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EISENBAHNPOLITIK

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Eisenbahnpolitik.


Inhalt: A. Begriff, Ziele und Systeme der E. I. Privatbahnsystem. Repressive und präventive Überwachung durch den Staat. Staatsgarantie. Mängel des Privatbahnsystems. II. Pachtbetrieb von Staatsbahnen. III. Staatsbetrieb von Privatbahnen. IV. Staatsbahnsystem, seine Entwicklung, seine Vorzüge und Nachteile. V. Gemischtes System. – B. Anwendung der E. auf die Einzelgebiete des Eisenbahnwesens, u. zw. auf: a) Eisenbahnbau, b) Eisenbahnbetrieb, c) Verkehrs- und Tarifwesen (Tarifpolitik), d) Bahnen niederer Ordnung. – C. Geschichte der E. in den einzelnen Staaten.


A) Begriff: Ziele und Systeme der E. Die E. umfaßt ihrem Begriffe nach objektiv die Gesamtheit der Betätigungen und als Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung die Grundsätze und Regeln, durch deren Anwendung der Staat das Eisenbahnwesen seinen Zwecken dienstbar zu machen strebt. Sie ist also die Lehre von den Grundsätzen, nach denen die Verwaltung der Eisenbahnen im Staate zu regeln ist. Insofern die Eisenbahnen neben den Straßen, den natürlichen und künstlichen Wasserwegen, der Post, dem Telegraphen und Telephon zu den Verkehrsmitteln gehören, bildet die E. einen Teil der Politik des Verkehrswesens und fügt sich in die Lehre von den Grundsätzen ein, die für die Einflußnahme des Staates auf die Einrichtung und Regelung der Verkehrsmittel im Rahmen der Volkswirtschaftspolitik maßgebend sind.

Wenn unter Politik gleichmäßig die Lehre vom Staate, seinen Einrichtungen und Funktionen zu verstehen ist und daneben die Anwendung der von dieser Wissenschaft zur Richtschnur vorgezeichneten Grundsätze auf die im öffentlichen Leben des einzelnen Staates stattfindenden Betätigungen, so tritt dieser enge Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis bei der Verkehrspolitik und der E. besonders deutlich erkennbar in den Vordergrund. Denn in höherem Maße als auf anderen Gebieten der Volkswirtschaftspflege ist die Entwicklung und Gestaltung der Eisenbahnen in den meisten Kulturstaaten von den Anregungen beeinflußt worden, die aus der wissenschaftlichen Erkenntnis und Darlegung der Eigenart dieses Verkehrsmittels hervorgegangen sind. Gewisse Entwicklungen des Eisenbahnwesens, wie die in den europäischen Festlandsstaaten immer weiter ausgedehnte Verstaatlichung der Hauptbahnen und die Betätigung der Selbstverwaltungskörper im Bahnwesen niederer Ordnung, stellen sich geradezu als Folgewirkungen der Forderungen dar, die von den Vertretern der sozialökonomischen Richtung in der Volkswirtschaftslehre ausgegangen sind und auf dem Wege wissenschaftlicher Propaganda Eingang und Verbreitung in den zur praktischen Führung der Volkswirtschaftspolitik berufenen Kreisen gefunden haben.

Wissenschaft und Praxis sind heute darin einig, daß die E. zu den wichtigsten Aufgaben der staatlichen Volkswirtschaftspflege zu zählen ist und daß der Staat die Pflicht hat, das Eisenbahnwesen in der dem Gemeinwohl dienlichsten Art zu leiten und zu regeln. Diese Erkenntnis ist durch die mächtige Entwicklung des neuen Verkehrsmittels immer mehr verbreitet und vertieft, zum Gemeingut aller zivilisierten Nationen geworden. Sie alle streben auf verschiedenen Wegen wenn auch mit abweichenden Methoden dem Ziele zu, die öffentlichen Interessen im Bereiche des Eisenbahnwesens überwiegend zur Geltung zu bringen. (Österreich war auf dem europäischen Festland einer der ersten Staaten, der die Richtlinien einer systematischen E. feststellte. Durch Erlaß der Konzessionsdirektiven vom 29. Dezember 1837 und 18. Juni 18381 wurden die allgemeinen Rechtsgrundlagen für die Betätigung des privaten Unternehmungsgeistes auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens geschaffen und durch das Hofkanzleidekret vom 23. Dezember 1841 die Hauptrichtungen vorgezeichnet, in denen ein großartiges Netz von Staatsbahnen entstehen sollte und auch tatsächlich zur Ausführung gelangt ist.)

Forscht man den Ursachen nach, die bewirken, daß der Staat auf die Eisenbahnen in weit größerem Umfange Einfluß nimmt als auf irgend einen anderen Zweig der Transportindustrie, so fällt zunächst ins Auge die alle anderen Verkehrsmittel übersteigende Bedeutung der Schienenwege als der für das heutige wirtschaftliche und soziale Leben unentbehrlichen Vermittler des Personen- und Güterverkehrs. Die Vermittlung des Verkehrs wird zu einer Art öffentlicher Funktion, deren ungestörter Vollzug ein staatliches Interesse erster Ordnung darstellt. Nicht minder erheischen die mit dem Eisenbahnbetrieb unvermeidlich verbundenen Gefahren für die Reisenden, das Bahnpersonal und die Anlieger die Obsorge des Staates für die Sicherheit des Betriebs. Hiezu kommt, daß die Eigenart des Bahnbetriebs vermöge seiner technischen und ökonomischen Überlegenheit dazu führt, den Verkehr des von der Bahn durchzogenen Gebietes an sich zu ziehen, so daß den Bahnen ein tatsächliches Monopol für die Verkehrsbesorgung in ihrem Gebiete zur Seite steht, das der Staat Privatunternehmern nicht unbeschränkt einräumen darf.

Ein weiterer Bestimmungsgrund für die erhöhte Einflußnahme des Staates auf die Eisenbahnen liegt in der gewaltigen Größe der mit ihnen verknüpften materiellen Interessen, deren Vertretung eine unter Umständen gemeingefährliche Machtstellung in den Händen einzelner Privatpersonen vereinigen kann. (Amerikanische Eisenbahnkönige!) Die Riesensummen des Anlagekapitals, deren Beschaffung und Verwendung, der Umsatz im Betrieb, dessen Einwirkung auf das Wirtschaftsleben des Bahngebiets, die Beherrschung eines nach vielen Tausenden zählenden Personals von Beamten, Bediensteten und Arbeitern, alle diese Momente erheischen die sorgsame und unablässige Achtsamkeit des Staates, sollen ihm nicht im eigenen Hause wettstreitende Mächte erwachsen, die die Staatspolitik ohne gesetzliche Verantwortlichkeit maßgebend beeinflussen können. Nach den neuesten Ermittlungen betrug das Anlagekapital der Eisenbahnen der Erde Ende 1910 227 Milliarden Mark = 267 Milliarden Kronen. (Vgl. im übrigen über die Länge der Eisenbahnen der Erde und deren Anlagekosten den Artikel: Eisenbahn am Schluß.)

Die Geld- und Kreditgebarung der Eisenbahnen, ihr Erträgnis, an dem der Staat auch bei Privatbahnen häufig durch Garantieleistung und Steuern unmittelbar beteiligt ist, berühren die staatsfinanziellen Interessen sehr nahe. Die mit den Kreditoperationen der Eisenbahnen und dem Kursstande ihrer Wertpapiere zusammenhängenden Börsengeschäfte bieten einen reichlichen Nährboden für Spekulation und Börsenspiel dar.

Einer der stärksten Gründe für die Einflußnahme des Staates auf das Eisenbahnwesen liegt in seiner Wichtigkeit für militärische Zwecke. Die Eisenbahnen haben auch auf die Kriegführung durch die Beschleunigung der Heerestransporte und die Möglichkeit rascher Zusammenziehung großer Truppenmassen, die erleichterte und gesicherte Zufuhr der Kriegs- und Lebensbedürfnisse umgestaltend gewirkt. Die Handlungsfähigkeit der Heeresleitung und die räumliche Ausdehnung der Kriegsoperationen sind dadurch auf das höchste gesteigert. So haben denn auch alle Staaten dafür Vorsorge getroffen, sich die militärische Benutzbarkeit der Bahnen im Ernstfalle unbedingt zu sichern.

Aber auch im friedlichen wirtschaftlichen Wettkampfe der Staaten sind die Eisenbahnen ein wertvolles Werkzeug der Staatspolitik. Sie sind befähigt, durch ihre Verkehrseinrichtungen, die Aufstellung ihrer Beförderungstarife die Maßnahmen der staatlichen Handels- und Zollpolitik in wirksamer Weise zu unterstützen und die Zwecke der staatlichen Wirtschaftspolitik zu fördern. Das Bedürfnis tritt immer stärker hervor, die Eisenbahnen mit ihren Tarifen in den Dienst der heimischen Handels- und Wirtschaftspolitik zu stellen und sie in dieser Hinsicht, mögen sie Staats- oder Privatbahnen sein, als Instrumenta regni zu benutzen.

Nicht ohne Bedeutung ist schließlich für den maßgebenden Einfluß des Staates auf die Eisenbahnen der aus ihrer Entstehung auf Grund eines Aktes der Staatshoheit und der Verleihung des Enteignungsrechtes hervorgehende juristische und Billigkeitsgesichtspunkt, daß die Einschränkung der Privatrechte nur dann gerechtfertigt sei, wenn die hierdurch geschaffene Verkehrsanstalt dem Interesse der Allgemeinheit dauernd gewidmet bleibt.

In der unausgesetzt und planmäßig zur Geltung gelangenden Betätigung des Staates im Interesse der Allgemeinheit wird allgemein der Kern und das Wesen der E. erkannt. Mit Gewährleistung der öffentlichen Interessen bei den Eisenbahnen ist aber das Problem der E. nicht erschöpft. Eine vollständig befriedigende Lösung ist nur dann zu gewinnen, wenn neben den öffentlichen Interessen die Wahrung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit der Eisenbahnen, d.i. die Erzielung einer gewissen Rentabilität gleichfalls als anzustrebendes Ziel einer richtigen E. im Auge behalten wird. Die Bedachtnahme auf die Rentabilität des Bahnbetriebs, die Pflege des Ertrages, tritt nicht selten in Gegensatz zu der Wahrnehmung der öffentlichen Rücksichten. In dieser Hinsicht vorkommende Fälle des Widerstreits können nur dadurch gelöst werden, daß das minder belangreiche Interesse sich dem höheren unterordnet. Hierbei hängt viel davon ab, von wem und in welcher Weise die widerstreitenden Interessen geltend gemacht werden. Es entspricht der allgemeinen Auffassung und der Natur der Sache, daß bei Bahnen, die von öffentlichen Gewalten, dem Staate, den Ländern oder Gemeinden verwaltet werden, die Bedachtnahme auf öffentliche Rücksichten, bei Bahnen in Händen von Privatunternehmern die Berücksichtigung des Ertrages überwiegen wird.

