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AGRIPPINA DIE JÜNGERE: DIE FRAU AN DER MACHT

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Agrippina die Jüngere: Die Frau an der Macht
 
Agrippina die Jüngere war neben der ägyptischen Königin Kleopatra schon für die Zeitgenossen eine der am meisten berüchtigten Frauengestalten der römischen Geschichte um die Zeitenwende. Dass sich die Nachwelt an sie erinnert, verdankt sie nicht nur ihrer für damalige Verhältnisse unerhörten Machtposition selbst, die sie als Schwester Caligulas, Gattin des Claudius und Mutter Neros erlangte, sondern auch der Skrupellosigkeit und Berechnung, mit der sie sich den Weg geebnet haben soll.
 
Tatsächlich ist Agrippina eine typische Vertreterin derjenigen Frauen der frühen Kaiserzeit, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Familie des Herrschers (Princeps) die Umstrukturierung der Machtverhältnisse seit dem Ausgang der Republik nutzen konnten, um außerordentliches gesellschaftliches Ansehen zu erlangen und durch ihren Einfluss am Hof effektiv in Staatsangelegenheiten einzugreifen. Allerdings hat sie diese Möglichkeiten in einem vor ihr und lange Zeit nach ihr unerreichten Ausmaß wahrgenommen.
 
 Familie, Kindheit und Jugend
 
Iulia Agrippina wurde am 6.November des Jahres 15 oder 16 n. Chr. im Oppidum Ubiorum (Stadt der Ubier), dem heutigen Köln, geboren. Als Tochter des Germanicus Iulius Caesar und der Vipsania Agrippina (Agrippina die Ältere genannt), die beide zum engsten Familienkreis des Prinzipatbegründers Augustus gehörten, war sie wie ihre Geschwister Mitglied der julisch-claudischen Dynastie.
 
Schon ihre Familienzugehörigkeit eröffnete Agrippina die Möglichkeit, eines Tages eine Rolle in der großen Politik zu spielen. Zwar konnten die weiblichen Mitglieder der Familie die Stellung des Princeps nicht persönlich bekleiden; denn Frauen, als deren Hauptaufgabenfeld Tradition und Sitte den privaten, innerfamiliären Bereich definierten, waren in Rom grundsätzlich von der offiziellen Politik ausgeschlossen. Aber schon in der Republik wirkten sie indirekt, das heißt über die Beeinflussung eines männlichen Verwandten, sehr wohl auf politische Angelegenheiten ein.
 
Zudem sollte es Agrippina nützen, dass man auch Frauen als Trägerinnen und Vermittlerinnen des Ansehens der Familie betrachtete. Daraus ließen sich nämlich nicht nur Ansprüche der mit ihnen verbundenen Männer auf den Prinzipat ableiten, für den es keine feste Erbfolge gab. Ebenso hielten die Frauen des kaiserlichen Hauses, der domus Augusta, damit einen Trumpf zugunsten ihres Favoriten, häufig ihres Sohnes, in der Hand.
 
Bereits als Kind erlebte Agrippina, mit welcher Härte und Skrupellosigkeit der Kampf um die Macht geführt wurde. Im Jahre 19 n. Chr. kam ihr Vater Germanicus, den schon Augustus für die Stellung des Princeps in Aussicht genommen hatte, unter mysteriösen, vermutlich von Tiberius manipulierten Umständen ums Leben, noch lange nach seinem Tod von Heer und Zivilbevölkerung aufrichtig verehrt. In den Jahren 31 bis 33 bezahlten auch ihre Mutter und zwei ihrer insgesamt drei Brüder die Rivalitäten um die Nachfolge des Tiberius mit dem Tod.
 
Abgesehen von diesen Ereignissen, ist über Agrippinas Kindheit und Jugend bis zum Jahre 37 die Nachricht erhalten, dass sie im Jahre 28 n. Chr., im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren, von Tiberius mit dem fast dreißigjährigen Gnaeus Domitius Ahenobarbus verheiratet wurde.
 
