Значение слова "DEUTSCHLAND: TEILUNG BERLINS UND DEUTSCHLANDS BIS 1955" найдено в 1 источнике

DEUTSCHLAND: TEILUNG BERLINS UND DEUTSCHLANDS BIS 1955

найдено в "Universal-Lexicon"

Deutschland: Teilung Berlins und Deutschlands bis 1955
 
Als Ernst Reuter, der gewählte Oberbürgermeister Berlins, am 9. September 1948 auf einer riesigen Kundgebung vor dem Reichstagsgebäude in seiner berühmten Rede die Aufforderung formulierte: »Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt und erkennt, dass ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft und nicht preisgeben könnt!«, war Berlin zum Brennpunkt der internationalen Politik geworden. Die Berlinkrise ging nicht nur die Berliner und die Deutschen, sondern ganz Europa und die Welt an. Die Hoffnungen auf eine stabile Friedensordnung, die sich 1945 mit dem Ende des Dritten Reichs verbunden hatten, wurden von neuer Kriegsfurcht verdrängt. Der Marshallplan war für Stalin der Anlass gewesen, den sowjetischen Einflussbereich rücksichtslos zu konsolidieren, die osteuropäischen Länder dem politischen und ökonomischen Diktat der östlichen Supermacht zu unterwerfen und den sowjetisch dominierten Block rigoros nach Westen abzuschotten.
 
Für Deutschland bedeutete der offene Konflikt zwischen den ehemaligen Kriegsalliierten die Zementierung der Teilung, die sich bereits in den frühen Besatzungsjahren abgezeichnet hatte, in der sowjetischen Politik aber noch keineswegs definitiv als politisches Ziel festgelegt worden war.Dieser Vorbehalt einer gesamtdeutschen Orientierung — sei es als neutraler, sei es als von der Sowjetunion abhängiger deutscher Staat — wurde zwar noch bis in die Fünfzigerjahre zumindest propagandistisch aufrechterhalten, die praktische Politik orientierte sich jedoch von nun an auch in der sowjetischen Besatzungszone am Modell der osteuropäischen Volksdemokratien.
 
Die erste Berlinkrise bildete nach dem Februarumsturz in Prag 1948 den nächsten Höhepunkt der Konfrontation, die bis an den Rand des Kriegs führte. Sie war eingebunden in den Konflikt um Deutschland und in die globale Konstellation des offenen Kalten Kriegs. Ablauf und Hintergründe dieser und späterer Krisen um Berlin sind daher immer in einem größeren politischen Zusammenhang zu sehen. In der Nacht vom 23. zum 24. Juni 1948 gingen in den drei Westsektoren Berlins — im wörtlichen und im übertragenen Sinne — die Lichter aus. Die Elektrizitätsversorgung aus dem Ostsektor und der sowjetischen Zone wurde eingestellt. Einen Tag später war der Zug- und Straßenverkehr aus den Westzonen nach Berlin blockiert, wenige Tage darauf auch der Schiffsverkehr. Bis auf die drei schriftlich vereinbarten Luftkorridore waren damit Berlins Verbindungen nach Westen vollständig unterbrochen.
 
Der vollständigen Blockade der Zufahrtswege im Sommer 1948 waren schon Monate zuvor Schikanen verschiedener Art vorausgegangen. Die stereotype Begründung von sowjetischer Seite lautete stets mehr oder minder ähnlich: »technische Störungen«. Das wahre Ziel dieser Störungen war jedoch doppelter Natur: Einerseits sollte den Westmächten und der deutschen Bevölkerung die Verwundbarkeit der alten Reichshauptstadt vor Augen geführt werden, andererseits wollte Stalin durch diesen Druck auf die Westmächte die sich bereits abzeichnende Gründung eines eigenen westdeutschen Staates verhindern. Beispiele für die ständig unangenehmer werdende Politik der Nadelstiche gab es in der 1. Hälfte des Jahres 1948 genug. Ein besonders gravierender Zwischenfall, der zeigte, wie gefährlich das Spiel mit dem Feuer im Bereich des Flugverkehrs werden konnte, ereignete sich am 5. April: Ein sowjetischer Jäger stieß mit einer britischen Transportmaschine zusammen, die zur Landung auf dem britischen Flugplatz Gatow bei Berlin ansetzte. Vierzehn Briten und der sowjetische Pilot kamen ums Leben. Nach anfänglicher Bereitschaft zur Entschuldigung benutzte die Sowjetunion diesen Zwischenfall schließlich dazu, von den Westmächten die Einschränkung und die vorherige Genehmigung von Flügen nach Berlin zu fordern.
 