Aus diesem Gegenspiel der wirkenden Kräfte ergibt sich ein Einblick in die Ursachen der Verschiedenheit und der Wandlungen der E. in den einzelnen Staaten (vgl. unter C. Geschichte der E.). Neben mannigfachen mit den Verfassungs- und Wohlstandsverhältnissen, der Verläßlichkeit der Verwaltung, den politischen und sozialen Strömungen zusammenhängenden Ursachen wird die E. bewußt oder unbewußt auch davon beeinflußt, in welchem Umfange dem eigenen wirtschaftlichen Interesse der Eisenbahnen neben den bei ihrem Betrieb zu wahrenden öffentlichen Rücksichten ein Spielraum der Betätigung eingeräumt wird. Je nachdem der eine oder der andere dieser Gesichtspunkte als ausschlaggebend erkannt ist, wird der Staat sich entschließen, die Eisenbahnen als Teil der öffentlichen Verwaltung zu behandeln und ihre Ausführung sowie ihren Betrieb selbst zu übernehmen oder diese Tätigkeit der Privatbetriebsamkeit zu überlassen und die öffentlichen Interessen im Wege der Aufsicht und Überwachung sicherzustellen. Hieraus gehen zwei Grundformen der eisenbahnpolitischen Organisation des Eisenbahnwesens hervor: das Staatsbahnsystem und das Privatbahnsystem. Eine dritte Organisationsform bildet das gleichzeitige Bestehen von Staatsbahnen und Privatbahnen in demselben Staatsgebiete: das gemischte System im weiteren Sinne des Wortes. Weitere Arten ergaben sich im Falle der Trennung von Eigentum und Betrieb aus der Kombination der Rechtssubjekte Staat und Privatunternehmung als Staatsbetrieb von Privatbahnen und Pachtbetrieb von Staatsbahnen durch private Unternehmer.

Die eisenbahnpolitischen Systeme kommen in der Praxis kaum je ganz rein vor. Sie beziehen sich übrigens meist nur auf die Hauptbahnen, nicht auf die Bahnen niederer Ordnung (Lokal- und Kleinbahnen).


I. Privatbahnsystem. (Privatbahnen im Eigenbetriebe.)


Das Privatbahnsystem ist das älteste, mit dem Entstehen der Eisenbahnen in England und Nordamerika ins Leben getretene und in diesen beiden Ländern, von den englischen Kolonien abgesehen, noch heute alleinherrschende. Es hat sich in der ersten Zeit der Eisenbahnen mit diesen von England her nach dem Festland verbreitet, wo es mit Ausnahme Belgiens und einiger deutschen Staaten festen Fuß faßte und unter dem Einflüsse der Theorien der Manchester-Schule lange Zeit in überwiegender Geltung stand. Die leitenden Grundsätze dieses Systems, das die Eisenbahnen vornehmlich als Frachtführer (common carriers) und den Eisenbahnbetrieb als reine Transportindustrie auffaßt, laufen im Wesen darauf hinaus, daß es nicht Sache des Staates sei, sich mit dem Besitze oder Betriebe der Eisenbahnen zu befassen, der besser den Privatunternehmern überlassen bleibe. Der Staat habe sich darauf zu beschränken, die Eisenbahngesellschaften zu überwachen und zur Erfüllung der ihnen obliegenden Verpflichtungen sei es im Wege der Staatsaufsicht, sei es durch die Gerichte, anzuhalten. Dabei wird von der Ansicht ausgegangen, daß Eisenbahnen von Privatunternehmern in wirtschaftlicher Hinsicht besser verwaltet werden als von öffentlichen Körperschaften. Es wird hingewiesen auf die schärfere Wahrnehmung des eisenbahnfiskalischen Interesses durch die an dem Ertrage materiell beteiligten Leiter der Gesellschaften und ihrer Organe, auf die größere Bewegungsfreiheit in kaufmännischer und geschäftlicher Hinsicht bei den Privatunternehmungen, auf die geringere Abhängigkeit der Gesellschaften gegenüber den politischen und sozialen Strömungen, die auf den materiellen Erfolg des Bahnbetriebs nachteilig einwirken. Hiezu kommt noch das Bedenken, das Machtgebiet des Staates allzusehr, u. zw. auf Gebiete auszudehnen, die bisher der freien individuellen Betätigung der privaten Unternehmungslust offen standen, sowie die Sorge, den Staat finanziell mit Milliardenschulden für Eisenbahnzwecke sowie mit dem Risiko eines großartigen Transportbetriebs und seiner wechselnden Konjunkturen zu belasten. Diese Bedenken verbinden sich namentlich in Ländern mit rein parlamentarischer Regierung mit der Befürchtung, die politischen Wandlungen mit ihrem häufigen Personenwechsel auf das Gebiet des Eisenbahnwesens übergreifen zu sehen.

Diese Anschauungen führen zu der Schlußfolgerung, daß die Ausführung und der Betrieb der Eisenbahnen unter Aufsicht des Staates der Privattätigkeit zu überlassen sei, also zum reinen Privatbahnsystem.

In den Anfangsstadien des Privatbahnsystems erhoffte man eine den öffentlichen Interessen zusagende Gestaltung des Eisenbahnwesens von der in den englischen Eisenbahnkonzessionen nach dem Vorbilde der Kanalakte festgesetzten Befahrungsfreiheit der Schienenwege, die sich bald als technisch undurchführbar erwies; sodann von der Zulassung der sog. Linienkonkurrenz, d.i. des Baues von Bahnen, die den Verkehr in der gleichen Richtung bedienen und daher miteinander in Wettbewerb treten sollen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß auch diese Erwartung keine zutreffende war2.

Es mußte also danach getrachtet werden, der mißbräuchlichen Ausnutzung des tatsächlichen Monopols der Eisenbahnen durch gesetzgeberische Maßnahmen Schranken zu ziehen.

So finden sich schon in den älteren englischen Eisenbahnkonzessionen die Grundsätze der möglichsten Schonung des Privateigentums, der gleichmäßigen Behandlung der Verkehrsinteressenten, der Einhaltung fester Höchstgrenzen für die Beförderungspreise ausgesprochen; auch ist nach wiederholten Anläufen die Beaufsichtigung der Bahnen, namentlich in sicherheitspolizeilicher Hinsicht, durch das Handelsamt gesetzlich geregelt worden. Desgleichen wurde den Bahnen die Beförderungspflicht für die Post, das Militär und vereinzelt auch die Polizeiorgane auferlegt. In Nordamerika sind nach einer langen Periode schrankenloser Ungebundenheit sowohl von den Einzelstaaten als von der Bundesregierung Aufsichtsbehörden mit zum Teil weitgehenden Befugnissen eingesetzt und scharfe Verbots- und Strafgesetze erlassen worden, die die dem Gemeinwohl schädlichen Mißbräuche im zwischenstaatlichen Verkehr (interstate commerce) hintanhalten sollen.

Man kann hier von einer in der Hauptsache repressiven staatlichen Überwachung der Bahnen sprechen.

Einen anderen Weg, nämlich den der präventiven Überwachung, hat die E. des Privatsystems in den Staaten des europäischen Festlands eingeschlagen, in denen zumeist durch die gesetzliche Regelung des Eisenbahnkonzessionswesens feste Grundlagen geschaffen worden sind, um die Verpflichtungen der Privatbahnen gegenüber dem Staate und dem Publikum schon im ersten Anfang der Unternehmungen in bestimmter und unbestreitbarer Form festzustellen. Diese Methode hat in Frankreich, wo die erwähnten Obliegenheiten durch technisch durchgebildete Konzessionsbestimmungen und Pflichtenhefte (cahiers des charges) genau festgesetzt und durch ein hochentwickeltes System der Staatsaufsicht überwacht werden, eine besonders hohe Ausbildung erlangt. Allgemein gebräuchlich ist in den festländischen Eisenbahngesetzen und Konzessionsurkunden die Beschränkung der Konzession auf eine bestimmte Zeitdauer, der Vorbehalt des Heimfalls- und Einlösungsrechtes, die Genehmigung der Bauprojekte und Rollmaterialpläne, die Festsetzung von Höchstgrenzen für die einzuhebenden Tarife, die Verpflichtung zum Post- und Militärtransport sowie zu Leistungen für andere Zweige des öffentlichen Dienstes, die technisch-administrative Überwachung durch fachliche Organe und Behörden, die Beaufsichtigung der Kreditgebarung, der Vorbehalt der Genehmigung von Emissionen, die Androhung der Konzessionsentziehung oder der Zwangsverwaltung für den Fall der wiederholten Konzessionsverletzung. So bestehen mannigfache Schutzwehren, mit denen das staatliche Aufsichtsrecht die ihm anvertrauten öffentlichen Interessen umgibt, um deren Wahrung zu sichern. Die Privatbahnverwaltung erscheint dabei an vielen Punkten von der Einflußnahme der Staatsaufsicht durchsetzt und erlangt dadurch den Charakter eines im Auftrage und in Vertretung der Staatsgewalt tätigen Mandatars, dem die Ausübung des Bahnbetriebes nach Art einer öffentlichen Funktion vom Staate übertragen ist. So gelangt man zu dem von Sax aufgestellten Begriffe der delegierten öffentlichen Unternehmung, als welche sich wohlgeordnete Privatbahnen, zumal bei materieller Beteiligung des Staates an ihrem Erträgnisse darstellen. In der Regel haben jedoch Gesetzgebung und Staatsaufsicht nicht vermocht, die dem Privatbahnsystem seiner Natur nach anhaftenden Mängel zu heben. Diese Mängel treten besonders nachteilig da in die Erscheinung, wo der Staat infolge minder entwickelter wirtschaftlicher und Verkehrsverhältnisse den Bau von Eisenbahnen durch Zuwendung von finanziellen Unterstützungen an die Privatgesellschaften gefördert hat.

Die meistverbreitete Form derartiger finanzieller Unterstützung ist die Staatsgarantie, eine Methode staatlicher Förderung des Eisenbahnwesens, die namentlich in Frankreich eine hohe Ausbildung erlangt und dem Lande nützliche Dienste geleistet hat. Anderwärts hat sie, nicht immer geschickt angewendet, den Staat mit sehr erheblichen finanziellen Opfern belastet und dazu beigetragen, das Ansehen des Privatbahnsystems zu schädigen.

Im allgemeinen sind als Mängel des Privatbahnsystems folgende anzuführen:

1. Ungleichmäßigkeit bei Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse der einzelnen Landesteile durch den Bau neuer Linien zur Ergänzung des Bahnnetzes.

