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EXPRESSIONISMUS IN DER BILDENDEN KUNST: DIE ALTEN WILDEN

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Expressionismus in der bildenden Kunst: Die Alten Wilden
 
Im Unterschied zum »Impressionismus« bezeichnet der Begriff »Expressionismus« keine genau zu definierende Stilrichtung. Auch der Ursprung der Benennung steht nicht fest. Überliefert ist, dass der Berliner Kunsthändler Paul Cassirer anlässlich einer Ausstellung von Werken Edvard Munchs diese als »expressionistisch« charakterisierte, um sie von der impressionistischen Malerei abzugrenzen. Wilhelm Worringer bezeichnete 1911 in der Zeitschrift »Der Sturm« alle fortschrittlichen Tendenzen der Zeit als Expressionismus. Herwarth Walden übertrug den Begriff auf die Künstler seiner Galerie, darunter die Maler des »Blauen Reiters«. Der Katalog der Kölner Sonderbundausstellung von 1912 fasste dann unter »Expressionisten« sowohl die Vorläufer als auch die Protagonisten einer neuen Ausdruckskunst zusammen, welche die subjektive Gestaltung der Wirklichkeit der objektiven Wiedergabe vorzogen.
 
Dass der Expressionismus im ersten Viertel des 20.Jahrhunderts gerade in Deutschland zur vorherrschenden Strömung wurde, beruht sicher auch auf dem Gefühl geistiger Unsicherheit und dem angespannten gesellschaftlichen und künstlerischen Klima im Kaiserreich. Den Schlüssel zum Expressionismus bietet das Jahr 1905. Im selben Jahr, in dem die »Fauves« in Paris zum ersten Mal als Gruppe auftraten, gründeten vier Architekturstudenten der Technischen Hochschule Dresden - Fritz Bleyl, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff - die Künstlergruppe »Brücke«. Im Lauf der Jahre schlossen sich ihnen andere Künstler an: Max Pechstein, Emil Nolde und der Schweizer Cuno Amiet 1906, der Finne Akseli Gallén-Kallela 1907, Franz Nölken und der holländische Fauvist Kees van Dongen 1908, Otto Mueller 1910, der Tscheche Bohumil Kubišta 1911. Als passive Mitglieder gehörten der Vereinigung 75 Kunstfreunde an. Nolde, der einsame Vertreter einer ekstatischen Farbmalerei, trat schon 1907 wieder aus, blieb aber den »Brücke«-Künstlern freundschaftlich verbunden. Bleyl verließ 1907 die Gruppe, um als Lehrer an der Bergakademie von Freiberg zu arbeiten.
 
In enger Lebens- und Arbeitsgemeinschaft schufen sich die drei Gründungsmitglieder Kirchner, Heckel und Schmidt-Rottluff einen neuen künstlerischen Freiraum. Angeregt durch Vorbilder in der außereuropäischen »primitiven« Kunst aus Schwarzafrika und Ozeanien, aber auch beeindruckt von Vorläufern wie Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Henri de Toulouse-Lautrec, James Ensor und Ferdinand Hodler, malten die Künstler der »Brücke« Landschaften und Figurenbilder in ungezügelter, wilder Farbigkeit, verkürzten Formen und expressiven dunklen Linien, welche die Motive wie in mittelalterlicher Glasmalerei einfassen. Ihr Atelier verzierten sie mit eigenen Schnitzereien, Plastiken, Masken und Bildern, um eine anregende Arbeitsatmosphäre zu schaffen, wie es dem Ideal einer an der Romantik orientierten Werkgemeinschaft entsprach. Bevorzugte Motive waren Großstadtszenen und idyllische Aktdarstellungen in freier Natur; die Trennung von Mensch und Natur versinnbildlichten die Expressionisten also ebenso wie den alten Traum vom Paradies auf Erden, vom »goldenen Zeitalter«. Die Parallelentwicklung zu den französischen Fauves beruhte weniger auf Austausch als auf den gemeinsamen Vorbildern. So galten die Ausstellung von Matisse in Berlin bei Cassirer 1908/09 und die deutsche Übersetzung von Matisses ästhetischem Programm 1908 eher als Bestätigung und Ermutigung.
 