Die Versorgung über die Luftbrücke
 
Der unmittelbare Anlass für die in verschiedenen Störaktionen sich bereits abzeichnende Blockade war jedoch erst die Währungsreform in den Westzonen. Mit Wirkung zum 21. Juni 1948 führten die Westalliierten in den drei Westzonen die Deutsche Mark als neue Währung ein. Die Notwendigkeit einer großen Geldreform war angesichts der Inflation und des florierenden Schwarzmarkts unumstritten. Über Reichweite und Form der Realisierung konnten sich die Alliierten im Kontrollrat jedoch nicht einigen. So setzten zuerst die Westmächte eine separate Reform in ihren Zonen durch. Damit war ohne Zweifel der Nerv der staatlichen Einheit Deutschlands getroffen. Stalin war an dieser Einheit nach wie vor aus verschiedenen Gründen interessiert, auch wenn die sowjetische Politik wenig dazu getan hatte, um die im Potsdamer Abkommen anvisierte ökonomische und politische Einheit voranzubringen. Als die sowjetische Besatzungsmacht am 23. Juni auch in ihrer Zone und in Ostberlin eine Währungsreform einführte, worauf die Westalliierten mit der Einführung der Deutschen Mark auch in den Westsektoren Berlins reagierten, waren Deutschland und Berlin auch währungspolitisch gespalten.
 
Nachdem der Vorschlag General Clays, die sowjetische Blockade durch einen bewaffneten Konvoi zu brechen, in Washington als zu riskant abgelehnt worden war, wurde die zunächst eher als Experiment gedachte provisorische Luftbrücke mit allen verfügbaren technischen Mitteln ausgebaut. Von überall her zogen Amerikaner und Briten Flugzeuge zusammen und setzten sie für den Transport von Versorgungsgütern nach Berlin ein. Eine präzise technische Organisation sorgte dafür, dass dieses logistisch komplizierte Unternehmen ein Erfolg wurde. Die Westberliner Bevölkerung bewies ihren Durchhaltewillen, obwohl die Folgen der Blockade für den Alltag einschneidend waren. Die Stromversorgung konnte nur notdürftig aufrechterhalten werden, die Kohlezuteilungen fielen so niedrig aus, dass nur der milde Winter eine größere Katastrophe verhinderte, und die Industrieproduktion sank in Westberlin rapide ab.
 
Der Journalist Erich Kuby schrieb später über einen seiner Fußmärsche — nach 18 Uhr fuhr keine Bahn mehr — durch die Stadt: »Es war ein Weg von Stunden, er führte mich durch helle und dunkle, Plangruppen'. Die einen hatten gerade Strom-Zeit, die anderen Sperr-Zeit. Die Leute stellten ihre Radiogeräte auf Betrieb, um zu merken, wann der Strom kam, dann standen sie auf, mitten in der Nacht, um die Trockenmilch für die Kinder zu kochen und für sich selbst vielleicht ein halbes Pfund jener Erbsen, die so vornehm auf den Sitzen einer Passagiermaschine nach Berlin geflogen worden waren.«
 
Die politische Teilung Berlins wurde vollendet, als die SED am 30. November 1948 in einer demokratisch nicht legitimierten, von SED-Mitgliedern beherrschten Versammlung den amtierenden Magistrat — mit Ernst Reuter an der Spitze — für abgesetzt erklärte und Friedrich Ebert, den Sohn des ersten Reichspräsidenten, zum Oberbürgermeister wählte. Aus den Wahlen in den Westsektoren am 5. Dezember 1948 ging die SPD mit 64,5 Prozent als stärkste Partei hervor, und die neue Stadtverordnetenversammlung bestätigte im Januar 1949 Ernst Reuter als Oberbürgermeister in Westberlin.
 