Die Privatgesellschaften suchen vorwiegend nur ertragreiche Linien auszubauen. Die ertraglosen Linien bleiben unausgeführt, sofern sie nicht durch besondere finanzielle Zuwendungen den Gesellschaften annehmbar gemacht werden. Das Zustandekommen neuer Bahnen wird oft durch den Einfluß der bestehenden erschwert.

2. Enge Verbindung mit der Spekulation und dem internationalen Großkapital. Hier kommt die Gefahr der Anhäufung von Machtmitteln in der Hand einzelner Privatpersonen, die auch Ausländer sein können, der entsittlichende Einfluß der großenteils auf die Wertpapiere der Privatbahnen begründeten Börsenspekulation, sowie der Ausbeutung des Publikums durch unsolide Finanzierungen und Effektenemissionen besonders kraß zur Geltung.

3. Rein erwerbsmäßige Handhabung des Tarifwesens, die zur Bedrückung der Verkehrsinteressenten, zur Hemmung der Entwicklung einzelner Produktionszweige und zur unverhältnismäßigen Bereicherung der Eisenbahnaktionäre führen kann.

4. Zersplitterung des Bahnnetzes unter mehrere Privatverwaltungen, wodurch einheitliche Verkehrsabwicklung und Tarifaufstellung erschwert werden.

5. Wo der Staat den Bahnbau und Betrieb durch finanzielle Zuwendungen, Zinsen- oder Ertragsgarantien u. dgl. unterstützt, und wo derartige Unterstützungen dauernd in Anspruch genommen werden, kann es leicht vorkommen, daß die Gesellschaften das Interesse an der Besserung des Ertrages der garantierten Linien zurückstellen und auf Kosten des Staates zum Vorteil der Aktionäre wirtschaften.

Das Privatbahnsystem ist in den europäischen Festlandsstaaten im Rückgange begriffen und hat vielfach den anderen eisenbahnpolitischen Bildungsformen Platz gemacht.


II. Pachtbetrieb von Staatsbahnen (Staatsbahnen im Betriebe von Privatunternehmungen).


Dem reinen Privatbahnsystem am nächsten verwandt ist die eisenbahnpolitische Gestaltungsform, bei der die Funktionen des Eisenbahnwesens zwischen dem Staate und der privaten Tätigkeit derart verteilt sind, daß der Staat sich das Eigentum und die Verfügung über die Substanz der Eisenbahnen vorbehält, den Betrieb der ihm gehörigen Bahnen jedoch an Privatunternehmungen überträgt, die ihn vertragsmäßig nach Art eines Pachtverhältnisses führen und an dem Betriebsergebnisse unmittelbar beteiligt sind. Auch dieser Organisationsform liegt die Vorstellung zugrunde, daß der wirtschaftlichen Gebarung finanziell beteiligter Privatunternehmungen – hier der betriebführenden Gesellschaften – der Vorzug vor der Betriebführung durch Staatsorgane einzuräumen sei. Gleichwohl begegnet der Pachtbetrieb von Staatsbahnen in der Praxis den erheblichsten Schwierigkeiten. Diese liegen in dem Widerstreit mit den finanziellen Interessen des Staates, der naturgemäß die Lasten der Erneuerungen und Erweiterungen auf die betriebführenden Gesellschaften zu überwälzen trachtet, wogegen diese vor allem die mögliche Steigerung ihrer Ertragsanteile im Auge haben und der Ansammlung von Reserven sowie der Instandhaltung und Fortbildung des Bahnunternehmens geringere Sorgfalt zuwenden. Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Auseinandersetzung mit den Betriebspächtern beim Ablauf der Pachtperiode. Die Erfahrungen mit diesem System sind keine günstigen. Sie führten in Italien, wo dieses System seit dem Rückkauf der Bahnen durch den Staat in den Jahren 1885–1905 bestand, zum Aufgeben des Pachtsystems und zur allgemeinen Einführung des staatlichen Eigenbetriebes. Nur in den Niederlanden, wo der Eisenbahnverkehr gegenüber der hochentwickelten Benutzung der das Land nach allen Richtungen durchziehenden Wasserwege von geringerer Bedeutung ist, hat sich das System des Pachtbetriebes der Staatsbahnen bisher erhalten.


III. Staatsbetrieb von Privatbahnen (Privatbahnen unter Staatsverwaltung).


Der Betrieb von Privatbahnen durch den Staat bildet eine Übergangsform vom Privat- zum Staatsbahnsystem. Dabei liegt der Gedanke zugrunde, die öffentlichen Interessen beim Betriebe durch die unmittelbare Betätigung des Staates besser wahrzunehmen, als dies im Privatbetriebe der Fall wäre, ohne jedoch dem Staate die wirtschaftliche Verantwortlichkeit für das Bahnunternehmen im vollen Umfange aufzuerlegen. Staatsbetrieb von Privatbahnen wird als ein Mittel angesehen, die verkehrspolitische Machtstellung des Staates zu stärken. Er kommt besonders im gemischten System, wo Staats- und Privatbahnen im Wettbewerbe nebeneinander bestehen, zur Anwendung. Auch bietet er bei garantierten Bahnen, die den Staat finanziell stark in Anspruch nehmen, ein wirksames Mittel der Abhilfe gegen die nachteiligen Folgen der Gebarung der Gesellschaften auf Kosten des Staates. Als Nachteile dieses Systems gelten die Schwierigkeiten, die sich aus den materiellen Beziehungen des Staates zu den Eigentümern der von ihm betriebenen Bahnen ergeben: die doppelte Verantwortlichkeit des Betriebsführers, der einerseits die öffentlichen Interessen wahrzunehmen hat, anderseits auf die Interessen der Aktionäre Bedacht nehmen soll, kann leicht zu Konflikten Anlaß geben. Die Trennung der Zuständigkeiten bei den Verfügungen über einzelne Teile des Vermögensbestandes erschwert die Verwaltung. Alle diese Verhältnisse können für den Staat die Quelle unliebsamer Verwicklungen werden. Bei Hauptbahnen ist diese Verwaltungsform meist nur ein Obergang zur Verstaatlichung, bei Lokalbahnen oft ein dauernder Zustand, der zwar eine getrennte Rechnungsführung bedingt, jedoch den Lokalbahnunternehmungen mannigfache Vorteile und Erleichterungen gewährt.


IV. Staatsbahnsystem (Staatsbahnen im Eigenbetriebe des Staates).


Der Eigenbetrieb von Staatsbahnen ergibt; im vollen Umfange durchgeführt, das reine Staatsbahnsystem. In ihm vereinigt der Staat die Funktionen des Bahneigentümers und des Betriebsführers. Diese Vereinigung bildet die folgerichtige praktische Betätigung der in den Kulturstaaten des europäischen Festlandes vorherrschenden sozialökonomischen Anschauung, daß die Verwaltung des Eisenbahnwesens, soweit es die Hauptbahnen anlangt, eine nach gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen zu behandelnde öffentliche Angelegenheit sei, zu deren Besorgung der Staat allein berufen und auch vorzugsweise geeignet erscheint.


Die Bedeutung der zweckmäßigen Einrichtung und des richtigen Funktionierens der Staatsbahnverwaltung erhellt zunächst schon aus dem in den letzten Jahrzehnten rasch fortgeschrittenen Umfange der in den europäischen Kulturländern vom Staate unmittelbar verwalteten Bahnnetze. Sie haben im Jahre 1910 rund 60% des gesamten Bahnbestandes dieser Länder erreicht und verteilten sich nach den vorliegenden statistischen Angaben in folgender Weise auf die einzelnen Staaten (s. nebenstehende Tabelle).


Daß die öffentlichen Verkehrsinteressen im Staatsbahn System die ihnen zumeist zusagende umfassende Wahrung und Förderung finden, steht außer Zweifel. Mit Recht wird daher hervorgehoben, daß unter allen Gestaltungsformen, die das Eisenbahnwesen in den modernen Kulturstaaten gefunden hat, das reine Staatsbahnsystem allein dasjenige ist, das die Aufgaben der E. des Staates, die einheitliche Regelung innerhalb des Staatsgebietes und die Förderung der beteiligten öffentlichen Interessen vollauf zu erfüllen vermag. Nur in dieser Form ist eine wirtschaftliche Verwendung des Nationalkapitals, das durch die Anlage und den Betrieb der Eisenbahnen in so großartigem Maßstabe in Anspruch genommen wird, möglich; nur in dieser Form ist zugleich die unmittelbare und wirksame Fürsorge des Staates für die seinem Schutz anvertrauten öffentlichen Interessen denkbar; nur in dieser Form bietet sich endlich die Möglichkeit einfacher, billiger und zweckmäßiger Tarife, die sichere Verhinderung schädlicher Differentialtarife, eine gerechte, rasche und tüchtige, auf das allgemeine Beste bedachte Verwaltung. Es muß daher das Staatsbahnsystem als der Abschluß der Entwicklung des Eisenbahnwesens angesehen werden.


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Freilich ist dieses System nicht jederzeit und überall durchführbar. Vorbedingungen hierfür sind eine kräftige Regierung, ein tüchtiger Beamtenstand, gesunde finanzielle Verhältnisse. Andernfalls kann die Einführung des Staatsbahnsystems von bedenklichen Folgen begleitet sein. Als volkswirtschaftliche und soziale Gründe zugunsten des Staatsbahnsystems werden im einzelnen hauptsächlich folgende angeführt:

1. Die Planmäßigkeit beim Ausbau des Bahnnetzes und gleichmäßige Berücksichtigung der minder entwickelten Landesteile;

2. die leichtere Kreditbenutzung bei öffentlichen Anleihen;

3. eine volkswirtschaftlich richtige Tarifpolitik in organischer Verbindung mit der Zoll- und Handelspolitik, daher gleiche Aktionsfähigkeit wie die Auslandsstaaten, die Staatsbahnen besitzen;

4. Vermeidung der rechtlichen und tatsächlichen Monopolsstellung von Privatunternehmungen;

5. ökonomisch-technische Vorteile bei der Betriebsführung infolge der Vereinigung der Oberaufsicht, des Bahneigentums und des Betriebes in einer Hand, Vereinfachung des Tarifwesens, Ausgleichung der Fehlbeträge passiver mit den Überschüssen aktiver Linien und Kurse;

6. Einheitlichkeit der Verwaltung der Bahnen und übrigen Verkehrszweige (Post und Telegraph, Schiffahrtskanäle, soweit sie öffentlich sind, unterstützte Schiffahrtsbetriebe);

7. Öffentliche Kontrolle der Verwaltung durch die Vertretungskörper.

