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CHRISTLICHSOZIALE BEWEGUNGEN

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chrịstlich-soziale Bewegungen
 
[k-], Bestrebungen, das gesellschaftliche Leben aus der religiös begründeten Ethik des Christentums zu erneuern. Nicht mehr nur christliche Nächstenliebe, sondern eine Änderung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse sollte die Folgen des frühindustriellen Zeitalters im 19. Jahrhundert, die wirtschaftliche, sittliche und geistige Not der Massen, überwinden. Hierüber bestanden unterschiedliche Meinungen, doch stimmten die verschiedenen christlich-sozialen Bewegungen darin überein, dass in einer von Christen getragenen Ordnung des Soziallebens die an sich eigenständige Wirtschaft dem Menschen die Freiheit, sich als Persönlichkeit zu entfalten, gewährleisten müsse und ihn nicht als Objekt und Werkzeug benutzen dürfe. Sowohl in der Sozialgesetzgebung als auch in der praktischen Arbeit der Kirchen, der nichtkirchlichen Verbände und der Wirtschaft selbst ist seit dem Ende des 19. Jahrhunderts der Einfluss der christlich-sozialen Bewegungen zu spüren.
 
Auf katholischer Seite begannen im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts in Deutschland Denker und Politiker wie F.von Baader und F. J. von Buss für eine wirtschaftliche Besserstellung der Arbeiter einzutreten. Verwandte Bestrebungen in anderen Ländern (in Frankreich J. M. de Maistre, H. F. R. de Lamennais und C. Forbes, Graf von Montalembert, in Italien A. Rosmini, in Spanien J. Donoso Cortés) waren lange Zeit mehr verfassungspolitisch als sozial interessiert. Programmatisch schwankte die katholische christlich-soziale Bewegung zunächst zwischen den Zielen ständischer Verfassung, genossenschatlicher Organisierung des wirtschaftlichen Lebens und Hinnahme der kapitalistischen Wirtschaftsordnung bei starker sozialrechtlicher Sicherung der Arbeiter. Wichtige Vertreter waren um die Jahrhundertmitte in Deutschland A. Kolping und W. E. von Ketteler. Bald setzte auch eine katholische Arbeiterbewegung ein, neben der seit Ende des 19. Jahrhunderts und bis nach dem Ersten Weltkrieg der »Volksverein für das katholische Deutschland« die christlich-soziale Bewegung maßgebend bestimmte. Ähnlich entstand im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Österreich unter der Führung K. Luegers eine starke Bewegung. In Frankreich knüpfte sie an A. de Mun, R. de La Tour du Pin und M. Sangnier an. Daraus gingen 1904 die bis heute jährlich tagenden »Semaines sociales« hervor. Italien hingegen blieb trotz bedeutender Vorkämpfer (G. Bonomelli, A. Toniolo, R. Murri) zurück, da der katholische Volksteil durch das päpstliche Verbot der Wahlbeteiligung bis zur Zeit Pius' X. in seiner politischen Willensbildung behindert war. Seit der Enzyklika »Rerum novarum« Papst Leos XIII. (1891) begann der Aufbau einer katholischen Soziallehre, mit der Gründung des Zentrums in Deutschland und dem »Ralliement« in Frankreich der Schritt in die parteipolitische Betätigung. (christliche Parteien)
 
Auf evangelischer Seite setzte die Bewegung zuerst in England ein; hier vertraten T. Chalmers, T. Carlyle und J. F. Maurice das Ideal des Reiches Gottes gegenüber der Gesellschaft und einer unlebendig gewordenen Kirche. Carlyle verkündete Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als Forderung des Evangeliums in Predigten, Flugblättern und Romanen. Unter Mitwirkung von J. M. Ludlow entstand 1848 die Bewegung der »Christlichen Sozialisten«, die mit Produktiv- und Konsumgenossenschaften und mit Aufdeckung der unhaltbaren Zustände in den Londoner Fabrikvierteln die Öffentlichkeit für soziale Reformen gewann. Aus den seit 1889 in nahezu allen Kirchen entstandenen »Vereinigungen für christlich-sozialen Dienst« erwuchs 1924 die »Conference on Christian Politics, Economics and Citizenship« (COPEC), von der ein starker Einfluss auf das soziale Leben in Großbritannien ausging.
 
In Deutschland schien J. Wichern das soziale Problem weniger eine Frage nach dem richtigen Wirtschaftssystem als die nach der »Rettung des Menschen« zu sein. V. A. Huber und R. Todt bereiteten geistig und literarisch A. Stoecker den Weg, der 1890 den »Evangelisch-sozialen Kongreß« und, nach seiner Trennung von diesem, 1890 die »Kirchlich-soziale Konferenz« gründete; diese wurde 1918 von R. Seeberg und R. Mumm als »Kirchlich-sozialer Bund« fortgeführt. Die evangelisch-soziale Seite betonte F. Naumann, doch vermochte er nicht, wie er es anstrebte, die Sozialdemokratie politisch auszuschalten. Eine Verständigung zwischen Sozialdemokratie und evangelische Kirche versuchten die religiösen Sozialisten. Unter dem Druck des Nationalsozialismus ist die christlich-soziale Bewegung weithin eingeschränkt worden. Nach 1945 betonte dann die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit der Errichtung einer »Kammer für soziale Ordnung beim Rat der EKD« ihre Verpflichtung für die christlich-soziale Bewegung. Im Sinne der christlich-soziale Bewegung wirken eine Reihe von kirchlichen Einrichtungen (u. a. Kirchentage, Sozialpfarrämter). In den Niederlanden, in Dänemark, Finnland, Schweden und Norwegen bestehen verwandte Bestrebungen.
 
Literatur:
 
H. Budde: Hb. der c.-s. Bewegung (1967);
 
Der soziale u. polit. Katholizismus. Entwicklungslinien in Dtl. 1803-1963, hg. v. A. Rauscher, 2 Bde. (1981-82).


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