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AFRIKANISCHE GROßREICHE DER SUDANZONE: ZWISCHEN REGENWALD UND WÜSTE

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afrikanische Großreiche der Sudanzone: Zwischen Regenwald und Wüste
 
Staatengründungen südlich der Sahara
 
Nach weit verbreiteter Ansicht entstanden die Großreiche südlich der Sahara durch den Aufschwung des Transsaharahandels in der Zeit nach der arabisch-islamischen Eroberung Nordafrikas. Das Schweigen der antiken Autoren und die Befunde der Archäologie belegen die Isolation des Schwarzen Kontinents vor dem 7. Jahrhundert n. Chr. Gleichzeitig legen frappierende Parallelen zwischen den Mythen und Riten verschiedener Völker Westafrikas auf der einen Seite und den Hebräern und benachbarten Völkern des Vorderen Orients auf der anderen nahe, dass weit südlich der großen Verkehrswege des Mittelmeerraumes staatliche Organisationsformen schon vor unserer Zeitrechnung existiert haben müssen. Wie anders soll man die gleichartigen Königsfeste zu Beginn des neuen Jahres, die Drachentötungsmythen und -riten sowie die gemeinsame Verehrung eines Fruchtbarkeitsgottes Baal oder Schango und dessen Inkarnation in dem König deuten, wenn nicht als Überreste einer prähellenistischen Kulturübertragung aus dem kanaanäischen Raum, die in Afrika auf fruchtbaren Boden fiel? Offensichtlich konnten sich diese orientalischen Kulturelemente, die den sakralen Königtümern zugrunde liegen, in Afrika weitgehend unverändert halten, bis sie durch den Aufschwung des transsaharanischen Handels in neue Funktionszusammenhänge gestellt wurden.Einige Kleinkönige erkannten die neuen Möglichkeiten, die sich mit der Kontrolle der Handelsströme boten, und brachten deshalb die jeweilige südliche Endstation der Karawanenwege unter ihre Herrschaft. Dadurch wurden ethnische Grenzen überschritten und manchmal kam es sogar zu einer Verlagerung der königlichen Residenz. Durch diese Veränderungen entwickelten sich mehrere alte Kleinkönigtümer unter Beibehaltung der sakralen Organisationsformen kanaanäischer Prägung zu den Großreichen, von denen die arabischen Geographen seit dem 9. Jahrhundert berichten. Mit Erstaunen schreiben sie von der »Religion des Königs«, der die Einwohner dieser Reiche anhängen, und prägnant formuliert al-Muhallabi: »Ihre Religion besteht in der Verehrung ihrer Könige, denn sie glauben, dass die Könige Leben und Tod, Krankheit und Gesundheit bringen.« Ähnliche Definitionen des sakralen Königtums finden wir in modernen Ethnographien. In beiden Fällen bleibt unbeachtet, dass die göttliche Verehrung nicht dem König selbst zukommt, sondern dem Gott, den er repräsentiert.
 
Erst die Einführung des Islams infolge der intensiven Handelsverbindungen mit dem Norden führte zu einer gewissen Säkularisierung der tief verwurzelten sakralen Institutionen. Aber ebenso wie die heidnischen Götter innerhalb der muslimischen Glaubensvorstellungen zunächst als gute, dann als böse Geister ihren Platz fanden, wurden die grundlegenden Institutionen des sakralen Königtums nur so weit reformiert, dass sie noch in Einklang mit der herkömmlichen Staatsform gebracht werden konnten. Dagegen mussten sich die immer seltener werdenden Anhänger heidnischer Vorstellungen mit der fortschreitenden Aushöhlung ihrer spirituellen Lebensform abfinden. Obgleich dieser Prozess der Säkularisierung heute weitgehend abgeschlossen ist, finden sich bei vielen muslimischen Völkern Westafrikas noch Überreste des sakralen Königtums. Dazu gehören insbesondere die überragende Stellung der »amtlichen« Königinmutter, die Installationsriten des Königs und die Prozessionen der jährlichen Feste. Naturgemäß sind diese Institutionen nur dort bei den Muslimen zu beobachten, wo das Königtum, wie bei den Hausa und den Kanuri des Zentralsudans, bis in unsere Zeit erhalten blieb. Viel deutlicher treten uns die Züge des sakralen Königtums allerdings bei den weiter im Süden schon im Bereich des tropischen Regenwaldes lebenden Yoruba und Ashanti entgegen, bei denen der Islam oder das Christentum erst seit dem 19. Jahrhundert Eingang fanden. Dass es auch andere Prozesse der Säkularisierung gegeben haben muss, zeigt das Beispiel der Mosi, bei denen die Mythologie ganz vor dem Ritual zurücktritt. Aus diesen Bemerkungen ergibt sich, dass die Geschichte der westafrikanischen Großreiche nicht allein durch den Transsaharahandel und das Vordringen des Islams geprägt wurde, sondern ebenso durch den Widerstand des sakralen Königtums. Wie in anderen Teilen der Welt unterlag auch in Afrika der historische Wandel dem zähen Kampf des Neuen gegen das Alte. Die zur Verfügung stehenden Quellen fließen reichlich genug, um diesen Wandel zu dokumentieren und zu zeigen, dass die afrikanische Geschichte mehr ist als die passive und bedingungslose Übernahme fremder Kulturgüter.
 
