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CHEMIENOBELPREIS 1927: HEINRICH OTTO WIELAND

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Chemienobelpreis 1927: Heinrich Otto Wieland
 
Der deutsche Wissenschaftler erhielt den Nobelpreis für »seine Forschungen zur Strukturermittlung der Gallensäuren und verwandter Substanzen«.
 
 Biografie
 
Heinrich Otto Wieland, * Pforzheim 4. 6. 1877, ✝ München 5. 8. 1957; 1917 Ruf zum Professor an der Technischen Universität in München, bis 1918 militärische Forschung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin-Dahlem, 1921 an der Universität Freiburg, ab 1926 wieder an der Technischen Universität in München; universelle Forschung in der organischen Chemie.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Die Säfte der Galle haben von alters her die Menschen fasziniert. Hippokrates von Kos, der Vater der Heilkunde, charakterisierte die Gesundheit im humoralpathologischen Sinn, das heißt als Gleichgewicht der Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle.Da die Säuren der Galle für die Verdauung besonders wichtig sind, wurden sie schon im 18. und 19. Jahrhundert chemisch untersucht. So erkannte der schweizerische Arzt Albrecht von Haller die Bedeutung der Galle für die Fettverdauung.
 
Der große Chemiker Leopold Gmelin entdeckte das Cholin in der Galle und entwickelte zusammen mit Fritz Tiedemann die Gmelin-Probe zum Nachweis des Gallenfarbstoffs Bilirubin im Harn. Hervorzuheben ist auch der Anatom Theodor Schwann, der mit der von ihm erfundenen Gallenfistel die Gallenwirkung untersuchte. Doch trotz aller Anstrengungen war wenig über die Verbindungen zwischen den verschiedenen Säuren dieses wichtigen Organs bekannt. Über deren Strukturen wusste man kaum etwas.
 
 Die Galle war nicht alles
 
Die Säfte der Galle stellen nur einen kleinen Teil der Forschungen Heinrich Wielands dar. Zu seinen Leistungen gehört die Aufklärung der Struktur zahlreicher Verbindungen, die, wie die Gallensäuren, alle zu den Triterpenen gehören. Deren Ausgangssubstanz, das Terpen, ist maßgeblich von Otto Wallach (Nobelpreis 1910) untersucht worden. Wieland erforschte die Gruppe der Sterine (Sterole, Steroide), deren chemische Analyse lange Zeit als unmöglich galt. Dazu zählen neben den Gallensäuren einige Herzglycoside und das Provitamin D.
 
Die Salze der Gallensäuren setzen die Oberflächenspannung des Wassers stark herab und zerlegen im Darmtrakt das Nahrungsfett in kleinste Fetttröpfchen. Durch diese Oberflächenvergrößerung kann die Lipase (Fett spaltendes Enzym) der Bauchspeicheldrüse besser einwirken und die Fettmoleküle abbauen. Wieland gelang es, aus der Galle Cholansäure zu isolieren und chemisch zu charakterisieren. Die wichtigsten Gallensäuren sind die Taurin- und Glycin-Derivate verschiedener Cholansäuren. Als es Adolf Windaus (Nobelpreis 1928) 1919 gelang, Cholansäuren aus Cholesterin herzustellen, wies das sehr deutlich auf einen Zusammenhang zwischen dem Cholesterin und den Gallensäuren hin. Das Cholesterin hatte der französische Chemiker Michel Chevreul schon 1815 in Gallensteinen nachgewiesen. Es kommt im Tierreich in zahlreichen Geweben vor.
 
Auch Pflanzen enthalten Sterine, die so genannten Phytosteroide. Wieland untersuchte die dazugehörenden Herzglycoside aus Digitalis (Fingerhut) und aus Strophantus-Arten und stellte sie in reiner Form her, was lange vergeblich versucht worden war. Auch die sehr ähnlichen Bufadienolide, ebenfalls Herzgifte, bezog er in seine Analysen mit ein. Bufadienolide sind Sekrete aus den Hautdrüsen von Kröten der Gattung Bufo. Außerdem analysierte er die Struktur des Provitamins D (Ergosterin). Als Windaus Digitalis-Glycoside in reiner Form präsentierte, wurde offenbar, dass die Herzgifte dem Cholesterin, den Gallensäuren und auch den Bufadienoliden chemisch sehr nahe stehen. Dazu zählte auch das von Windaus untersuchte Ergosterin, das zum Beispiel im Mutterkorn und im Eigelb vorkommt. Sein Mangel ruft beim Menschen Rachitis hervor.
 