 Schwester und Gegnerin Caligulas
 
Mit der Erhebung ihres Bruders Gaius Iulius Caesar Germanicus, Caligula genannt, zum Princeps im März 37 rückte Agrippina wieder ins Licht der Geschichte. Caligula, der seine Stellung nicht zuletzt der Anhänglichkeit der Bevölkerung seinen Eltern Germanicus und Agrippina d. Ä. gegenüber verdankte, stellte zunächst das Andenken seiner Familie wieder her. Auch seine drei Schwestern Agrippina, Livilla und Drusilla überhäufte er mit Ehrungen und Privilegien, wie sie bis dahin auch für die Frauen des Kaiserhauses in Rom noch nicht vorgekommen waren.
 
So zeichnete er sie mit den Rechten der in Rom hoch geehrten und in Jungfräulichkeit lebenden Vestalinnen aus, obwohl alle drei Frauen verheiratet waren und Agrippina gerade ihren Sohn Domitius erwartete, der als der tyrannische Princeps Nero in die Geschichte eingehen sollte. Jetzt mussten verschiedene dem Princeps öffentlich geleistete Eide auch auf seine Schwestern abgelegt werden, ein echtes Novum. Darüber hinaus wurden Agrippina, Livilla und Drusilla auf Münzen mit Namensnennung als die Göttinnen Fortuna, Concordia und Securitas dargestellt.
 
Für Agrippina bedeutete diese Hervorhebung als Schwester des Kaisers eine enorme Aufwertung ihres Prestiges und eine Kennzeichnung ihrer Position in unmittelbarer Nähe des Machtzentrums, des autokratisch regierenden Princeps. Dass schon Zeitgenossen Caligulas Schwesternkult nicht politisch, sondern moralisch-emotional durch inzestuöse Beziehungen erklärten, tat diesem Faktum keinen Abbruch und wirkte sich auch nicht auf Agrippinas Machtstreben aus, das sie schon bei der Geburt ihres Sohnes Lucius Domitius Ahenobarbus am 15. Dezember 37 an den Tag legte. Denn sie hoffte offensichtlich, dass Caligula in ihrem Sohn, der zu diesem Zeitpunkt der einzige direkte männliche Nachkomme aus dem Hause des Germanicus war, seinen Nachfolger erblicken würde. Caligula jedoch konzentrierte sich auf seine Lieblingsschwester Drusilla und deren Ehemann Marcus Aemilius Lepidus, dem er in aller Öffentlichkeit wiederholt die Nachfolge versprach. Auch als Drusilla im Juni 38 gestorben war — der untröstliche Bruder hatte sie daraufhin als erste Frau unter die Staatsgötter erhoben —, scheint Caligula nicht auf Agrippina und ihren Sohn zugegangen zu sein. Vielmehr heiratete er wohl im Sommer 39 seine Geliebte Milonia Caesonia und zerstörte mit der zu erwartenden Geburt eines eigenen Sohnes nicht nur Agrippinas, sondern auch Lepidus' Hoffnungen auf den indirekten bzw. direkten Zugriff zur höchsten Macht. Möglicherweise bildete die Aussicht, das Ziel auf gewaltsamem Wege zu erreichen, den Hauptgrund dafür, dass sich Agrippina und Lepidus, unterstützt von Livilla, im Jahre 39 an einer Verschwörung gegen den Princeps beteiligten, in die neben Senatoren auch hohe Militärs verstrickt waren, hier vor allem der Befehlshaber des obergermanischen Heeres aus Mainz, Gnaeus Cornelius Lentulus Gaetulicus. Die Verschwörung wurde jedoch entdeckt. Lepidus und Gaetulicus wurden hingerichtet, Agrippina und Livilla kamen mit der Verbannung auf die Pontinischen Inseln und der Beschlagnahmung ihres Vermögens davon. Typisch war in Rom die gängige Verquickung von moralischen und politischen Anschuldigungen gegen Feinde bei ihrer Ausschaltung auf dem Prozesswege; so wurde auch hier die Verbannung hauptsächlich mit dem unsittlichen Lebenswandel der Schwestern und ihrem »ehebrecherischen« Verhältnis zu Lepidus begründet.
 