 Gana und Mali
 
Seit dem 9. Jahrhundert n. Chr. berichten die arabischen Geographen kontinuierlich von dem sagenumwobenen Goldland Gana. Nach ihren Angaben lag das Reich südlich von Marokko, irgendwo zwischen dem Senegal und dem Niger. Erst al-Bakri konnte zur Mitte des 11. Jahrhunderts Genaueres in Erfahrung bringen: Der König war von einer zahlreichen Priesterschaft umgeben, die meisten seiner Amtsträger am Hof waren aber bereits Muslime; dennoch wurden die Könige weiterhin in riesigen Hügelgräbern mit einem Jenseitsgefolge feierlich bestattet; die Gräber lagen in heiligen Hainen, die nur für die Priester zugänglich waren. Aus einer mündlichen Quelle erfahren wir außerdem, dass man in Gana ein großes Neujahrsfest (tabaski) feierte.
 
Um nach Gana zu gelangen, reisten die Kaufleute mit ihren Karawanen zunächst nach Awdaghost. Nach fünfzehn Tagen — so die schriftlichen Quellen — erreichten sie dann die Hauptstadt des Reiches, was auf den Fundplatz Koumbi Saleh hinweist. Da auch die mündliche Überlieferung des Volkes der Soninke Gana mit Koumbi Saleh in Verbindung bringt, war man bisher der Ansicht, in diesem Ort die Hauptstadt des Ganareiches vor sich zu haben. Neben der Stadt der nordafrikanischen Händler, deren urbane Anfänge von Archäologen auf das 11. Jahrhundert datiert wurden, entdeckte man aber weder Anzeichen für eine Königsstadt noch für Königsgräber. Dagegen fand man in Tendirma am westlichen Nigerknie Hügelgräber, von denen eins auf das 11. Jahrhundert datiert wurde und die von der Forschung schon früh mit den Königsgräbern al-Bakris in Verbindung gebracht wurden. Dieser Widerspruch zwischen den Schriftquellen und dem archäologischen Befund sowie andere Hinweise lassen vermuten, dass es in Wirklichkeit zwei Zentren des Ganareiches gab: das ältere in Tendirma, wo die landwirtschaftlichen Ressourcen ausreichten, um eine sesshafte Lebensform zu garantieren, und das jüngere in der Mitte des unwirtlichen Senegal-Niger-Gebietes, wo nur die Kontrolle des lukrativen Goldhandels der Grund für die Errichtung einer königlichen Residenzstadt gewesen sein kann. Zu diesem Schritt wurden die Könige von Gana wohl hauptsächlich durch die Wangara bewogen, die als Händler das Gold aus Faleme und Bure bis an den Rand der Sahara transportierten. Ursprünglich stammten diese Händler, die zu den Soninke gehörten und deren Aktivitäten sich bis in das Hausaland erstreckten, aus Dia südlich von Tendirma.
 