 Die doppelte deutsche Staatsgründung 1949
 
Parallel zur Berlinkrise und zur politischen Teilung Berlins liefen die Vorbereitungen zur Gründung zweier deutscher Staaten. Die Berlinkrise hatte die Westalliierten, die Westdeutschen und die Westberliner politisch und sozialpsychologisch zu Verbündeten gemacht. Wenn es das erklärte Ziel der Sowjetunion war, die Gründung eines westdeutschen Staats zu verhindern, so erwies sich die Blockade als ein schwerer Fehler: Sie beschleunigte das, was sie verhindern sollte. Die Sowjets verloren auch noch die letzten Sympathien in der westdeutschen Bevölkerung. Die Vorbehalte der Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder, die Verfassungsberatungen für das Grundgesetz voranzutreiben, wurden abgebaut. Am 1. September 1948 trat der Parlamentarische Rat in Bonn zusammen, um über die provisorische Verfassung für einen Weststaat zu beraten. Aber auch die SED-Führung drängte nun darauf, eigene Verfassungsberatungen zu initiieren. Mit den manipulierten Wahlen zum dritten Deutschen Volkskongress im Mai 1949 wurden formal die politischen Voraussetzungen für die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) geschaffen.
 
Der Erfolg der Luftbrücke und die Unnachgiebigkeit der Westalliierten ließen Stalin schließlich die Nutzlosigkeit der Blockade einsehen. Am 4. Mai 1949 vereinbarten der amerikanische Unterhändler Philip C. Jessup und sein sowjetischer Kollege Jakow Aleksandrowitsch Malik das Ende dieser Gewaltaktion.
 
Die Gründung zweier deutscher Staaten im Jahr 1949 hat die Masse der Bevölkerung in den Westzonen wenig interessiert, weil die Probleme des Nachkriegsalltags stärker auf den Nägeln brannten als die »große Politik«, die ohnehin scheinbar von den Alliierten gemacht wurde. Über das Interesse der ostdeutschen Bevölkerung an der Gründung des zweiten deutschen Staats in Berlin wissen wir wenig. Der Jubel war, wo es ihn gab, politisch inszeniert. Stalin schickte ein Grußtelegramm, in dem er die Bildung der DDR als »Wendepunkt in der Geschichte Europas« feierte. Die Bevölkerung jedoch war nicht gefragt worden, und die Provisorische Volkskammer besaß keine demokratische Legitimation. Von der nun manifesten Teilung Deutschlands waren jedoch die Ostdeutschen aufgrund der politischen und ökonomischen Lage der DDR unmittelbarer und einschneidender betroffen als die Westdeutschen.
 
Die Bundesrepublik verstand sich zwar ebenso wie die DDR als Provisorium, zugleich aber als Kernstaat für ein künftiges wieder vereinigtes Deutschland. In diesem Sinne formulierte die Präambel des Grundgesetzes, das deutsche Volk in den westdeutschen Ländern habe »für eine Übergangszeit eine neue Ordnung« geschaffen und dabei »auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war«. Die westdeutsche Verfassung war zwar bewusst nicht in einer Volksabstimmung, sondern nur durch die Länderparlamente — mit Ausnahme Bayerns, das seine Eigenständigkeitswünsche nicht genügend berücksichtigt sah — verabschiedet worden, um auf diese Weise den Charakter der Vorläufigkeit zu unterstreichen. Die demokratische Legitimation stand jedoch außer Zweifel.
 