Die dem Staatsbahnsystem eigenen theoretischen Vorzüge, besonders aber auch die überaus günstigen Ergebnisse in Preußen, haben zur Folge gehabt, daß die E. der meisten Kulturstaaten des europäischen Festlands sich mehr und mehr dem Staatsbahnsystem zugewendet hat und bestrebt bleibt, durch Rückkauf oder freihändige Erwerbung der großen Privatbahnen dem reinen Staatsbahnsystem möglichst nahezukommen. Auch in Österreich ist die Eisenbahnverstaatlichung soweit vorgeschritten, daß außer den beiden mit Ungarn gemeinsamen Bahnen, der Südbahn und Kaschau-Oderberger Bahn und zwei böhmischen Kohlenbahnen (Buschtěhrader und Außig-Teplitzer Bahn) alle Hauptbahnen sich nunmehr im Besitz und Betrieb des Staates befinden.

Dabei haben sich manche Bedenken, die ursprünglich gegen die Verwaltung der Bahnen durch den Staat erhoben wurden, mit der Wandlung der sozialökonomischen Anschauungen als grundlos erwiesen oder doch sehr abgeschwächt. So Zweifel, ob der Staat im stände sein werde, ein ausgedehntes Bahnnetz zweckmäßig zu verwalten; Abneigung gegen die Ausdehnung des staatlichen Machtkreises im Verkehrs- und Tarifwesen, insbesondere auch auf das Bahnpersonal; Besorgnisse wegen Hereinziehung des Staates als Dienstgeber von vielen Tausenden Bahnbediensteter in die sozialen Gegensätze und Verwicklungen. Auch das Schlagwort des »Bureaukratismus« vermag von der staatlichen Verwaltung der Bahnen nicht abzuschrecken. Man findet engherzige und formalistische Geschäftsführung auch bei Privatverwaltungen. Richtig ist soviel, daß die Staatsbahnverwaltung sich wegen der dem Staate eigenen organischen oder herkömmlichen Einrichtungen (beschränkte Befugnisse der ausführenden Organe, Instanzenzug, vervielfältigte Kontrollen, Abhängigkeit von parlamentarischen Kreditbewilligungen u.s.w.) in geschäftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht weniger frei bewegen kann als eine Privatgesellschaft. Es ist nun aber eben die Aufgabe einer zweckmäßigen Organisation und Geschäftsführung der Staatsbahnverwaltung, der Eigenart dieses Dienstzweiges und seinen besonderen Bedürfnissen durch vereinfachte, wenn auch von denen der sonstigen Staatsdienstzweige abweichende Einrichtungen und Normen Rechnung zu tragen. Ebenso werden diese Bedürfnisse von den parlamentarischen Vertretungskörpern berücksichtigt werden müssen und für den Fall des Versagens, ihrer normalen Tätigkeit sind verfassungsmäßige Vorsorgen zum unbehinderten Fortgang der Eisenbahnwirtschaft zu treffen. Etwaigen Versuchen obiger Körperschaften und ihrer Mitglieder mit Überschreitung ihrer Zuständigkeitsbefugnisse die Eisenbahnverwaltung in ungehöriger und fachwidriger Weise zu beeinflussen, muß die Regierung nachdrücklichst entgegentreten.

Ein Hauptbedenken gegen das Staatsbahnsystem ist die Größe der wirtschaftlichen und finanziellen Verantwortlichkeit, die dem Staate durch die Übernahme der Milliardenwerte des Bahnanlagekapitals auf seine Rechnung mit den Verzinsungs- und Tilgungslasten erwächst, deren Aufbringung aus dem Betriebe wegen der Schwankungen, denen der Verkehr nach den wechselnden Konjunkturen des Wirtschafts- und Geschäftslebens unterliegt, ein Element der Unsicherheit in die Gebarung des Staatshaushalts hineinträgt. Zwar vermindert sich dieses aleatorische Element dort, wo der Staat an dem Ertrage der Bahnen, wie durch Staatsgarantie des Reinerträgnisses, durch Gewinnanteile oder Ertragssteuern mehr oder weniger direkt finanziell beteiligt ist; immerhin ist die finanzielle Verantwortlichkeit des Staates für die gesamte Eisenbahngebarung einschließlich der Vorsorge für Neubau und Erweiterungen eine die Staatsfinanzen unter Umständen empfindlich belastende Verpflichtung. Ihre Erfüllung setzt die sorgfältigste Bedachtnahme auf die Pflege des Ertrages voraus und erfordert einerseits die Handhabung einer vorsichtigen, die eisenbahnfiskalischen Rücksichten nicht außer acht lassenden Tarifpolitik, anderseits die Abwehr des durch politische und nationale Rücksichten verstärkten Drängens der Interessenten auf kostspielige und unrentable, oft nur beschränkten Kreisen dienende Änderungen der Anlagen und Betriebseinrichtungen. An den Staatsbetrieb werden von den Bevölkerungskreisen weit höhere Anforderungen gestellt als an den Betrieb von Privatbahnen, bei denen die finanziellen Rücksichten viel schwerer ins Gewicht fallen.

Bedeutenden Schwierigkeiten begegnet die Organisation der Staatsbahnen im Eigenbetriebe namentlich dann, wenn es sich um die Verwaltung ausgedehnter Staatsbahnnetze handelt, deren Umfang die bei Einzelverwaltungen gewohnten Grenzen weit übersteigt.

Die Lösung der Organisationsfrage wird zuweilen weiter dadurch erschwert, daß neben den fachlichen auch politische und nationale Gesichtspunkte bei der Feststellung des Organisationsplans und bei seiner Ausführung sich geltend machen können.

Immerhin gilt als allgemein anerkannter Grundsatz für derartige Organisationen die Einheitlichkeit der obersten Leitung der Verwaltung. Sie wird, da die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit des Ressorts zu wahren ist, dadurch gewährleistet, daß die oberste Leitung der Staatsbahnverwaltung dem für diese verantwortlichen Ressortminister zugewiesen ist, der sich zur Ausübung dieser Funktion der Abteilungen des ihm unterstehenden Ministeriums bedient.

Möglichste Vereinfachung der Geschäfts- und Verkehrsformen, Beseitigung unnötigen Schreibwerks, Ausschaltung formalistischer und verwickelter Einrichtungen im Rechnungswesen und bei der Kontrolle haben im ganzen Organismus der Staatsbahnverwaltung zur Richtschnur zu dienen. Im Verkehrs- und Tarifwesen ist auf geschäftsmäßiges Vorgehen und Pflege des wirtschaftlichen Geistes in allen Dienstzweigen auf zweckmäßige Sparsamkeit und gewissenhafte Wahrung der Interessen der Anstalt, die das Bahnpersonal wie seine eigenen zu vertreten hat, besonderes Augenmerk zu richten. Anderseits ist der sozialen und materiellen Stellung der Bediensteten und den für sie bestimmten Wohlfahrtseinrichtungen die möglichst ausgiebigste Vorsorge zuzuwenden. Einrichtungen, durch die das Personal an den Erträgen unmittelbar interessiert wird, wie sie neuestens in Dänemark eingeführt worden sind, verdienen sorgfältige Beachtung.

Den Staatsbahnverwaltungen pflegen Beiräte, beratende Körperschaften, die den Kreisen der Verkehrsinteressenten (Handelskammern, landwirtschaftlichen Vertretungskörpern, industriellen Korporationen) entnommen sind, beigegeben zu werden (Staats- oder Landeseisenbahnrat, Bezirkseisenbahnräte) (vgl. Beiräte, Band II, S. 108).


V. Gemischtes System (Staats- und Privatbahnen nebeneinander).


Eine Mittelstellung zwischen Staats- und Privatbahnsystem nimmt das gemischte System ein, in dem Staats- und Privatbahnen nebeneinander im Eigenbetriebe stehen. Im eigentlichen Sinne gilt als gemischtes System das, bei dem die Hauptverkehrsrichtungen sowohl von Staatsbahnlinien als von Privatbahnen bedient werden, also Staats- und Privatbahnen nahezu gleichmäßig die Hauptpunkte eines Landes verbinden. In diesem Sinne hat das gemischte System in Preußen bis zur Ära der Verstaatlichungen ausgedehnte Anwendung gefunden. Es wurde unter dem Einflüsse der die Konkurrenz im Eisenbahnwesen vertretenden Freihandelsschule lange Zeit als die beste eisenbahnpolitische Gestaltungsform gepriesen, da es die Vorzüge des Staats- wie des Privatbahnbetriebes in sich vereinige und der Wetteifer der beiden Betriebsarten dem technischen Fortschritt sowie den Interessen des Publikums zugute komme. Derzeit ist dieser Standpunkt nicht mehr aufrecht zu halten. Das gemischte System begegnet der grundsätzlichen Einwendung, daß die Konkurrenz des übermächtigen Staates als Bahnunternehmer mit Privaten unmoralisch erscheint und die Unparteilichkeit der staatlichen Oberaufsicht namentlich in den Fällen gefährdet, wo die Interessen der Staatsbahnen denen der Privatbahnen widerstreiten. Auch ist der Bau und Betrieb von Parallelbahnen mit dem wirtschaftlichen Gebote der Sparsamkeit nicht vereinbar; es könnte mit gleichem Aufwände bei einheitlicher Leitung des Bahnwesens viel Besseres geleistet werden.

So erscheint das noch dem ersten Entwurfe eines Reichseisenbahngesetzes vom Jahre 1874 vorschwebende gemischte Eisenbahnsystem derzeit theoretisch aufgegeben. Ein gemischtes System im weiteren Sinne, d.i. der gleichzeitige Bestand von Staatsbahnen und Privatbahnen nebeneinander, besteht derzeit in Ländern, wo, wie in Frankreich, die Frage nach der endgültigen eisenbahnpolitischen Richtung noch unentschieden ist oder wo, wie in Österreich, dem abschließenden Fortgange der Verstaatlichung infolge besonderer Verhältnisse, Hindernisse im Wege stehen.


B. Anwendung der Eisenbahnpolitik auf die Einzelgebiete des Eisenbahnwesens.


So sehr nun die verschiedenen Systeme in staatswirtschaftlicher und sozialpolitischer Hinsicht von einander abweichen, ist ihnen allen doch als Ziel gemeinsam die Wahrung der öffentlichen Interessen unter Bedachtnahme auf die wirtschaftlichen Lebensbedingungen der Eisenbahnen als großer, mit hohem Kostenaufwande arbeitender Transportanstalten. Demgemäß ergeben sich ungeachtet der Verschiedenheit der eisenbahnpolitischen Systeme für die Erörterung der staatlichen Einflußnahme auf die Einzelgebiete des Eisenbahnwesens im großen und ganzen übereinstimmende Gesichtspunkte und daraus abzuleitende Grundsätze.