Der wichtigste Einfluss auf den deutschen Expressionismus ging aber von den Bildern Munchs aus, der bereits in den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts eine farblich schwermütige, aber ausdrucksstarke Handschrift entwickelt hatte und mit psychologischen Reizthemen den Geschmack des bürgerlichen Publikums auf die Probe stellte. Der Skandal, den eine Ausstellung seiner Gemälde 1892 in Berlin erregt hatte, bildete das Vorspiel zur Gründung der »Berliner Secession«, in der sich die Vertreter der deutschen Freilichtmalerei sammelten. Von Munch übernahmen die jungen expressionistischen Künstler aber nicht nur die Themen und Inhalte, sondern auch die technischen Mittel: Munchs Grafik inspirierte die »Brücke«-Künstler zur Erneuerung der grafischen Tradition. Der Holzschnitt mit seinen scharfen Konturen und der monumentalen Hell-Dunkel-Wirkung wurde zum eigentlichen Wahrzeichen ihrer Kunst; folgerichtig erschien das »Brücke«-Manifest von 1906 in einem Holzschnitt von Kirchner.
 
Als Kirchner, Heckel und Schmidt-Rottluff 1911 nach Berlin zogen, zerschellte der Traum vom gemeinsamen Leben und Arbeiten bald an der harten Wirklichkeit der Hauptstadt. Der gemeinsam geübte kollektive Stil hatte in der pluralistisch weit gefächerten Berliner Kunstszene keine Chance. Der impressionistische »Kunstpapst« Max Liebermann beschnitt dort die ohnehin spärlichen Ausstellungsmöglichkeiten der jungen Expressionisten durch strenges Reglement in der »Berliner Secession«. Durch den Dichter Simon Guttmann kamen die Expressionisten in Berührung mit dem »Neopathetischen Cabaret« von Kurt Hiller und mit dem Dichterkreis um Carl Einstein, Georg Heym, Jakob van Hoddis und Alfred Döblin. Die expressionistische Idealität erfuhr in diesen Zirkeln des zynisch-analysierenden Intellekts ihre erste Brechung ins Abgründige. Besonders Kirchners Stadt- und Kokottenbilder sind von Lebensekel, Angst und Aggressivität geprägt - Vorzeichen seiner schweren psychischen Krise, die 1915 einsetzte und von der er sich bis zu seinem Freitod 1938 nie mehr richtig erholen sollte. Die legendäre Sonderbundausstellung 1912 in Köln war die letzte Chance eines gemeinsamen Auftretens, zusammen mit der internationalen Avantgarde. Durch den Existenzdruck der Großstadt Berlin einander entfremdet, löste sich die »Brücke« schließlich im Mai 1913 endgültig auf; vordergründiger Anlass war eine von Kirchner verfasste, umstrittene Chronik der Künstlergemeinschaft.
 
Aus ähnlichen Quellen wie die »Brücke« schöpfte auch die andere expressionistische Gruppierung in Deutschland, die der Künstler im Umkreis der Redaktion des Almanachs »Der Blaue Reiter«, einer von Wassily Kandinsky und Franz Marc 1911 gegründeten Keimzelle moderner Malerei in München. Wenige Monate vor der Veröffentlichung des berühmten Almanachs, der Künstlertexte, Gedichte, kunsthistorische Abhandlungen, Musikpartituren und Abbildungen aus der alten, modernen und »primitiven« Kunst zu einem einzigartigen »Gesamtkunstwerk« bündelte, wurde eine kleine Ausstellung eröffnet: Neben neuen Arbeiten von Kandinsky, Marc und ihren Freunden Gabriele Münter, Marianne von Werefkin, Alexej von Jawlensky, Elisabeth Epstein, August Macke, Heinrich Campendonk und Jean Bloé Niestlé konnte man hier auch Werke von den Russen Wladimir von Bechtejeff sowie David und Wladimir Burliuk, den Franzosen Robert Delaunay und Henri RousseauRousseau, Henri sowie dem in München lebenden amerikanischen Maler Albert Bloch sehen. Der Komponist Arnold Schönberg, mit dem Kandinsky über künstlerische und musikalische Probleme korrespondierte, war ebenfalls mit einigen Bildern vertreten.
 