Politische Parteien in der Bundesrepublik
 
Im Vergleich zur Instabilität der Weimarer Republik ist für die Bundesrepublik der Fünfzigerjahre die ruhige politische Entwicklung, verbunden mit einem frappierenden ökonomischen Aufstieg, charakteristisch. Zwar gab es im ersten Deutschen Bundestag noch 12 Parteien, und ihr polemischer Umgang miteinander zeugte nicht immer von einer entwickelten politischen Kultur. Gleichwohl kristallisierten sich schon in den beiden ersten Legislaturperioden des Bundestags die CDU mit ihrer bayerischen Schwesterpartei, der Christlich Sozialen Union (CSU), die SPD und die Freie Demokratische Partei (FDP) als die tragenden Parteien heraus. Radikale Parteien, deren Programme mit dem Grundgesetz nicht vereinbar waren, wurden vom Bundesverfassungsgericht verboten: 1952 die Sozialistische Reichspartei, 1956 die KPD. Eine nennenswerte Rolle im politischen Leben hatten sie jedoch auch vor dem Verbot nicht gespielt. Auch einige anfänglich noch starke Regional- oder Interessenparteien, wie die in Niedersachsen beheimatete Deutsche Partei (DP) und der vor allem Flüchtlinge und Vertriebene ansprechende Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten, verloren schnell an Resonanz oder gingen in den großen Parteien auf.
 
Durch die tief greifenden sozialen Veränderungen der Kriegs- und ersten Nachkriegsjahre sowie durch die Eingriffe der Alliierten waren schon in der Besatzungsphase wichtige Grundlagen für die westdeutschen Parteien, die sich als Volksparteien verstanden, gelegt worden. Anders als in Weimar waren sie nicht mehr so eng an bestimmte soziale Schichten oder Interessengruppen gebunden und damit in ihren politischen Gestaltungsmöglichkeiten flexibler und pragmatischer. Die SPD blieb zunächst noch am stärksten von der Weimarer Tradition geprägt: Ihr Programm war antikapitalistisch, demokratisch-sozialistisch, ihre Mitglieder- und Wählerbasis lag primär in der Arbeiterschaft und in Teilen des neuen Mittelstands, ihre Funktionäre boten noch weithin das Bild einer »Traditionskompanie«. Im Laufe der Fünfzigerjahre setzte sich jedoch immer mehr die Einsicht durch, dass die politische Opposition gegen die seit 1948 vollzogene Westintegration ebenso wie der demokratische Sozialismus als Programm auf Dauer wenig Chancen hatten. Dieser langwierige Prozess fand im Godesberger Programm von 1959 seinen Höhepunkt, als sich die SPD von wesentlichen Teilen ihrer Tradition verabschiedete.
 
Schumacher und Adenauer
 
Zur unumstrittenen Führungsfigur der SPD war bereits seit 1946 Kurt Schumacher aufgestiegen. Er bestimmte die innere Entwicklung der Partei bis zu seinem Tode 1952. Sein bedingungsloser Einsatz für die Wiedervereinigung und die ebenso rigorose Ablehnung der Westintegration überzeugten die Mehrheit der Wähler jedoch nicht. Sie setzten auf die erfolgreiche Wirtschafts- und Außenpolitik einer von CDU/CSU, DP und FDP getragenen Regierung.
 
Der prägende Politiker der Gründerjahre der Bundesrepublik war der Christdemokrat Konrad Adenauer, der insgesamt dreieinhalb Legislaturperioden lang, von 1949 bis 1963, als Kanzler amtierte. Nach dem Tode Schumachers hatte er mit dem SPD-Vorsitzenden Erich Ollenhauer keinen ebenbürtigen Gegenspieler mehr. Dass er eine solche Schlüsselstellung erreichen konnte, hatte viele Gründe. Seine trotz des hohen Alters phänomenale physische Konstitution, die Hartnäckigkeit, mit der er die Grundlinien seiner Außenpolitik einer konsequenten Westintegration verfolgte, die Raffinesse und das taktische Geschick gegenüber Freunden und Gegnern im politischen Geschäft, die patriarchalische Würde einer Vaterfigur, die ihm viel Vertrauen bei verunsicherten Wählern einbrachte, die trotz aller intellektueller Schlichtheit seiner Reden farbige politische Persönlichkeit — dies alles machte sein besonderes Profil aus. Seine Partei, die wichtigste unter den Parteineugründungen der Nachkriegszeit, setzte ganz und gar auf den Kanzler. Die spöttische Bezeichnung der CDU als »Kanzlerwahlverein« charakterisierte den Zustand der Union in der Ära Adenauer durchaus zutreffend. Einen entwickelten Parteiapparat und eine intensive Programmdebatte gab es erst in den Sechzigerjahren. »Was man bei uns Bundespartei nennt«, bemerkte Adenauer 1959 vor dem CDU-Bundesvorstand, »das ist ein Wesen, das in Wirklichkeit gar nicht existiert.«
 