Seit Augustus mit seiner Ehegesetzgebung (Lex Iulia de adulteriis) den Ehebruch eines Mannes mit einer verheirateten Frau und jeglichen außerehelichen Verkehr einer freien Frau zu einem öffentlichen Delikt erklärt hatte, war die Anklage wegen dieses Vergehens zu einem bequemen Mittel avanciert, unliebsame Gegner loszuwerden.
 
Caligula hatte es jedoch nicht dabei bewenden lassen; vor der Verbannung, die Agrippina im Jahre 40 antrat, zwang er sie, die Asche des Lepidus eigenhändig nach Rom zu bringen, eine zynische Parodie auf das Verhalten ihrer Mutter Agrippina d. Ä., die im Jahre 19 n. Chr. die Urne des in Syrien verstorbenen Germanicus in die Heimat zurückgetragen hatte, allerdings freiwillig.
 
 Rückkehr in das Spiel um die Macht
 
Eine entscheidende Wende nahm Agrippinas Leben bereits im Jahre 41. Im Januar war Caligula, den schon Zeitgenossen wegen seines extravaganten Verhaltens für geisteskrank erklärten, mit Frau und Tochter einem Attentat zum Opfer gefallen. Auf Drängen der Prätorianer, der einzigen stärkeren Militäreinheit in Rom und Italien, war daraufhin Agrippinas Onkel Tiberius Claudius Nero Germanicus, Bruder des Germanicus, an die Spitze der römischen Machtpyramide gelangt.
 
Zu den ersten Amtshandlungen des neuen Herrschers Claudius gehörte eine Rehabilitation zahlreicher von Caligula Exilierter, sodass auch Agrippina und Livilla nach Rom zurückkehren konnten. Claudius erstattete seinen Nichten außerdem ihr Vermögen zurück und schuf ihnen damit eine wesentliche Grundlage für gesellschaftliche und insbesondere politische Aktivität, da gerade in Rom die notwendigen Verbindungen oft teuer erkauft werden mussten. Für eine Frau, die politische Ambitionen hatte, war allerdings etwas anderes noch unentbehrlicher: ein angesehener Gatte, der willens und auch in der Lage war, ihre Ansprüche in der Öffentlichkeit zu vertreten. Offenbar begab sich Agrippina, deren Ehemann Ahenobarbus im Jahre 40 gestorben war, unverzüglich und sehr energisch auf die Suche. Die Überlieferung weiß, dass sie den aus vornehmer Familie stammenden Sulpicius Galba, obwohl verheiratet, so heftig umwarb, dass sie damit in der römischen Damenwelt einen Skandal provozierte. Sogar Claudius soll sie damals bereits Avancen gemacht haben, allerdings wie auch bei Galba erfolglos. Der Princeps war seit zwei Jahren mit Valeria Messalina verheiratet, die der Nachwelt sicher zu Unrecht als exzentrische Nymphomanin in Erinnerung geblieben ist. Noch im Jahre 41 brachte sie einen Sohn, Tiberius Claudius Caesar Germanicus, Britannicus genannt, zur Welt und hatte damit in den Augen der römischen Öffentlichkeit wie auch des Herrschers den Thronfolger geboren.
 
Erfolg hatte Agrippina vermutlich noch 41 bei dem einflussreichen und sehr wohlhabenden Senator Gaius Passienus Crispus. Passienus starb allerdings schon nach wenigen Jahren, und feindliche Zungen behaupteten später, Agrippina habe ihn vergiftet; denn Agrippina und ihr Sohn Domitius profitierten von seinem Tod: Sie erbten sein riesiges Vermögen, für Agrippina ein nützliches Hilfsmittel bei der Protegierung ihres Sohnes als Thronaspiranten.
 