Allein schon diese Aufzählung unterschiedlichster Künstler, die sich an der Ausstellung beteiligten, verrät die Absicht des »Blauen Reiters«, alle neuen Tendenzen der Kunst sichtbar zu machen. Im Unterschied zu der verschworenen Künstlergemeinschaft der »Brücke« war der »Blaue Reiter« tatsächlich eher eine locker geknüpfte Ausstellungsgemeinschaft, die zwar mit Erfolg ihre Bilder auf eine Städtetournee schickte, aber die hochgespannten Erwartungen ihrer Mitglieder auch nach der zweiten Austellung nicht erfüllte, bei der außerdem Werke von Pablo Picasso, Georges Braque, Paul Klee, Hans Arp, Michail Larionow, Natalija Gontscharowa, Kasimir Malewitsch und den Malern der »Brücke« zu sehen waren.
 
Stichwort für diesen ungeheuren Aufbruch von künstlerischen Talenten war das »Geistige in der Kunst«, so der Titel der 1912 erschienenen Programmschrift von Kandinsky, in der er, angeregt von mystischen Quellen der Theosophie wie auch von den neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Relativitätstheorie und der Quantenphysik, die Grundlagen einer abstrakten Kunst darlegte. So verschieden die stilistischen Ansätze waren - von Kandinskys mutigem Schritt in die Abstraktion zu Marcs pantheistischer Vision, von Klees ironisch-versponnenen Zeichnungen zu Mackes diesseitiger Naturschwärmerei -, so einig war man sich in der Ablehnung der erstarrten akademischen Salonmalerei. Die wachsende Entfremdung von der Natur sollte durch eine »tiefere Sicht« der Dinge aufgefangen werden. Abstraktion und Stilisierung versprachen, eine »Brücke ins Geisterreich, die Nekromantie der Menschheit« zu bilden, wie Franz Marc formulierte. Der idealistische Versuch, aus privaten Symbolen eine kollektive Mythologie zu schaffen, war allerdings in der nationalistischen Stimmung Deutschlands zum Scheitern verurteilt. Auch unter den Künstlern blieb die geistige Zeitenthobenheit des »Blauen Reiters« nicht unwidersprochen. Dies zeigte etwa die in der Zeitschrift »Pan« geführte Marc-Beckmann-Debatte, die in aller Schärfe die konträren Grundpositionen der künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten aufdeckte: Innerlichkeit kontra Sachlichkeit, Metaphysik kontra Aktualität.
 
Auf dem »Ersten Deutschen Herbstsalon« trafen 1913 in Berlin noch einmal die wichtigsten Vertreter der unterschiedlichen expressionistischen Strömungen zusammen. Organisiert hatte diese Ausstellung Herwarth Walden, der bedeutendste Förderer avantgardistischer Kunst in Berlin. Seine 1910 gegründete Wochenschrift »Der Sturm« wurde von dem Wiener Oskar Kokoschka grafisch betreut; um diese »Kampfzeitschrift« für moderne Kunst, die neben Franz Pfemferts Blatt »Die Aktion« zum wichtigsten Organ des Expressionismus wurde, formierte sich der »Sturm-Kreis«. In der »Sturm-Galerie« zeigte Walden Arbeiten der Kubisten, Orphisten und abstrakten Maler. Die kinematographische Technik der im »Sturm« ausgestellten Futuristen beeinflusste die apokalyptischen Großstadtvisionen von Ludwig Meidner, den frühen George Grosz und den gesamten Berliner Dadaismus. Marc Chagall hatte hier sein erstes dankbares Forum. Schillernde Figuren wie der Schriftsteller August Stramm und die mit Walden liierte Dichterin Else Lasker-Schüler fanden hier ihre Heimstatt. Die »Sturm-Bühne« wurde von Lothar Schreyer geleitet, der später am Bauhaus mit diesem weihevollen Programm Schiffbruch erlitt. »Sturm«-Künstler wie Walter Reimann, Rudolf Belling oder Walter Röhrig waren später maßgeblich an der Ausstattung der ersten expressionistischen Filme - etwa »Das Kabinett des Dr. Caligari« oder »Der Golem« - beteiligt.
 