Man kann diese Grundsätze als besondere Eisenbahnpolitik bezeichnen. Diese umfaßt sonach, der üblichen Einteilung der Hauptbelange des Eisenbahnwesens entsprechend, die Aufgaben der eisenbahnpolitischen Betätigung in bezug auf den Eisenbahnbau, den Eisenbahnbetrieb und den Eisenbahnverkehr einschließlich des Tarifwesens. Auch ist schließlich noch das in zunehmender Entwicklung stehende Bahnwesen niederer Ordnung zu beachten.

a) Eisenbahnbau. Hier kommt vor allem als leitender Gesichtspunkt der E. die planmäßige Ausführung oder Ergänzung des Bahnnetzes in Betracht. Nur wenigen Ländern, wie Österreich, Belgien, Frankreich, war schon am Beginne der Eisenbahnzeit der Vorzug beschieden, den Bau der Hauptlinien ihres Bahnnetzes nach einem gesetzlich oder regierungsseitig im voraus festgestellten Grundplane zur Ausführung zu bringen (s. Eisenbahnbauplan).

Trotz wiederholter Schwankungen in der E. tritt im weiteren Verlaufe der Entwicklung allenthalben das Bestreben der Regierungen zutage, für den planmäßigen Ausbau der Verkehrswege feste Grundlagen zu schaffen. Beispiele solcher Eisenbahnprogramme bieten der Eisenbahn- und Kanalbauplan de Freycinets (1878) in Frankreich, das italienische Linienplangesetz vom Jahre 1879. Beide gelangten nur teilweise zur Ausführung.


Auch in Österreich wurde wiederholt (1869 und 1875) die gesetzliche Feststellung eines Linienbauprogramms durch Gesetzentwürfe angestrebt, die jedoch im Parlamente nicht zur Verabschiedung gelangten. Mit besserem Erfolge wurden diese Bestrebungen dann von dem Kabinett des Ministerpräsidenten Dr. v. Koerber (1900) aufgenommen, unter dessen Amtsführung das vom Verf. als Eisenbahnminister eingebrachte umfassende Bau- und Investitionsprogramm am 6. Juni 1901 Gesetz wurde.


Die Bedeutung einer planmäßigen Ergänzung des Bahnnetzes beruht einerseits auf einer Forderung der ausgleichenden Gerechtigkeit, die auch minder entwickelten Landesteilen die Vorteile der Eisenbahnverbindung zuzuwenden gebietet, anderseits auf einem Bedürfnisse einer verständigen Arbeits- und Industriepolitik, die eine stetige, möglichst gleichmäßige Beschäftigung der Baugewerbe und Waggon- und Lokomotivfabriken dringend erfordert. Nebst der planmäßigen Leitung des Eisenbahnbaues erfordert die Eisenbahnbaupolitik die Wahrung der technischen Zweckmäßigkeit der Anlagen, ihre solide und streng ökonomische Ausführung, den Schutz der Anrainer und Interessenten.

Diese Gesichtspunkte sind bestimmend für die Regelung des Vorganges, der bei der Vorbereitung und Ausführung von Eisenbahnbauten, seien es solche des Staates oder von Privatunternehmungen, eingehalten wird. Die technische Zweckmäßigkeit der Anlage wird, soweit sie nicht schon auf die Autorität der Staatsbahnbehörden als Projektverfasser gestützt ist, durch die insgemein vorgeschriebene aufsichtsbehördliche Prüfung und Genehmigung der Vorprojekte (Generalprojekte) und Bauprojekte (Detailprojekte), erstere die allgemeine Richtung (Trasse) der auszuführenden Bahn, letztere die Einzelheiten der Anlage enthaltend, dann durch die kommissionellen Amtshandlungen (Trassenrevision, politische Begehung) klargestellt und derart der entscheidenden Behörde (Ministerium, Statthalterei) die geeignete Unterlage geliefert. Dem Anliegerschutze dient die Vernehmung der Interessenten bei den Kommissionen, der Ökonomie des Baues die Enteignung, die den Grunderwerb unter richterliche Wertbemessung stellt.

Die Bauökonomie ist weiter maßgebend für die Bauausführung selbst, die entweder in eigener Regie oder mit Vergebung an einen Bauunternehmer bewirkt wird.

b) Eisenbahnbetrieb. Das Ziel der E. beim Eisenbahnbetriebe ist die Gewährleistung der möglichsten Sicherheit, Ordnung und Regelmäßigkeit des Bahnverkehrs sowie die Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse des Publikums. Der Betrieb soll derart eingerichtet sein, daß er den verschiedenartigen Verkehrsbedürfnissen sowohl bei der Personenbeförderung als bei dem Gütertransporte gleichmäßig Genüge leistet. Zu diesem Zwecke werden die allgemeinen Grundsätze der Betriebsvorschriften gesetzlich oder im Verordnungswege festgestellt (s. Eisenbahn-Betriebsordnung). Einen der wichtigsten Gegenstände der staatsaufsichtsbehördlichen Einflußnahme bildet die Verhütung von Betriebsunfällen durch geeignete Sicherheitsvorkehrungen sowie die Milderung der Folgen eingetretener Unfälle durch möglichst vollkommene Einrichtungen des Rettungswesens.

Die eisenbahnpolitische Betätigung umfaßt weiter die Einflußnahme des Staates in bezug auf die Angelegenheiten des Bahnpersonales. Diese erfolgt bei Privatbahnen durch Regelung der Anstellungsbedingungen, der Eignung je nach Verschiedenheit der zu leistenden Dienste, durch Einflußnahme auf die Bahnverwaltungen bei der Alters- und Invalidenversorgung und sonstigen Wohlfahrtseinrichtungen zu gunsten des Personales. Solche Einrichtungen tragen den Stempel der sozialpolitischen Fürsorge in der der Staat den Privatbahnen wegweisend und vorbildlich vorauszugehen berufen ist. Hier kommen in Betracht die Wohnungsfürsorge durch Eigenbau zweckmäßiger Bediensteten- und Arbeiterhäuser, Förderung von Baugenossenschaften, billiger Lebensmittelbezug von Konsumvereinen, Freifahrt zum Einkauf von Bedarfsartikeln, Bezug des Brennstoffs aus den Bahnvorräten, Begünstigungen für den Unterricht und die Erziehung der Kinder, Pflege des Vereinswesens unter den Bahnbediensteten zu Bildungs- und Geselligkeitszwecken. Mustergültige Einrichtungen letzterer Art bestehen namentlich im Bereiche der preußischen Staatsbahn Verwaltungen.

Die Leistungen für Staatsdienstzweige (Post-, Telegraphen-, Militär-, Polizei- und Finanz- einschließlich Zollverwaltung) werden bei Staatsbahnen im Einvernehmen der obersten Verwaltungsbehörden, bei Privatbahnen durch die Betriebsordnung und Konzessionsbestimmungen auf gesetzlicher Grundlage geregelt.

c) Eisenbahnverkehr und Tarifwesen. Von allen das wichtigste, weil in die volkswirtschaftlichen Verhältnisse am tiefsten einschneidende, Betätigungsgebiet der E. ist das Verkehrs- und Tarifwesen.

In ersterer Hinsicht handelt es sich um die Ordnung der Rechtsverhältnisse in bezug auf den Personen- und Güterverkehr. Diese werden durch von der Staatsgewalt mit Gültigkeit auch für die Privatbahnen erlassene Anordnungen (Betriebsreglement, Verkehrsordnung) geregelt, die die Bedingungen fesstellen, unter denen die Eisenbahnen verpflichtet sind, die Beförderung von Personen und Gütern zu übernehmen und durchzuführen3.

Der Eisenbahntarifpolitik fällt die ebenso wichtige als schwierige Aufgabe zu, die im Tarif enthaltenen Beförderungspreise festzustellen. Diese Feststellung muß in einer Weise geschehen, die einerseits den volkswirtschaftlichen Rücksichten und den Bedürfnissen des Verkehrs entspricht, anderseits die Deckung der Betriebskosten und die Erzielung eines Betriebsüberschusses zur Verzinsung und allmählichen Tilgung des Anlagekapitals ermöglicht. Bei Privatbahnen wird die Wahrung der volkswirtschaftlichen und Verkehrsinteressen regelmäßig durch Festsetzung von Höchsttarifen in der Konzession und durch Vorbehalte der Tarifherabsetzung in bestimmten Fällen (Notstand, Lebensmittelteuerung, Grenzwerte für die Aktiendividende) sicherzustellen gesucht. Die Pflege des Ertrages ist schon durch das eigene Erwerbsinteresse der Gesellschaften verbürgt.

Bei der Tarifpolitik der Staatsbahnen, die nur ausnahmsweise durch gesetzliche Höchstbeträge beschränkt sind, im übrigen aber bei den Tarifen freie Hand haben, stehen naturgemäß die öffentlichen Rücksichten auf Förderung der Volkswirtschaft an erster Stelle. Von der Staatsbahnverwaltung wird erwartet und gefordert eine die wirtschaftlichen und sonstigen Interessen der Bevölkerung voranstellende, eine »gemeinwirtschaftliche« Tarifpolitik. Anderseits erheischt die Rücksicht auf Erzielung eines ausreichenden Ertrages eine sorgfältige Bedachtnahme auf die finanziellen Wirkungen der Tarife. Wird sie außer acht gelassen, so kann es kommen, daß die Staatsbahnen mit namhaften Zuschüssen aus allgemeinen Staatsmitteln betrieben werden, so daß die Nichtbeteiligten für die Eisenbahninteressenten aufkommen müssen.4

d) Das Bahnwesen niederer Ordnung. Auch dieses bildet einen Gegenstand der E., die die Aufgabe hat, die Entwicklung der Lokal- und Kleinbahnen, die als Zufahrtslinien und Saugadern der Hauptbahnen oder als Hilfsmittel des örtlichen Verkehrs der Volkswirtschaft wichtige Dienste leisten, in zweckmäßiger Weise zu fördern. Es wird mehr und mehr als Ziel der E. erkannt, diese Verkehrsmittel im Gebietsumfange des Staates möglichst gleichmäßig zu verbreiten und ihren Betrieb in geeigneter Art zu unterstützen. Das Bahnwesen niederer Ordnung tritt mit dem Fortschreiten der wirtschaftlichen Entwicklung immer mehr in den Vordergrund, zumal in ihm eine stetig zunehmende Betätigung der Selbstverwaltungskörper (Länder, Bezirke, Gemeinden) als Bau- und Betriebsunternehmer stattfindet. Diese bildet eine Analogie zu der Funktion des Staates im Bahnwesen höherer Ordnung, wie sie in den europäischen Staaten den vorläufigen Abschluß und einstweiligen Ruhepunkt der eisenbahnpolitischen Entwicklung darstellt.

C. Geschichte der E. In der Geschichte der E. sind zwei Hauptrichtungen zu unterscheiden: die eine, die in den frühesten Entwicklungsstadien überwiegend war, als obersten Zweck die Förderung des Zustandekommens von Schienenwegen verfolgte und diese von der möglichst freien Betätigung des privaten Unternehmungsgeistes erhoffte; die andere, die auf die möglichst ausgedehnte Wahrung des im Staatswillen verkörperten öffentlichen Interesses bei den Eisenbahnen den entscheidenden Wert legt und dieser Rücksicht die übrigen Gesichtspunkte unterordnet.