Claudius' Ehefrau Messalina jedenfalls hat in Agrippina und Domitius eine ernst zu nehmende Konkurrenz für ihre eigene Position als Ehefrau des gegenwärtigen und als Mutter des zukünftigen Princeps gesehen. Die bei öffentlichen Spielen sichtbar gewordene größere Beliebtheit des Germanicus-Enkels gegenüber Britannicus scheint der Auslöser für Messalinas Plan gewesen zu sein, Domitius und seine Mutter auszuschalten. Man munkelte sogar, sie wolle den Nebenbuhler des Britannicus umbringen lassen. Falls Messalina tatsächlich solche Absichten hatte, so kamen sie nicht zum Tragen, denn im Jahre 48 wurde sie selbst ermordet.
 
 Agrippina in der Regierung des Claudius
 
Nach dem Tode Messalinas nutzte Agrippina die erneuten Heiratsabsichten des Princeps, um über eine Ehe mit Claudius in das Zentrum der Macht vorzustoßen. Dank der Unterstützung des einflussreichen Freigelassenen Marcus Antonius Pallas und des Senators Lucius Vitellius, beide enge Vertraute des Claudius und in der Folgezeit loyale Verbündete Agrippinas, gelang es ihr, die Konkurrentinnen auszustechen. Zwar führen einige Quellen Agrippinas Erfolg in erster Linie auf ihre äußeren Reize zurück; aber es wird doch klar, dass der Hauptgrund für die Entscheidung des Princeps, Agrippina zu heiraten, die pragmatisch-politische Überlegung war, auf diese Weise ein gefährliches Machtpotenzial zu absorbieren, das die Nachfahrin des Augustus und Tochter des Germanicus mit ihrem Sohn darstellte. Offenbar war sich Agrippina ihres Wertes bewusst; denn wohl auf ihre Forderung hin gab Claudius der Öffentlichkeit bereits vor der Eheschließung ein deutliches Zeichen, dass Agrippinas Sohn Domitius in die Thronfolgeüberlegungen einbezogen werden würde, indem er die Verlobung seiner Tochter Octavia mit dem Senator Lucius Iunius Silanus zugunsten einer dynastischen Verbindung mit Domitius auflöste. Legitimiert wurde diese Handlung durch eine von Vitellius vor Gericht vertretene Inzestklage, die Agrippina erfunden haben soll.
 
Die Heirat Agrippinas und Claudius' kam Anfang 49 zustande. Die nach römischen Maßstäben als inzestuös betrachtete und damit verbotene Ehe von Onkel und Nichte wurde, wieder auf Betreiben des Vitellius, per Senatsbeschluss für in Zukunft allgemein erlaubt erklärt.
 
In den nächsten drei Jahren verfolgte Agrippina planvoll, zielstrebig und skrupellos die Sicherung der Thronfolge für Domitius. Darüber hinaus aber wusste sie ihre eigene Stellung und den dadurch ermöglichten enormen politischen Einfluss nicht nur geschickt zu festigen, sondern auch demonstrativ der Öffentlichkeit vor Augen zu führen. Zugute kam ihr dabei, dass sie es mit einem Machthaber zu tun hatte, der sich nach Meinung der literarischen Überlieferung seinen Frauen und engsten Beratern, vornehmlich Freigelassenen, gegenüber als geradezu hörig, tatsächlich aber wohl aus »guten« — machtpolitischen — Gründen heraus als sehr kooperativ erwies.
 
Was den Aufbau ihres Sohnes als künftigen Princeps betraf, so sorgte Agrippina dafür, dass — offiziell über Claudius und zur Bestätigung seiner Pläne über den Senat — ihm Schritt für Schritt die nötigen dynastischen und staatsrechtlichen Grundlagen verschafft wurden: Noch im Jahre 49 verlobte der Princeps seine Tochter Octavia mit Domitius; 50 adoptierte er seinen zukünftigen Schwiegersohn, der fortan Nero Claudius Drusus Germanicus hieß und als Nero der Nachwelt bekannt blieb. Dieser wurde 51 mit rechtlichen Kompetenzen und Privilegien ausgestattet. 53 wurde Nero mit Octavia verheiratet, die zur Vermeidung einer Geschwisterehe in eine andere Familie adoptiert worden war. Propagandistisch protegierten Agrippina und Claudius Nero durch Auftritte in der Öffentlichkeit und die Ausgabe von Münzen, die Neros Bild trugen. Claudius' eigener Sohn Britannicus wurde in dieser Zeit faktisch als Nachfolger kaltgestellt.
 