 Die innere Entwicklung der beiden deutschen Staaten
 
Der wichtigste Faktor für die Etablierung einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie war jedoch die erfolgreiche Wirtschaftspolitik. Die mit der Währungsreform begonnene Umsetzung der sozialen Marktwirtschaft schien für immer größere Teile der Bevölkerung individuellen Aufstieg, soziale Sicherheit und Wohlstand zu bieten. Das demokratische System, das 1949 noch auf schwachen Füßen stand, fand auf diese Weise allmählich eine feste Verankerung. Das Schlagwort vom Wirtschaftswunder traf die Mentalität einer Bevölkerung, die scheinbar einen »Aufstieg aus dem Nichts« erlebte. Zwar hatten auch andere Länder ihr Wirtschaftswunder unabhängig vom jeweiligen politischen und ökonomischen System. Aber die westdeutsche Wirtschaftsentwicklung übertraf selbst die kühnsten Erwartungen.
 
Die wichtigsten Gründe für diesen als Wunder empfundenen Aufstieg waren: niedrige Löhne, die deutsche Produkte auf dem Weltmarkt billig machten, steuerliche Anreize für Unternehmer, ein hohes Angebot an gut ausgebildeten Arbeitskräften — insbesondere Vertriebene aus den früheren Ostgebieten und bis 1961 Flüchtlinge aus der DDR —, eine günstige Entwicklung der Weltwirtschaft mit Abbau nationaler Zollschranken, schließlich eine hohe Arbeitsmotivation und der entschlossene Wille, nach dem Desaster des Dritten Reichs alle Energien in den Wiederaufstieg zu stecken. Gleichwohl sollte das populäre Schlagwort vom Wirtschaftswunder nicht verdecken, dass seine Segnungen für viele erst sehr spät kamen und dass hinter der glänzenden Fassade noch viel Armut und soziale Ungleichheit existierte. Das traf insbesondere auf Vertriebene, Flüchtlinge und Rentner zu. Auch die Arbeitslosigkeit, die 1950 mit etwa 2 Millionen — 12,2 Prozent der Beschäftigten — ihren höchsten Stand erreichte, konnte nur langsam abgebaut werden, sodass der Zustand der Vollbeschäftigung sich erst in der 2. Hälfte der Fünfzigerjahre einstellte. Die Einkommens- und Vermögensverteilung wies extreme Unterschiede auf. Da die Wirtschaft jedoch ständig wuchs und auch »Otto Normalverbraucher« seinen Teil vom größer werdenden Kuchen bekam, nahm die Bevölkerung solche sozialen Ungerechtigkeiten ohne große Proteste hin. Jede Forderung nach staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft ließ sich überdies sehr wirkungsvoll mit dem Hinweis auf die zentrale Planwirtschaft in der DDR kontern, wo zwar die soziale Pyramide ausgeglichener, der Lebensstandard aber erheblich niedriger war.
 
Unter der Kontrolle der Staatspartei
 
Die DDR-Bevölkerung hatte keine Chancen, frei über ihr politisches System mitzubestimmen. Der ostdeutsche Staat wurde ihr ohne demokratische Legitimation aufgezwungen. Der stalinistische Umbau des Systems in Gestalt rücksichtsloser Ausschaltung jeder Opposition, bürokratischer Kontrolle des gesamten Staatsapparats und der gesellschaftlichen Organisationen durch die SED als führende Partei sowie die Ausrichtung des kulturellen Lebens am sowjetischen Vorbild machten seit 1949 schnelle Fortschritte. Die »bürgerlichen Parteien« (CDU, Liberaldemokraten, Nationaldemokraten, Bauernpartei) büßten ihre politische Eigenständigkeit vollständig ein und wurden zu »Hilfstruppen« der »Partei der Arbeiterklasse«. Auch die Massenorganisationen — insbesondere der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB), die Freie Deutsche Jugend (FDJ) und der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) — verloren ihre Funktion als Interessenorganisationen und wurden zu politischen Instrumenten der SED. Der Grundsatz des demokratischen Zentralismus und eine straffe Parteidisziplin hatten dafür zu sorgen, dass sich alle Parteimitglieder in Parlamenten, Regierungen, Verwaltungen und Massenorganisationen strikt nach den Direktiven der Parteiführung richteten.
 