Es liegt in der Natur des fortschreitenden Übergewichtes der staatlichen Wohlfahrtspflege im Bereiche der Volkswirtschaft, daß die zweite der genannten Hauptrichtungen, von einigen Ausnahmefällen abgesehen, erst in den späteren Entwicklungsphasen des Eisenbahnwesens mit der Verbreitung sozialpolitischer Anschauungen herrschend hervortritt, wenn auch einzelne Ansätze dieser Richtung von Anfang an in den verschiedensten Ländern wahrnehmbar sind und meist in gewissen grundlegenden Bestimmungen der Eisenbahngesetzgebung Ausdruck gefunden haben.

England ist das Land, dem dank der genialen Erfindung der Stephensonschen Dampflokomotive, die Ausbildung der von alters her im Bergwerksbetriebe üblichen Spurbahnen zu der Grundform der modernen Eisenbahnen angehört. Die Verwendung von Schienenwegen mit tierischer Zugkraft als öffentliches Transportmittel ist übrigens zuerst in Österreich durch die Sicherstellung des Baues der mit Allerh. Privilegium vom 7. September 1824 konzessionierten »Holz- und Eisenbahn« Linz-Budweis, der 1832 Linz-Lambach-Gmunden folgte, u. zw. schon zu einer Zeit durchgedrungen, als in England noch die den Zeitraum 1824–1826 ausfüllenden parlamentarischen Verhandlungen über die Bill der ersten großen Eisenbahn Liverpool-Manchester (eröffnet 17. September 1830) in der Schwebe waren. Erst 1833–1835 folgten in England weitere Konzessionen für größere Eisenbahnlinien. Die durch Fusion (amalgamation) gebildeten mächtigen Bahngesellschaften und wiederholte Versuche des Parlaments, zum Schutze des Publikums durch Gesetzgebungsmaßnahmen einzugreifen, kennzeichnen die weitere Entwicklung der englischen E.5. Die Kolonien besitzen vielfach eigene Staatsbahnen (Indien, Südafrika, Australische Bundesstaaten, letztere ausschließlich nur Staatsbahnen).

Gleichwie in England verlaufen auch in Nordamerika die Anfänge des Eisenbahnwesens in der vollständigen Herrschaft des Privatbahnsystems bei unbeschränkter Zulassung der Konkurrenzbahnen, denen allerdings bei der Aufschließung und Besiedelung des Landes die führende Rolle zufiel, so daß die Eisenbahnen bis in die Jüngste Zeit als Wohltäter gepriesen wurden, und in scharfen Wettbewerbskämpfen der Gesellschaften untereinander, die früher oder später damit endigten, daß einzelne Großspekulanten (»Eisenbahnkönige«) durch Aktienkauf, Verschmelzung oder Betriebsverträge große Bahnnetze unter ihren maßgebenden Einfluß brachten und diese Monopolstellung dann rücksichtslos zu ihrem Vorteil ausbeuteten (Vanderbilts Kampf mit dem Eriekanal, Fisk, Jay Gould, Daniel Drew, neuestens Harriman), bis sich Einzelstaaten und Bund zu scharfen gesetzgeberischen Gegenmaßregeln (Interstate commerce law, Verbot der Pools u.a.m.) aufrafften. Ihre Durchführung ist zum Teil von der Unsicherheit richterlicher Entscheidungen beeinflußt, die die Bahnen im Streitfalle anrufen.

Ein Vorbild staatswirtschaftlicher Voraussicht hat zu Beginn des Eisenbahnzeitalters König Leopold I. für Belgien gegeben, für welches Land schon 1834 die Hauptlinien des Bahnnetzes nach den Anträgen Georg Stephensons planmäßig festgestellt wurden. Bereits am 1. Mai 1834 gelangte ein Gesetz in Kraft, durch das die Regierung ermächtigt wurde, 10 Millionen Francs zum Baue eines Netzes von Eisenbahnen zu verwenden.

Seit 1842 begann auch in Belgien der Bau von Privatbahnen. Man machte jedoch mit dem gemischten System keine guten Erfahrungen, weshalb im Laufe der Jahre eine Anzahl von Privatbahnen verstaatlicht wurde. Derzeit bestehen nur noch 6 selbständige Privatbahnen, die kleinere Linien betreiben. Den Bau und Betrieb von Vizinalbahnen, die in Belgien eine große Entwicklung genommen haben, besorgt die Société nationale des chemins de fer vicinaux (s. Belgische Eisenbahnen und Belgische Nebenbahnen).

In Frankreich war die erste Bahn die Kohlenbahn St. Etienne-Andrézieux, 1823 konzessioniert, 1828 eröffnet. Auf Grund des Gesetzes vom 27. Juni 1833 (Thiers) wurden sodann die Hauptlinien des Bahnnetzes, ausgehend von Paris nach den verschiedenen Grenzpunkten, von der Regierung technisch festgestellt und nach dem Gesetze vom 11. Juni 1842 derart zur Ausführung gebracht, daß der Staat im Verein mit den beteiligten Departements und Gemeinden den Grunderwerb durchführte und den Unterbau und Hochbau herstellte, die Herstellung des Oberbaues und die Anschaffung des Fahrparks sowie den Betrieb dagegen gebietweise verschiedenen Gesellschaften überließ, deren Gebarung vom Staate finanziell unterstützt, jedoch in allen Beziehungen unter eine scharfe Kontrolle gestellt wurde. Der weitere organische Ausbau dieses Systems erfolgte durch die von der Regierung des zweiten Kaiserreichs geförderten Verschmelzungen der Bahnen, darunter auch notleidender Spekulationsbahnen (Morny's Grand Central = grand scandale) behufs Bildung der sechs großen Gesellschaften, in deren Bezirke das ganze europäische Festlandsgebiet Frankreichs aufgeteilt wurde: Nord, Est, Ouest, Orléans, Midi, Paris-Lyon-Méditerrannée. Die mit diesen 1859 abgeschlossenen Verträge haben die Grundlage der weiteren Entwicklung des Eisenbahnwesens in Frankreich gebildet6. Abweichungen von den leitenden Grundsätzen durch Zulassung der Privatspekulation auf Konkurrenzbahnen (Philippart) anfangs der Siebzigerjahre führten zum Ankauf der notleidend gewordenen Linien durch den Staat, der aus ihnen als septième réseau ein Staatsbahnnetz bildete. Mit 1. Januar 1909 hat der Staat im Wege des Rückkaufs das Westbahnnetz in Eigentum und Betrieb übernommen.

In den deutschen Staaten wurden die Eisenbahnen anfänglich zumeist dem privaten Unternehmungsgeist überlassen, die öffentlichen Interessen aber durch umfassende allgemeine Gesetze und Verordnungen gewahrt. Die erste deutsche Dampfeisenbahn, Nürnberg-Fürth, genehmigt 1834, eröffnet 7. Dezember 1835, war ein Privatunternehmen, gleichwie die 1840 eröffnete Eisenbahn München-Augsburg und die im Jahre 1835 unter Mitwirkung Friedrich Lists begründete, 1839 eröffnete Eisenbahn Leipzig-Dresden. Das Herzogtum Braunschweig war der erste deutsche Staat, der den Bau von Eisenbahnen selbst in die Hand nahm. 1838 wurde die Linie Braunschweig-Wolfenbüttel als erste deutsche Staatsbahn eröffnet. In Preußen beginnt die Ausführung von Eisenbahnen als Privatunternehmungen mit der Berlin-Potsdamer Bahn, genehmigt 1837, eröffnet 1838, und der gleichfalls 1837 konzessionierten, aber erst 1841 vollendeten Eisenbahn Düsseldorf-Elberfeld. Baden und Württemberg entschlossen sich 1838 und 1842 zum Bau von Staatsbahnen, der späterhin auch in Hannover, Sachsen und Bayern als ein wertvolles Hilfsmittel zur Behauptung der staatlichen Selbständigkeit zur Vorherrschaft gelangte.

In Preußen kam man anfangs durch Einzelmaßnahmen dazu, einen Teil des Bahnnetzes in die Hand des Staates zu bringen. Zunächst fehlte es namentlich in den östlichen Landesteilen an Privatunternehmern für Eisenbahnen, so daß der Staat genötigt war, die Ostbahn (Berlin-russische Grenze), die Westfälische und Saarbrücker Bahn selbst zur Ausführung zu bringen. Hiermit setzt die Tätigkeit des Handelsministers Freiherrn von der Heydt ein, des Begründers des preußischen Staatsbahnsystems. Weiter führte die wiederholt eintretende Bedrängnis einzelner Privatbahnen dazu, ihren Übergang an den Staat oder die Betriebsübernahme als Entgelt für finanzielle Unterstützung (Garantie, Aktienankauf u.s.w.) zu bedingen. Die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn (Berlin-Breslau) wurde 1852 vom Staate angekauft, die Oberschlesische und die Bergisch-Märkische Eisenbahn schon 1850 und 1851 in Staatsverwaltung übernommen. Der Erweiterung des staatlichen Bahnbesitzes diente auch das auf Antrag von der Heydts beschlossene Gesetz vom 20. Mai 1853, womit die schon im Gesetze von 1838 vorgesehene Eisenbahnabgabe eingeführt und ihr Reinertrag dem Zwecke des Ankaufs von Aktien der Privatbahnen gewidmet wurde. Finanzielle Staatsnotwendigkeiten führten 1859 dazu, daß diese Bestimmung aufgehoben wurde, auch erfolgte 1866 der Verkauf eines großen Teils der im Besitz des Staates befindlichen Eisenbahnaktien. Eine bedeutende Vergrößerung erlangte der preußische Staatsbahnbesitz 1866 durch die Staatsbahnnetze der annektierten Länder Hannover, Kurhessen, Nassau. So bildete sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein gemischtes System heraus, in dem die Hauptrichtungen zwischen Staats- und Privatbahnen geteilt waren. Das gemischte System hat indes die daran geknüpften Erwartungen nicht erfüllt. Statt der erhofften heilsamen Wirkungen des Nebeneinanderbestehens von Staats- und Privatbahnen, erwies sich die Zersplitterung der Verwaltungen als ein arges Hemmnis des Fortschritts und eine Verteuerung der Betriebskosten. Hierzu kam, daß in Preußen unter dem Einfluß der Spekulations- und Gründerzeiten nach den beiden Kriegen eine größere Zahl von Konkurrenzlinien entstanden war, die bald oder noch vor ihrer Fertigstellung notleidend wurden (Stroussberg, 1873er Krach) und vom Staate übernommen werden mußten. So drängte sich der Gedanke auf, dem unerfreulichen Zustande des Eisenbahnwesens durch verstärkte Einflußnahme der öffentlichen Gewalten ein Ziel zu setzen. Reichskanzler Fürst Bismarck versuchte diese Lösung 1873 durch Einsetzung des Reichseisenbahnamts, und als die von diesem ausgearbeiteten Entwürfe eines Reichseisenbahngesetzes sich aussichtslos zeigten, 1875 durch das »Reichseisenbahnprojekt« herbeizuführen. Der Plan scheiterte an dem Widerstände der Mittelstaaten. Alsdann schritt Preußen 1879 dazu, seine sämtlichen großen Privatbahnen für den Staat zu erwerben. Diese Riesenoperation, die ohne Ausübung des konzessionsmäßigen Einlösungsrechtes im Wege freihändigen Ankaufs in den Achtzigerjahren von dem Minister v. Maybach mit glänzendem finanziellen Erfolge durchgeführt wurde, brachte den preußischen Staat in den Besitz und Betrieb eines geschlossenen Staatsbahnnetzes, dessen Umfang einschließlich der in die Gemeinschaft einbezogenen hessischen Staatsbahnen mit Schluß des Rechnungsjahres 1910 (31. März 1911) die Gesamtlänge von 37.000 km überschritten hat und dessen Ertragsüberschüsse eine kräftige Stütze der preußischen Staatsfinanzen bilden.