Parallel zur Förderung Neros baute Agrippina ihre eigene Stellung aus. Stärker als ihre Vorgängerinnen, auch als Augustus' Ehefrau Livia, präsentierte sich Agrippina selbstbewusst als Partnerin des offiziellen Machthabers Claudius, indem sie sich bei den verschiedensten öffentlichen Ereignissen an der Seite des Princeps zeigte und durch pompöse und extravagante Kleidung ihre exponierte Position noch hervorhob. In dieser Rolle soll sie sogar bei der offiziellen Begnadigung eines besiegten britannischen Fürsten, demnach bei einer hochpolitischen und militärisch stilisierten Angelegenheit, aufgetreten sein.
 
Außerordentliche Ehrungen leisteten der Selbstdarstellung Agrippinas Vorschub. So wurde ihr eine Leibwache aus Prätorianern zuerkannt, an sich ein Vorrecht des Princeps. Wichtiger freilich scheint die vermutlich auf einen Senatsbeschluss zurückgehende Verleihung des Beinamens Augusta an Agrippina im Jahre 50. Vor ihr waren schon Livia und Antonia, die Mutter des Claudius, mit diesem Cognomen (Beinamen) geehrt worden, aber im ersten Fall war der Ehemann, im zweiten die Geehrte selbst bereits tot. Jetzt gab es neben dem (männlichen) Augustus eine (weibliche) Augusta, und obwohl sich mit dem Begriff keinerlei Regierungsrechte verbanden, konnte sich doch eine Annäherung an die einmalige Stellung des Princeps im Staatsgefüge hineinlesen lassen. Römische Münzen der Zeit, auf denen Agrippinas Porträt mit ihrem Namen erscheint, unterstrichen diesen Eindruck propagandistisch. Festzuhalten bleibt jedoch, dass, ebenso wie die Auszeichnung mit dem Namen Augusta, die verschiedenen Ehrungen und Privilegien sowie die öffentlichen Auftritte und die Anwesenheit sogar bei Staatsempfängen für Agrippina zwar einen enormen Gewinn an Prestige bedeuteten und ihren Einfluss auf den offiziellen Machthaber Claudius spiegeln, sich damit aber tatsächlich keine offiziellen Befugnisse und keinerlei staatlich sanktionierten Kompetenzen verbanden. Wie ihre Vorgängerinnen war Agrippina nur die Gattin des Princeps und damit abhängig von dessen Wohlwollen. »Kaiserin« im eigentlichen Wortsinn war und wurde auch Agrippina nicht.
 
Allerdings verstand Agrippina die ihr gebotenen Möglichkeiten zu nutzen. So erweiterte sie ihren Einfluss, indem sie Verbindungen zu Freigelassenen am Hof, zu Senatoren und Militärs knüpfte, ihnen wichtige Positionen verschaffte und so wiederum auf die Staatsgeschäfte einwirken konnte. Neben Pallas, dem Leiter der kaiserlichen Finanzen, und Vitellius stand ihr ab 51 vor allem der von ihr protegierte Prätorianerpräfekt Afranius Burrus zur Seite.
 
Zweifellos hat Agrippina die imperiale und zentralistische Regierungspolitik des Claudius mitgestaltet. Literarische Quellen behaupten sogar, dass Agrippina zur eigentlichen Machthaberin Roms aufgestiegen sei, nennen aber kaum konkrete Beispiele für Eingriffe Agrippinas in staatspolitische Angelegenheiten, es sei denn solche, die der Förderung Neros oder der Sicherung ihres Einflusses als solchem dienten. In diesem Zusammenhang führen sie drastisch die Kaltblütigkeit und Durchtriebenheit vor Augen, mit der Agrippina die Ausschaltung aller ihr unerwünschten Personen herbeigeführt haben soll. Sicherlich hat sie jedoch so manches Mal damit Claudius' Interessen zugearbeitet, und sicherlich schob man ihr so manche »Untat« der Regierung des Claudius einfach zu.
 
