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CHEMIENOBELPREIS 1935: FRÉDÉRICK JOLIOT — IRÈNE JOLIOTCURIE

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Chemienobelpreis 1935: Frédérick Joliot — Irène Joliot-Curie
 
Das französische Wissenschaftlerehepaar wurde für »die Synthese von neuen radioaktiven Elementen« mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
 
 Biografien
 
Frédéric Joliot, * Paris 12. 3. 1900, ✝ Paris 14. 8. 1958; 1919-23 Ingenieurausbildung, ab 1923 Tätigkeit an Marie Curies Radiuminstitut, 1930 Promotion, nach dem Nobelpreis 1937 Verleihung einer Professur am Collège de France; im Zweiten Weltkrieg in der Résistance aktiv, nach dem Krieg Hochkommissar der französischen Atomenergiekommission, aus dieser Position wegen seiner politischen Ansichten entlassen, 1956 Übernahme der Leitung des Radiuminstituts.
 
Irène Joliot-Curie, * Paris 12. 8. 1897, ✝ Paris 16. 3. 1956; Physik- und Mathematikstudium an der Sorbonne in Paris, im Ersten Weltkrieg mit Röntgenambulanz im Einsatz, ab 1918 Assistentin am Radiuminstitut ihrer Mutter Marie Curie, 1925 Promotion, 1926 Heirat mit Joliot, 1937 Professur an der Sorbonne, ab 1946 Direktorin des Radiuminstituts; pazifistisch engagiert.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Wissenschaftliche Dynastien sind heutesehr selten geworden.Noch seltener sind weibliche wissenschaftliche Dynastien, und eine mehrfach nobelpreisgekrönte weibliche Wissenschaftsdynastie gibt es im ersten Jahrhundert der Nobelpreise nur ein einziges Mal: 1935 erhielt Irène Joliot-Curie zusammen mit ihrem Ehemann Frédéric Joliot den Nobelpreis für Chemie, und zwar für Forschungen in genau jenem Spezialgebiet, das eine Generation zuvor von ihren Eltern mitbegründet worden war: der Radioaktivitätsforschung. Pierre und Marie Curie hatten 1903 dafür zusammen mit Henri Becquerel gemeinsam den Physiknobelpreis erhalten, Marie Curie zudem den Chemienobelpreis 1911, und auch die Tradition der ehelichen wissenschaftlichen Zusammenarbeit verbindet Marie Curie und ihre Tochter Irène (wie auch die Enkeltochter Hélène) miteinander.
 
 Neue radioaktive Elemente
 
Wurden Marie und Pierre Curie für die Erforschung der »natürlichen« spontanen Radioaktivität bestimmter, von ihnen neu entdeckter Elemente ausgezeichnet, so wurde der Nobelpreis an das Forscherpaar der zweiten Generation für die Herstellung »neuer«, also in der Natur nicht zu beobachtender, radioaktiver Elemente beziehungsweise Isotope verliehen. Aus dem Forschungsobjekt der Eltern, den radioaktiven Substanzen Polonium und Radium, wurde das Forschungswerkzeug der Kinder: Frédéric und Irène Joliot-Curie benötigten für ihre Experimente nämlich eine starke Quelle von Alphastrahlen und bedienten sich dafür des Poloniums, das dank Marie Curies jahrzehntelanger Arbeit in Paris in weltweit einzigartiger Reinheit und Menge zur Verfügung stand.
 
Mit den Alphastrahlen von diesen Poloniumpräparaten beschossen die Joliot-Curies zwischen 1931 und 1934 leichte Elemente wie Bor, Beryllium oder Aluminium und untersuchten die Ergebnisse dieser Reaktionen. Das wichtigste Gerät dabei war eine von Frédéric Joliot, dem ausgebildeten Ingenieur, selbst gebaute so genannte Nebelkammer, die die Bahn eines elektrisch geladenen Teilchens durch die mit übersättigtem Dampf gefüllte Kammer als Tröpfchenspur sichtbar (und fotografierbar) machte. Damit war es möglich, das Verhalten der 1930 entdeckten rätselhaften durchdringenden Bothe-Becker-Strahlung beim Durchgang durch verschiedene Stoffe zu erkunden. Die von dem französischen Ehepaar 1932 publizierten Ergebnisse führten den englischen Physiker Chadwick (Physiknobelpreis 1935) binnen weniger Wochen zum Nachweis, dass es sich bei dieser rätselhaften Strahlung um die lange gesuchten Neutronen handelte; die Entdeckung des Neutrons entging den Joliot-Curies also um Haaresbreite.
 
