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ECHNATON: DER SONNENHYMNUS DES KÖNIGS

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Echnaton: Der Sonnenhymnus des Königs
 
Der Hymnus des Königs Echnaton an den Sonnengott gehört zu den großen Texten der Menschheitsgeschichte. Im Unterschied aber zu anderen waren dieser Text und sein königlicher Verfasser, der Pharao Echnaton aus der 18. Dynastie, der von 1360-20 gelebt haben muss, erst im 19. Jahrhundert aus völliger Vergessenheit wieder aufgetaucht. Nicht einmal in Ägypten selbst hatte man fünfzig oder hundert Jahre nach Echnatons Tod noch etwas von ihm gewusst. Sein Name war aus den Königslisten gestrichen, seine Inschriften waren getilgt, seine Bauten abgerissen worden. Nichts erinnerte später an dieses revolutionäre Intermezzo, das für längstens zwanzig Jahre die ägyptische Welt auf den Kopf gestellt hatte. Auch von dem großen Hymnus und anderen Hymnentexten findet sich nicht die geringste Spur in späteren ägyptischen Sonnenhymnen. Die monotheistische, auf die Verehrung eines Gottes ausgerichtete Religion war in Ägypten - kaum entstanden - schon wieder vergessen. Man muss diese Vergessensgeschichte kennen, um die Bedeutung der Wiederentdeckung ermessen zu können. Überraschenderweise fand der Hymnus sofort nach seiner Wiederentdeckung eine Resonanz, wie sie keinem anderen ägyptischen Text beschieden war. Schon unmittelbar nach seiner Erstveröffentlichung im Jahre 1884 entdeckte man in diesem Text einen reinen Monotheismus und sah in Echnaton das erste Individuum der Geschichte. Spätere spektakuläre Funde wie die Berliner Büste der Königin Nofretete, Echnatons Frau, und das Grab seines Nachfolgers Tutanchamun verliehen diesem Pharao und seiner Zeit einen geradezu romantischen Glanz. Für Thomas Mann war Echnaton der Pharao der Josephsgeschichte des Alten Testaments, für Sigmund Freud Lehrmeister des Mose, der den monotheistischen Gedanken nach Israel trug.
 
Die Sensation dieses Textes besteht darin, dass er einen Monotheismus reinster Prägung vertritt. Echnatons Monotheismus ist allerdings »kosmotheistisch«, das heißt, er beruht auf der Verehrung einer kosmischen Macht, die sich als Sonne, und zwar in Licht und Zeit, Strahlung und Bewegung, manifestiert. Im Unterschied zum biblischen Monotheismus wirkt der Eine nicht in Gesetzen und geschichtlichem Handeln, sondern in Licht und Zeit. Echnaton glaubte das eine Prinzip entdeckt zu haben, aus dem die Welt hervorging und täglich aufs neue hervorgeht. Es war für ihn selbstverständlich, dass dieses Prinzip ein Gott sei; und da dieses Prinzip einzig war und als ein einziges alle anderen aus ihm abzuleiten gestattete, war es für ihn weiterhin klar, dass es neben diesem keine anderen Götter geben könne. Mit dieser Erkenntnis stellt sich Echnaton an den Anfang einer Entwicklung, die erst 700 Jahre später die ionischen Naturphilosophen fortsetzen mit ihrer Frage nach dem einen, alles bedingenden und alles erklärenden Prinzip, einer Entwicklung, die bei den Weltformeln unserer Tage, bei Einstein und Heisenberg, endet.
 
Diese neue Weltformel wird vom König aber als eine religiöse Offenbarung erfahren, die er mit äußerster Radikalität in die Wirklichkeit umsetzt. Alle traditionellen Kulte werden geschlossen, nur noch der neue Gott »Aton«, Aton und auch dieser so gut wie nur noch in der königlichen Residenz Amarna in Mittelägypten, darf verehrt werden. Mit diesem Schritt stellt sich Echnaton an den Anfang einer ganz anderen Reihe, die nach ihm Mose, Buddha, Jesus und Mohammed fortsetzen: die Reihe der Religionsstifter. Die Amarna-Religion ist die erste gestiftete, das heißt bewusst geschaffene Religion der Geschichte.
 