Die Etablierung eines von der SED gesteuerten Verwaltungsapparats war eine wichtige Voraussetzung für die Durchsetzung der zentralen Planwirtschaft. Der 1950 verabschiedete erste Fünfjahresplan, nach sowjetischem Vorbild konzipiert, gab den Rahmen ab für die weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der DDR. Entsprechend der Parole »Von den Sowjetmenschen lernen heißt siegen lernen« wurde das Hauptgewicht auf den Ausbau der Schwerindustrie gelegt. Die Gründung des Eisenhüttenkombinats Ost und der »ersten sozialistischen Wohnstadt Deutschlands«, Stalinstadt (ab 1961 Eisenhüttenstadt), 1951 waren besonders eindrucksvolle symbolische Zeugnisse dieser Zielsetzung. Zugleich sollten mit der gezielten Förderung der Schwerindustrie die ökonomischen Folgen der deutschen Teilung aufgefangen werden, weil die DDR-Industrie von der schwerindustriellen Basis im Ruhrgebiet abgeschnitten war.
 
Der »Aufbau des Sozialismus« fand unter politischen Bedingungen statt, die von einer extremen Agenten- und Spionenfurcht gekennzeichnet waren. Da der Sozialismus ulbrichtscher Prägung nur gegen die Bevölkerung durchsetzbar war, mussten alle Formen oppositionellen Verhaltens rigoros ausgeschaltet werden. Der offene und verdeckte Terror fiel daher in den Fünfzigerjahren besonders drastisch aus. Die SED folgte der Doktrin von der Verschärfung des Klassenkampfs in der Phase des sozialistischen Aufbaus, die Stalin zur ideologischen Rechtfertigung seiner Repressalien entwickelt hatte. Nicht nur politische Gegner — unter ihnen besonders viele ehemalige Sozialdemokraten —, sondern auch unpolitische kirchliche Gruppierungen wurden verfolgt. Vor allem der Kampf gegen die Junge Gemeinde, einen lockeren Zusammenschluss junger Christen der evangelischen Kirche, nahm groteske Ausmaße an. Als FDJ-Vorsitzender bezeichnete der spätere Generalsekretär der SED Erich Honecker die Junge Gemeinde 1952 als »Tarnorganisation für Kriegshetzer, Sabotage und Spionage im amerikanischen Auftrag«. Ihr Verbot wurde 1953 vorbereitet, kam dann aber nach Stalins Tod nicht mehr zum Tragen.
 
 Juniaufstand 1953
 
Zur Vorgeschichte der Erhebung vom 17. Juni gehört die seit 1952 betriebene, mit hohem Tempo durchgeführte sozialistische Umgestaltung in der DDR. Die fünf Länder wurden aufgelöst und durch 14 Bezirke und 217 Kreise ersetzt. Diese Zentralisierung erleichterte eine umfassende politische Kontrolle. Wirtschaftlich führten die einseitige Bevorzugung der Schwerindustrie gegenüber der Konsumgüterversorgung und der Beginn der Kollektivierung der Landwirtschaft durch den Übergang von der privatbäuerlichen zur genossenschaftlichen Organisation zu schweren Erschütterungen und zum Anstieg der Fluchtbewegung nach Westen, die wiederum die Krisensituation verschärfte. Die Abschottung gegenüber der Bundesrepublik wurde vorangetrieben. Unmittelbar nach der Unterzeichnung des Deutschlandvertags und des Vertrags zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) in Bonn, der die Beziehungen der Bundesrepublik zu den drei westlichen Besatzungsmächten regelte, erließ die DDR-Regierung am 27. Mai 1952 eine Verordnung über die Einführung einer »besonderen Ordnung an der Demarkationslinie«. Die Westgrenze mit Kontrollstreifen, Schutzstreifen und Sperrzone wurde fortan schärfer bewacht, blieb aber insbesondere in Berlin nach wie vor durchlässig.
 