In Koumbi Saleh wurde das Gold gegen die Waren aus dem Maghreb, Pferde, Stoffe und Waffen, aber auch gegen das Salz der Sahara getauscht und von berberischen und arabischen Händlern weiter nach Nordafrika und in den Orient geschafft. Dort diente es der Prägung der Dinare und blieb entweder im Lande, oder es wurde zum Einkauf indischer Waren verwendet und gelangte so noch weiter nach Osten.
 
In Gana lag die Macht in den Händen der Dynastie der Soso. Herrscher dieser Dynastie, die den Beinamen Sisse trugen, hatten Anspruch auf die Ehrenbezeichnung Tunkara, die in dem Namen des letzten heidnischen Königs, Tunka-Manin, wieder zu finden ist. Aus einem weiteren Königstitel ist der Name des Landes hervorgegangen. Auch die im Reich Gao gebräuchlichen Dynastiebezeichnungen Za und Sonni scheinen letztlich Beinamen der Könige von Gana gewesen zu sein. So ist es jetzt auch zu verstehen, worauf der Name Soninke beruht: Die Soninke waren eben die Leute des Sonni-Königs von Gana. Genau genommen gab es auch für das größte vorislamische Reich Westafrikas keinen einheitlichen Namen: Die arabischen Geographen nannten es Gana, die persischen Geographen Reich des Zaghe ibn Zaghe und die Chronisten von Timbuktu Reich des Kaya Magha Sisse.
 
Mit der Entstehung der militanten islamischen Almoravidenbewegung entwickelte sich in der westlichen Sahara eine eminente Bedrohung für den heidnischen Staat Gana. Die Almoraviden eroberten 1054 Sidjilmasa und Awdaghost am Nord- und Südende der großen westsaharanischen Goldroute. Danach konzentrierten sie sich aber auf Nordafrika, sodass Gana zunächst nicht direkt unter den Druck der berberischen Glaubenskämpfer geriet. Eine gefährliche Situation für das sakrale Königtum Ganas entstand erst nach der Entmachtung des Almoravidenführers Abu Bakr ibn Omar durch seinen Vetter Jusuf ibn Taschfin im Jahre 1071: Abu Bakr übernahm nun die Kontrolle des Südflügels der Almoraviden und machte bis zu seinem Tod 1087 seinen Einfluss auch bei einigen schwarzafrikanischen Völkern südlich der Sahara geltend.
 
Es liegt nahe, die Eroberung Ganas im Jahre 1076, von der einige Autoren berichten, und die damit verbundene Einführung des Islams mit den Aktivitäten Abu Bakrs in Verbindung zu setzen. Aber wenn es wirklich eine militärische Eroberung des Ganareiches gegeben hat, warum fand dieses Ereignis dann so wenig Widerhall in den arabischen Schriftquellen? Dieses Kernproblem der mittelalterlichen Historiographie Westafrikas kann jetzt dahin gehend gelöst werden, dass man zwischen vier Ereignissen unterscheidet: der Übertritt zum Islam des Kronprinzen von Gana, Kema Magha, die Krönung seines heidnischen Bruders Tunka-Manin im Jahre 1063 zum König von Gana an seiner Stelle, die Krönung Kema Maghas 1076 im Anschluss an einen Staatsstreich, an dem auch die Almoraviden mitgewirkt haben, der Abfall Kema Maghas von den Almoraviden nach dem Tod des Abu Bakr im Jahre 1087. Doch der Soso-König konnte die Unabhängigkeit Ganas nicht mehr durchsetzen: Geschlagen vom Nachfolger des Almoravidenführers suchte er Zuflucht in Gao. Anstelle der Soso übernahm zunächst der neue Almoravidenführer die Macht. Er musste jedoch auch anderweitig militärisch eingreifen, um den Fortbestand des Südflügels der Almoraviden unter der Vorherrschaft des Berberklans der Lamtuna zu sichern. Deshalb ernannten die Lamtuna schon bald die Ture, einen aus soninke-arabischen Mischehen hervorgegangenen Klan, zu ihren Stellvertretern in Gana. Diese erbauten 1116 in Tendirma einen prunkvollen Herrscherpalast, um ihren eigenen Machtanspruch zu demonstrieren.
 