 Entdeckungsfieber in der Physik
 
Nicht nur beim Neutron waren die Joliot-Curies nur knapp von einer bedeutenden Erstentdeckung entfernt. So fanden sie 1933 auf den Fotografien von den Teilchenspuren in ihrer Nebelkammer auch die bereits Ende der 1920er-Jahre aus theoretischen Gründen vorhergesagten positiven Elektronen. Diese waren kurz zuvor von dem amerikanischen Physiker Anderson erstmals nachgewiesen worden (Physiknobelpreis 1936). Die Spuren hatten die Joliot-Curies freilich schon vorher auf ihren Aufnahmen gesehen, sie jedoch falsch interpretiert. Ende 1933 und Anfang 1934 stand die Erforschung dieser neuen Teilchen, die genau die gleichen Eigenschaften haben wie die Elektronen, aber eine entgegengesetzte, also positive, elektrische Ladung tragen und darum Positronen genannt wurden, im Mittelpunkt der Pariser Forschungen. Insbesondere interessierten sich die Joliot-Curies dafür, wie viel Energie die Positronen jeweils mitbrachten. Sie beschossen darum systematisch leichte Elemente, etwa Aluminium, mit ihren starken Poloniumpräparaten. Die Energie der Positronen konnten sie daraus erschließen, wie stark die Bahnen dieser Teilchen in der Nebelkammer durch ein Magnetfeld gekrümmt wurden. Das Ehepaar machte die völlig unerwartete Entdeckung, dass die Erzeugung der Positronen noch einige Zeit anhielt, nachdem die Bestrahlung beendet worden war. Das hieß, dass die Positronen nicht als Nebenprodukt einer radioaktiven Umwandlung beim Beschuss des Aluminiums interpretiert werden konnten. Vielmehr musste es sich bei ihnen um das Zerfallsprodukt eines aus dem bestrahlten Aluminium neu entstandenen, radioaktiven Stoffs handeln! Frédéric und Irène Joliot-Curie hatten damit nicht nur eine neue Substanz erzeugt, sondern diese war ihrerseits radioaktiv, und die einige Zeit anhaltende Positronenstrahlung war nichts anderes als die bei ihrem Zerfall entstehende positive Betastrahlung. Im Fall des Aluminiums führte der Beschuss mit den energiereichen Alphastrahlen aus dem Polonium zunächst zur Aussendung eines Neutrons (die inzwischen identifizierte Bothe-Becker-Strahlung) und außerdem zur Entstehung einer neuen Variante des Phosphors aus dem Aluminium. Das neue Phosphor-Isotop, für das die Joliot-Curies die Bezeichnung Radiophosphor vorschlugen, zerfiel seinerseits mit einer Halbwertszeit von gut drei Minuten in Silicium, und bei diesem Prozess wurden auch die Positronen frei, die die Joliot-Curies in ihrer Nebelkammer beobachten konnten.
 
Der chemische Nachweis, dass es sich bei diesem neuen und nicht stabilen Stoff um ein Isotop des Phosphors handelte, stand freilich noch aus, da das Ehepaar zunächst nur aufgrund der (physikalischen) Bilanz der Strahlen auf seine Identität geschlossen hatte. Es gelang ihnen jedoch sehr schnell, ein chemisches Verfahren zu entwickeln, das trotz der Lebensdauer von nur wenigen Minuten nachwies, dass aus dem Aluminium Phosphor entstanden war. Damit zeigt auch die Arbeit der Joliot-Curies jene Interdisziplinarität zwischen Physik und Chemie, die die meisten Arbeiten zur Radioaktivitätsforschung kennzeichnet.
 
Auch nach dieser Entdeckung überschlugen sich die Ereignisse in der Kernphysik. Bereits im April 1934, also zwei Monate später, schlugen die Joliot-Curies vor, Substanzen mit Neutronen zu bestrahlen statt mit Alphateilchen. Denn Neutronen haben den Vorteil, dass sie nicht elektrisch geladen sind und deswegen von den positiv geladenen Atomkernen nicht abgestoßen werden. Der italienische Physiker Enrico Fermi (Physiknobelpreis 1938) hatte zu diesem Zeitpunkt in Rom bereits mit entsprechenden Experimenten begonnen. Es waren diese Untersuchungen — die dann nicht nur in Rom, sondern auch in Paris und Berlin durchgeführt wurden —, die 1938/39 zu der Entdeckung führten, dass man die Atomkerne schwerer Elemente durch Neutronenbeschuss spalten kann.
 
Marie Curie übrigens hat angesichts der Entdeckung der »künstlichen Radioaktivität« durch ihre Tochter und ihren Schwiegersohn beglückt von einer Rückkehr der alten glorreichen Tage des Pariser Laboratoriums gesprochen. Sie starb jedoch im Sommer 1934 und erlebte deshalb nicht mehr, wie ihre Tochter Irène 1935 auch im Hinblick auf den Nobelpreis in ihre Fußstapfen trat.
 
B. Ceranski


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