Als Stalin im März 1953 starb, herrschte zunächst Unklarheit über die weitere politische Linie. Stalins Nachfolger hielten eine politische und ökonomische Kursänderung für unumgänglich. Sie erzwangen im Mai 1953 gegen eine zunächst halsstarrige SED-Führung den »Neuen Kurs«. Er zielte auf eine gemäßigtere Politik gegenüber Bauern und Mittelstand, eine bessere Konsumgüterversorgung, die Einstellung des Kirchenkampfs und einen anderen Umgangsstil zwischen der politischen Führung und der Bevölkerung.
 
Als die SED am 9. Juni 1953 offiziell den Neuen Kurs verkündete, hatte es bereits zahlreiche kleinere Unruhen vor allem unter der Arbeiterschaft gegeben. Um die Produktivität zu erhöhen, war für die Belegschaften eine Erhöhung der Arbeitsnormen um 10 Prozent festgelegt worden, von der man auch nach der Proklamation des Neuen Kurses nicht abgehen wollte. Dies war die Lunte am Pulverfass.
 
Die ersten Demonstranten waren die Bauarbeiter der Ostberliner Stalinallee, des Vorzeigeobjekts künftiger sozialistischer Wohnkultur. Sie zogen vor das Haus der Ministerien und verlangten Verhandlungen mit der Regierung. Obwohl diese die Normenerhöhung zurücknahm, war die Stimmung bereits so aufgeheizt, dass dieses Signal kaum noch Wirkung hatte. Die Nachricht von der Demonstration in Berlin verbreitete sich schnell, und am folgenden Tag, dem 17. Juni, entwickelten sich in etwa 560 Orten der DDR Belegschaftsproteste, Demonstrationen, Streiks und auch Gewalttätigkeiten. Die Schwerpunkte der Unruhen lagen in den traditionellen Hochburgen der Arbeiterbewegung, insbesondere in Halle-Bitterfeld und Leipzig. Als am Mittag sowjetische Panzer in Ostberlin einrückten und überall der Ausnahmezustand verhängt wurde, ging zwar die offene Aufstandsbewegung schnell zu Ende, die Unruhen und Konflikte in den Betrieben dauerten jedoch noch wochenlang an.
 
Die Forderungen der Aufständischen waren uneinheitlich. Dennoch wurden überall neben sozialpolitischen und wirtschaftlichen auch politische Forderungen erhoben, die auf freie Wahlen, Rücktritt der Regierung und die Einheit Deutschlands zielten. In einem Spottvers wurden die Forderungen nach Ablösung der politischen Dreierspitze aus Parteichef Walter Ulbricht, Staatspräsident Wilhelm Pieck und Ministerpräsident Otto Grotewohl gebündelt: »Spitzbart, Bauch und Brille sind nicht des Volkes Wille«. Nach der Niederschlagung des Aufstands begann eine harte Verfolgung der »Rädelsführer«. 1240 Teilnehmer wurden bis zum Herbst 1953 verurteilt, später kamen weitere Ermittlungsverfahren hinzu.
 
Die SED versuchte, den für sie schockierenden Aufstand als faschistischen Putsch zu denunzieren und damit vom Scheitern ihrer Politik abzulenken. Zwar hielt sie in den folgenden Jahren an der Generallinie des sozialistischen Aufbaus fest, ging dabei jedoch vorsichtiger vor und drosselte das Tempo. Für die Bevölkerung ist die gewaltsame Niederschlagung des Aufstands eine ebenso prägende Erfahrung gewesen wie für die Führungsriege, die bis zum Ende der DDR die Angst vor einer Wiederholung einer solchen Krisensituation nicht mehr loswurde.
 
NATO und Warschauer Pakt — Doppelte Blockintegration
 
Die parallel zur Westintegration verlaufende politische und wirtschaftliche Einbeziehung der DDR in den Ostblock bedurfte, solange Stalin jede Entscheidung durchsetzen konnte, kaum einer formalen Absicherung durch zweiseitige Bündnisse. Der 1949 als Gegenstück zum Marshallplan ins Leben gerufene Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) funktionierte als Instrument der ökonomischen Koordination unter den osteuropäischen Staaten niemals richtig, weil er zu wenig Arbeitsteilung vorsah und strikt auf die Interessen der sowjetischen Vormacht ausgerichtet war.
 