Zur Mitte des 12. Jahrhunderts, als die Almoraviden bereits von den Almohaden aus dem Maghreb und aus Andalusien vertrieben worden waren, hörten auch die arabischen Geographen nichts mehr von den berberischen Glaubenskämpfern des Südens. Am Ende des 12. Jahrhunderts gelang es den heidnischen Soso sogar, das Reich ihrer Vorfahren zurückzuerobern. Zu dieser Zeit waren die Institutionen des sakralen Königtums allerdings schon so weit durch die säkularistischen Tendenzen des Islams zersetzt worden, dass die Rückkehr zum Status quo ante nicht von Dauer sein konnte. In den Dreißigerjahren des 13. Jahrhunderts kam es im Süden von Gana zu einer islamischen Reaktion mit weit reichenden Folgen: Unterstützt von Truppen des Kleinkönigs von Mema marschierte der Heerführer Sundjata Keita gegen den Hauptrepräsentanten der Soso, Sumanguru Kanté. Er besiegte ihn in der Schlacht von Kirina, übernahm dessen Herrschaftsattribute und gründete das muslimische Reich Mali. Anschließend eroberte er auch den nördlichen Teil des Reiches, vertrieb erneut die Soso und machte Mali damit zum Nachfolgereich Ganas. Sein Nachfolger Mansa Wali konnte deshalb die Pilgerfahrt nach Mekka unternehmen, ohne im Sudan das Territorium eines Nachbarstaates durchqueren zu müssen. Zweifellos die bedeutendste Pilgerfahrt aller westafrikanischen Könige aber unternahm Mansa Musa, auch Kankan Musa genannt, im Jahre 1324. Mehrere ägyptische Chronisten berichten übereinstimmend, dass durch die Einkäufe des Königs von Mali und seiner Begleiter so viel Gold auf den Markt von Kairo kam, dass der Goldpreis drastisch fiel.
 
Als der große arabische Reisende Ibn Battuta 1352/53 nach Mali kam, herrschte dort Mansa Musas Bruder Mansa Suleiman. Er hatte den Eindruck, dass schon zu dieser Zeit die Einwohner des Landes tief vom Islam geprägt waren. Nach seinen Beobachtungen verrichteten die Bewohner der Hauptstadt Niani regelmäßig die fünf täglichen Gebete, sie beteiligten sich auch zahlreich an den islamischen Festen, Eltern legten großen Wert darauf, dass ihre Kinder den Koran auswendig lernten, Rechtsstreitigkeiten wurden teilweise von den Kadis geregelt und nicht von den politischen Autoritäten. Daneben gab es allerdings auch Bräuche, die einen gläubigen Muslim wie Ibn Battuta schockierten: Sklavinnen bedienten ihre Herrn völlig unbekleidet und erschienen auch so in der Öffentlichkeit; zur Begrüßung des Königs streuten sich die Leute Sand und Asche auf ihr Haupt, eine Ehrerbietung, die nach muslimischen Verständnis höchstens Allah angemessen ist, nicht aber einem Menschen; grotesk und unangemessen erschienen ihm ebenfalls die Preislieder zu Ehren des Königs, bei denen die Barden in einer eigenartigen Verkleidung auftraten. Aber diese Erscheinungen ändern nichts daran, dass der Islam in Mali von der städtischen Bevölkerung bereits zur Mitte des 14. Jahrhunderts mit großer Hingabe praktiziert wurde. Wie Ibn Battuta außerdem lobend hervorhebt, herrschten im gesamten Machtbereich der Keita-Herrscher friedliche Verhältnisse.
 
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts zeigten sich jedoch erste Verfallserscheinungen. Hauptgrund dafür waren die dynastischen Konflikte, von denen der arabische Historiker Ibn Chaldun ein beredtes Zeugnis ablegt: Innerhalb von dreißig Jahren herrschten sechs Könige. Dazu kam die De-facto-Herrschaft eines mächtigen Amtsträgers, der für einige Zeit den rechtmäßigen König in Gewahrsam nahm und an seiner Stelle die Macht ausübte. Es ist kaum anzunehmen, dass diese Entwicklung in der Folgezeit rückgängig gemacht werden konnte, denn 1433 mussten die Keita Timbuktu aufgeben; auch die Handelsstadt Djenné konnten sie nicht mehr halten. Der Niedergang des großen Malireiches wird indirekt durch die Portugiesen bestätigt. Nach ihren Erkundungen in Senegambien herrschte ein großer Malikönig irgendwo im Inneren des Landes. Diesem waren zwar die Könige der Malinke am Fluss Gambia untertan, aber er residierte zurückgezogen am Oberlauf des Niger. Schon lange hatte er die Kontrolle über den transsaharanischen Goldhandel verloren.
 