 Analyse von Knallsäure
 
Nach seiner Promotion 1901 in München arbeitete Wieland über Stickstoffoxide, die auch Thema seiner Habilitation 1905 waren. Anschließend griff er Justus von Liebigs Arbeiten auf, der das Phänomen der Isomerie an Cyansäure und Knallsäure entdeckt hatte. Wieland erforschte die primären Polymerisationsprodukte der freien Knallsäure, die Metafulminursäure, die Isocyanilsäure und deren elf isomere Umwandlungsprodukte. 1911 konnte er zeigen, dass das von ihm dargestellte Tetraphenylhydrazin beim Erhitzen in Diphenylstickstoff, ein grün gefärbtes Radikal des zweiwertigen Stickstoffs, zerfällt. 1912 wandte sich Wieland den Naturstoffen und den Vorgängen im lebenden Organismus zu. Die katalytischen Oxidationsreaktionen interessierten ihn besonders. Er wies nach, dass auch ohne freien Sauerstoff Oxidationsreaktionen möglich sind, wenn Chinone oder Methylenblau als Wasserstoff-Akzeptoren den katalytisch aktivierten Wasserstoff übernehmen. Hierüber geriet er mit dem Biochemiker Otto Warburg (Nobelpreis für Medizin 1931) in heftige Auseinandersetzungen.
 
Heinrich Wieland stand in München in der Tradition herausragender Chemiker. Beginnend mit Justus von Liebig über Adolf von Baeyer (Nobelpreis 1905) zu Richard Willstätter (Nobelpreis 1915). Wieland zählte mit seinem enzyklopädischen Wissen und seinen weit gespannten Interessen zu den großen Baumeistern der organischen Chemie. Er arbeitete erfolgreich über Schmetterlingsfarbstoffe, Schlangen-, Pilz- und Pfeilgifte und über die Harnsäure. 1921 gelang ihm die Strukturaufklärung des Lobelins, einem Alkaloid der Lobelie (Lobelia inflata) mit nicotinähnlicher Wirkung.
 
 Ein aufrechter Mensch
 
Wieland trat 1925 die Nachfolge des wegen der antisemitischen Haltung des Lehrkörpers der Universität zurückgetretenen Willstätter an. Die Politikerin Hildegard Hamm-Brücher, die 1945 von Wieland promoviert wurde, schilderte ihn als strengen und gefürchteten Institutsdirektor mit »badischem Dickschädel«, der die strikte wissenschaftliche Erkenntnissuche vertrat.
 
Zur Zeit des Nationalsozialismus schützte Wieland seine Kollegen und Studenten nach Möglichkeit vor Brandmarkungen und Kriegsdienst. Als sich Anfang 1943 die Geheime Staatspolizei nach der Verhaftungswelle im Gefolge der Flugblattaktion der studentischen Widerstandsgruppe »Weiße Rose« bei ihm erkundigte, schützte er Frau Hamm-Brücher, die von den Nürnberger Rassegesetzen betroffen war. Wieland war kein Widerstandskämpfer. Hamm-Brücher sieht ihn als »Dissidenten mit ungewöhnlichem Stehvermögen, Zivilcourage und menschlichem Anstand«.
 
Seine Güte und Hilfsbereitschaft verband sich mit unbedingtem Leistungswillen. Er forderte persönlichen Einsatz zum Wohle der Wissenschaft. Ein Zwölf-Stunden-Arbeitstag, samstags sechs Stunden, wurde als selbstverständlich vorausgesetzt. Seit einigen Jahren erinnert ein nach ihm benannter Hörsaal im Chemischen Institut der Münchner Universität an den großen Forscher und vorbildlichen Menschen.
 
U. Schulte


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