Die günstigen Erfolge des Staatsbahnsystems in Preußen haben auf andere Länder mächtigen Einfluß geübt und sie zu gleichem Vorgehen veranlaßt.

Auch in Österreich verdanken die Eisenbahnen ihr Entstehen zunächst der Tätigkeit des privaten Unternehmungsgeistes, die durch hervorragende Techniker wie Professor Franz Josef Ritter von Gerstner (1756–1832) und dessen hochbegabten Sohn Franz Anton Ritter von Gerstner (1795–1840), Ingenieur Mathias Ritter v. Schönerer (1807–1881), Professor Franz Xaver Riepl (1790–1857), Karl Ritter v. Ghega (1802–1860), Wilhelm Freiherr v. Engerth (1814–1884), angeregt und unterstützt wurde. Nach den Pferdebahnen Linz-Budweis und Linz-Lambach-Gmunden, denen sich die 1826–1830 erbaute Anfangsstrecke Prag-Lana der 1827 konzessionierten Eisenbahn Prag-Pilsen anschloß, wurde die erste schon ursprünglich zum Dampfbetrieb eingerichtete österreichische Hauptbahn, die a. priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn Wien-Bochnia nebst Abzweigungen, mit Allerh. Privilegium vom 4. März 1836 ins Leben gerufen. Das Nordbahnprivilegium kennzeichnet die eisenbahnpolitische Auffassung der damaligen Regierung durch die der Gesellschaft nebst dem Enteignungsrechte eingeräumte volle Tariffreiheit, die Fortdauer des Eigentums der Unternehmung auch nach Ablauf der 50jährigen Privilegiendauer und die bedingte Zusage einer sodann eintretenden Erneuerung des Privilegiums. Einen wichtigen Fortschritt gegen diese Bestimmungen enthalten die am 29. Dezember 1837 und 18. Juni 1838 erlassenen »Allgemeinen Bestimmungen über das bei Eisenbahnen zu beobachtende Konzessionssystem«. Hier wird bereits der Heimfall des unbeweglichen Bahneigentums an den Staat nach Ablauf der 50jährigen Konzessionsdauer, die staatliche Einflußnahme auf die Wahl und Trassenführung der zu konzessionierenden Bahnen sowie deren staatliche Überwachung festgesetzt und die Verpflichtung zur militärischen Benutzung der Bannen auferlegt. Zugleich wurde unter Berufung auf das Allerh. Kabinettsschreiben vom 25. November 1837 ausgesprochen, daß der Staatsverwaltung das Recht vorbehalten bleibe, Eisenbahnen auf eigene Rechnung zu bauen oder zu betreiben, daß jedoch beschlossen sei, hiervon unter den gegenwärtigen Verhältnissen keinen Gebrauch zu machen.

Wenige Jahre später vollzog sich in Österreich der Übergang zum Staatsbahnsystem. Mit dem Hofkanzleidekret vom 23. Dezember 1841, wurde, ohne die Privatbetriebsamkeit auszuschließen, der Grundsatz aufgestellt, daß auf das Zustandebringen der für die Staatsinteressen wichtigsten Bahnen von der Regierung direkter Einfluß genommen werde, und es wurden die Linien bezeichnet, die als Staatsbahnen zur Ausführung kommen sollen. Für Ungarn wurde nachträglich die Vorlage eines besonderen Linienplanes angeordnet. Zur Ausführung der Staatsbahnen wurde eine Generaldirektion bestellt und der Bau mit großer Energie ins Werk gesetzt, so daß die nördliche Staatsbahn, die südliche Staatsbahn bis Triest einschließlich der Semmeringbahn (s.d.) und die lombardisch-venetianische Bahn zuzüglich der Fortsetzung der Nordbahn in Galizien und der wichtigsten Bahnlinien in Ungarn sowie der Nordtiroler Bahn noch vom Staate im Laufe der folgenden 17 Jahre bis 1858 vollendet und in Betrieb gesetzt wurden.

Der älteren Staatsbahnperiode ist in Österreich schon Mitte der Fünfzigerjahre der mit dem Erlaß des Eisenbahnkonzessionsgesetzes vom 14. September 1854, das die Konzessionsdauer auf 90 Jahre begrenzt und das Heimfallrecht des Staates aufrecht hält, zusammenhängende und mit dem allmählichen Verkaufe der Staatsbahnen an mit ausländischem Kapital gegründete Gesellschaften bewerkstelligte Übergang zum Privatbahnsystem nachgefolgt. Hierbei war für den Staat nicht nur der Verlust der von ihm mit großen Opfern geschaffenen Staatsbahnen, sondern in der Folge auch der übermäßige Gebrauch nachteilig, den man von der Erteilung der Staatsgarantie für dauernd ertraglose Bahnen machte. Auch hier hat die Wahnidee der Konkurrenzbahnen manche Vergeudung des Nationalvermögens verschuldet. Die finanziellen Opfer des Staates erhöhten sich durch die riesigen Kursverluste, die nach dem 1866er Kriege für die Aufbringung des Kapitals bewilligt werden mußten und durch das Übel der Pauschalbauverträge, die die Interessen des Bahnunternehmens denen der verbündeten Finanzleute und Bauunternehmer hintansetzten. Die Folgen dieses Systems, das den Staat in den Siebzigerjahren mit Garantiezahlungen bis zu 52 Millionen Kronen jährlich belastete, und der Umstand, daß manche der in der Gründerzeit neugeschaffenen Bahnen alsbald notleidend wurden und vom Staate übernommen werden mußten, führten zur grundsätzlichen Wiederaufnahme des Staatsbahnsystems. Die Wandlung begann mit dem Gesetz vom 14. Dezember 1877, womit die Regierung ermächtigt wurde, garantierte Bahnen, die ihre Betriebskosten nicht einbringen oder die Staatsgarantie übermäßig belasten, in Betrieb zu nehmen und mit dem Ankauf solcher Bahnen vorzugehen. Im Verfolge des mit diesem Gesetze vorgezeichneten Verfahrens wurden 1880 die Kronprinz-Rudolf-Bahn und die Vorarlberger Bahn und später weitere Bahnen erworben.

Die im Laufe der Neunzigerjahre gemachten Versuche, andere Bahnen (Südbahn, Nordwestbahn, Staatseisenbahngesellschaft) für den Staat zu erwerben, scheiterten zumeist an parlamentarischen Widerständen. Die nach Besserung der parlamentarischen Verhältnisse ermöglichte Wiederaufnahme der Eisenbahnverstaatlichung brachte seit 1906 die Kaiser Ferdinands-Nordbahn, die böhmische Nordbahn, die österreichischen Linien der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft samt Nebenbahnen, die Österreichische Nordwestbahn und die Süd-norddeutsche Verbindungsbahn in den Besitz und Betrieb des Staates. Das österreichische Staatsbetriebsnetz ist hierdurch mit Ende 1911 auf rund 19.000 km angewachsen, nach dem preußisch-hessischen das größte einheitlich verwaltete Staatsbahnnetz Europas. Der Sieg des Staatsbahnprinzips ist dadurch für Österreich endgültig entschieden und bei den Hauptbahnen der Übergang zum reinen Staatsbahnsystem vorbereitet, zu dem derzeit noch die Südbahn, die Kaschau-Oderberger, die Buschtehrader und die Aussig-Teplitzer Bahn fehlen.

In Ungarn bildeten nach dem verunglückten Versuch der Pest-Steinbrucher Einschienenbahn (1827) die Preßburg-Tyrnauer Pferdebahn (1846) und die Strecken Pest-Waitzen (eröffnet 1846) und Pest-Szolnok (1847) der ungarischen Zentralbahn den Anfang des Eisenbahnnetzes, dessen weiteren Ausbau die Regierung des absolutistischen Einheitsstaates in den Fünfziger- und Sechzigerjahren besorgte.

Seit dem 1867er Ausgleich war in Ungarn das auf nationalen und staatsrechtlichen Beweggründen beruhende Bestreben, die Hauptlinien des Bahnnetzes in der Hand des Staates zu vereinigen, gleich zum Beginn der neuen Ära durch den Ankauf der notleidenden ungarischen Nordbahn (Pest-Losoncz) und deren Ausbau bis Ruttek sowie späterhin durch den Ankauf der Theißbahn, dann durch den Erwerb und Ausbau der Alföld-Fiumaner Bahn betätigt worden. Es folgte der Ankauf einer Reihe weiterer Bahnen und schließlich 1891 jener der ungarischen Linien der Österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft. Die Hauptlinie Budapest-Semlin wurde vom Staate ausgebaut, der sohin das Hauptbahnnetz in allen Verkehrsrichtungen mit Ausnahme der Südbahn und Kaschau-Oderberger Bahn besitzt und betreibt.

Der Bau von Vizinalbahnen wurde allerdings der Privattätigkeit überlassen, indessen durch vielfache Begünstigungen und durch die Übernahme des Betriebes seitens der Staatsbahnen in außerordentlicher Weise gefördert.

Was Italien betrifft, so kamen im lombardisch-venezianischen Königreiche die ersten Bahnstrecken als Privatunternehmungen zu stande, u. zw. 1840 Mailand-Monza, 1842 Padua-Fort Malghera als Anfangsteilstrecke der Bahn Venedig-Mailand. In den anderen italienischen Staaten wurde Neapel-Portici 1839 eröffnet, in Piemont das ursprüngliche Bahnnetz vom Staate ausgebaut und betrieben. Nach Vollendung der Einheit Italiens beschränkte sich die Regierung zunächst darauf, den Bau der Eisenbahnen zu fördern und die sehr verworrenen Verhältnisse tunlichst in Ordnung zu bringen. In zwei Gesetzentwürfen aus den Jahren 1874/75 und dem Vertrag von Basel, demzufolge die oberitalienische Eisenbahn vom Staate angekauft wurde, schlug die Regierung eine dem Staatsbahnsystem freundliche Richtung ein. Durch das Eisenbahngesetz vom 27. April 1885 ist die Regierung Eigentümerin fast aller Hauptbahnen geworden. Sie hat diese in drei Längennetze eingeteilt: das mittelländische, das adriatische und das sizilianische. Der Betrieb jedes dieser Netze wurde auf 60 Jahre an eine Betriebsgesellschaft verpachtet. Die großen Mißstände, die sich aus diesem System ergaben, veranlaßten nach langwierigen, parlamentarischen Kämpfen den Übergang zum Staatsbahnsystem in dem Gesetz vom 22. April 1905.