 Songhai und Kebbi
 
Aus Berichten europäischer Kaufleute geht hervor, dass der Nigerbogen im 2. Drittel des 15. Jahrhunderts von Turbulenzen heimgesucht wurde, deren Ursache gewiss nicht nur in ethnischen Konflikten zu suchen ist. Im Reich Gao hatten die Sonni die ältere Dynastie der Za gegen Ende der Herrschaft Malis über dieses Gebiet abgelöst. Neueren Forschungen zufolge handelte es sich nicht um eine fremde Nachfolgedynastie der Za, wie man bisher annahm, sondern um heidnisch orientierte Nachkommen der einstigen Soso-Herrscher von Gana, die in Gao Zuflucht gefunden hatten.
 
Die »Einwanderung« des Volkes der Songhai aus dem Osten in das Gebiet von Gao ist von diesen dynastischen Entwicklungen weitgehend zu trennen. Auf der Grundlage der Chroniken aus Timbuktu ging man bisher davon aus, dass die Besiedlung des Nigerbogens durch die Songhai schon in vorislamischer Zeit stattgefunden hat. Da sich die entsprechenden Nachrichten jedoch auf die Dynastie der Za beziehen und nicht auf das Volk der Songhai, ist diese Ansicht nicht haltbar. Vielmehr sollte unter Berücksichtigung der Mythen und Traditionen der Songhai die Ankunft des letzten großen Reichsvolkes des Nigerbogens auf die Verfallsperiode des Malireiches datiert werden. An der Spitze dieser Bewegung stand die Volksgruppe der Songhai sprechenden Sorko-Faran, die zu Beginn des 15. Jahrhunderts machtvoll aus dem Osten hereinbrachen; ihr Ursprungsland war das Reich Kebbi, für das schon im 14. Jahrhundert der Name Songhai bezeugt ist. Die Könige von Kebbi beriefen sich auf einen Ahnherrn namens Kanta und vertraten ein sakrales Königtum. Es ist anzunehmen, dass die Sorko-Faran kein unabhängiger Stammesverband waren, sondern die Speerspitze einer Expansionspolitik des heidnischen Herrschers von Kebbi, der sich den Zerfall des Malireiches zunutze machte. Am Nigerbogen besiegten diese Truppen den Za-Herrscher Zinki-Baru und übernahmen in Gao für kurze Zeit die Macht. Ihre Gegenspieler auf dem Niger, die Sorko-Fono, die ebenfalls Songhai sprachen, aber nicht Träger des Namens Songhai waren, verdrängten sie nach Westen.
 
Wie ist nun die Verbindung der Sorko-Faran mit den Sonni zu verstehen? Irgendwie muss es den Sonni gelungen sein, die Kebbi-Führung zu beseitigen und in einem Zusammengehen mit den Sorko-Faran die Macht an sich zu reißen. Grundlage dafür war vermutlich die gemeinsame Gegnerschaft zum orthodoxen Islam der Keita und der Za. Zudem ist auch bei den Sonni eine gewisse Nähe zu Kebbi zu erkennen, dem letzten Pol des heidnischen Widerstandes im Westsudan. Nach al-Maghili verbrachte der große Eroberer Sonni Ali (1465—92) seine Kindheit in dem heidnischen Land Far, welches vermutlich mit Kebbi identisch ist. Dort hatte er Gelegenheit, sich mit den Mythen und Riten des sakralen Königtums vertraut zu machen. Später war es ihm dann ein Leichtes, in die Doppelrolle des sakralen und des muslimischen Königs zu schlüpfen, was ihm von den Songhai-Chronisten des 17. Jahrhunderts bitter vorgeworfen wurde.
 