Trotz des finanziellen Misserfolgs und der ablehnenden Kritik war der »Herbstsalon« die letzte große Manifestation der Moderne vor der sich abzeichnenden und von vielen Künstler vorausgeahnten, ja herbeigesehnten Apokalypse des Ersten Weltkriegs. Das Erbe des Expressionismus traten erstaunlicherweise die Künstler an, die sich in den »wilden Jahren« zunächst eher abwartend bis ablehnend gegenüber der Aufbruchstimmung verhalten hatten. Im Trommelfeuer der Materialschlachten waren die letzten Reste idyllischer Künstlervisionen zerstoben und hatten einem sezierenden Verismus Platz gemacht, den vor allem George Grosz, Otto Dix und Max Beckmann demonstrierten. Die 1916 in Zürich ins Leben gerufene Dada-Bewegung radikalisierte die Geister und schuf vor allem in Berlin neue politische Dimensionen, die sich ab 1918 in der »Novembergruppe« und dem »Arbeitsrat für Kunst« formulierten. Während der Expressionismus als Stil im hundertfachen Epigonentum seinen Niedergang erlebte, gewannen nun unabhängige Einzelgänger wie Nolde, Ernst Barlach oder Christian Rohlfs in ihrem Spätwerk Momente der Vertiefung hinzu. So malte Rohlfs in den Zwanzigerjahren seine vielleicht besten Bilder in einer dünnflüssigen Tempera-Technik, die das auf wesentliche Formen reduzierte Motiv - Stillleben, Blumen oder Figuren - geisterhaft aufscheinen lässt. Trotz einer Vielzahl von religiösen Themen erreichte Nolde diese Spiritualität nicht; seit 1928 zurückgezogen in Seebüll lebend, widmete er sich vor allem einer farbstarken lyrischen Naturmalerei.
 
Zum eigentlichen Fortführer der expressionistischen Tradition wurde ironischerweise Max Beckmann, der in der Vorkriegszeit noch ein vehementer Verfechter des impressionistischen Schmelzes gewesen war. Während des Weltkriegs erfuhr die Kunst Beckmanns eine tief greifende formale wie ikonographische Änderung. Beckmann konzentrierte seinen Blick nun auf die Ohnmacht und die Hilflosigkeit des Individuums in einer heillosen, von Gewalt erfüllten Zeit. Seine großen Triptychen der Dreißiger- und Vierzigerjahre zeigten wiederum eine andere Variante des expressionistischen Menschheitsdramas: Die komplexen Szenen verbergen alte Mythen und Symbole in einer privaten Bildsprache, deren Entschlüsselung auch unter Zuhilfenahme von Beckmanns Schriften Schwierigkeiten bereitet.
 
Dr. Hajo Düchting
 
Literatur:
 
Dokumente zum Verständnis der modenen Malerei, herausgegeben von Walter Hess. Bearbeitet von Dieter Rahn. Neuausgabe Reinbek 1995.
 Elger, Dietmar: Expressionismus. Eine deutsche Kunstrevolution. Neuausgabe Köln u. a. 1998.
 
Kunst des 20. Jahrhunderts, herausgegeben von Ingo F. Walther. 2 Bände. Köln u. a. 1998.
 Thomas, Karin: Bis heute. Stilgeschichte der bildenden Kunst im 20. Jahrhundert. Köln 101998.


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