Einen noch heute sichtbaren Beweis für Agrippinas politische Bedeutung nicht nur in Rom, sondern auch in den Provinzen liefert die Stadt Köln. Im Jahre 50 erwirkte Agrippina für ihren Geburtsort die Rechte einer Colonia. Neu war dabei die Benennung einer römischen Kolonie nach einer lebenden Frau, eben Agrippina: Colonia Claudia Ara Agrippinensium.
 
Motive der Gegner Agrippinas waren, einmal abgesehen von persönlichen Animositäten, Machtrivalitäten und Opposition gegen die Politik des Claudius, für die sie mitverantwortlich gemacht wurde, mit Sicherheit prinzipieller Natur, wie sie beispielsweise Tacitus erhalten hat: Dass eine Frau sich an die Spitze des politischen, das heißt öffentlichen Lebens stellte und sich darin wie ein Mann verhielt, also mit kühlem Kopf und ganz offen vorging, das war für einen konservativen Römer ein schändliches Novum. Eine derartige Usurpation der Männern vorbehaltenen Rolle sprengte alle Grenzen, die der Frau im politischen Leben Roms gesetzt waren, und musste umso mehr provozieren, wenn Agrippina tatsächlich ihre erotischen Reize als Mittel der Politik einsetzte. Folglich konnte man Agrippinas konsequentes und unverhohlenes Machtstreben als maßlose Herrschsucht und unersättlichen Ehrgeiz verurteilen, und ihr für die Zeit doch typisches skrupelloses und berechnendes Vorgehen ließ sich zur animalischen Grausamkeit stilisieren. Von dieser Warte aus war es auch nur noch ein kleiner Schritt, Agrippina — wohl zu Unrecht — zu unterstellen, dass sie mit ihrer äußerlich klar gekennzeichneten und faktisch enormen Machtstellung nicht zufrieden war und nach formaler Anerkennung ihrer Mitherrschaft strebte. Und nicht zuletzt darum konnte eine Frau wie Agrippina auch allen, die den Prinzipat als Staatsform kritisierten, als ein schlagender Beweis für dessen Mangelhaftigkeit erscheinen.
 
Zudem erwuchs Agrippina Opposition aus den Reihen der Anhänger des Britannicus. Da offenbar Claudius selbst diesen, als er sich dem Erwachsenenalter näherte, in die Nachfolge einbeziehen wollte, muss sie sich empfindlich bedroht gefühlt haben, weil eine Infragestellung der Nero zugedachten Machtposition zwangsläufig ihre eigene Machtgrundlage angriff. Wenn Claudius, wie die Überlieferung meint, Agrippina tatsächlich angedeutet habe, dass er sie fallen lassen könne, so gab er damit seiner Frau das Signal, ihn möglichst rasch aus dem Weg zu schaffen.
 
Fast einmütig überliefern die Quellen, dass Claudius seinen plötzlichen Tod, der auf den 13. Oktober 54 datiert wurde, einem Giftanschlag Agrippinas verdankte. Möglicherweise hat Agrippina den Tod ihres Mannes eine kurze Zeit lang verheimlicht, um in Ruhe die nötigen Vorbereitungen für eine reibungslose Machtübernahme durch Nero zu treffen.
 
 Agrippina und Nero
 
Der Machtwechsel verlief ohne Komplikationen, denn Nero konnte sich auf die von Burrus angeführten und dem Hause des Germanicus ergebenen Prätorianer und damit auf das Militär in Italien stützen. Dementsprechend verhallten leise Rufe nach Britannicus schnell, der Senat bestätigte den kaum siebzehnjährigen Nero als neuen Princeps.
 