Die Eisenbahnen in den Niederlanden waren anfangs in Privathänden. Ein im Jahre 1838 den Generalstaaten vorgelegter Gesetzentwurf über den Bau einer Bahn von Amsterdam nach Arnheim wurde abgelehnt. Die Anlage dieser und einer Anzahl anschließender Bahnen wurde erst in Angriff genommen, als der König eine Ertragsgarantie übernommen hatte. Durch das Gesetz vom 18. August 1860 wurde der Bau eines größeren Netzes von Staatsbahnen angeordnet, deren Betrieb jedoch im Jahre 1863 die Gesellschaft für den Betrieb von Staatsbahnen und die holländische Eisenbahngesellschaft pachtweise übernahmen. Zur Beseitigung der empfindlichen Mißstände des Privatbahnbetriebes schloß die Regierung im Jahre 1890 Verträge (genehmigt mit Gesetz vom 22. Juli 1890) mit der größten Privatbahn, der niederländischen Rheinbahn, über den Ankauf ihrer Linien für den Staat und gleichzeitig mit genannten zwei Gesellschaften über die Pachtung auch dieser Linien. Durch die erwähnten Verträge verpflichteten sich die beiden Gesellschaften, auch den Betrieb künftighin zu erbauender Staatsbahnlinien zu übernehmen.

In der Schweiz wurden die meisten Eisenbahnen von Aktiengesellschaften gebaut und betrieben. Die E. ist eine schwankende gewesen. Durch Bundesgesetz vom 28. Juli 1852 wurde die Freigabe der Eisenbahnen an die Privatunternehmen und ihre Konzessionierung durch die Kantone unter Mitwirkung des Bundes vorgesehen. Dieses Gesetz wurde durch das Gesetz vom 23. Juli 1872 aufgehoben, das die Konzessionierung dem Bunde unter Teilnahme der Kantone übertrug. Auch unter der Herrschaft dieses Gesetzes war die Entwicklung des Eisenbahnwesens eine wenig befriedigende und die Regierung bestrebte sich, die bestehenden Mängel durch Erlaß zahlreicher neuer Gesetze zu beseitigen. Nach wiederholten verunglückten Versuchen zur schrittweisen Einführung des Staatsbahnsystems (1888 beabsichtigter freihändiger Ankauf der Nordostbahn, 1891 beabsichtigter Erwerb der Zentralbahn) gelang es erst im Jahre 1898 nach Vorbereitung der Verstaatlichungsaktion durch Erlaß eines neuen, strengeren Rechnungsgesetzes vom 23. Juni 1896 die Bestätigung des Gesetzes vom 15. Oktober 1897 über den Betrieb der Eisenbahnen für Rechnung des Bundes und die Organisation der Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen durchzusetzen. Seither wurden in rascher Folge (1900–1903) die Zentralbahn, die Nordostbahn, die vereinigten Schweizer Bahnen und die Jura-Simplon-Bahn verstaatlicht. Zuletzt ging 1909 die Gotthardbahn in das Eigentum und den Betrieb des Bundes über.

Die erste Eisenbahn Rußlands (1838) von St. Petersburg nach Pawlowsk war eine Privatbahn. Die erste Staatsbahn war die Nicolai-Bahn (Petersburg – Moskau) (1853), die 1868 in den Betrieb der großen russischen Eisenbahngesellschaft überging. Im Jahre 1893 wurde sie wieder für den Staat angekauft. Ohne erkennbares System werden die Bahnen, teils Staatsbahnen, in überwiegender Mehrzahl aber Privatbahnen, unter Heranziehung ausländischen Kapitales und mit starker Unterstützung der Regierung gebaut. Die sich hieraus ergebenden großen Mißstände veranlaßten die Regierung im Jahre 1881 zur Rückkehr zur Staatsbahnpolitik. Es wurde der Bau von Staatsbahnen und der Ankauf von Privatbahnen begonnen. Das Staatsbahnsystem ist heute als das herrschende anzusehen, doch werden mit Staatshilfe (garantierte Obligationen) auch noch von Privatunternehmern neue Eisenbahnen gebaut. Einen großen Zug bekommt die russische E. durch den Bau von Eisenbahnen in die unwirtlichen Gegenden des asiatischen Rußland (transkaspische und sibirische Bahn, beide auf Staatskosten erbaut).


In Spanien herrscht reines Privatbahnsystem, in Portugal ein eigenartiges gemischtes System. Das nördliche und südliche, in unfruchtbaren Gebieten gelegene Netz hat der Staat gebaut und betreibt es auch. Das mittlere Netz gehört einer Gesellschaft, deren Verwaltung, wenigstens in früherer Zeit, geradezu ein abschreckendes Beispiel der mißbräuchlichen Ausnutzung des Eisenbahnmonopols bildet.

Die drei nordischen Länder neigen zum Staatsbahnsystem. Dänemark und Norwegen haben beinahe ausschließlich Staatsbahnen. Schweden hat ein gemischtes System. Die Erfahrungen mit den bestehenden Privatbahnen sind indessen wenig erfreulich.

In Serbien, Rumänien und Bulgarien ist das Staatsbahnsystem, u. zw. teils vom Anfang an, teils nach kurzer Herrschaft des gemischten Systems, zur Geltung gelangt.

In der Türkei finden sich dagegen keine Spuren einer staatlichen Eisenbahnpolitik. Es bestehen nur Privatbahnen, die ausschließlich mit ausländischem Kapital gebaut sind und bedeutende staatliche Unterstützungen genießen.

Auch Griechenland fühlt sich zu arm, um den Bau von Eisenbahnen durch den Staat zu unternehmen.


Die hier in ihren äußeren Umrissen gegebene Darstellung der Entwicklung der Eisenbahnpolitik zeigt den Gegensatz ihres Entwicklungsganges in den Hauptländern der angelsächsischen Rasse und in denen der Festlandstaaten Europas. Letztere haben im großen und ganzen den die ganze bisherige Entwicklung beherrschenden letzten Schritt gewagt, den Staat zum unumschränkten Gebieter der Eisenbahnen, soweit es die Hauptbahnen anlangt, zu machen. Die angloamerikanische Staatengruppe dagegen hat sich bis jetzt zu diesem Schritte nicht entschließen können und hofft, mit Zwangsmaßregeln der Gesetzgebung und Justiz gegen die Gesellschaften genügendes Auslangen zu finden. Sie hat dabei allerdings den Vorteil, den Staat finanziell von einem immerhin mit gewissem Risiko verbundenen großartigen Transportindustriebetriebe fernzuhalten. Sie muß dagegen darauf verzichten, ihrer Volkswirtschaft die unmittelbare Förderung durch die eigene, nur dem öffentlichen Interesse dienende Verwaltung des Eisenbahnwesens zuzuwenden.

Literatur: Dr. Gustav Cohn, Untersuchungen über die englische E. 3 Bde., 1874–1883. – Dr. Adolf Wagner, Das Eisenbahnwesen als Glied des Verkehrswesens, insbesondere die Staatsbahnen 1877 (Sonderabdruck aus der 2. Aufl. der Finanzwissenschaft, neu bearbeitet in derselben, Teil I, §§ 265–300, in der Aufl. 1883). – Dr. Emil Sax, Die Verkehrsmittel in Volks- und Staatswirtschaft. II. Teil: Die Eisenbahnen. 1879. – Denkschrift zur ersten preußischen Verstaatlichungsvorlage vom 29. Oktober 1879. – Kaizl, Die Verstaatlichung der Eisenbahnen in Österreich. Leipzig 1885. – Geschichte der Eisenbahnen der österreichisch-ungarischen Monarchie. Wien u. Teschen, 1898, 3 Bde., fortgesetzt bis 1908 in 2 Bden., 1909. – Sozial-ökonomische Theorie des Kommunikations- und Transportwesens. Leipzig 1909. – Die Verwaltung der öffentlichen Arbeiten in Preußen 1900 bis 1910. – Dröll, 60 Jahre hessischer E. 1836 bis 1896. Leipzig 1912. – Weißenbach, Der Abschluß der Verstaatlichung der Hauptbahnen und 10 Jahre Staatsbetrieb in der Schweiz. Berlin 1912. – Pim, The railways and the State. London 1912. – Wehrmann, Die Verwaltung der Eisenbahnen. Berlin 1913. – Dr. Alfred v. der Leyen, »Eisenbahnpolitik« im Hw. d. St. W. von Conrad, Elster, Lexis und Löning, III. Bd., S. 852 und ff. Jena 1909. – Colson, Die Verstaatlichung der französischen Westbahn. Bulletin. Januar 1909. – v. Wittek, Die Eisenbahnverstaatlichung in Österreich. Arch. f. Ebw. 1909, S. 801 u. ff. – Dr. v. Wittek, Umriß einer Entwicklungsgeschichte der E. Ztg. d. VDEV., 1909, Nr. 56 u. 57. – Dr. v. Wittek, »Grundzüge der E.« Ztg. d. VDEV., 1909, Nr. 100 und 1910, Nr. 9 und 10. – »Eisenbahnwesen« (Überblick) i. Wb. d. d. St. u. Verwr., herausgegeben von Dr. Max Fleischmann, Tübingen 1910, S. 653 u. ff. – La politique en matière des Chemins de fer, étude historique, in Rev. écon. int. Brüssel 1910, Februarheft. – Berlin 1911. Acworth, Die Aussichten der Verstaatlichung der Eisenbahnen in England und den Vereinigten Staaten. Bulletin. Dezember 1911. – Allen, Die Eisenbahnen und ihre Verstaatlichung in den Vereinigten Staaten. Bulletin d. Int. Eis.-Kongr. 1912.

v. Wittek.

1

Kundgemacht mit Hofkanzleidekret vom 30. Juni 1838 in der Politischen Gesetzsammlung unter Nr. 83, 66. Band vom Jahre 1838, S. 247.

2

Vgl. Wettbewerb.

3

Vgl.: Betriebsreglement. Frachtrecht, Internationales.

4

Vgl. im übrigen: Gütertarife, Personentarife.

5

Vgl. Großbritanniens und Irlands Eisenbahnen.

6

Vgl. Französische Eisenbahnen.



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