttlich inspiriertem, aber erlernbarem und berufsmäßig ausgeübtem Können und Wissen - ein Ideal, an das vom 15. Jahrhundert an der von städtischen Handwerkern getragene Meistersang anknüpfte. Neben den von Gönnern abhängigen Berufsdichtern gab es aber auch eine Reihe »freischaffender« Lyriker, unter denen der Südtiroler Adlige Oswald von Wolkenstein herausragt. Außergewöhnlich sind nicht nur die von ihm selbst veranlassten Handschriften, sondern auch die sprachliche und musikalische Qualität seiner Lieder. Die durch reiches Urkundenmaterial belegbaren historisch-biographischen Bezüge erscheinen dabei zum Teil ungewöhnlich realistisch, sehr oft, wie etwa in seinen »Gefangenschaftsliedern«, aber auch stilisiert und verfremdet.
 
Im Bereich der weltlichen Großerzählung führte das Spätmittelalter die im 12. Jahrhundert begonnenen Gattungs- und Stofftraditionen weiter. Ältere Texte erfuhren im 13. Jahrhundert höfisierende Neubearbeitungen, wie zum Beispiel der »Alexander« des Rudolf von Ems oder des Ulrich von Eschenbach und der »Trojanerkrieg« des Konrad von Würzburg sowie das »Rolandslied« des Strickers. Neu ist nun aber eine Tendenz zur Erweiterung, Vervollständigung und Zusammenfassung von Werken und Stoffen im 13. Jahrhundert. Ulrich von dem Türlin ergänzte Wolframs »Willehalm« durch eine Vorgeschichte. Ulrich von Türheim führte ihn in seinem »Rennewart« zu Ende; er bearbeitete und vollendete ebenfallsGottfrieds »Tristan«. Der »Parzival« bildete, gemeinsam mit den beiden »Titurel«-Fragmenten Wolframs, die Grundlage für den groß angelegten »Jüngeren Titurel«, den ein Dichter namens Albrecht verfasste.
 
Auch der Artusstoff bot sich seit jeher für Erweiterungen und Neudeutungen an. Es entstanden Aventiureromane um bisherige Nebenfiguren, zum Beispiel steht der Artusritter Gawan im Mittelpunkt von Heinrichs von dem Türlin »Der aventiure crône«. Oder es wurden neue Helden eingeführt, wie zum Beispiel im »Wigalois« des Wirnt von Grafenberg oder im »Daniel vom blühenden Tal« des Strickers. Weiterhin existierte die Form einer in die Historie reintegrierten Zusammenfassung des Stoffes wie im »Prosa-Lanzelot« aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, dessen pessimistische Botschaft zeitgenössische Endzeiterwartungen wiederzuspiegeln schien. Wichtigste Neuerung der spätmittelalterlichen Erzähldichtung ist wohl das »Märe«, zu dessen ersten namentlich bekannten Vertretern Der Stricker gehört. Diese kurzen Verserzählungen meist schwankhaften, aber auch höfischen und moralisch-zeitkritischen Inhalts führen anhand typisierter Protagonisten (zum Beispiel des tölpelhaften Bauern, des lüsternen Geistlichen oder der bösartigen Ehefrau) menschliche Konfliktsituationen vor und knüpfen gelegentlich daran auch eine Lehre; der Übergang zu anderen epischen Kurzformen, etwa zum Exemplum und zur Fabel, ist oft fließend.
 
Wie die auf Unterhaltung abzielende Thematik und die belehrende Absicht eine für das Spätmittelalter typische Verbindung eingehen konnten, zeigt Heinrich Wittenwilers satirisches Epos »Der Ring« (um 1400), wo die schwankhafte Erzählung von einer Bauernhochzeit den Rahmen für eine umfassende Lebens- und Ständelehre abgibt. Der Grundgedanke, dass Tugend lehr- und erlernbar ist, bestimmte aber nicht nur die Lyrik der fahrenden Sänger und einen Großteil der zeitgenössischen Epik, sondern schlug sich auch in einem eigenen Bereich, der »didaktischen Dichtung« nieder. Es finden sich im 13. und 14. Jahrhundert zum einen Kurzformen wie das Lehrgespräch (»Der Winsbeke«), Reimreden, etwa die Heinrichs des Teichners, und Sentenzensammlungen, zum Beispiel Freidanks »Bescheidenheit«. Zum anderen existieren systematisch angelegte Moralenzyklopädien wie »Der wälsche Gast« des Friaulers Thomasin von Zerklaere von 1215 oder der »Renner« Hugos von Trimberg (um 1300).
 