Der neue Gott ist die Sonne. Aton - die richtige Aussprache lautete etwa »jati(n)«, der Name des Königs »Achanjati« - ist das gewöhnliche ägyptische Wort für »Sonne«. Wenn der Gott gemeint ist, sagt man »die lebendige Sonne«. Die lebendige Sonne ist jene Energie, die durch ihre Bewegung die Zeit und durch ihre Strahlung das Licht und damit alle sichtbaren Dinge hervorbringt. Die Sonne war natürlich auch in der traditionellen ägyptischen Religion göttlich verehrt worden. Der Sonnengott war sogar als Schöpfer- und Reichsgott der höchste im traditionellen Kreis der Götter. Das von einer Vielzahl von Göttern ausgehende polytheistische Weltbild denkt jedoch die Götter in bestimmten Bezügen zueinander, und so ist auch der Sonnengott in seinem Wesen und Wirken nur in Bezug auf andere Götter denkbar. Sein scheinbarer Lauf um die Erde ist eine kollektive Veranstaltung, die gesamte Götterwelt ist daran beteiligt. Die traditionellen Hymnen schildern die kosmischen Vorgänge in mythischen Bildern. Der Sonnengott wird am Morgen als Kind aus der Mutter- und Himmelsgottheit geboren, in die er am Abend als Greis wieder eingeht. Am Mittag findet das Strafgericht über den Drachen »Apophis« statt, in dem sich die Kräfte des Chaos verkörpern. Des Nachts vereinigt sich der in die Erdtiefe hinabgesunkene Gott mit Osiris, dem Gott der Toten und der Vergangenheit, um sich zu verjüngen. In solchen und vielen anderen mythischen Bildern von großem Reichtum und Tiefsinn entfaltet das traditionelle Weltbild den Sonnenlauf.
 
Mit diesem Sonnengott und diesem Weltbild hat der Gott Echnatons nichts zu tun. Er ist bei seinem Lauf allein. Das neue Bild vom Sonnenlauf vermittelt dagegen nur, was das forschende Auge und der denkende Geist des Königs als Wirkungen des Sonnenlichts auszumachen vermögen: Es handelt sich also um eine strikt heliomorphe, auf das Sonnenlicht bezogene Theologie.
 
Die 18. Dynastie, als deren zehnter König Amenophis IV. um 1350 v. Chr. den Thron bestieg, ist eine Zeit großer innerer Spannungen, von denen wir freilich aus den Quellen wenig erfahren. Die Epoche beginnt mit der Vertreibung der Hyksos, die Ägypten ihrem syrisch-palästinensischen Reich einverleibt hatten. Mit ihrer Verfolgung dringen die Ägypter selbst in diesen Raum vor, erben mit dem Zusammenbruch der Hyksos deren Reich und werden auf diese Weise zu Partnern und Konkurrenten der damaligen Großmächte - der Hethiter, des hurritischen Reichs Mitanni, Babyloniens, der Achaier und Kretas - in einem politischen Spannungsfeld, das weite Teile der damals bekannten geographischen Räume umfasst und Ägypten jäh aus seiner afrikanischen Isolation herausreißt. Ägypten kann nicht mehr mit der geordneten Welt einfach gleichgesetzt werden, sondern wird als Teil einer viele Völker umfassenden Welt erkannt, was eine Krise des polytheistischen Weltbilds zur Folge hat. Das neue, »ökumenische« Weltbild findet seinen religiösen Ausdruck in der universalistischen Idee des Sonnengottes, der mit seinem weltumspannenden Laufen und Strahlen alle Völker erschafft und erhält.
 
Der große Hymnus, dem wir uns nun zuwenden wollen, ist dreigeteilt. Der erste Teil folgt dem thematischen Grundriss eines traditionellen Sonnenhymnus, nämlich den Tageszeiten Morgen, Mittag, Nacht und wieder Morgen. Er gibt eine Schilderung des Sonnenlaufs. Der Gott geht als Sonne auf und erfüllt die Welt mit seiner Schönheit, er steht hoch am Himmel und umfasst alle Länder mit seinen Strahlen, er entfernt sich, und die Welt versinkt in gottesferne Nacht. Leben und Ordnung verschwinden aus der Welt, Diebe und Raubtiere regen sich als Verkörperungen des Chaos, und im Schlaf der Menschen und Tiere äußert sich »in der Art des Todes« der Lebensentzug durch das abwesende Licht. Mit Sonnenaufgang aber strömen Leben und Ordnung wieder in die Welt ein. Die Kraft der religiösen Vision und die poetische Größe des Textes äußern sich in dem liebevollen Detailreichtum, mit dem diese Belebung ausgemalt wird: Die Menschen erwachen, waschen sich, kleiden sich an und gehen an die Arbeit, die Tiere springen auf, die Vögel erheben sich in die Luft, die Fische hüpfen im Wasser, und die Schiffe fahren stromauf und stromab. Der theologische Sinn dieser Schilderung liegt darin, dass die bloße Lebensregung als solche schon ein Lobpreis Gottes ist, den alle Kreatur am Morgen anstimmt und in den der Mensch nur einstimmt. Der Lobpreis der Kreatur äußert sich nicht in Worten, sondern in der kreatürlichen Hinwendung zum Sonnenlicht. Auch der Gott spricht nicht, sondern leuchtet. Das religiöse Geheimnis, der Heilssinn des kosmischen Geschehens, liegt nicht mehr in den mythischen Bildern, die auf menschliches Schicksal verweisen, sondern in den biologischen und physikalischen Vorgängen in der Natur.
 