Der Weg zur Souveränität und Einbeziehung der Bundesrepublik in das westliche Bündnissystem erscheint zwar aus der Rückschau geradlinig, tatsächlich aber gab es beträchtliche Rückschläge und Hindernisse. Dazu gehörte einerseits eine sowjetische Notenoffensive, aber auch die Ablehnung der EVG durch die französische Nationalversammlung 1954. Bevor die Bundesrepublik im Mai 1952 den EVG- und den Deutschlandvertrag unterzeichnete, gab es von sowjetischer Seite noch einen Versuch, die Westintegration zu verhindern. In einer spektakulären diplomatischen Aktion bot Stalin am 10. März 1952 in einer Note den Westmächten an, die Wiederherstellung der nationalen Einheit durch freie Wahlen auf der Basis politischer und militärischer Neutralität zu verhandeln. Um diese Note ist von den Zeitgenossen ebenso wie von den Historikern heftig gestritten worden. Selbst wenn letzte Klarheit nicht erreichbar ist, sprechen die jetzt zugänglichen Moskauer Akten dafür, dass es sich um eine überlegte sowjetische Propagandaaktion handelte, mit der vor allem die westdeutsche Öffentlichkeit gegen Adenauers Politik mobilisiert werden sollte. Überdies zeigen die britischen und amerikanischen Akten eindeutig, dass die Westmächte zu diesem Zeitpunkt bereits kein Interesse mehr an einer solchen Diskussion hatten, weil ein neutralisiertes Deutschland als schwer kalkulierbares gefährliches Risiko erschien.
 
Die Vorbehalte in Frankreich gegen übernationale Organisationen gerade im militärischen Bereich führten zum Scheitern der EVG. Die Grundentscheidung für eine enge Westbindung der Bundesrepublik wurde durch diese französische Blockade jedoch nicht infrage gestellt. Unter den Bedingungen des Kalten Kriegs gab es mittlerweile ein so großes Maß gemeinsamer westlicher Interessen, dass es in kurzer Zeit gelang, eine Ersatzlösung zu schaffen, die für die künftige Außen- und Sicherheitspolitik Westdeutschlands die Grundlage bildete. 1955 trat die Bundesrepublik den Pariser Verträgen bei, wurde damit Mitglied der NATO und erlangte nun auch formal die staatliche Souveränität. Das seit 1945 zwischen Frankreich und Deutschland umstrittene Saargebiet sollte einen besonderen politischen Status erhalten. Er war geregelt im Saarstatut, das einer Volksabstimmung unterworfen werden sollte. Diese brachte jedoch eine große Mehrheit gegen das Statut und für die Angliederung an die Bundesrepublik, die dann am 1. Januar 1957 vollzogen wurde.
 
Die sowjetische Reaktion auf die Pariser Verträge war die Gründung des Warschauer Pakts, des Vertrags über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand vom 14. Mai 1955, dem die DDR im Januar 1956 beitrat. Damit war die äußere Blockbildung in Europa und auch die Teilung Deutschlands zum Abschluss gekommen.
 
Prof. Dr. Christoph Klessmann, Potsdam
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Deutschland: Das geteilte Deutschland 1955 bis 1985
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Deutschland nach 1945: Die Besatzungspolitik der Siegermächte
 
Literatur:
 
Adenauer, Konrad: Adenauer. Rhöndorfer Ausgabe, herausgegeben von Rudolf Morsey und Hans-Peter Schwarz.Band 3: Briefe 1949-1951. Berlin 1985.
 Krieger, Wolfgang: General Lucius D. Clay und die amerikanische Deutschlandpolitik 1945-1949. Stuttgart 21988.
 Ulbricht, Walter: Die Bedeutung der Entschließung des Informbüros über die Lage in der KP Jugoslawiens und die Lehren für die SED. Berlin 1948.


T: 38