Zunächst zeigte sich der Princeps vor allem der Person erkenntlich, der er seine Herrschaft verdankte: Agrippina. So lautete die erste Parole, die er noch am Abend des 13. Oktober an die Prätorianer ausgab, »Optima Mater« (wörtlich: »beste Mutter«). Und wie schon Livia nach dem Tod des Augustus wurde Agrippina zur Priesterin des zum Divus, zum Gott, erklärten Ehemannes ernannt. Aber damit nicht genug. Nicht nur literarische, sondern auch numismatische und archäologische Zeugnisse bestätigen, dass Agrippinas Machtstellung in den ersten Monaten der Regierung Neros noch eine Steigerung dessen erfuhr, was sie bereits unter Claudius erreicht hatte. Offizielle Reichsmünzen, Reliefs und Kameen der Zeit lassen eine faktische Dominanz der Mutter im Machtgefüge erkennen. In der Öffentlichkeit benutzten Agrippina und ihr Sohn häufig dieselbe Sänfte, und es wird berichtet, dass Nero sogar zu Fuß gegangen sei, während Arippina getragen wurde. Nach Ausweis der literarischen Überlieferung soll Nero Agrippina sogar — inoffiziell — vorübergehend die volle Entscheidungsgewalt in allen Staatsangelegenheiten zugestanden und Agrippina davon regen Gebrauch gemacht haben. Die Gründe dafür wurden aber schon in der Antike nicht nur in Agrippinas maßloser Herrschsucht, sondern auch in Neros Desinteresse an Staatsgeschäften gesehen. Abgesehen von der Agrippina zugeschriebenen Ermordung des potenziellen Thronrivalen Marcus Iunius Silanus haben sich konkrete Reflexe der überragenden Machtposition Agrippinas und ihrer aktiven Teilnahme am politischen Leben in der Nachricht erhalten, dass eine Senatssitzung in den kaiserlichen Palast berufen wurde, sodass Agrippina, hinter einem Vorhang sitzend, die Debatte mitverfolgen konnte. Bezeichnend für die Grenzen ihrer enormen Macht ist freilich nicht nur, dass ihr der persönliche Zutritt in diese Männerdomäne verschlossen blieb, sondern auch, dass ein ihrer Ansicht widersprechender Beschluss gefasst wurde. Die gleiche Ambivalenz ihrer Machtstellung spiegelt der Bericht über Agrippinas Teilnahme an offiziellen Verhandlungen mit einer armenischen Gesandtschaft im Jahre 54. Hier wurde sie im letzten Moment davon abgehalten, direkt neben dem Princeps auf erhöhtem Sitz Platz zu nehmen, das heißt sich bei einer hochpolitischen Angelegenheit demonstrativ mit ihm auf eine Ebene zu stellen und Rom somit vor der Welt als »Weiberregiment« zu blamieren.
 
Der Widerstand gegen Agrippina wurde immer stärker, besonders gefährlich wurde er seitens der Männer, die durch ihren Einfluss auf den Princeps effektiv gegen die Augusta arbeiten konnten: Neros engste Berater, der schon zu Lebzeiten berühmte Philosoph und Erzieher Neros, Lucius Annaeus Seneca (der Jüngere), und — verhaltener und ambivalenter — Burrus, gingen wohl schon Ende 54 in Opposition.
 
Vor allem Seneca, der möglicherweise versuchte, in Abkehr von den autokratisch und »grausam« anmutenden Regierungsmethoden des Claudius und der Agrippina, Nero in eine von Milde bestimmte und dem Senat gegenüber respektvolle Regierungstätigkeit zu »erziehen«, nutzte geschickt das positive Echo auf diese Politik sowie die schroffe Kritik, die Agrippina an Neros kostspieligem Lotterleben übte, um ihn gegen seine Mutter einzunehmen. Der von Seneca und seinen Freunden raffiniert genutzte Auslöser für die Spannungen zwischen Nero und Agrippina soll Neros Liebschaft mit der Freigelassenen Claudia Acte gewesen sein, durch die sich Agrippina in ihrem Einfluss auf ihren Sohn bedroht sah.
 