Der zweite Teil des Hymnus besingt die Schöpfung. Das erste Lied behandelt ein völlig neues Thema: die Embryogonie, das Werden des Lebens im Mutterleib. Das Thema ersetzt die traditionelle Kosmogonie, die den Horizont des Sichtbaren, Erfahrbaren und Erforschbaren übersteigt und daher ebenso wie die anderen mythischen Themen der Überlieferung - feindliche Mächte, Jenseits und Totenreich - nun der neuen Wirklichkeit geopfert wird. Das zweite Lied preist die Wohleingerichtetheit der Welt. Sie ist nun nicht mehr wie früher einfach mit Ägypten gleichgesetzt, sondern umfasst viele Länder und Völker, unterschieden nach Hautfarben, Sprachen und Lebensbedingungen. Denn nur Ägypten lebt vom Wasser, das aus der Tiefe kommt, die anderen leben vom Regen, dem »Nil am Himmel«. Es geht also auch hier nicht um die Schöpfung, sondern um die Weisheit des Schöpfers, wie sie sich in der erfahrenen Realität vom Küken im Ei bis zum Nil am Himmel offenbart. Hier wird der Horizont des Sichtbaren überschritten in Bereiche, die »dem Angesicht verborgen sind«; sie erschließen sich dennoch der naturphilosophischen Spekulation als Wirkungen des Sonnenlichts.
 
Der dritte Teil kreist um den Begriff des »Werdens«, der im ägyptischen Denken eine zentrale Bedeutung hat. In diesem Teil geht es um das »Werden« der Sonne, die, indem sie scheint und sich bewegt, zu dem wird, was sie hervorbringt und sichtbar macht. Dabei ist aber auch die sichtbare Sonne selbst eine Verkörperung des Gottes: Sie ist seine Verkörperung am Himmel, die Schöpfungswelt seine millionenfache Verkörperung auf Erden. Im Begriff der Verkörperung verwischen sich die Grenzen von Schöpfer und Geschöpf. Alles, was im Licht sichtbar wird, geht als Verkörperung aus ihm hervor. In seinen Verkörperungen ist Gott verborgen und offenbar, fern und nah zugleich. Das sind bewusst paradoxe Formulierungen. Gott und Schöpfung sind zwar im Leuchten und Schauen innig verbunden. Die Geschöpfe haben Augen, Gott zu schauen, aber nur der König hat das verstehende Herz, ihn zu erkennen. Sein Herz ist der einzige ruhende Pol in diesem ständigen Wechsel von Licht und Finsternis, Leben und Tod, Werden und Vergehen, der einzige Ort, an dem der Gott auch des Nachts anwesend ist. Die Welt entsteht auf Gottes Wink, wie er sie geschaffen hat:
 
»Gehst du auf, so leben sie;
 
gehst du unter, so sterben sie.
 
Du selbst bist die Zeit, in der und durch die man lebt.«
 
Das ist die ganz neuartige Idee Echnatons. Dass die Welt von der Sonne lebt und vom Licht, das aus ihr hervorgeht, hat man schon vor ihm erkannt. Aber dass auch die Zeit aus ihr entsteht - das ist die revolutionierende These, die nun schlechthin alles als Werk der Sonne erklärbar macht.
 
Zwei religiöse Ideen jedoch, die für das traditionelle Ägypten zentral waren, fehlen in Echnatons Hymnus in auffallender Weise: die Ideen der Unsterblichkeit und der Gerechtigkeit. Die traditionelle Vision des Sonnenlaufs ist die »Heilsgeschichte« der alten Ägypter: Jeder hofft, nach dem Tod zu einem Osiris zu werden und in der mitternächtlichen Vereinigung mit der Sonne am kosmischen Leben Anteil zu gewinnen, jeder hofft, als »Ba« dem Sonnengott auf seiner Bahn zu folgen und einen Platz in der Barke der Millionen einzunehmen. Die diesseitigen Hoffnungen der Ägypter dagegen richten sich auf Gerechtigkeit. Wie der Sonnengott das Böse am Himmel bekämpft, so wird er auch auf Erden den Bedrängten beistehen, »den Furchtsamen erretten aus der Hand des Gewalttätigen und richten zwischen Arm und Reich.«
 
Davon ist in Echnatons Hymnus keine Rede mehr. Gott ist für ihn nichts als Licht und Zeit; er überwindet weder den Tod noch das Böse, die beide in diesem Weltbild keinen Platz mehr haben. Daran jedoch ist Echnatons Religion gescheitert.
 
Prof. Dr. Jan Assmann


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