Dem allgemeinen Bedürfnis nach Unterweisung und Orientierungshilfe entsprechend, wurden in der volkssprachlichen Literatur zunehmend neue Gegenstände erschlossen, die von der Naturkunde über die menschlichen Künste und Fertigkeiten und die Rechtspraxis bis zum allumfassenden Thema der Religion reichen. Hier ist, neben dem seit dem Frühmittelalter kaum unterbrochenen Strom der Bibel- und Legendendichtung sowie der Glaubens- und Sittenlehre, neben der ständigen Präsenz des Religiösen auch im Werk weltlicher Dichter, vor allem das Aufkommen neuer Gattungen und das Erschließen neuer Publikumsschichten interessant. Als literarische Form setzte sich immer die Prosa durch, die den Anschein erweckt, für Wahrheit zu bürgen. So trat zum Beispiel mit dem Franziskaner Berthold von Regensburg im 13. Jahrhundert - nach vereinzelten früheren Textzeugnissen - erstmals die volkssprachliche Predigt in Erscheinung. Aus der Osterliturgie entwickelte sich das lateinische, ab der Mitte des 13. Jahrhunderts auch das deutsche Osterspiel. Das älteste deutschsprachige geistliche Spiel ist nur in Fragmenten erhalten und wurde im schweizer Kloster Muri aufgefunden. Die breite Volksfrömmigkeit zeigte sich in einer Hochblüte der Mariendichtung und einer Vielzahl geistlicher Lieder, zum Beispiel bei Heinrich von Mügeln und beim Mönch von Salzburg.
 
Von weit reichender Bedeutung war die Mystik, die mit den Dominikanern Meister Eckhart, Johannes Tauler und Heinrich Seuse im 14. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte. Diese religiöse Bewegung erschloss nicht nur bislang unbekannte Bereiche des Seelenlebens, sondern schuf auch einen eigenen Wortschatz, um das gefühlsbetonte Erlebnis der »Unio mystica«, der Vereinigung mit Gott, in der Volkssprache ausdrücken zu können.
 
Um 1400 entstand am Prager Hof Karls IV., im Klima des zur Blüte gelangten Frühhumanismus, der »Ackermann aus Böhmen« des Johannes von Tepl.Dieses Streitgespräch zwischen dem »Ackermann« und dem personifizierten Tod wurde lange Zeit als eigentliches Ende des »lebensfeindlichen« Mittelalters angesehen, doch zeigte die neuere Forschung, dass der modern anmutende Protest des Individuums gegen den Tod nur ein Teilaspekt ist, dem in gleichem Maße mittelalterliche Denkmodelle und Gattungstraditionen, Stilmittel der lateinischen Rhetorik und Anleihen bei der zeitgenössischen deutschsprachigen Dichtung gegenüber stehen. Der »Ackermann« ist zweifellos die bedeutendste Prosadichtung dieser Epoche, literatur- und geistesgeschichtlich aber nur eine von vielen Etappen auf dem Weg in die Neuzeit.
 
Dr. Bernd Steinbauer
 
Literatur:
 
Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, bearbeitet vonWolfgang Beutin u. a. Stuttgart u. a. 51994.
 
Neues Handbuch der Literaturwissenschaft, herausgegeben von Klaus von See. Band 8: Europäisches Spätmittelalter. Wiesbaden 1978—85.
 Wehrli, Max: Geschichte der deutschen Literatur vom frühen Mittelalter bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Stuttgart 21984.


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