Gestützt auf die Songhai eroberte Sonni Ali große Teile des Westsudans. Mit eigenen Truppen unterstützte er den König des Hausastaates Katsina, Mohammed Korau, bei seinem Angriff auf den Herrscher von Kebbi. Der letzte heidnische Herrscher von Kebbi war den vereinten Kräften der beiden muslimischen Könige nicht gewachsen und wurde vernichtend geschlagen. Teile der alten Dynastie konnten nach Süden fliehen, wo wir heute ihre Nachkommen bei den Shangawa wieder finden. Nutznießer dieses Sieges war zunächst Mohammed Korau, der einen Statthalter in Kebbi einsetzte. Doch weil er sich selbst bald darauf dem Herrscher von Bornu, Ali Gaji (1455—87), unterwerfen musste, konnte er Kebbi nur für kurze Zeit unter Kontrolle halten. Deshalb bildeten sich in Kebbi schon bald unter den Vertretern der Katsina-Herrscher zwei gegnerische Klans. In diesem Wirrwarr kam die Stunde Sonni Alis, der Kebbi so fest an Songhai binden konnte, dass die neuen Herrscher trotz der räumlichen Nähe zu Katsina ihrer Tributpflicht gegenüber Songhai nachkamen. Ungeachtet dieses veränderten Abhängigkeitsverhältnisses wurde in Kebbi die Kultur der Songhai allmählich von der der Hausa verdrängt. Nur im Bereich des Königsrituals und der dynastischen Ursprungslegende blieben Restelemente des sakralen Königtums der Songhai bis in unser Jahrhundert erhalten.
 
Nach 27 Jahren rastloser Feldzüge unter Sonni Ali waren die Songhai völlig erschöpft. In dieser Situation organisierte der Heerführer Askia Mohammed Touré, der zum Volk der Soninke gehörte, einen erfolgreichen Aufstand der muslimischen Kräfte gegen das Regime der Sonni. Sonni Baro, der erst seit wenigen Monaten inthronisierte Sohn des Sonni Ali, wurde geschlagen, und fortan mussten alle Sonni sich der islamischen Herrschaft des Askia Mohammed Touré (1493—1528) beugen. Schon bald nach seinem Machtantritt unternahm der neue Herrscher eine Pilgerfahrt nach Mekka. Aufgrund seiner begrenzten Mittel konnte er zwar weniger Aufmerksamkeit erwecken als Mansa Musa, die späteren Chronisten hielten dem Gründer der Dynastie Askia aber immer seine islamische Gesinnung zugute. Man hat sich manchmal gewundert, wieso Askia Mohammed so kurz nach seiner Machtergreifung das Land verlassen konnte. Dazu ist zu bemerken, dass nicht nur die Askia gegenüber den Songhai Fremdherrscher waren, sondern auch die Sonni. Außerdem erwirkte sich Askia Mohammed zu Beginn seiner Herrschaft die Unterstützung der islamischen Partei innerhalb des alten Herrscherklans des Gaoreiches. Doch sobald seine eigene Herrschaft ausreichend gefestigt war, entledigte er sich dieser lästigen Bundesgenossen, die ihm eines Tages hätten gefährlich werden können.
 
Der Niedergang des Songhaireiches ist vor allem mit den unzähligen Thronstreitigkeiten zu erklären, von denen die beiden Songhai-Chroniken aus dem 17. Jahrhundert freimütig berichten. Mit einer Ausnahme waren alle acht Könige, die nach Askia Mohammed bis zur marokkanischen Eroberung im Jahre 1591 über Songhai herrschten, direkte Nachkommen des Dynastiegründers. Nur drei der neun Askias starben eines friedlichen Todes in ihrem Amt: Ismail (1537—39), Ishak (1539—49) und Dawud (1549—82), die anderen wurden von nahen Familienangehörigen entmachtet oder starben im Verlauf eines Machtkampfes. Nach Askia Mohammed gelang es nur Askia Dawud, eine lange Zeit des Friedens und Wohlstandes für die Einwohner des Reiches herbeizuführen.
 