Den Machtkampf, der sich im Jahre 55 zwischen Agrippina und Nero bzw. seinen Beratern abspielte, hat Agrippina verloren. Sie konnte ihn auch nicht gewinnen. Bei aller Diffamierung ihres Verhaltens in dieser Situation durch die Überlieferung wird aber deutlich, dass sie den Kampf sehr selbstbewusst und unbeugsam führte. So soll sie nicht nur ungeschminkt geäußert haben, dass Nero die Herrschaft ihr verdanke, sondern auch unter dem Hinweis auf ihre Abstammung von Germanicus Nero damit gedroht haben, Claudius' leiblichen Sohn Britannicus zum Princeps zu machen. Nero vereitelte dies, indem er Britannicus im Februar 55 umbringen ließ. Vorher bereits hatte er Agrippinas Machtbasis geschwächt, indem er ihren wichtigen Agenten Pallas aus seiner Stellung entfernte.
 
Als Agrippina immer noch nicht aufgab, entzog Nero ihr die Leibwache und wies ihr einen Wohnsitz außerhalb des Palastes zu. Damit war sie ihrer Machtbasis beraubt.
 
In den folgenden drei Jahren scheint sich Agrippina mit ihren nun stark begrenzten Einflussmöglichkeiten im politischen Leben abgefunden zu haben, vielleicht auch auf den fortgesetzten Druck Neros hin, der geradezu Psychoterror gegen sie betrieben haben soll.
 
Auch wenn Agrippina keine ernst zu nehmende Gefahr mehr für die Herrschaft bzw. Alleinherrschaft des Princeps bedeutete: Nero hat ihre Existenz als Bedrohung empfunden, und das führte im März 59 zu der Tat, die schon antike Quellen als frevelhaften Muttermord geißeln. Auslöser für diesen Entschluss Neros soll seine Liebesbeziehung zu einer Frau namens Poppaea Sabina gewesen sein. In der Absicht, den Princeps zu heiraten, brachte angeblich sie Nero durch ihre Sticheleien gegen Agrippina, die eine Heirat nicht geduldet hätte, dazu, sich aus der ihn demütigenden Rolle des Muttersöhnchens endgültig zu befreien.
 
Agrippina hatte tatsächlich Grund, sich gegen eine Ehe Neros mit Poppaea auszusprechen, denn diese hätte seine Scheidung von Octavia, der Tochter des Claudius, vorausgesetzt. Eine solche Missachtung der ideologischen Grundlagen der julisch-claudischen Dynastie hätte ideell und politisch für Agrippina einen schweren Schlag bedeutet.
 
Die Ermordung Agrippinas erwies sich als schwierig. Da Nero nicht den Mut hatte, die Augusta einfach umzubringen, ersann man den Plan, ein Schiffsunglück zu konstruieren. Zwar gelang es Nero unter dem Vorwand, sich mit ihr versöhnen zu wollen, seine Mutter nach Bauli (heute Ortsteil von Bacoli) zu locken; aber das für ihren Untergang präparierte Schiff ging nicht plangemäß unter, und Agrippina konnte sich schwimmend retten. Als Nero von ihrer Rettung erfuhr, verlor er die Nerven und ließ sie in ihrer Villa niederstechen. Ihre letzten, an ihren Mörder gerichteten Worte »Triff diesen Schoß (der Nero geboren hat)« sind wohl authentisch.
 
In der offiziellen Version über den Tod Agrippinas behauptete Nero, sie habe versucht, ihn durch einen Vertrauten umbringen zu lassen; nach Vereitelung dieses Anschlages habe sie sich selbst das Leben genommen.
 
Zwar glaubte ihm niemand, aber das hinderte weder Senat noch Volk, seine »Rettung« begeistert zu feiern und Agrippinas Andenken zu verdammen (damnatio memoriae), das heißt ihre Statuen zu beseitigen und Inschriften ihres Namens zu tilgen. Dementsprechend wurde Agrippina zunächst »in aller Stille« auf ihrem Landgut beigesetzt und erhielt erst nach Neros Tod ein Grab an der misenischen Straße.
 
Helena Stegmann
 
Literatur:
 
Eck, Werner: Agrippina, die Stadtgründerin Kölns. Eine Frau in der frühkaiserzeitlichen Politik Köln 21993.
 Barrett, Anthony A.: Agrippina. Mother of Nero London 1996.


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