In den Achtzigerjahren des 16. Jahrhunderts erwuchs den Songhai in Sultan Ahmed al-Mansur von Marokko ein mächtiger Gegner. Sobald dieser von dem Druck seiner Feinde im Norden befreit worden war, versuchte er seine Herrschaft nach Süden auszuweiten. Im Jahre 1585 unternahm er einen ersten Versuch, Songhai zu erobern, der jedoch scheiterte. Ein Jahr später gelang es ihm aber, die Salzminen von Teghazza zu besetzen und damit eine wichtiges Unterpfand für den Handel mit dem Westsudan in seine Hand zu bringen. Fünf Jahre später stellte er ein mehr als 5000 Mann starkes Heer zusammen, welches mehrheitlich aus europäischen Renegaten bestand, die mit Feuerwaffen ausgerüstet waren. Die Songhai glaubten sich durch die Sahara ausreichend geschützt und unternahmen keinerlei ernsthafte Gegenmaßnahmen. Ihr Heer war zwar zwanzigmal zahlreicher, aber nur mit Lanzen, Pfeilen und Bogen bewaffnet konnten sie gegen die Feuerwaffen der Marokkaner in der Entscheidungsschlacht von Tondibi nichts ausrichten. Der Askia, seine Armee und viele der Stadtbewohner von Gao setzten nach der Niederlage auf die rechte Nigerseite über und flohen in Richtung Dendi.
 
Die Marokkaner erbeuteten zwar eine beträchtliche Menge Goldes, aber dennoch erwies sich die Eroberung des Reiches Songhai für sie sehr bald als äußerst kostspielig, denn Jahr für Jahr mussten neue Truppen in den Sudan geschickt werden. Als diese Unterstützung nach dem Tode al-Mansurs 1603 ausgesetzt wurde, erklärten sich die verbliebenen Truppen unter ihrem eigenen Pascha bald für unabhängig. Die vor den Marokkanern geflohenen Songhai führten in Dendi einen erbitterten Kleinkrieg gegen die Fremdherrscher, ohne dass es ihnen jemals gelang, Gao oder Timbuktu zurückzuerobern. Da die Askia auch in Dendi ihre Thronstreitigkeiten nicht beilegen konnten, mussten sie bald den Gedanken an die Wiederaufrichtung des großen Songhaireiches aufgeben. Als die Songhai-Chronisten zur Mitte des 17. Jahrhunderts versuchten, wenigstens die Erinnerung an die Großreiche Westafrikas festzuhalten, taten sie dies bereits im Bewusstsein, dass die große afrikanische Staatstradition, auf deren Grundlage die Reiche von Gana, Mali und Songhai prosperiert hatten, unwiderruflich der Vergangenheit angehörte.
 
 Kanem-Bornu
 
Neben den turbulenten Ereignissen der Geschichte des Westsudans gerät die Geschichte des Zentralsudans leicht in Vergessenheit. Hier ist außer dem großen Reich Kanem-Bornu, welches die arabischen Geographen ebenso wie Gana und Mali regelmäßig erwähnen, auch die Staatenwelt der Hausa zu nennen, welche erst zu Beginn der Neuzeit in das Blickfeld fremder Autoren geriet. In der vorislamischen Zeit war Kanem, östlich des Tschadsees, bekannt als das Land des Volkes der Zaghawa. Hier herrschte das Geschlecht der Magumi unter Berufung auf ihre vorderorientalischen Ahnherrn Sef und Dugu. Wie in Gana so wurde auch in Kanem der Islam durch einen Konvertiten des alteingesessenen Herrscherklans eingeführt und nicht durch die Konversion eines heidnischen Herrschers. Ein weiterer Bruch erfolgte acht Jahre später, als Mai Hume (1068—80), der nur noch Sef als Ahnherrn gelten ließ, an die Macht kam und die Herrschaft der Sefuwa begründete; ihr Herrschertitel ist Mai. Inwieweit diese Ereignisse durch die Almoravidenbewegung des Westsudans beeinflusst wurden, ist ungewiss.
 
Der Prozess der Islamisierung verlief auch im Zentralsudan nicht geradlinig: Das wichtigste Symbol des sakralen Königtums, die Munestatue, wurde zwar von Mai Dunama Dibalemi (1203—42) zerstört, aber im Anschluss daran kam es zu einer Revolte der heidnischen oder nur oberflächlich islamisierten Bulala. Der nicht enden wollende Widerstand der Bulala zwang die Sefuwa zunächst, ihren Regierungssitz von Kanem im Osten des Tschadsees nach Bornu im Westen des Sees zu verlegen. Als die Bulala sich außerdem in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit den arabischen Einwanderern aus dem Niltal verbündeten, mussten die Sefuwa ihre alte Hauptstadt in Kanem, Njimi, endgültig aufgeben und sich ganz nach Bornu zurückziehen. Doch auch westlich des Tschadsees wurden sie von Angriffen ihrer Erzfeinde heimgesucht. Zudem zerrütteten Thronstreitigkeiten die Einheit des restlichen Bornustaates: Nach den Angaben der Chronik aus Bornu herrschten zwischen 1381 und 1455 insgesamt sechzehn Könige, von denen einige nicht zu den Sefuwa gehörten. Die meisten dieser Könige starben eines gewaltsamen Todes. Vieles deutet darauf hin, dass diese Kämpfe letztlich durch die Einführung des Islams ausgelöst wurden. Für die Magumi stellte sich wie für die Soso in Gana die Frage, wie das sakrale Königtum reformiert werden sollte, ohne dass es in seinen Grundfesten erschüttert wurde und der Staat als solcher zerfiel.
 
Erst Mai Ali Gaji konnte die Zerwürfnisse beilegen und eine neue Grundlage für das Verhältnis von Tradition und Modernität schaffen. Am Ufer des Flusses Komadugu errichtete er die befestigte Hauptstadt Gazargamo und gab damit dem Volk der Kanuri seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts erstmalig wieder eine feste Hauptstadt. Von hier aus dehnte er die Herrschaft der Sefuwa über die Hausastaaten aus und bedrohte sogar Kebbi im Grenzgebiet zu Songhai. Doch die Rückeroberung Kanems blieb seinem Sohn und Nachfolger Mai Idris Katakarmabe (1487—1509) vorbehalten. Stolz vermerkt der einheimische Chronist Ibn Furtu, dass nun endlich nach 122 Jahren die Sefuwa wieder ihre alte Hauptstadt Njimi betreten konnten.
 
Doch nach diesen beiden großen Königen gab es wieder Rückschläge. Mai Idris Alauma (1564—96) gelang es schließlich, die Herrschaft der Sefuwa so weit zu sichern, dass er die Pilgerfahrt nach Mekka antreten konnte. Er verstärkte außerdem das Korps der einheimischen Musketiere, welches schon sein Vorgänger mithilfe türkischer Instrukteure aufgestellt hatte. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem Stammgebiet der Sefuwa zu und organisierte sieben Heereszüge, um die Bulala zu unterwerfen. Gegen Ende seiner Regierungszeit gelang es ihm schließlich, die Bulala aus Kanem zu vertreiben und die Herrschaft Bornus durch die Einsetzung eines Statthalters zu sichern. Nur im Norden musste Mai Idris Alauma sich den Osmanen beugen, die nach ihrer Besetzung der Küstengebiete Nordafrikas bis in den Fessan vorstießen und dort die große Grenzfestung der Sefuwa in Besitz nahmen. Danach waren die Osmanen allerdings bestrebt, ihre Beziehungen zu den Nachbarn im Süden so zu gestalten, dass im Handel keine unnötigen Einbußen entstanden. An eine weitere militärische Expansion war jedenfalls nicht zu denken, denn im Gegensatz zu den Askia von Songhai waren die Sefuwa nicht untätig geblieben: Sie hatten Teile ihrer Armee mit modernen Waffen ausgerüstet und waren damit fremden Aggressoren nicht schutzlos ausgeliefert.
 
Prof. Dr. Dierk Lange
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
westafrikanische Militärstaaten (17. bis 19. Jahrhundert): Lohn der Gewalt
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
afrikanische Gesellschaften in der Geschichte: Aus dem Dunkel der Zeiten
 
Literatur:
 
Förster, Till: Kunst in Afrika. Köln 1988.
 
General history of Africa, herausgegeben von der UNESCO, Band 3 und 4. London u. a. 1984-88.
 Levtzion, Nehemia: Ancient Ghana and Mali. London 1973.
 Rouch, Jean: Contribution l'histoire des Songhay. Dakar 1953. Nachdruck Amsterdam 1968.


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